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Save Me Not
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eBook489 Seiten7 Stunden

Save Me Not

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Über dieses E-Book

Sie späht hinter der Kamera hervor, sieht ihn an. Und zum ersten Mal leuchtet die Welt ohne die Linse.

Neben ihren drei Jobs und ihren Geschwistern bleibt Maddie keine Zeit mehr für das, was sie liebt: Die Fotografie. Wenn sie die Band ihrer Freunde ablichtet, fühlt sie sich am freisten. Hinter der Kamera ist sie ganz sie selbst, ohne die Verantwortung, die sie sonst tragen muss. Doch Maddie hat sich damit abgefunden, dass sie von ihrem Hobby niemals leben könnte. Bis Theo in ihr Leben tritt. Theo, der Fotograf ist und sie zum ersten Mal in ihrem Leben glauben lässt, dass sie mehr kann als Kellnern. Theo, der mehr Geheimnisse als sie hat und nur Spaß fürs Bett sein sollte. Theo, der ihr Herz höher schlagen lässt ...
SpracheDeutsch
HerausgeberBookmundo Direct
Erscheinungsdatum24. Juni 2023
ISBN9789464852769
Save Me Not

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    Buchvorschau

    Save Me Not - Alina A.E. Maurer

    ALINA A.E. MAURER

    Save Me Not

    INHALT

    Die Autorin

    Playlist

    1. Kapitel

    2. Kapitel

    3. Kapitel

    4. Kapitel

    5. Kapitel

    6. Kapitel

    7. Kapitel

    8. Kapitel

    9. Kapitel

    10. Kapitel

    11. Kapitel

    12. Kapitel

    13. Kapitel

    14. Kapitel

    15. Kapitel

    16. Kapitel

    17. Kapitel

    18. Kapitel

    19. Kapitel

    20. Kapitel

    Epilog

    Danksagung

    Inhaltswarnung

    Forget Me Not (Band 1)

    Love Me Not (Band 2)

    DAS BUCH

    Neben ihren drei Jobs und ihren Geschwistern bleibt Maddie keine Zeit mehr für das, was sie liebt: Die Fotografie. Wenn sie die Band ihrer Freunde ablichtet, fühlt sie sich am freisten. Hinter der Kamera ist sie ganz sie selbst, ohne die Verantwortung, die sie sonst tragen muss. Doch Maddie hat sich damit abgefunden, dass sie von ihrem Hobby niemals leben könnte. Bis Theo in ihr Leben tritt. Theo, der Fotograf ist und sie zum ersten Mal in ihrem Leben glauben lässt, dass sie mehr kann als Kellnern. Theo, der mehr Geheimnisse als sie hat und nur Spaß fürs Bett sein sollte. Theo, der ihr Herz höher schlagen lässt ...

    DIE AUTORIN

    Ein Bild, das Person, drinnen enthält. Automatisch generierte Beschreibung

    Alina A.E. Maurer wurde 1999 geboren und lebt und atmet Bücher seit ihrer Kindheit. Wenn sie nicht schreibt, ist sie mit ihrem Hund draußen in der Natur. Ihre Leidenschaft für England hat sie für ein Semester nach Birmingham gebracht, wo sie Kreatives Schreiben studiert hat. Sie lebt mit all ihren Büchern im schönen Mainz am Rhein. Auf Instagram tauscht sie sich unter @alina.a.e.maurer mit anderen Bücherliebhaber:innen aus.

    Mehr Informationen auf www.alinaaemaurer.de

    © / Copyright: 2023 Alina Anneliese Elisabeth Maurer

    Originalausgabe 2023

    Umschlaggestaltung, Illustration: Alina Maurer

    Buchsatz: Alina Maurer

    Herstellung und Verlag: Bookmundo, Mijnbestseller Rotterdam

    Autorinnenfoto: Nadja Jobst

    Alina Maurer

    c/o autorenglück.de, Franz-Mehring-Str. 15, 01237 Dresden

    info@alinaaemaurer.de

    ISBN Taschenbuch: 978-9-403-68414-7

    Dieses Buch ist auch als eBook verfügbar

    Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

    Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

    Liebe Leser:innen,

    In Save Me Not verarbeite ich sensible Themen, die potenziell triggern können. Eine vollständige Inhaltswarnung findet ihr am Ende des Buches. Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch.

    Ich wünsche mir für euch nur das bestmögliche Leseerlebnis. Passt auf euch auf und sorgt für euch!

    Eure Alina

    Für Paps, weil du mir Träume in die Hand gibst. Und für Moml, weil du die Träume immer mit mir siehst.

    PLAYLIST

    Alone Together – Fall Out Boy

    Notion – The Rare Occasions

    Kill Your Heroes – AWOLNATION

    Use Somebody – Kings of Leon

    Born For Greatness – Papa Roach

    Little Lion Man – Mumford & Sons

    Inner Cinema – KYTES

    Forget Tomorrow – Mighty Oaks

    Numb – Linkin Park

    New Estate – Giant Rooks

    Nobody Move, Nobody Get Hurt – We are Scientists

    I Don’t Want To Be Here Anymore – Rise Against

    Dice – Leoniden

    Could Have Been Me – The Struts

    Read My Mind – The Killers

    Empire – Of Monsters and Men

    My Body – Young the Giant

    Stay – Thirty Seconds to Mars

    Stubborn Love – The Lumineers

    1. KAPITEL

    Theo

    »The best pictures are uninvited. They are suddenly there in front of you.« – Jane Bown, britische Fotografin (1925 - 2014)

    Seine Kameras sind sein Leben. Ohne würde er in tausende Stücke zerspringen, kleine Pixel ohne Rahmen. Ohne Halt und ohne Grund. Mit der Kamera in der Hand ist er sicher, fest vertäut mit der Erde. Ein stiller Beobachter der Wunder um ihn herum. Der kleinen Momente, die andere oft übersehen. Die für ihn jedoch der größte Schatz sind.

    Vorsichtig hebt er die Nikon aus ihrem kleinen, wasserdichten Koffer. Legt sie auf seinem Schreibtisch ab und greift nach dem 50mm Objektiv. Beides verstaut er fein säuberlich in der Schultertasche, deren abgewetztes Leder zeigt, wie lange er sie schon hat. Sie ist extra für Kameraequipment gemacht, ihre kleinen Taschen sind gut gepolstert, dass den teuren Geräten nichts passiert. Mit einem Blick auf die Uhr, das Einzige, was neben seinem Computer und einer kleinen Aloe Vera Pflanze auf seinem Schreibtisch Platz findet, schließt er die Schnallen und schultert die Tasche.

    Er ist für das Konzert heute Abend zu früh dran, aber wer weiß, was ihn auf dem Weg noch aufhalten könnte. Als hätte er mit dem Gedanken Unheil heraufbeschworen, klingelt sein Handy. Vermutlich ist es Saoirse, die ihm erklärt, dass sie zu spät sein würde und er sich in ihrem Namen bei dem Manager entschuldigen solle. Beim Namen auf dem Display rutscht ihm jedoch das Herz in die Hose.

    Schlucken, tief durchatmen, annehmen. Es kann nicht so schlimm werden, wie er es sich gerade ausmalt.

    »Theo.« Kein nettes Hallo, kein Wie geht es dir heute Abend, nichts. Sie fällt mit der Tür direkt ins Haus, wie immer. »Kannst du Ezra schon heute Abend abholen?«

    »Hallo, Valerie«, begrüßt er sie, bemüht freundlich. Bei der Elfenstimme seiner Exfrau dreht es ihm selbst nach zwei Jahren noch den Magen um.

    »Also?«, will sie wissen.

    Er kneift sich in die Nasenwurzel, also könnte das das Stechen seines Herzens übertünchen. Bei dem, was er als Nächstes sagen muss, schmerzt es sowieso viel zu sehr. »Ich bin auf dem Weg zur Arbeit. Wieso?«

    »Ich muss heute Abend weg. Kannst du Ezra nicht mitnehmen?«

    »Es ist ein Konzert.« Was er stattdessen sagen will: Wieso nimmst du ihn nicht mit? Wieso willst du ihn wieder zu mir abschieben, weil dein eigenes Leben immer vorgeht, immer so viel wichtiger ist als unser Sohn? Aber er sagt es nicht. Es hätte keinen Sinn, mit ihr zu streiten. Wenn das jemand weiß, dann er. »Und es wird sehr spät. Kannst du nicht Katie fragen?«

    Val schnaubt abfällig. »Die hat keine Zeit. Meint, sie hätte Prüfungen. Ich meine, wo ist die Babysitterin, wenn man sie mal braucht?« Die Babysitterin. Nicht Katie, die Ezra schon kennt und liebt, seitdem er ein Baby ist. Die immer kommt, egal wie spät es ist. Die nie Ausreden benutzt. Es ist Ende des Semesters, natürlich hat sie Prüfungen. Die vor allem im Master einiges zählen müssen.

    »Es tut mir leid, aber ich bin auf dem Weg zu Arbeit. Ich hole Ezra morgen früh, wie abgesprochen.«

    »Also willst du nicht.«

    Seine Hand fliegt zum Mikrofon des Handys, deckt es ab, im verzweifelten Versuch, sein Keuchen vor ihr zu verstecken. Ihre Worte sind ein Messer in die Magengrube. Um wollen geht es hier nicht. Natürlich will er Ezra abholen. Ezra ist alles für ihn. Aber er kann nicht. Nicht nach allem, was sie getan hat, damit er seinen Sohn nur alle zwei Wochen für zwei Tage sieht. Nicht, nachdem sie vor Gericht deutlich gemacht hat, wo Ezra besser aufgehoben sei: bei ihr. Und welches Gericht hätte das Kind nicht zur Mutter gepackt?

    »Ich arbeite, Val«, würgt er hervor. Bereut es sofort, dass er den alten Spitznamen benutzt hat. »Du kannst ihn doch genauso mitnehmen.«

    »Das geht nicht.« Das ist ihr finales Wort dazu, er hört es genau an der Bestimmtheit in ihrer Stimme. Bildlich kann er sich vorstellen, wie sie dabei ihre schmalen Lippen aufeinanderpresst, den festen Zug ihres Kiefers. Und wenn Val ihr letztes Wort gesprochen hat, gibt es keine Widerrede.

    »Und bei mir geht es auch nicht.« Er rauft sich die dunkelblonden Wellen. Sie sind ihm viel zu lang, fallen ihm in die Stirn. Er sollte sie mal wieder schneiden lassen. Vielleicht hätte Saoirse mal Zeit dafür.

    »Kann nicht Saoirse das Konzert übernehmen?«, fragt Val. So endgültig ihre Worte sind, seine sind es nie. Sie können immer seziert, entblößt und mit einem Gegenargument unschädlich gemacht werden.

    »Nein, kann sie nicht.« Er spart es sich, ihr zu erklären, dass Saoirse nur heute Abend mit da ist, da sich das Management der Band einen kleinen Film vom Konzert wünscht. Saoirse ist keine Fotografin. Doch den Unterschied hatte er Val schon oft genug versucht zu erklären. Sie kommt dann immer nur mit dem Argument, dass sie doch beide Fotografie im Bachelor gemacht hätten und Saoirse das doch auch könne. Dass diese dafür einen Master in Filmografie gemacht hat, übergeht Val geflissentlich. »Ich werde dafür bezahlt. Das Management der Band erwartet, dass ich komme. Die Zeitung erwartet meine Bilder.«

    »Nun gut.« Noch bevor der den Gedanken zu Ende denken kann, dass das zu einfach war, spricht sie bereits weiter. Mit dieser verstellten höheren Stimme, die sie immer nur einer Person gegenüber benutzt. »Es tut mir leid, Schatz, Daddy will dich nicht heute Abend schon holen.«

    Nein. Verdammte Scheiße, nein. Das kann sie nicht machen. Sie kann Ezra da nicht mit reinziehen. Ihm damit ein schlechtes Gewissen machen, bis sie doch ihren Willen kriegt. Ihm wird speiübel.

    »Ist Ezra da?«

    »Natürlich ist er da.«

    Sein Blick huscht wieder zur Uhr. Kurz vor acht. Schon längst Ezras Zeit, ins Bett zu gehen. Val schickt ihn immer früher ins Bett, obwohl er schon sechs ist und seit einem Jahr in die Schule geht.

    »Kannst du ihn mir geben?« Theo kann die Verzweiflung nicht aus seiner Stimme heraushalten.

    Ein Rascheln ertönt, dann die ruhige Stimme, die er mehr als alles andere auf der Welt liebt. Kindlich. Hell. Unschuldig. »Hallo, Dad.«

    »Hey, Buddy.« Der Kloß in seinem Hals droht ihn zu ersticken. Er greift unter seinen Rollkragenpullover, zupft daran. Als würde er damit wieder atmen können und nicht in seiner Wohnung drohen zu ertrinken. »Es tut mir so, so leid, dass ich dich nicht schon früher abholen kann. Ich bin auf dem Weg zu einem Job.«

    »Alles okay, Dad.«

    Die Resignation sind tausend kleine Messerstiche ins Herz. Die Enttäuschung. Verzweifelt sucht er nach etwas, das er seinem Sohn sagen kann. Etwas, das es besser macht. Ezra war schon mit ihm auf Konzerten. Mit dicken Kopfhörern über den Ohren und einem Glänzen in den Augen. Ezra liebt es, mit ihm zu kommen. Aber wenn er ihn holt, dann würde Val das nächste Mal wieder fragen, ob er Ezra nehmen kann. Und wieder. Und wieder. Bis sie ihm wieder vor Gericht Ezra wegnimmt, argumentiert, dass das Kind zur Mutter gehöre und Theo ihn nur alle zwei Wochen zu Gesicht kriegen soll. Alles andere würde doch das arme Kind nur verwirren, wenn es bei beiden gleich viel Zeit verbringen würde. Dann würde sich keine richtige Bezugsperson aufbauen. Er hätte damals am liebsten angefangen, hysterisch zu lachen, als er das von ihr gehört hat. Doch ihre Anwältin stand auf ihrer Seite. Das Gericht stand auf ihrer Seite. Und so sehr es ihn bricht, er muss daran festhalten. Alle zwei Wochen das Wochenende. Das war das Urteil.

    »Ich hole dich morgen um neun ab, wie immer.« Er blinzelt und sieht hoch an die Decke. Hofft, dass Ezra nicht die Tränen aus seiner Stimme heraushört.

    »Okay.«

    »Ich freue mich auf dich, Bud.«

    Ezra schweigt kurz. »Ich mich auch auf dich, Dad.«

    Es raschelt. »Ich hab dich lieb«, schiebt Theo hinterher. Doch sein Sohn scheint ihn nicht mehr gehört zu haben. Val ist wieder am Handy.

    Absätze klackern, vermutlich tigert sie gerade durch die Wohnung. Die Wohnung in Mayfair, die ihren Eltern gehört, in die sie damals nach dem Bachelor zusammengezogen sind. Damals, als sie noch so verliebt waren und dachten, sie würden ihr Leben dort verbringen. Sie, er und ihr gemeinsames Wunder unter ihrem Herzen.

    »Wenn du ihn wirklich lieben würdest, würdest du ihn öfter sehen«, sagt Val.

    »Du hast es auf zwei Wochenenden im Monat beschränkt, Valerie.« Seine Stimme ist ohne sein Zutun laut geworden. »Nicht ich.«

    »Meine Güte, wie starr du daran festhältst. Das ist doch nur auf Papier.«

    »Ich werde nicht springen, nur weil es dir gerade in den Kram passt!«

    »Das kannst du das nächste Mal dann Ezra erklären.«

    Sein Blick huscht hektisch über seine deckenhohen Bücherregale, den Computer, die Fensterfront, hinter der die Lichter Londons funkeln, und bleibt an der großen Schwarz-Weiß-Fotografie an der Wand hinter seinem Sofa hängen. Der indische Strand, die umgedrehten hölzernen Kähne, das Kind im Sprung vor dem Ozean und dem Horizont. Es beruhigt ihn. Wie es ihn immer beruhigt.

    »Ich habe keine Energie, mit dir zu streiten.« Seine Schultern sacken herunter. Es hat keinen Sinn. Hat es nie bei ihr. »Ich muss los. Bis Morgen, Val.«

    Der Spitzname schon wieder. Er muss es sich wirklich abgewöhnen, ihn zu benutzen. Die alte Gewohnheit zerrt jedes Mal wieder an ihm.

    Er schiebt den Riemen der Tasche auf seiner Schulter höher und steckt das Handy entschieden weg. Zieht sich den dicken Wintermantel an, den Wollschal und eine Mütze. London ist in der Februarkälte gefangen und es würde eine Weile brauchen, bis der Frühling den trostlosen Winter ablöst. Mit der Hand auf der Kameratasche schließt er seine Wohnungstür.

    Die Kamera ist sein Leben. Doch Ezra, Ezra ist sein Herz. Und in Momenten wie diesen zerreißt es ihn.

    Ein Bild, das Propeller, Outdoorobjekt, Obst enthält. Automatisch generierte Beschreibung

    Der Backstage-Bereich ist heute ein Hinterraum der Bar. Die Band Open Sea, deren Konzert er heute einfängt, ist noch neu in der Londoner Szene. Der Auftritt in der Lighthouse Bar im beliebten Shoreditch muss etwas Besonderes für die Mädels und Jungs aus Devon sein. Zumindest die Leadsängerin fummelt unsicher an ihren Festivalbändchen am Handgelenk herum, während sie mit ihren Bandmitgliedern die kleine Bühne aufbaut.

    Theo beobachtet die Geschäftigkeit in der Bar mit geschultem Blick, überlegt sich schon beim Durchgehen zum Hinterzimmer genau, wo er stehen kann, um den besten Shot aufzunehmen. Kurz sieht er hoch, schätzt die Lichtsituation ein. Es ist nicht zu dämmrig, mit einigen Spots, er bräuchte eine hohe ISO-Einstellung wie immer, damit die Fotos nicht zu dunkel werden. Vielleicht um die 2.000 rum, nicht zu viel, sonst bekommen sie eine zu starke Körnung. So dunkel ist es nun auch wieder nicht, dass es höher nötig wäre.

    Der Manager der Band ist ein Typ Mitte vierzig. Als er Theo am Telefon angefragt hat, wirkte er bereits freundlich und der feste Händedruck täuscht nicht. Er ist schon lange in der Szene, weiß, was seine Band kann, und hat eine genaue Vorstellung, wie er sie größer rausbringt. Kurz reden sie darüber, was der Manager sich vorstellt, an welche Magazine Theo die Bilder danach am besten verkauft, er hätte auch gern eigene für den Social Media Auftritt. Alles Dinge, die sie bereits am Telefon besprochen haben, aber Theo sieht dem anderen Mann an, dass er die Versicherung braucht. Dann entlässt der Manager ihn in den Hinterraum, damit er in Ruhe seine Kamera einstellen, seine Tasche ablegen und noch mal vor dem Konzert alles durchgehen kann.

    Kaum hat er sich vom Manager abgewandt, spürt er, wie das Lächeln auf seinem Gesicht erstirbt. Nach dem Telefonat mit Val ist er vollkommen ausgelaugt. Selbst seine Lieblingsplaylist auf dem Weg hierher hat nicht die leise, geschlagene Stimme von Ezra aus seinem Kopf verbannen können. Er drückt die Tür zum Hinterzimmer auf, ein Raum vollgestellt mit Bierkisten und einigen alten Schließfächern. Seine Kamera würde ihn ablenken. Morgen würde er Ezra sehen und es würde wie immer werden. Es wäre alles gut.

    »Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?«, fragt Saoirse. Sie ist dabei, sich ihre fast hüftlangen, orangenen Haare zu einem geflochtenen Zopf zu binden. Mit einem Finger schiebt sie sich das zierliche, goldene Brillengestell auf der Nase hoch. »Nein, lass mich raten. Valerie.«

    Mit einem Seufzen stellt er seine Tasche neben ihre. »Bingo.«

    »Was wollte sie diesmal?«

    Nach und nach schält er sich aus den Schichten an Winterklamotten. »Ezra schon heute Abend zu mir bringen.«

    Saoirses dünne Augenbrauen schießen in die Höhe. »Schon wieder?«

    Er zuckt versucht gleichgültig mit den Schultern. Wieso er sich überhaupt die Mühe macht, weiß er nicht. Saoirse kennt ihn seit Jahren, sieht hinter jede seiner Masken. Seit dieser Einweihungsparty an der UCL, der University of Central London, als sie ihm beruhigend den Rücken tätschelte, während er den ganzen Gin auskotzte, wich sie ihm nicht von der Seite. Dass sie zusammen gebucht werden, passiert selten. Eigentlich genießt er es, mit ihr zusammenzuarbeiten. Aber heute Abend hätte es ihn nicht gestört, allein zu sein und dieses scheiß Telefonat nicht noch einmal durchkauen zu müssen.

    »Weißt du, was dir helfen würde?« Sie wirft sich den Zopf über die Schulter und zieht sich das etwas zu kleine schwarze T-Shirt herunter, das ihr über den Bauchnabel gerutscht ist.

    Schwarzes Shirt, schwarze Hose. Er trägt das gleiche. Sie sollen nicht auffallen. Sind Schatten in der Menge, um nicht von der Musik und der Show vorne abzulenken. Er liebt es, so unterzutauchen. Nichts mehr zu sein und einfach nur zu sehen und zu fühlen.

    »Sex.«

    Er schnaubt, eine Mischung aus amüsiertem Lachen und genervtem Ausatmen. »Das sagst du mir seit Ewigkeiten.«

    »Weil es stimmt.« Leichtfertig zieht sie ihre Sony Alpha aus ihrem hellrosa Rucksack und schwenkt sie in der Hand herum. Bei dem sorglosen Umgang mit ihrer Kamera zuckt er leicht zusammen. »Lass dir doch nicht alles von dieser Zicke kaputtmachen.«

    Saoirse hat Val noch nie ausstehen können. Nicht seit dieser Einweihungsparty, als er sich Hals über Kopf in Val verliebt hat. Damals, vor neun Jahren. Als die Welt noch eine andere war. Als er Saoirse ignorierte, die ihm schon damals sagte, dass Val eine manipulative Kuh ist. Und er es erst beim Trümmerhaufen seiner Scheidung selbst gemerkt hat.

    »Sex ist nicht für alles eine Lösung, Saoirse.« Sein Rollkragenpullover findet ordentlich zusammengelegt neben seiner Jacke Platz. Es würde noch ziemlich warm werden in der Bar und er ignoriert die Gänsehaut, die seine von kleinen Leberflecken gesprenkelte Haut überzieht. Ob von der Kühle im Zimmer oder seinen wirbelnden Gedanken kann er nicht sagen.

    »Pah, was für eine Lüge. Also, bevor ich losmusste, haben Lana und ich uns gestritten, aber der heiße wütende Versöhnungssex danach …«

    »Ich will’s gar nicht wissen«, unterbricht er sie, bevor sie in viel zu viele Details über das Sexleben mit ihrer Freundin abschweifen kann.

    »Langweiler.« Sie sieht konzentriert auf ihre Kamera hinab und kaut dabei auf ihrer Unterlippe herum. Für einen kurzen Moment denkt er, er sei vom Haken gelassen. »Ich dachte echt, mit Silvester hätte es bei dir Klick gemacht«, fährt sie jedoch fort. Bei der Erwähnung von Silvester spürt er, wie seine Wangen heiß werden. »Du bist wirklich untervögelt, Theo. Ich sag’s dir, du würdest das alles viel leichter wegstecken, wenn du regelmäßig flachgelegt wirst. Es gibt sogar Studien dazu. Wer regelmäßig Sex hat, ist glücklicher.«

    Er wendet sich von ihr ab und zieht vorsichtig seine Nikon aus der Tasche. Nestelt an dem Band. Stellt die Belichtungszeit ein.

    »Das war eine einmalige Sache an Silvester«, nuschelt er.

    Eine einmalige Sache, die ihn seitdem nicht loslässt. An die er ständig denkt. Vor dem Einschlafen. Wenn er es sich selbst macht. Plötzlich in der U-Bahn, wenn er einen wilden, dunklen Lockenschopf sieht. Während er eigentlich Fotos bearbeiten will. Sie schleicht sich einfach so in seine Gedanken. Diese Frau mit den großen braunen Augen, die ihn in dieser einen Nacht völlig um den Verstand gebracht hat.

    Saoirse schnalzt mit der Zunge. »Das war laut dir der beste Sex deines Lebens.«

    Diesen Zuspruch hätte sie nie aus ihm herauskitzeln dürfen. Sie war es, die ihn bequatscht hatte, bei der Silvesterparty von Ada einfach mal auf alles zu scheißen und einen One-Night-Stand zu haben. Obwohl sie ihm damit seit zwei Jahren erfolglos in den Ohren lag. Das sei er nicht, behauptet er immer. So sinnloser Sex. Dann hat sie ihn angesprochen. An der Bar, mit einem Margerita in der Hand. Er erinnert sich noch genau an ihren süßen Geruch, an das Funkeln in ihren Augen. Wie sie ihn so schnell um den Finger gewickelt hat, wie er an ihren Lippen hing. Gott, ihre Lippen … Hitze schießt durch seinen Körper, als er daran denkt, was sie mit ihren Lippen alles kann.

    Bestimmt schüttelt er den Kopf. »Das war so eine Übersprungshandlung. Weil Silvester war. Ich habe nicht mal ihre Nummer.«

    Nur ihren Namen. Maddie. Er klingelt in seinen Ohren, eine Sinfonie. Vermischt sich mit dem Stöhnen, das er ihr entlockt hatte, dem Keuchen seines Namens. Heiße Haut, dunkler Raum, Verlangen in seinen Adern.

    Unter Saoirses Blick reißt er sich aus der Erinnerung los. Es ist ihr Ernsthaft jetzt, Theo? Das willst du mir so verkaufen? - Blick. Dieser Blick, dass sie seinen Bullshit schon längst durchschaut hat. »Das war auch wirklich das Dümmste, was du machen konntest. Ehrlich, wieso hast du diese Sexgöttin nicht nach ihrer Nummer gefragt?«

    Weil er nicht daran gedacht hat, so einfach ist das. Bevor er überhaupt damit klargekommen war, was da gerade passiert ist, von seinem Orgasmus mal ganz zu schweigen, war sie bereits wieder angezogen. Stand an der Tür. Bedankte sich mit einem verwegenen Lächeln für den Sex. Und dann war sie nicht mehr allein, verbrachte den Rest des Abends mit ihrer Gruppe.

    »Hat sich nicht mehr ergeben.« Er hängt seine Kamera um. Das vertraute Gewicht drückt in seinen Nacken. Er ist zu Hause. Eine tiefe Ruhe legt sich über ihn.

    »Du könntest Ada nach ihr fragen. Sie hat doch was mit dieser Band zu tun, die Ada unbedingt unter Vertrag kriegen will, oder?«

    Ihm bleibt eine Antwort erspart, als der Manager den Kopf durch die Tür steckt. »Seid ihr so weit?«, fragt er an sie gewandt.

    »So bereit wie noch nie«, sagt Saoirse und schenkt Theo ein amüsiertes Lächeln. Das Thema war fürs Erste wieder durch. Bis sie ihm wieder wegen Maddie in den Ohren liegen würde. So geht das seit einem Monat schon.

    Erst als die Töne der Band erklingen und er seine Kamera zückt, in der Musik und dem Moment versinkt, merkt er, was Saoirse gemacht hat: Ihn von Ezra und dem Stechen in seinem Herzen abgelenkt.

    Ein Bild, das Propeller, Outdoorobjekt, Obst enthält. Automatisch generierte Beschreibung

    »Ach komm schon, T«, bettelt Saoirse und setzt ihren Welpenblick auf. Mit den grünblauen Augen in ihrem schmalen, sommersprossigen Gesicht funktioniert der überraschend gut.

    »Ein Spitzname für einen Spitznamen?«, fragt er, um abzulenken. Die Luft ist schneidend kalt und er wickelt sich den Schal etwas fester um. Nach der heißen Bar und dem energiegeladenen Konzert wirkt es noch kälter draußen. Open Sea haben den Laden ordentlich eingeheizt und er hat einige gute Fotos geschossen. Übers Wochenende würde Theo die Besten aussuchen, bearbeiten und verschicken. Am besten das Erste für den Artikel noch heute Nacht.

    »Lenk nicht ab.« Der Wind reißt an ihrer grünen Winterjacke. Vintage, vermutlich von irgendeinem Londoner Flohmarkt. »Ein Drink.«

    »Ich muss morgen früh raus.«

    »Es ist erst elf«, sagt sie empört. Als wären acht Stunden Schlaf nicht heilig.

    »Und wir sind keine zwanzig mehr.«

    Saoirse schnaubt. »Gott, erinnere mich nicht daran. Ich meine, wer ist denn schon gerne siebenundzwanzig?«

    Sein Alter war ihm immer relativ egal. Bis die Kommentare kamen, wie man mit einundzwanzig schon heiraten könne. Wie man da schon ein Kind kriegen könne. Er sei ja noch nicht einmal mit dem Master fertig. Den er dann auch nie gemacht hat, die anderen hatten Recht. Er ist mit Ezra zu Hause geblieben, während Val ihren Master in Business Management absolvierte. Es war okay für ihn gewesen, mehr als okay. Bis es für sie alles nicht mehr gereicht hat. Jetzt fragt er sich manchmal, wie man mit siebenundzwanzig schon geschieden sein kann. Als wäre er einfach schon ausgebrannt, hat die Schritte des Lebens – heiraten, Kinder kriegen, Job – durchlaufen und beendet. Der Gedanke ist deprimierend.

    »Ein Drink, ja?«

    »Ein Drink«, sagt sie mit eifrigem Nicken. »Ich weiß doch, dass du morgen Ezra hast.«

    Er sieht sie kurz schweigend an, dann seufzt er. Saoirse weiß sofort, dass sie gewonnen hat. Theatralisch reckt sie ihre Faust in die Luft. »Yes, der Herr hat zugestimmt.« Sie packt ihn am Arm und zieht ihn die Straße hinunter.

    »Du bist verrückt«, lacht er, lässt sich von ihr aber durch Shoreditch führen, als wisse sie schon genau, wo sie ihren einen Drink trinken würden. Vermutlich hat sie das von Anfang an schon geplant, die kleine Hexe.

    »Ach, dafür hast du mich doch lieb.« Sie hakt sich bei ihm ein.

    Nicht nur, würde er am liebsten sagen. Aber es ist jetzt nicht die Zeit, gefühlsduselig zu werden. Saoirse ist seine beste Freundin. Neben Ezra und ist sie der wichtigste Mensch in seinem Leben. Sie hat er als erstes angerufen, als Val ihm die Scheidungspapiere auf den Tisch gelegt hat. In ihren Armen hat er sich ausgeheult, als das Urteil kam, dass er Ezra nur alle zwei Wochen sehen darf. Sie kennt ihn in- und auswendig. Genau wie er sie kennt.

    »Willst du drüber reden, was mit Lana war?«, fragt er vorsichtig und sieht sie prüfend von der Seite an.

    Sie streitet sich in letzter Zeit häufiger mit ihrer festen Freundin und er macht sich etwas Sorgen. Sie sind seit einigen Jahren zusammen. Haben eine gemeinsame Wohnung in Bethnal Green. Und streiten sich nie. Sie sind das harmonischste Pärchen, das er kennt. Nicht so wie er und Val, die sich schon in ihren guten Zeiten ständig in den Haaren hatten.

    Saoirse strafft ihre Schultern, er spürt es über ihre verschränkten Arme, und sieht starr geradeaus die Hauptstraße hinunter zur bogenförmigen Brücke der Shoreditch High Street Station. »Nicht heute Abend, okay?«

    »Okay.« Damit lässt er das Thema fallen. Sie unterhalten sich über das Konzert eben, die Band, ihre nächsten Termine und ob sie wieder einen überschneidenden haben, was nicht der Fall ist. Doch er merkt, dass sie nicht mehr ganz bei der Sache ist. Als sie in die Brick Lane einbiegen, rückt sie mit der Sprache raus.

    »Lana will zurück zu ihren Eltern nach Glasgow ziehen.« Sie knabbert an ihrer Unterlippe.

    »Würdest du denn umziehen wollen?« Er versucht, die Angst aus seiner Stimme herauszuhalten. Ohne Saoirse wäre er ganz allein in London. Mit niemandem hat er so engen Kontakt wie mit ihr.

    »Nein.« Sie lacht freudlos auf. »Ich liebe London, ich dachte Lana tut es auch. Es ist nur … sie spricht es immer wieder an. Ich merke, dass es ihr wichtig ist.«

    »Gibt es denn einen Grund, dass sie zu ihren Eltern will?«

    Saoirse löst ihre Arme voneinander, um sich mit der Hand übers Gesicht zu wischen. »Ihrem Dad geht es nicht mehr so gut. Und sie meint, es wäre gut, in der Nähe von einer unserer Familien zu leben, wenn wir eine Familie gründen wollen.«

    Ihm fällt die Kinnlade herunter. Saoirse ist super im Umgang mit Ezra, er liebt sie abgöttisch und wie verrückt sie manchmal mit ihm spielt. Sie ist für ihn wie eine Tante. Aber dass sie eigene Kinder möchte, ist Theo neu. »Denkt ihr denn darüber nach?«

    »Keine Ahnung. Irgendwann ist das doch das Ziel, oder? Heiraten. Kinder. Familie gründen und so.« Und dann, flüsternd: »Wir sind ja auch nicht mehr die Jüngsten.«

    »Das kannst du sagen, wenn wir vierzig sind«, gibt er zurück. Vor noch keinen zehn Minuten hat er sie darauf hingewiesen, dass sie keine partysüchtigen Studierenden mehr seien. Jetzt erinnert er sie daran, dass sie doch noch jung sind. Jung genug, um sich über so was eigentlich noch keine Gedanken machen zu müssen. Bei ihm lief es definitiv zu schnell. Zu überstürzt.

    »Wie auch immer.« Sie streicht sich eine orangene Strähne aus dem Gesicht. Vor einem Pub bleibt sie stehen. »Heute sind wir noch keine vierzig und lassen es uns gut gehen.«

    Er kann gerade noch die goldenen Lettern auf dem dunkelblauen Holz lesen, Blue Monkey, da hat sie bereits die Tür geöffnet und ihn in den warmen Innenraum geschoben. Die Holztische im Pub sind allesamt besetzt. Es läuft ein Lied von Queen, die Einrichtung hat diesen leicht altmodischen Touch, der gerade so hip ist, mit bequemen Sitznischen, einer hölzernen Bar, nackten Glühbirnen und Backsteinwänden, die mit Fotografien behängt sind. Er bleibt sofort daran hängen, mustert die verschiedenen Landschaften und Leute. Er merkt sofort, dass über die meisten nur ein schwarz-weiß Filter geklatscht wurde, damit sie einheitlich sind. Die Kontraste sehen nicht gut aus. Doch einige stechen heraus, es sind alles Fotos einer Band aus drei Männern. Bass, Schlagzeug, Gitarre. Er tritt einen Schritt näher, um eines von ihnen genauer zu betrachten, die Emotionen auf dem Gesicht des Leadsängers zu studieren, die so perfekt eingefangen sind.

    Saoirse zupft an seinem Mantel. »Jetzt komm, du Streber. Arbeit ist vorbei. Da hinten ist ein Tisch frei geworden.«

    Nur widerwillig reißt er sich von dem Foto los. Es fasziniert ihn, zupft an seinem Inneren, lässt ihn seine Kamera aus der Tasche holen wollen, um genau so etwas auch aufzunehmen.

    Doch er lässt sich von Saoirse durch den vollen Pub zu einem hohen Tisch direkt am Fenster ziehen. Benutzte Gläser stehen noch darauf, er ist wirklich gerade erst frei geworden. Sie schälen sich aus ihren Jacken, werfen sie über die schwarzen Metallstühle und schieben sich dann an den Tisch. Saoirse nimmt bereits die Karte in Beschlag und überlegt laut, was sie bestellen könnte.

    »Oh, wie fändest du zwei ›Slippery Nipples‹?«, liest sie entzückt vor. »Das letzte Mal hatte ich einen ›Orgasm‹, der war auch gut.«

    Er verdreht die Augen. »Keine Shots, Saoirse.« Er sieht sich in dem Pub um. In einer Ecke ist eine kleine Bühne, vermutlich für die Band auf den Fotos. »Woher kennst du den Pub eigentlich?«

    »Ich war vor ein paar Wochen mit einer Kollegin hier. Nach einem Gig in der Nähe.«

    »Ich glaube, Ada ist öfter hier. Der Name kommt mir irgendwie bekannt vor.«

    Bei den vielen Pubs in der Hauptstadt kann er es aber auch verwechseln. Er arbeitet am meisten mit Ada zusammen. Sie bucht ihn für jedes Konzert ihrer Bands. Erst über sie ist er überhaupt in die Szene gekommen, sie war damals die Managerin der ersten Band, die er je bei einem Konzert geshootet hat. Doch ihre Freundschaft ist nie über Kollegialität hinausgegangen.

    »Kann sein«, sagt Saoirse mit einem Achselzucken. Sie schiebt ihm die Karte hinüber. »Ich glaube, ich nehme einfach ein Lager.«

    »Doch so langweilig?«, zieht er sie auf.

    Bevor sie darauf etwas erwidern kann, kommt eine Bedienung an ihren Tisch.

    »Sorry, dass ich jetzt erst bei euch bin. Wir sind unterbesetzt«, sagt sie entschuldigend. Die Stimme kommt ihm erschreckend bekannt vor. Weich wie Karamell, so wie sie nach der süßen Zuckermasse gerochen hat. »Ich nehme euch mal die Gläser ab.«

    Er blickt von seiner Karte auf. Direkt in ihr Gesicht. In diese großen braunen Augen, die ihm seit einem Monat oft nachts den Schlaf geraubt haben. Diese wilden, engen Locken, die sich dunkel auf ihre Schultern ergießen. Das runde Gesicht aus flüssiger Bronze mit den vollen, weichen Lippen, die er sich immer noch schemenhaft auf seinen vorstellen kann.

    »Maddie.«

    Sie wirft ein Glas um, das zum Glück leer ist. Sieht ihn an. In ihrem Gesicht spiegelt sich das gleiche, an was er denkt: Silvester. Ihre gemeinsame Nacht. Das Verlangen. Die Hitze.

    Ihr Mund teilt sich. »Theo.«

    2. KAPITEL

    Maddie

    »You can’t make a great musician or a great photographer if the magic isn’t there.« – Eve Arnold, amerikanische Fotografin (1912 - 2012)

    Der Tag ist für die Tonne. Absolute Vollkatastrophe. Es hat schon angefangen, als Charlie um sechs Uhr morgens ihre grauenhafte Hip-Hop Musik durch die komplette WG hat schallen lassen. Ihr entschuldigendes Lächeln, als Maddie sich kurz danach völlig verschlafen und böse grummelnd in die Küche geschoben hat, um sich einen Kaffee zu machen, hat ihre schlechte Laune nicht anheben können. In ihrer Schicht im Bosco’s ist der neuen Aushilfe direkt erst mal eine Flasche Sirup heruntergefallen und der gesamte Boden hinter der Theke war für die restliche Schicht eine klebrige Hölle. Da Maddie so unmöglich an ihre Kollegin übergeben konnte, hat sie überzogen und noch den Boden geschrubbt. Während des Ansturms am Nachmittag war das vielleicht nicht ihre beste Idee. Wo ihre Kollegin ihr auf die Finger getreten ist, spürt sie immer noch ein dumpfes Pochen.

    Dann war sie auch noch zu spät für die Nachmittagsbetreuung an Max’ Grundschule, bei der sie für ein bisschen Geld aushilft. Als ihr kleiner Halbbruder angekündigt hat, dass ihre Stiefmutter sie zum Familienessen morgen Abend erwarten würde, hätte ihren Tag nur noch ein viel zu langes Bad retten können. Bis die Nachricht im Blue Monkey-Chat kam, dass Anna spontan krank ist und jemand doch bitte ihre Schicht übernehmen soll. An einem Freitagabend. An dem schon Paul abgesagt hat, weil sein Partner im Krankenhaus liegt. Und wer hat sich gemeldet? Natürlich, niemand. Bis Maddie so ein schlechtes Gewissen hatte, dass sie den Plan mit dem Bad direkt wieder verwarf. Stattdessen suchte sie unter Charlies amüsiertem Blick fieberhaft nach ihrem letzten schwarzen T-Shirt, hetzte zurück zur Bushaltestelle und stolpert nun, sowieso schon völlig gestresst, in den rappelvollen Pub.

    Mit einem schnellen Blick schätzt sie die Situation ein. Jeder Tisch ist besetzt, Omar ist der Einzige, der heute neben ihr im Service ist. Sie sieht direkt mehrere Tische mit leeren Gläsern, deren Gäste sich ungeduldig im Raum umsehen, offensichtlich bemüht, Omar abzufangen und eine nächste Runde zu bestellen. An der Bar sind nur Ren und Tim, die genauso gestresst wirken. Keiner, der spontan im Service hätte einspringen können. Sie bindet noch schnell ihre Schürze, der schwere Geldbeutel am Gürtel ist ein vertrautes Gewicht, und nimmt von Ren das erste Tablett mit Gläsern entgegen. An die feuchte Oberfläche sind die Belege geklebt, denen sie die Tischnummern und genauen Bestellungen entnehmen kann. Das Tablett geschickt balancierend steuert sie durch die Menge.

    »Danke fürs Einspringen, Mads!«, erklingt noch Rens Stimme hinter ihr. Doch sie ist bereits in ihrem Tunnelmodus.

    Sie arbeitet seit Jahren im Blue Monkey und liebt den Pub über alles. Die gemütliche Atmosphäre, die Playlist aus Rock, Indie und Alternative, die von Mike eigens zusammengestellt ist und seinen vorzüglichen Musikgeschmack zeigt, ihre Kolleginnen und Kollegen. Es ist ein zweites zu Hause, ein Zufluchtsort vor ihrem Alltagsstress. Anders als das Bosco’s. Wenn sie ehrlich mit sich ist, arbeitet sie dort nur für die leckeren Kuchen und Cupcakes von Hope, die sie oft nach ihrer Schicht mitnehmen darf. Und weil Hope mehr als gut bezahlt und das Arbeitsklima entspannt ist. Die Nachmittagsbetreuung, bei der sie mittlerweile jeden Tag unter der Woche ist, ist mehr eine Verpflichtung Max gegenüber. Etwas, in das sie unfreiwillig reingerutscht ist, weil sie beim Abholen ihres kleinen Bruders mitbekommen hat, wie unterbesetzt sie in der Grundschule sind. Das Spielen und Malen mit den Kids machen ihr Spaß, keine Frage. Aber es laugt sie auch unglaublich aus. Selbst eine stressige Schicht im Blue Monkey wie heute ist Balsam für ihre Seele. Es ist ein völliges Abschalten ihrer Gedanken, die sich immerzu überschlagen, rasen und überall sein wollen. Das Einzige, was ihre Gedanken noch so verstummen lassen, ist die Fotografie. Und Sex. Beides Hobbys, die gerade viel zu kurz kommen.

    Sie scherzt mit einem ihrer Tische. Bemerkt sofort, wenn an einem die Gläser leer werden, geht hin und fragt nach der nächsten Runde. Sieht, wenn jemand aufsteht und eine neue Gruppe sich setzt. Übernimmt auch manchmal eine Bestellung von einem von Omars Tischen, wenn ihr zugewunken wird. Als um zehn die Küche schließt, wird es wenigstens etwas ruhiger, weil Omar ihr mehr mit der Bar unter die Arme greifen kann. Dass sie seit über drei Stunden schon wieder auf den Beinen und kaum eine Minute ruhig stehen geblieben ist, merkt sie nicht einmal.

    »Hey, Maddie«, beginnt Tim, als sie an der Kasse steht und ihre Bestellungen eintippt. Mit den dunklen Locken in den Augen schüttelt er einen Shaker, das Klappern des Eises und Schwappen des Cocktails übertönt den Trubel des Pubs. »Kommst du morgen Abend zum Auftritt, um Fotos zu machen?«

    »Ah, ihr tretet mal wieder auf?«

    Früher haben die Jungs jeden Samstag ihre Songs gespielt. Bis sie letztes Jahr um die Zeit angefangen haben, ihre Songs zu veröffentlichen. Plötzlich wurde ihnen bei den Auftritten samstags noch mehr als sonst die Bude eingerannt. Sie wurden im Sommer für einige kleine Festivals in ganz England gebucht. So haben sie Ada auf sich aufmerksam gemacht, die

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