Lenny und der Rest der Welt
Von Antoine Levy
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Über dieses E-Book
Lenny begibt sich auf seine Irrfahrt des Lebens, um die Verbindungen zu entdecken, die ihn vereinen - diese bunte Welt - wie auch ein schöner Sommertag.
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Buchvorschau
Lenny und der Rest der Welt - Antoine Levy
Vorwort
Für alle, deren Refugium, vorausgesetzt die Jugend wurde nicht allzu sehr von Lehrern und Eltern, oder wie es in der Fachsprache heißt, Pädagogen und Erziehungsberechtigten, voreingenommen, wenn nicht gar, ohne theatralisch zu dramatisieren, oder gleich im Vorfeld ausfallend in Erscheinung zu treten, traumatisiert, zumal jenes schwere Folgen auf das Unterbewusstsein haben kann und den Teufelskreis gebären lässt und sich alles wieder auf die zwei wesentlichen Faktoren zurückschließen lassen kann, Lehrer und Eltern, Humor ist und hoffentlich, wenn nicht etwas allzu Unangenehmes, ich wünsche es keinem, dazwischenkommt, bleibt.
Antoine Levy, Nizza, 2000
Lenny und der Rest der Welt
Es war wieder einmal einer dieser gottverdammten Tage, an denen man sich die Griffel abfror. Noch diese letzte Steigung und dann ging es endlich bergab. Im Winter war alles tot, vor allem aber dunkel und da ich immer noch keine Fahrradbeleuchtung hatte, hatte ich manchmal Angst, obwohl der Klugscheißer Tony, wenn Besuch zu uns kam nannten ihn meine Eltern meinen großen Bruder, mich jedes Mal ermahnte, „...weißt Du eigentlich wie gefährlich das ist?, jeder der einen großen Bruder hatte, kennt wahrscheinlich schon die verkratze Platte, die wohl keiner noch einmal hören möchte. Nicht etwa, dass ich Angst vor irgendwelchen Aliens, die mir nachts in den wildesten Träumen begegneten, sondern Angst davor, das eventuell ein Baum umgefallen war, das passierte hier im tiefen Schwarzwald öfters, ich ihn zu spät erkennen und mir daraufhin alle Knochen brechen würde. Na bitte, es ging bergab. Ich sah von weitem wie gerade der Schulbus anhielt, die ersten Chaoten stiegen schon aus, unter anderem auch Peggy, sie war zwar vier Jahre älter als ich, aber hatte richtig geile Titten. Ihre Brüste waren so spitz, dass sie selbst ohne Büstenhalter jedem stolz mit der ungebändigten Aufforderung „bitte fummeln
entgegentrotzten. Sie und Andere galt es nun zu beeindrucken, dass ich mit dem Fahrrad weitaus schneller war, als dieser versiffte Schulbus, in dem man sowieso nur einstieg, weil man dort die jüngeren Nachbarskinder verprügeln konnte, Andere meist mitmachten und so die Schuld auf Mehrere verteilt war. Das war unheimlich praktisch, denn wenn die Eltern der Nachbarn zu den Meinen kamen, konnte ich immer sagen der und der waren aber auch dabei und haben eigentlich angefangen. Ich frage mich bis heute noch, ob meine Eltern mir wirklich abgekauft hatten, dass immer die Anderen die Schuld hatten. Nun galt es aber die Gruppe von „Aussteigern" rasant mit meinem Rad zu überholen. So kam es auch, wenn nicht dieser blöde Depp von Oskar gewesen wäre, der immer was zu sagen hatte,
„..na Lenny willst Du uns etwas beweisen?", schrie er mir hinterher.
Blödes Arschloch, ich glaube Peggy hat es auch gehört, aber wahrscheinlich nicht weiter darüber nachgedacht, denn sie unterhielt sich gerade mit Dennis, einem Typ übersäht mit eitrigen Pickeln, die ich am liebsten höchstpersönlich ausgedrückt hätte, indem ich mit jedem Faustschlag durch den anfallenden Druck den Eiter zum Platzen brächte und das Pickel für Pickel. Auch hatte er eine fürchterlich lange Nase, die wahrscheinlich als Rutschbahn für den anfallenden Stirnschweiß beim Anblick von Peggys Titten diente. Eigentlich brauchte ich mich erst gar nicht aufzuregen, denn sie war ja älter und weitaus schöner als ich. Meine Chancen standen also eins zu einer Millionen. Dennoch eine Chance hatte ich und damals glaubte ich noch an Wunder. In weit ausgeholtem Bogen nahm ich die anstehende Kurve, um mein Rad am überdachten Stellplatz abzustellen. Ich hatte einen Zahlencode am Schloss und meine Griffel waren so durchgefroren, dass mir die Anreihung der richtigen Zahlen schwer fiel. Ich hätte es mir mit größter Wahrscheinlichkeit mit Handschuhen leichter gemacht, aber das war für mein Empfinden ziemlich uncool und mein Motto lautete schon damals:
„Was Dich nicht umbringt, härtet Dich ab."
Langsam schlurfte ich über den Hof, so dass die Truppe der Busfahrenden noch hinter mir ging. Durch die Tür und runter zu den Schließfächern, kein schlechter Service, aber das kann man ja auch von einer Anstalt wie dieser verlangen. Mein Schließfach war immer vollgestopft, denn ich nahm nur selten ein Schulbuch mit nach Hause, wozu auch, das wäre doch nur unnötiger und zudem schwerer Ballast auf der alltäglichen Heimfahrt gewesen. Auf der Türinnenseite las ich den heutigen Stundenplan ab, um die dazugehörigen Schulbücher Widerwillen mitzunehmen, doch schweifte mein Blick meist etliche Zentimeter tiefer, wo ich ein Poster von Samanta Fox befestigt hatte, das war damals die Sexbombe mit Riesentitten schlechthin, also noch größer als die von Peggy, leider nicht splitternackt, denn das war erstens unheimlich schwierig zu besorgen, und zweitens hätte mir das zu viel Ärger bei meinem Schuldirektor gekostet, dem Herr Auer, einem altem Sack mit langem weißen Bart, dessen einzige Lebensaufgabe war, eine artengerechte Haltung von Flöhen und Zecken zu gewährleisten, aufgrund der Tatsache, dass die Essensreste noch an seinem Bart baumelten und bei Dunkelheit wahrscheinlich die Viecher aus dem Inneren des Bartes und aus seiner Nase sich an die Leckerbissen heranmachen konnten, dabei versehentlich aber jedes Mal ein Stückchen von seinem Bart abbissen, was den unregelmäßigen Verlauf seines Wuchses erklärte. Schon oft wurde ich in seinem Büro „eingeladen", weigerte mich aber stets entschlossen durch die Nase zu atmen, um mir noch ein bisschen Lebensglück zu bewahren. Florian, mein schlauester Mitschüler, ein Indiz dafür war zumindest, dass er eine Brille trug, nannte ihn immer Marx. Mit dem Unterschied, dass Marx wenigstens tot war, was man von unserem Direktor nicht gerade behaupten konnte. Beim Zuschlagen der Schließfachtür wurde ich von Oskar, der fetten Sau überrascht. Eigentlich war er ein guter Kumpel, aber er hatte mich einmal schwer enttäuscht. Ich hatte ihn mal zu meiner Geburtstagsparty eingeladen, als wir noch zur Grundschule gingen, und als sein Geburtstag war, lud er mich nicht ein. Das habe ich ihm bis heute nicht verziehen, obwohl wir damals erst elf Jahre alt waren.
„Na Lenny warst Du schneller als der Bus?", grinste er höhnisch, hätte ich doch bloß einen Vorschlaghammer gehabt.
„Warum hältst Du nicht einfach Dein Maul?"
„Hast Du Deine Hausaufgaben gemacht? Du weißt doch, dass Du der Liebling von der Kollwitz bist?".
Die Kollwitz. Die alte Jungfer. Eine Zicke die so sehr schielte, dass sie immer zwei Leute gleichzeitig beobachten konnte. Wenn sie eine Frage stellte, musste sie den Namen immer dazu sagen, sonst bekam sie zwei Antworten, außer von mir, da bekam sie außer ein automatisiertes Achselzucken wenig zu sehen. Das alte Weib schaute mich immer so an, als sei ich ein wildes Reh, das gerade vom Jäger angeschossen wurde und mit flehendem Blick um einen Gnadenschuss winselte und sie nicht wusste ob sie nun abdrücken sollte, oder nicht. Das lag wahrscheinlich daran, dass wir einmal eine Zusammenfassung über eine Kurzgeschichte schreiben mussten, da ich aber nicht zugehört hatte, kannte ich auch diese Geschichte nicht. Ich war schon ganz traurig, dass ich wieder einmal eine lebensnotwendige Anekdote verpasst hatte, also tat ich so als würde ich eifrig schreiben, schrieb meinen Namen in Schönschrift nieder, als mein Nebensitzer Gerd, äußerlich war er sehr schüchtern, psychisch aber musste sich wahrscheinlich selbst Stephen King in Acht vor ihn nehmen, ein Herz um meinen Namen malte und schrieb:
„ + Horst"
Ich schmunzelte bloß und dachte, wie kann man nur einen so bescheuerten und abgründigen Namen wie den haben. Doch mein Schmunzeln verriet mich und schon kam die alte Zicke auf mich zu.
„Lenny, wie weit bist Du denn schon?", ich spürte, wie Gerd sich schwer zusammenreißen musste, um nicht in schallendes Gelächter zu fallen, meine Birne hingegen lief rot an und alles was mir einfiel war, meinen Ellenbogen auf das Papier gegen den Tisch zu drücken, denn sie hatte schon bereits die Ecke an ihren krummen Fingern und zerrte daran, bis ich schließlich nachgeben musste. Sie blickte auf das Papier. Ihr Gesicht konnte ich nicht sehen, aber als das Blatt langsam sank, ihr verstörtes Schielen mich anstarrte und aus Ihren Lippen fiel:
„ ...wer ist denn Horst?", wurde mir ganz schön mulmig zumute. Sie wusste ja nicht, ob das nun Spaß oder Ernst war, legte das Blatt nieder, verfolgte weiter Ihren Unterricht, war aber dennoch bis zum Ende der Stunde sehr verstört. Die arme Alte. Wahrscheinlich glaubte sie wirklich, ich hätte Liebeskummer mit Horst. Wahrscheinlich erzählte sie im Lehrerzimmer, dass ich in Horst, den keiner kannte, verliebt war und deswegen auch immer so schlechte Noten mit nach Hause bringen musste, denn mein Liebeskummer musste doch schließlich unendlich groß sein.
Es war gerade einmal sieben Uhr dreißig und dann musste man