Landliebe
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Buchvorschau
Landliebe - Björn Schmalowski
Björn Schmalowski:
1978 in Bad Oldesloe (Schleswig Holstein) geboren, lebt in einem kleinen Ort in Schleswig-Holstein. Das ländliche Leben hat ihn nie abgeschreckt, und auch die Tatsache, dass ein schwules Leben in einer Großstadt einfacher ist, brachte ihn nicht dazu das Landleben auf zugeben. Nachdem der Versuch Landwirt zu lernen aus gesundheitlichen Gründen scheiterte und das Dasein als Bürokaufmann noch nicht alles gewesen sein kann, beschloss er zu schreiben
Himmelstürmer Verlag, part of Production House GmbH
Kirchenweg 12, 20099 Hamburg
www.himmelstuermer.de
E-mail: info@himmelstuermer.de
Photo by Thorsten Hodapp
Umschlaggestaltung: Olaf Welling, Grafik-Designer, AGD, Hamburg. www.olafwelling.de
Originalausgabe, März 2006
Digitale Version, Juni 2012
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages
ISBN print: 978-3-934825-55-9
ISBN E-pub: 978-3-86361-237-5
ISBN pdf: 978-3-86361-238-2
Björn Schmalowski
Landliebe
Inhalt
Der Neuanfang
Wo die Liebe hinfällt
Zweifel
Klare Verhältnisse
Good bye Mölln
Schlafmützen und Sklaventreiber
Gelbe Farbe oder war es Senfsoße?
L` amour toujours
Begegnung mit der dritten Art Dafne
Die Erntezeit
PI-AD…
Auszeit
Die Versöhnung
Du bist überall
Adressenwechsel und Kohlmeisen brüten im Sommer
Marzipantorte und andere Überraschungen
Wo liegt eigentlich Nordfriesland?
1 Der Neuanfang
Ich räumte den letzten Karton aus und schob mir eine Pizza in den Ofen. Das wäre geschafft. Es war schließlich nicht mein erster Umzug. Allerdings der Erste, den ich so ziemlich alleine bewältigt hatte und nun soweit weg von Zuhause .
Ach, soweit ist es ja nun auch nicht. Die Nordsee wird mir gut tun, da bin ich mir sicher. Morgen ist mein erster Arbeitstag an meinem neuen Arbeitsplatz. Ich hatte wirklich viel Glück, dass ich so ganz ohne Probleme nach Husum versetzt werden konnte. Ob das alles so gut ist, ich weiß es nicht. Die Zeit wird es zeigen. Nachdem ich meine Pizza, die übrigens nach allem, aber nicht nach Salami schmeckte, aß und meinen Teller in die Spüle stellte, zog ich mir meine Jacke an und ging noch ein wenig spazieren.
Meine Wohnung befand sich im ersten Stock eines Zweifamilienhauses in einem kleinen Ort bei Husum. Aus meinem Wohnzimmer konnte ich genau auf den Deich schauen. Die Nordsee ist jedoch noch mindestens einen Kilometer dahinter. Ich konnte mich nicht beklagen, ich hatte schon ein schönes neues Zuhause gefunden.
Nur schnell alles Vergangene vergessen! Wenn das man so einfach wäre. Aber ich schaffe das schon, ich habe schon ganz andere Sachen gemeistert.
Mittlerweile war ich den ganzen Wanderweg zur Nordsee herunter gelaufen, als ich rechts auf der eingezäunten Weide, wo wohl normalerweise Schafe laufen, einen jungen Mann auf seinem Trecker sah. Er wendete am Ende der Weide und fuhr genau auf mich zu. Er sah gut aus, mit seinem glattem markantem Gesicht, mein Alter, vielleicht ein, zwei Jahre älter. Ich musste schon sagen, voll mein Typ, in seinem grünen Overall.
Er bemerkte mein Interesse an seiner Person und lächelte mir zu. Ich lächelte verlegen zurück, und ich ging einen Schritt schneller, um aus seiner Sichtweite zu kommen. Schließlich fuhr er an mir vorbei, und es dauerte nicht lange, da war er mit seinem Trecker schon hinter dem Deich in Richtung Sophien Koog verschwunden.
Imponiert hatte er mir schon mit seinem Lächeln, das sich über seine ganze Wange ausbreitete und sein gutes Aussehen noch hervorhob. Na ja, er war eben nett an zu sehen. Mehr nicht !
Ich wollte so schnell keine Beziehung mehr eingehen, für die nächsten fünf Jahre hatte ich genug. Mit Rainer war ich fast vier Jahre zusammen gewesen, eigentlich eine ziemlich lange Zeit. Ob wir uns nun auseinander gelebt hatten, oder ob dieser arrogante Thomas jetzt der ausschlaggebende Punkt war, kann ich nach diesem ganzen hin und her gar nicht mehr richtig beurteilen. Ich mochte nicht mehr über dieses Desaster nachdenken. Es regte mich zu sehr auf.
Aber nun tat ich es doch wieder. Ich ärgerte mich über mich selber. Dieser gut aussehende Fremde kommt doch eh vom „richtigen Ufer" und hat mir lediglich zugelächelt. Das war alles! Eine anonyme Begegnung.
Ich glaube ich spinne, wenn ich wegen so etwas schon in der Vergangenheit rumwühle, na dann mal Prost Mahlzeit. Mich darf einfach nicht jede alltägliche Situation in ein Gedankenchaos stürzen lassen.
Mittlerweile war ich so aufgewühlt, dass ich es fast verpasst hätte am Deich links abzubiegen, in die geteerte, lange Auffahrt zu dem kleinen Neubaugebiet, in dem ich mir vor vier Wochen meine Zwei – Zimmer - Wohnung angeschaut habe und vor zwei Tagen eingezogen bin. Jetzt merkte ich erst wie müde ich doch eigentlich war.
Nach zwei Tagen hin und her Geschleppe, Kisten auspacken, die lange Fahrt hierher und höchstens vier Stunden pro Nacht Schlaf vielleicht doch ein bisschen viel. Gleich werde ich erst mal ein gemütliches Bad nehmen. Zum Glück hatte meine neue Wohnung eine Badewanne.
Als ich vor der Haustür stand und nach meinem Schlüssel wühlte, ging die Haustür auf und Herr Sahlmann, der junge Familienvater, trat ins Treppenhaus. Er wohnte mit seiner Frau und ihren drei kleinen Kindern unter mir. Er war wohl auf dem Weg zur Nachtschicht, denn er hastete mir entgegen.
Er hatte es eilig, sei schon viel zu spät dran, grüßte freundlich und lud mich zu sich nach Hause ein: „ Nächste Woche, abends, ein Bierchen, gemütlicher Klönschnack, wie wär’s?"
„Klar, danke gerne" rief ich ihm hinterher. Eigentlich hätte ich diese Situation gerne noch etwas herausgezögert, aber was soll’s, mit seinen Nachbarn sollte man sich gut stellen.
Was ich wohl antworten sollte, wenn er mich fragen würde, warum ich gerade hier in diese Einöde gezogen bin, ganz alleine, in einem Alter, wo man doch eigentlich auf wilde Partys, heiße Schnitten und Nächte, die erst morgens um sieben enden, steht.
Ich würde einfach die Wahrheit erzählen, wenigstens einen Teil davon. Ich stehe doch zu meinem Leben, oder?
Ich ging die Treppe zu meiner Wohnung hinauf, als das Telefon klingelte. Erst ging ich einen Schritt schneller doch als der Anrufbeantworter anging und ich hörte, dass es Rainer war, ich solle doch unbedingt mal zurückrufen, wäre wichtig, verlangsamte ich meinen Schritt wieder.
Der kann sich sein wichtig sonst wo hinschmieren, wenn ich ihm so wichtig gewesen wäre, dann würde ich mich jetzt wohl kaum hinterm Deich in dieser Gott verlassenen Gegend verkriechen, damit ich mir sein Geturtel mit diesem Thomas nicht mit ansehen brauchte.
Scheiße noch mal! Ich hatte mir so fest vorgenommen mich nicht mehr über dieses fiese A... aufzuregen. Woher hatte er eigentlich meine Telefonnummer, ich hatte sie ihm bestimmt nicht gegeben.
Na ja, egal. Nur nicht zuviel darüber grübeln. Das macht nur depressiv. Jetzt erstmal ein schönes, warmes Bad, das wird mir gut tun. Morgen ist mein erster Arbeitstag und da muss ich ja wohl fit sein. Ich schaltete mein Radio im Bad ein, um eine Geräuschkulisse im Hintergrund zu haben, und ließ das Badewasser ein. Ich muss wohl schon ein wenig eingeschlummert sein, als im Radio „With or Without you" von U 2 lief.
Unser Lied, dachte ich nur, sprang aus der Badewanne und gab dem Radio einen Schlag auf den OFF- Knopf. Lange hielt ich es nicht mehr in der Badewanne aus. Verärgert über mich selber trocknete ich mich ab, rollte mich in meinen Bademantel und ging ins Bett.
Geschlafen habe ich in dieser Nacht nicht viel. Weit bevor mein Wecker klingelte wachte ich auf und grübelte über alles und nichts.
Gegen halb sieben kam Herr Sahlmann von seiner Nachtschicht. Mindestens zwei der Schreihälse schrien schon wie hungrige Löwen. Ich hörte seine tiefe Stimme, die versuchte für Ruhe zu sorgen. Wenn das jetzt jeden Morgen so abgeht, krieg ich die Motten, dachte ich.
Ich sprang abrupt aus dem Bett und ging schlaftrunken ins Bad.
Waschen, Radio an, nein Radio lieber wieder aus. Ich beeilte mich, da ich am ersten Tag nicht zu spät kommen wollte. In der Hektik übersah ich die Pfütze, die sich auf dem Badezimmerboden gebildet hatte. Das war ein Fehler! Schnellen Schrittes trat ich hinein und – wutsch- küsste ich auch schon die Tür, die mich auffing. Ich federte zurück und landete mit dem Hosenboden auf meinem Läufer, der vor der Badewanne lag. Ein schöner Start in den Tag, Markus. Ich schnappte mir schnell zwei Scheiben Toastbrot und ab ging es Richtung Husum.
Ich war aufgeregt, weil ich nicht wusste was und wer mich erwarteten. In die Hose hätte ich mir machen können. Mein Herz schlug mir bis zum Hals auf der Fahrt zu meinem neuen Arbeitsplatz. Es war eine Geschäftsstelle des Landhandels, wo ich im südlichen Schleswig-Holstein zuvor schon drei Jahre im Verkauf tätig war.
Schließlich stand ich nun nach einer viertel Stunde Fahrt vor dem vierzig Meter hohen Getreidesilo. Ob ich nun wollte oder nicht, ich musste da jetzt herein, in das klein wirkende Haus neben dem Silo.
Meine zukünftigen Kollegen schienen auf den ersten Eindruck okay zu sein. Mein Schreibtisch befand sich im ersten Stock, etwas abseits vom ganzen Verkaufstrubel. Das gefiel mir ganz gut, so konnte ich mich in Ruhe einarbeiten. Für uns Mitarbeiter im Innendienst waren die Arbeitszeiten einfach genial. Wir hatten Gleitzeit von sechs bis achtzehn Uhr.
Ich nahm mir ganz zielstrebig vor, jeden morgen bereits um sechs Uhr anzufangen.
Ines, meine neue Kollegin, mit der ich mir das Büro teilen würde, war zwar rotzfrech, nicht nur Kollegen gegenüber, aber das schien niemanden zu stören.
Sie begrüßte mich mit einem freundlichen, aber knappen: „Moin, ich bin Ines, ich denke wir kommen gut miteinander aus. Wenn ich Dir zu dreist werde, schnauz einfach zurück."
Wir mussten beide lachen und mochten uns auf Anhieb. Sie erklärte mir den Ablauf im Betrieb, machte mir die Macken einiger Kollegen klar, und stellte mir Madame Telefonica vor, die Telefonanlage des Hauses.
Sie hatte sich Ihren Namen wirklich verdient, sie hieß so, beziehungsweise wurde so genannt, weil sie zickig, kompliziert und eigenwillig war. Sie machte ihrem Namen alle Ehre, wie ich noch feststellen sollte.
Wir verbrachten die Mittagspause zusammen und fuhren ins „Bella Italia" den besten und günstigsten Italiener Nordfrieslands.
Günstig war er wirklich, aber über Geschmack lässt sich ja bekanntlich streiten. Ines nahm eine Lasagne, und ich entschied mich für eine Nudelkombination, die aus vier verschiedenen Arten Nudeln bestehen sollte, entdeckt habe ich nur zwei Sorten, Spaghetti und Maccaroni.
Ines, von Anfang sehr gesprächig und offen, plapperte die ganze Mittagspause über, so dass ich den stillen Teil in diesem Gespräch übernahm.
So erfuhr ich, dass sie Tochter eines Landwirts in Sophien Koog ist und drei weitere Geschwister hat. Ihre ältere Schwester Meike war verheiratet mit Michael, der mit seinen Eltern ein Fotostudio in St. Peter Ording betreibt. Zur Tante hatte Meike Ines auch schon gemacht. Klein Lucas wurde im Herbst zwei Jahre alt. Ihr kleiner Bruder Marc studiert Medizin und der Ältere, Christian, der den landwirtschaftlichen Betrieb einmal übernehmen werde, hatte sich gerade von seinem Freund getrennt. War sowieso ein garstiger Kackvogel!
Mir blieb eine Makkaroni quer in der Speiseröhre stecken, so dass ich nach Luft ringen musste. Das halbe Restaurant drehte sich zu uns um und fixierte mich. Sie hielten uns wohl für ein streitendes Pärchen. Ich hatte mich gerade einigermaßen unter Kontrolle, als Ines ziemlich lautstark brüllte:
„Ey, so spießig siehst Du gar nicht aus. Ist ja krass".
Um nicht in eine noch peinlichere Situation zu geraten, musste ich mich dieser Person, die ich nicht mal einen Tag lang kannte, wohl outen. Zögerlich und verlegen begann ich mich zu rechtfertigen.
„Ach das ist ja ein Zufall ... ich ..., ich ..., habe mich auch..., ich meine ich lebe auch erst seit zwei Wochen wieder alleine ..., ich bin auch schwul."
So nun war es raus.
„Ist ja abgefahren meinem Bruder sieht man das auch überhaupt nicht an, das er vom anderen Ufer kommt, bei dir hätte ich das auch nicht gedacht."
So nun wusste wohl das ganze Bella Italia, dass ich schwul bin und nicht danach aussah. Na Prima!
Das war zu viel für mich. Ich fühlte mich als säße ich nackend auf meinem Platz.
„Kannst du vielleicht auch in Zimmerlautstärke sprechen, das muss doch nicht die ganze Stadt wissen."
Ines war es nun sichtlich unangenehm in welche Situation sie mich da gerade gebracht hatte. Sie merkte es recht spät, entschuldigte sich für Ihre Tölpelhaftigkeit. Kurz später lachten wir so herzhaft über dieses nicht ganz freiwillige Outing, dass wir schon wieder die Aufmerksamkeit aller auf uns zogen.
Wir zahlten und beschlossen auf dem Weg zurück zur Firma uns erst einmal nicht wieder im Bella Italia blicken zu lassen. Ines versprach mir im Betrieb nichts von dem zu erwähnen, was sie kurz zuvor über mich erfahren hatte. Außerdem sollte sie auch ihrem Bruder vorerst nichts erzählen. Ich wollte erstmal auf Tuchfühlung gehen, wie die Leute hier dazu standen. Ich bezweifelte zwar stark, dass das gut ging, aber sie gab ihr Wort drauf.
Die ersten Wochen vergingen wie im Fluge. Bereits nach kurzer Zeit hatte ich mich im Betrieb bestens eingelebt. Das Arbeitsklima war prima und mein neues Arbeitsgebiet gefiel mir auch gut. Privat verlief auch alles ruhig, Rainer hatte es nach fünf weiteren Versuchen über mein Anrufbeantworter Kontakt zu mir aufzunehmen mittlerweile aufgegeben. Meine Eltern bzw. meine Mutter hatte es auch schon zweimal geschafft sich daran zu erinnern, dass sie einen Sohn haben den man ab und zu mal anrufen könne. In der letzten Aprilwoche fragte mich Ines, ob ich nicht Lust hätte am letzten Apriltag mit zum Maifeuer nach Fehmarn zu kommen.
Es wäre noch kurzfristig ein Platz frei geworden und das wäre eine Sache, die dürfte man nicht verpassen. Sie könnte ja gleich den Andreas in der Firma anrufen, der organisiere nämlich das Ganze und die Gefahr, das der frei gewordene Platz wieder vergeben sei, wäre ziemlich groß. Alle meine Einwände halfen nichts, auch das Argument, ich kenne doch eh keinen, zog nicht.
Ines rief also diesen Andreas an,