Eva und das Brot des Lebens
Von Karin Waldl
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Buchvorschau
Eva und das Brot des Lebens - Karin Waldl
Leben
Kapitel 1
Die Aufregung ist groß
„Eva, aufstehen! Du musst zur Schule", schrie meine Mutter schon zum zweiten Mal.
Die Lautstärke verriet, dass sie es ernst meinte. Kurz versuchte ich, die Augen zu öffnen, aber das Sonnenlicht, das durch das Fenster meines Kinderzimmers fiel, blendete mich. Ich drehte mich noch einmal verschlafen um und zog mir die Bettdecke über den Kopf. Es war eindeutig zu früh, um aufzustehen.
„Eva, das Frühstück ist fertig! Kommst du endlich?", versuchte es meine Mama erneut, der genervte Unterton in ihrer Stimme entging mir nicht.
Jetzt musste ich wirklich aufstehen, wenn ich sie nicht weiter reizen wollte. Es war nie klug, meine Mutter auf die Palme zu bringen, schon gar nicht so früh am Morgen, denn dann zog ich bestimmt den Kürzeren. So kroch ich langsam wie eine Schnecke aus dem Bett, streckte mich gähnend und schlurfte müde in Richtung Küche. Doch ein vergessenes Kuscheltier im Flur wurde mir zum Verhängnis. Polternd stolperte ich darüber. Schnell rappelte ich mich auf und setzte meinen Weg fort.
„Guten Morgen", murmelte ich in der Küche angekommen.
„Guten Morgen, Schatz. Beeil dich, sonst fährt der Bus noch ohne dich. Es ist schon ziemlich spät", sagte Mama wieder etwas ruhiger zu mir.
Schweigend aß ich mein Müsli und ging im Kopf den heutigen Tag durch. Zuerst musste ich natürlich zur Schule und danach für den Mathematiktest lernen, den ich übermorgen hatte. Bis dahin sollten alle Einmaleins-Rechnungen sitzen. Aber dann könnte ich vielleicht eine Freundin fragen, ob sie Zeit für mich hätte. Ich wollte unbedingt wieder einmal meine Verkleidungskiste hervorholen und in andere Welten abtauchen. Sich Geschichten auszudenken und diese zu spielen, war eine meiner liebsten Beschäftigungen.
„Eva, du träumst schon wieder. Geh dich endlich anziehen", riss mich meine Mutter aus meinen Gedanken.
Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass sie wirklich recht hatte. Eilig flog ich ins Badezimmer, um mich anzuziehen, die Zähne zu putzen und mich zu frisieren. Weil ich mich so sehr beeilte, blieb ich mit der Bürste in den Haaren hängen und riss mir ein paar davon aus. Mühsam verkniff ich mir einen schmerzhaften Aufschrei.
Dann schnappte ich mir im Vorbeigehen die Schultasche, holte meine Brotdose und Trinkflasche aus der Küche und zog mir in der Garderobe schnell meine Schuhe und meine Jacke an. Ich schrie meiner Mutter noch eine Verabschiedung zu, ehe ich das Haus laufend verließ. Der Bus stand nämlich schon an der Haltestelle, ich sprintete wie ein Wettläufer los.
Sabine, die Busfahrerin, winkte mir bereits zu. Gott sei Dank, sie hatte mich gesehen. Doch als ich den Bus betrat, verhängte sich mein Schuh in der geöffneten Tür und ich landete bäuchlings auf dem Boden. Nicht schon wieder, heute war echt nicht mein Tag! Meine Mitschüler lachten lautstark über mein Missgeschick. Hochrot rappelte ich mich auf und setzte mich zu Anna, meiner besten Freundin.
„Mann, war das peinlich. Wieso muss so etwas immer mir passieren?", fragte ich mich mehr selbst.
Anna gab mir trotzdem eine Antwort: „Ach, Eva, du bist halt ungeschickt. Aber das macht nichts, es gibt viel schlimmere Eigenschaften, als ab und zu auszurutschen. Glaub mir, weit schlimmere Eigenschaften."
Aufgrund des letzten Satzes wurde mir klar, dass Anna etwas auf dem Herzen hatte. Sie schien sich über jemanden zu ärgern. Wer es wohl war?
Ich musste gar nicht nachfragen, denn sie erzählte es mir sofort bereitwillig. „Paula hat sich meine Kette ausgeborgt und kaputt gemacht. Und sie hat es mir nicht einmal gesagt, sondern die einzelnen Perlen in meine Schultasche geschmuggelt. Kannst du dir das vorstellen? So etwas tut man doch nicht, schon gar nicht unter Freunden."
„Vielleicht hat sie sich geschämt und sich deshalb nicht getraut, es dir zu sagen", versuchte ich Anna zu beruhigen.
Aber ich erreichte damit nur das Gegenteil, meiner besten Freundin stieg die Zornesröte ins Gesicht. Sie fuchtelte wild mit ihren Armen vor meinem Gesicht herum.
„So etwas lasse ich mir nicht bieten. Das ist eine Frechheit. Sie wird schon merken, was sie davon hat. Und du solltest mich dabei unterstützen, wenn dir unsere Freundschaft etwas bedeutet", fuhr sie mich an.
Ich nickte zustimmend, obwohl ich echt keine Lust hatte, in den Streit mit Paula hineingezogen zu werden. Schließlich war diese auch eine Freundin von mir und ich mochte sie. Aber was sollte ich bloß tun, um Anna nicht weiter zu verärgern? Innerlich hoffte ich, dass sich Paula doch noch entschuldigte, damit dieser kindische Streit erledigt war. Ich fand es übertrieben von meiner besten Freundin, dass sie sich so sehr darüber aufregte.
Paula saß in der Klasse zwei Reihen vor uns und war sichtlich geknickt. Traurig starrte sie auf die Schulbank. Anna hatte ihr den Krieg erklärt wegen dieser dämlichen Kette. Manchmal verstand ich meine beste Freundin echt nicht. Sie konnte aus einer Mücke einen Elefanten machen. Und das auch noch auf Kosten anderer. Paula tat mir ehrlich leid. Ein kaputtes Schmuckstück rechtfertigte für mich nicht das Theater, das Anna veranstaltete.
Aber für den Moment musste ich den Mund halten, um sie nicht noch mehr aufzuregen. Ich nahm mir aber vor, mit Paula zu sprechen, sobald ich mit ihr alleine war. Vielleicht konnte ich sie dazu bringen, zuzugeben, dass es ihr leidtat. Was nicht die leichteste Aufgabe werden würde, denn sie konnte sehr stur sein. So niedlich sie nach außen hin wirkte, so leicht konnte sie wegen Kleinigkeiten unnachgiebig spinnen. Deshalb war es oft nicht leicht, mit beiden befreundet zu sein, denn das war nicht der erste Streit, den ich zwischen Anna und Paula schlichten musste.
Doch weiter kam ich mit meinen Gedanken nicht, denn Tobias, unser Religionslehrer, betrat das Klassenzimmer. Er hatte lange Haare, die er immer zu einem Zopf zusammengebunden hatte. Er trug eine Hornbrille und oft Kleidung, die nicht zusammenpasste. Er schien sich nicht um sein Aussehen zu kümmern, aber das machte nichts, denn er war ein guter Lehrer. Er zeigte uns Kindern immer, dass er uns mochte und unterstützte.
„Guten Morgen, Kinder", begrüßte er uns in seiner freundlichen Art.
Obwohl er streng zu uns war, behandelte er uns immer