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Die Ws: Eine gezwillingte Männerfreundschaft
Die Ws: Eine gezwillingte Männerfreundschaft
Die Ws: Eine gezwillingte Männerfreundschaft
eBook271 Seiten3 Stunden

Die Ws: Eine gezwillingte Männerfreundschaft

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Über dieses E-Book

Rosmarie verarbeitet das Trauma des verlorenen Vaters auf ungewöhnliche Art und Weise. Sie verändert die äußere Erscheinung ihre Partner, bis sie dem Vater gleichen. Was Rosmarie dabei nicht bedenkt, ist, dass ihre Partner sich zufällig begegnen könnten. Das passiert gleich zu Beginn des Romans während der Uraufführung eines Stückes im kleinsten Theater der Stadt. Rosmarie, ihr derzeitiger Mann Viktor und ihr verflossener Mann Valentin, beide mit weichem "W", doch für sie mit einem harten "F" gesprochen, treffen sich in der Pause. Daraus entspinnt sich eine amüsante Geschichte mit vielen Wendungen: erst Erstaunen, dann Ratlosigkeit, dann Annehmen der Situation bis hin zum Zwillingwerden der beiden Protagonisten. Fast zur Katastrophe kommt es, als Rosmarie sich den Dritten wählt, Vinzenz, auch er mit harten "F" gesprochen. Dass es noch die Mutter Sophia und die pubertierende Tochter Susy gibt, macht das Beziehungsgeflecht nicht einfacher. Der ganze Roman ist eine Kette überraschender Begebenheiten.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum8. Sept. 2016
ISBN9783738083699
Die Ws: Eine gezwillingte Männerfreundschaft

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    Buchvorschau

    Die Ws - Hans Landthaler

    Inhaltsverzeichnis

    Vorwort

    Nachdem Rosmarie ihren Liebsten verloren hatte, fand sie nach aufmerksamer Sucherei einen Mann, bei dem es sich lohnte, ihn so zu gestalten, zu manipulieren, zu zwillingen, dass er ihrem Verlust nahe genug kam, um ihn als Liebgeber zu akzeptieren. Doch als der Verflossene zu ihr zurückkehrt, verließ sie augenblicklich sein Double. Nach fünfzehn Jahren begegnen sich die beiden Männer und aus der Verblüffung der Ähnlichkeit wurde Liebesfreundschaft, die mich beim Schreiben tränig, schmunzlig, lachend, zärtlich stimmte. Die Erkenntnis daraus: „Das Schwierige an den Männern ist, dass sie so verdammt einfach sind!"

    Hans Landthaler

    Erstes Kapitel - Valentin Viktor zum Ersten

    Drei Frauen, mittleren Alters, schlagen mit drei Kissen auf einen Mann ein, der stoisch telefoniert, mit lässigen, fahrigen Handbewegungen die Frauen abwehrt, als vertreibe er lästige Fliegen.

    Was für ein aufgesetzter Blödsinn, denkt Walé, seine Knie schmerzen, strahlen hinab bis in die Füße. Was für ein Blödsinn, und der Hautausschlag auf Brust und Rücken juckt gerade noch erträglich.

    Eine Verpflichtung gegenüber seinem alten Freund Ludewig – 85 – sonst hätte ihn heute niemand und nichts aus dem Haus gebracht.

    Alle paar Minuten greift Walé in seine Anzugtasche, kramt eine Tablette hervor, zerkaut sie gegen sein Sodbrennen. So ein Blödsinn, und er sehnt sich nach einem Glas, dieses fruchtigen, trockenen, Pfirsich aromatischen Weißwein, der ihm dieses Sodbrennen verschafft und sein Ohrinneres kribbeln lässt.

    Ludewig, schon mehr tot als lebendig, hat sich endlich den Traum erfüllt, ein selbstverfasstes Theaterstück aufführen zu lassen. Im kleinsten, muffigsten Theater der Stadt, mit einer Akustik, als spräche man aus einer Holzkiste. Der Geizhals, denkt Walé, und was für ein Blödsinn, nun jagt der endlich austelefonierte Mann, die drei Frauen mit einem Kissen über die Bühne, und Walé muss sehr aufrecht sitzen, Bandscheibend entspannend.

    Was hätte er alles tun können in diesem Abend?

    Später wird er Ludewig gratulieren und diese Blödheit von sich geben, warum der nicht schon längst Theaterstücke… und Geheuchel und Blödsinn. Wenigstens wird es Weißwein geben in der Pause, falls er bis dahin durchhält.

    Walé überlegt, dass er sich die kompletten lyrischen Klavierstücke von Grieg hätte anhören können, sich dabei Brust und Rücken sanft kratzend. Endlich Beauvoirs Buch über das Altern weiterlesen auf dem Balkon. Er hätte seine neusten Fotovergrößerungen in Passepartouts schneiden können oder einfach mit einem Bier in der Hand in der Wohnung herumgehen und sie schön finden. Stattdessen, sitzt er eingezwängt von Bekannten und bekannten Gesichtern in diesem Elendsschuppen mit schmerzenden Knochen und es tränen ihm die Augen, so stark muss er einen Hustenanfall unterdrücken. Er ist sich nicht ganz sicher, neigt seinen Oberkörper soweit zur Seite, wie es sein Sitznachbar zulässt, erkennt klar, deutlich Rosmarie im Profil. Rosmarie.

    Walé beschließt, sich dem Stück zu entziehen, sich zurückzudenken, an die Zeit mit Rosmarie.

    15 Jahre hat er schnell errechnet, 15 Jahre liegt die Zertrennung zurück. Von einer Minute zur andern, aus, sich nicht mehr besehen. Doch, in 15 Jahren zweimal und zufällig. Mit einem Kind an der Hand begegnete sie ihm. Kurze Worte, Wundernis, scheue Blicke, das Kind allerdings musterte ihn mit offenem Munde. Das zweite Mal, Rosmarie und nun Tochtermädchen, beide auf Fahrräder, vier oder fünf Jahre später. Ein schmales Gespräch und wiederum staunendes Betrachten des Mädchens an Walé.

    Damals, nach langer selbstgewählter Liebesabstinenz, genoss Walé nach ihren ersten Rendezvous die Liebenswürdigkeiten Rosmaries, deren er sich nicht erwehren konnte. Mit Rosmarie kam sein Selbstvertrauen zurück. So sehr versetzt sich Walé in die Vergangenheit, dass er die Augen schließt, seine Arme über der Brust kreuzt, die Schultergelenke in die Arme nimmt, streichelt, massiert, in diesem Wohlbefinden eintaucht in die Vergangenheit.

    Gesehen, gefühlt hat er sogleich ihre Besonderheit. Ernst, spaßig, labil, konkret, laut und leise. Frau und Mädchenspiel, Kunst, Kitsch, Vernunft, Leichtsinn und kompromisslose Leidenschaft. So sehr sich Walé auch anstrengte, war und blieb er für Rosmarie das Enfant Terrible, das an der Hand genommen werden musste, umarmt, umgarnt, sexuell neu eingestellt, motiviert für ihre Bedürfnisse einer Partnerschaft. Erst einmal empfand Walé Rosmarie zu kräftig in ihrer gesamten Erscheinung. Kräftig, schön und kräftig. Kräftig im Geiste, athletisch der Körper. Doch ihre Gliedmaßen im Einzelnen besehen, waren anmutig. Kindlich ihre Beine und Füße, babyhäutig, milchfarben, unfertige, wächserne Fingernägel auf sehr erwachsenen Fingern der Hände. „Amazonenelfe" so Walé. Burschikos, kerlig im Auftreten, doch wenn sie wollte, divate sie im Seidenkleide, das lange, ebenholzschwarze Haar zu einem Lackzopf geflochten, der wie ein Pendel ihren kräftigen Gang im Gleichgewicht hielt.

    Er hatte körperlich keine Chance gegen Rosmarie. Des Öfteren rang sie ihn spaßeshalber nieder, setzte sich auf ihn, nagelte quasi seine Hände mit ihren Knien am Boden fest. Beküsste Walé, leckte sein Gesicht, mochte er auch noch so zappeln, lies ihn erst frei, wenn er in Liebe schwor, dabei in ihre Augen sehen musste. Walé war gerade dabei, das Hymen vom Schlaf zum Wachen zu überwinden, als die Pausenklingel ihn aus dem Abendtraum schrillt. Alles applaudiert, auch Rosmarie. Ihr nun kurzes Haar wippt im Nacken. Walé bekommt die Hände nicht von den Schultern, also geht er, die Arme vor sich verschränkt in die Pause, trifft genau im Türrahmen zum Foyer auf Rosmarie, die ihm die Hände von den Schultern nimmt, um ihn mit einer davon zu begrüßen. Sie sieht genauso aus, wie er sie in Erinnerung hat, die Pagenfrisur formt ihr Gesicht aber runder. Dicht hinter ihr überragt ein hagerer Mädchenkopf den ihren. Rosmarie und Walé beküssen sich ein wenig linkisch, und er nennt sie, in seiner Verdutztheit, Rosmarin, wie er sie hieß, als sie in Liebe waren, worüber das Mädchen kichert. Das dünne Mädchen tritt neben die Mutter, stellt sich vor, „Susy singt eine kleine Stimme und eine schmale Hand streckt sich ihm entgegen. „Susanne verbessert Rosmarie. „Walé erwidert er, „Falentin berichtigt Rosmarie. Susy flüstert ihrer Mutter etwas ins Ohr, die nickt kaum merklich. Susy danach Walé starr und großäugig betrachtet. Walé denkt, ob Susy nun weiß, dass er der Ex-Geliebte der Mutter ist.

    Susy staunt, dass dies der Ex von ihrer Mutter ist. Rosmarie findet, dass Walé korpulent geworden und es eine blöde Situation ist, schickt Susanne los, um Wein für Walé zu holen, und der nimmt prophylaktisch eine Sodbrennen-Tablette, worauf Rosmarie bemerkt: „Ach gibt es die auch noch!" Walé, gerade im Begriff zu sagen, dass es doch nicht nötig gewesen, Susy um Wein zu schicken, obwohl er danach lechzt, wird von Rosmarie jackenärmelig beiseite gezogen und sie beschwört ihn, nicht auszuflippen, egal was nun auch geschieht.

    Walé wünscht sich nachhause. Rosmarie ellenbogent ihn in die Seite, um seine Aufmerksamkeit zu stärken. Walé sieht die lange Susy, die sich noch verlängert, indem sie einen Arm in die Höhe streckt, in der Hand das Glas Weißwein. Sie rollt mit den Augen, deutet mit Kopfbewegungen vor und unter sich, auf einen älteren Herren, der ziemlich ungeschickt drei Gläser in zwei Händen trägt, sekttropfend direkt auf sie zu steuert. Walé vermutet, dass er Rosmaries Mann ist, und als die das nun sagt, weiß er es genau. Ein bisschen kreuzunter, kreuzüber bis die Gläser verteilt.

    „Walé sagt Walé. „Falentin berichtigt Rosmarie und verbessert auch gleich ihren Mann, der sich mit „Wiktor vorstellt, mit einem harten „V, es klingt wie „Fiktor", was Susy bekichert.

    Die beiden Männlichkeiten lassen sich nicht aus den Augen, selbst nicht während des Trinkens. Wiktor und Walé stehen sich tief berührt gegenüber, bringen dennoch ein amüsiertes Lippenlächeln zustande und als Susy nicht mehr an sich halten kann und hervor sprudelt „Mama die sehen völlig gleich aus" haben Walé und Wiktor das schon längst begriffen. Es ist allerdings erstaunlich, fast unglaublich, wie die beiden sich gleichen. Von vorne, im Profil, von hinten, selbst von oben.

    Sie haben das graue Haar millimetrig geschoren, Geheimratsecken bis in die Kopfmitte, eher einen, „Sieben-Tage-Bart, schwarzgrau meliert. Die Pupillen, haselnussbraunig, die Augen eng zusammen, tief im Kopf, Schlupflider, die sie träge blicken lassen. Reichlich Nase, leicht gebogen, rund, fleischig, wie die Lippen. Ein Ich-weiß-was-ich-will-Mund. Ein trotziges, kindliches Kinn, kräftiger Hals, leicht abstehende Teddyohren. Aufrecht, gerade in der Haltung, die Schultern etwas arrogant nach rückwärts gezogen, so dass die Brust sich weitet. Ein Bäuchlein, das im Sitzen wahrscheinlich zum Bauch wird. Starke, dennoch schmale Hände, mit kräftigen Aderflüssen auf den Handrücken, schwarz behaart. Lange Beine, leicht o-ig, auffallend kleine Füße, direkt unnormal. Geschätzte Höhe 175 cm, ein jeder so um die 80 Kilo im Gewicht. Zwei sympathisch, ältere Herren, die im Einzelnen unauffällig, im Doppel allerdings Blicke auf sich ziehend.

    59 Walé, 63 Wiktor, der aber jünger, unverbrauchter, während Walé ein wenig abgenützt wirkt. Rosmarie im verlegenen Amüsement hält sich die Hand vor den Mund, gluckst dahinter Gelächter in sich, beküsst abwechselnd die Gleichlinge und Susy hi, hit fortwährend vor sich hin, in wechselnder Lautstärke. Ihr gefällt die Situation außerordentlich prima, die Kichernis brodelt in ihrem Bauch und da sie dies Gefühl so noch nie erlebt, kostet sie es aus, bis zur Ziegenmeckerei, was wiederum die anderen außerordentlich belustigt, die in Befreiung ablachen. Lachquartett.

    Unschlüssig stehen die Vier, als die Pausenglocke schrillt, im Strom der Zuschauer. Susy ist es wiederum, die die Situation klärt, auffordert, auf keinen Fall in die Langweile des Stückes zurückzukehren, was erleichtert angenommen wird. Sie haben so eilig das Theater verlassen, dass sie noch die Gläser in den Händen halten, der Inhalt reicht sogar noch, um abermals an zu stoßen. „Prost, „Prost, „Prost, „hi, hi…

    Immer und nochmals besehen sich die beiden Männer, so unauffällig wie möglich, rauf und runter scannen sie den anderen. Rosmarie fröstelt es, weil sie daran denkt, dass man Aufklärung von ihr fordern wird. In Wiktor breitet sich ein mit Eifersucht angehauchtes Unverständnis aus. Aus Walé ist die plötzliche Überraschung noch nicht gewichen, er bläst sie hörbar aus den Nasenlöchern, schüttelt ungeniert den Kopf dazu. In die entstandene Pause, um zu überlegen, was zu tun, schlägt Susy vor: „Gehen wir einfach ins Harlem". Natürlich kennt auch Walé s`Harlem, allerdings war er seit der Trennung von Rosmarie nur einige Male dort, aus Unwohlsein ihr zu begegnen. Rosmarie und Familie sind Stammgäste, in dem gemütlichen Gartenlokal. S‘Harlem seit 1967 ein uriges Lokal, in einer ehemaligen Flüchtlingsbaracke, die wieder und wieder renoviert der Zeit trotzt. Von Studenten gegründet als autonomes Begegnungszentrum, inmitten einer Kleingarten Anlage, umzingelt von gemütlichem Spießertum, am Rande der Südstadt. Kleinkunst, tägliche Livemusik, das attraktivste allerdings sind die rund um die Uhr warmen Speisen.

    Beschlossen. Der Gang zum Auto der Rosmariens wird von Schweigen begleitet. Wiktor lässt sich von Susy behängen, Rosmarie und Walé nehmen so weit voneinander Abstand, wie das Trottoirs es zulässt. Die Männer rätseln insgeheim, wie es möglich ist, dass ein Ebenbild existiert. Susy freut sich auf das heiße Fladenbrot und dass sie möglicherweise einen zweiten Vater. Rosmarie wäre gerne mit Walé allein, um klärend mit ihm sprechen zu können. Walé fragt sich, warum er kein Sodbrennen kriegt, schwört, dass Rosmarie das Auto fährt.

    Rosmarie lenkt den Van, die Familienkutsche. Wiktor neben seiner Frau, Susy, Walé dahinter. Als Rosmarie das Anschnallen einfordern will, hat es Susy schon geträllert, hilft Walé mit dem Gurt und ihre Gesichter kommen sich zum Nasenberühren nah. Beide denken an einen Nasenstüber, belassen es aber bei einem Nasenrümpfen.

    Frei sprechen Frau und Mann im Fond des Autos über das Alterswerk von Ludewig, sind sich einig, dass es gut für ihn ist und anderen nicht schadet. Wiktor fasst Rosmarie in den Nacken, massiert ihn hinauf bis zum Haaransatz. Eine Geste, so empfindet Walé, die große Zuneigung, Vertrauen in Sicherheit birgt. Rosmarie schenkt Walé keinen Blick durch den Rückspiegel. Walé wundert sich, weil nicht über die frappante Ähnlichkeit gesprochen wird. Susy hat sich die Brille über die Stirn in die Haare geschoben, besieht sich ihr Vis-à-vis unbekümmert, mit verkniffenen Augen. Wiktor dreht sich ein wenig steif nach hinten, weil gegurtet, fragt Walé, ob sie eventuell verwandt. Der zuckt die Schultern, deutet auf Rosmarie, die zeigt den beiden einen Vogel. Susy feixt, ob Walé vielleicht ihr Onkel sei, und Wiktor will wissen, wo und wann er geboren wurde, und gerade als Walé antworten will, singt Susy: „Wir sind da, ha."

    Als klobiger Schatten erkennbar, in völliger Dunkelheit, s`Harlem. Vier Stimmen stöhnen im Gleichklang „Ruhetag und Susy schiebt ein „Scheiße hinterher.

    „Ja, das war’s dann wohl", stellt Rosmarie mit Erleichterung in der Stimme fest. Wiktor beschließt souverän, dass sein Zwilling nachhause gebracht wird. Walé ist froh, bei dem Gedanken an sein Heim, dass er im Überschwang vorschlägt, doch noch auf einen Kaffee mit hinaufzukommen. Susy ist in Jubelei, denn sie könnten doch noch Pizzi bestellen und… Rosmarie wiegelt ab, weil morgen Montag ist. Walé und Wiktor beschmunzeln sich, bevor sie sich beküssend verabschieden.

    22 Uhr 17. Susy ist sofort in ihrem Zimmer verschwunden, Rosmarie blieb im Erdgeschoss, um noch zu büroen für Morgen, Montag. Wiktor hat im Esszimmer für ein spätes Abendessen gedeckt, antipastit den Tisch voll und als nach mehrmaligen Auffordern niemand erscheint, zieht auch er sich zurück, in sein Zimmer, lässt sich in den Sessel sinken, trinkt das Glas Weißwein leer, das er am Nachmittag stehen ließ, verspuckt die Fruchtfliegen, schenkt nach, wird steifkörperig, pelzig im Kopf, hat Walé vor Augen. Walé. Er denkt, wie es möglich sein kann, dass Rosmarie mit einem Mann befreundet ist, der ihm äußerlich so ähnlich. Natürlich ein Zufall. Da ist er sich sicher. Aber warum hat sie ihm nie von Walé erzählt? Wiktor ist klar, dass Walé von ihm wusste, weshalb die Überraschung der Begegnung nicht so groß war wie für ihn. Aber, ob er von der Ähnlichkeit gewusst hat? Warum sind sie sich nicht vorher schon begegnet? Weshalb hat Rosmarie ihn geheim gehalten? Wieso spricht sie nicht einfach mit ihm darüber, anstatt im Büro zu schmollen?

    Knarzt die Tür, Susys Kopf erscheint im Zimmerdämmerlicht, sie besieht sich ihren Vater skeptisch, schlägt in kleinteuflischer Lächelei vor: „Rufen wir ihn einfach an!". Sie streckt durch den Türspalt einen weißhellen Zettel.

    „Und - wo hast du die Nummer her?"

    „Er hat sie mir gegeben."

    Sie tritt ein, mit langen, dünnen Beinen, die aus einem vergilbten Basketballshirt staken, reicht Wiktor das Papier, will ihm das Weinglas abnehmen, was er sich verwehrt, und so trinkt sie aus der Flasche. Und weil er keine Lust hat, sie zu maßregeln, lässt er sie, streckt sein Glas hinzu, bekommt nachgeschenkt.

    Ob ihre Mutter denn nie etwas erzählt, ob sie nie Fotos gesehen habe, fragt er und Susy antwortet; „Gaaar nix!" Ob sie vergessen habe, dass sie Walé zweimal kurz begegnet sei.

    „Soll ich, ihn anrufen?" fragt sie.

    „Bist du völlig verrückt?" empört sich Wiktor.

    „Das mit euch beiden, glaubt kein Schwein", sagt Susy in den Raum, indem sie herumtänzelt.

    „Es widerstrebt mir, ihn an zu rufen".

    „Weil du mehr Schiss hast als Neugierde".

    „Gut gesagt, mein Kind, und es stimmt".

    „Ruf ihn an! Ruf ihn jetzt an!"

    „Nicht wenn du dabei bist."

    In hämischer Schalkhaftigkeit windet sie sich durch die Tür, stößt in ihre Mutter, die wissen will, was die beiden treiben, deutet auf die Weinflasche in Susys Hand.

    Rosmarie geht auf Wiktor zu, fragend, skeptisch im Blick, nimmt ihm das Weinglas aus der Hand, leert es in einem Zug, umrundet ihren Mann, drückt ihm den Zeigefinger auf die Brust, fragt hämisch, ob er eine Erklärung verlange. Er verlange keine, würde sich aber über eine freuen. Wiktor denkt, dass er die Situation auskosten würde, wenn er an ihrer Stelle. Rosmarie tut dies. Sie baut sich in ihrer ganzen Sportlichkeit vor ihm auf, verschränkt die Arme vor dem Busen, legt eine lange Kunstpause ein, in der sie Wiktor fixiert, um endlich zu fragen, ob er wissen möchte, was es mit Valentin auf sich habe. Natürlich ist er begehrlich, es zu erfahren, dennoch sagt er, dass es ihm eigentlich egal sei, aber wenn es für sie wichtig wäre, so solle sie ruhig erzählen. Wow, das hat gesessen, das hat sie nicht erwartet, aber er ist sich nicht sicher, ob seine gespielte Wurstigkeit klug war. Sie wendet sich langsam von Wiktor ab, sagt mehr zu sich selbst, wenn es ihm egal sei, dann sei es ja gut, dann könne man zu Nacht essen. Auf dem Weg ins Esszimmer fragt sie sich, wieso Wiktor so unberührt bleibe, als wäre nichts geschehen und ob er mehr wisse, und wenn, woher und wie lange schon und wie sie reagieren solle. Einfach gute Miene zum blöden Spiel beschließt sie, beginnt zu speisen.

    Susy ist schon mitten drin, legt sich eine Olive nach der anderen auf den Daumennagel, pfetzt sie über den Zeigefinger in die Luft, fängt sie mündlich, spuckt die Kerne in die hohle Faust, trinkt provozierend aus der Rotweinflasche, sieht ihre Mutter erwartungsvoll an. Wiktor belegt einen Dessertteller mit eingelegtem Gemüse, züpfelt eine Rosenblüte aus Parmaschinken dazu, offeriert ihn Rosmarie, die ihn ablehnt, sofort von Susy angenommen wird, sie aber nicht gleich in den Genuss kommt, denn Wiktor schickt sie um Wein in die Küche. Rosmarie wusste, dass einmal die Begegnung der beiden Männer fällig war, aber es hat sich solange hingezogen, dass sie überhaupt nicht mehr daran gedacht hatte. Und dann genau ist es geschehen. Sie würde zu gerne wissen, was Wiktor darüber denkt und erst Susy, die angefüllt mit Pubertät. Susy die den Wein geöffnet, süffelt wiederum aus der Flasche, weil sie es geil findet, dass man sie heute nicht dafür rügt, hofft, dass es ein feuriger Abend wird, mit ausgezeichneter Schreierei, Tränen und all sowas.

    Rosmarie hat sich inzwischen überlegt, will sich in diesem Abend keinem Gespräch aussetzen, noch dazu mit Susy, verkündet, dass sie zu ihrer Mutter geht, um dort zu übernachten. Susy, die nicht erstaunt ist über die Flucht ihrer Mutter, bestimmt, die Hände in die mageren Seiten gestützt, Schlafzimmerblick: „Wir besaufen uns jetzt Fiktor", der lacht, weil er weiß, was nun folgt. Susy nimmt einen Schluck Wein, presst ihre Lippen auf Wiktors, spritzt einen feinen Strahl in seine Mundhöhle. Desgleichen umgekehrt und Gekicher, Gepruste, Rotweinschweinerei über den Tisch. Immer, wenn Rosmarie, die Familie geflohen, folgte dies Ritual, das die-verlassenen-Vogelkinder-füttern-sich-selbst heißt, natürlich normalerweise nicht mit Rotwein.

    „Bist du nicht gerade verrückt neugierig, was es mit Walé auf sich hat?"

    „Aufgeregt bin ich und neugierig natürlich."

    „Eifersüchtig?"

    „Nein. Dazu ist er mir zu sympathisch. Wenn er mir unsympathisch wäre, irgendein Vollidiot, dann würde es mir vielleicht etwas… Ach, ich weiß nicht."

    „Und die Ähnlichkeit?"

    „Ja, das ist doch das Frappante."

    „Weißt du, dass er sie Rosmarin nennt?"

    „Gute Idee! Wie er wohl darauf gekommen ist?"

    „Rufst du ihn an?"

    „Heute bestimmt nicht mehr, für heute ist es genug."

    „Was denkst du, was er denkt?"

    „Er war auch überrascht, gleichzeitig erfreut,

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