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Ich sehe, wie die Welt sich dreht
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eBook171 Seiten2 Stunden

Ich sehe, wie die Welt sich dreht

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Über dieses E-Book

Stian und Mia passen eigentlich gar nicht zusammen. Doch wie heißt es so schön: Gegensätze ziehen sich an! Stian und Mia prallen einfach aufeinander und fühlen sich beide sofort voneinander angezogen. Sie treffen sich zunächst morgens am Strand, abends kommt es dann zum ersten Kuss. Spätestens dann ist es um beide geschehen. Mia mag Stian sehr und Stian hat sich Hals über Kopf in das schöne Mädchen verliebt. Beide stürzen sich in eine wilde, romantische Sommerliebe mit ungewissem Ausgang.Arne Svingen (*1967 in Oslo) ist ein norwegischer Journalist und Schriftsteller. Er schreibt zwar auch Bücher für Erwachsene, ist aber vor allem für seine Kinder- und Jugendbücher bekannt.Helene Uri (*1964) war in Oslo Professorin für Norwegisch als Fremdsprache, bevor sie sich ganz dem Verfassen von Romanen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene widmete. "Eine einfühlsame Liebesgeschichte mit einem märchenhaften Schluss." – Katharina Siegenthaler, www.kjmbefr.ch-
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum13. Nov. 2015
ISBN9788711465097
Ich sehe, wie die Welt sich dreht

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    Buchvorschau

    Ich sehe, wie die Welt sich dreht - Helene Uri

    Saga

    Ich trinke nasses Hundefell

    und pflücke einen Löwenzahn

    Magst du keinen Whisky, Schätzchen?«

    »Nein, nicht so richtig«, antworte ich mit einem Seitenblick auf das Whiskyglas neben mir. Ich habe erst ein paarmal daran genippt. »Das schmeckt wie Ohrenschmalz«, sage ich.

    »Was?«

    »Ohrenschmalz«, wiederhole ich und zeige zuerst auf mein eines, dann auf mein anderes Ohr und schließlich auf den Whisky.

    »Aha«, sagt er. Sein Bauch bebt beim Lachen. »Möchtest du lieber ein Bier?«

    »Ja, bitte«, antworte ich lächelnd und er reicht mir seine Bierflasche. Ich bin schließlich hier, um mich zu amüsieren, oder was? Er hat Sonnenbrand im Gesicht, ist so rot wie die dänische Flagge. Von den Schläfen bis zu den Augen ziehen sich schmale weiße Striche. Bestimmt ist er mit der Sonnenbrille auf der Nase am Strand eingeschlafen.

    »Ist sie nicht einfach wunderbar?«, brüllt der Flaggenmann seinen Kumpel auf der anderen Seite des Tisches an. Der Kumpel hat dichte schwarze Locken auf der Brust. Wie ein Affe. Bestimmt hat er auch in den Ohren einen Urwald aus Haaren. Und braunes krümeliges Ohrenschmalz, das genauso eklig und scharf stinkt wie der Whisky. Aber trotzdem lache ich über den Witz, den der Affenmann jetzt erzählt. Ich kriege zwar die Pointe nicht mit, aber ich kapiere immerhin, dass der Witz ziemlich grob ist. Ich will mich ja schließlich amüsieren. Ich amüsiere mich! Ich lache noch lauter und hebe die Flasche an den Mund. Die Flasche fühlt sich an meinen Lippen wunderbar glatt und kühl an. Aber das Bier schmeckt scheußlich, wie benutztes Turnzeug und nasses Hundefell. Mir fällt ein, dass ich kein Bier mag. Ich schlucke aber trotzdem. Schlucke und lächele. Lege den Kopf schräg und lächele die beiden Männer an. Von außen kichernd-fröhlich. Von innen wutschnaubend. Klassefrau. Der Flaggenmann sagt etwas. Ich verstehe nur Bahnhof, aber ich lache. Wieder hebe ich die Flasche an den Mund und lasse die Flüssigkeit durch meinen Hals strömen. Er beugt sich zu mir vor. Sein Lächeln ist ganz dicht bei mir. Er haucht mir seinen Atem ins Gesicht. Seine rote Stirn ist bedeckt von kleinen blanken Tropfen. Er scheint Butter auszuschwitzen. Er sagt etwas und legt mir einen dicken, schwabbeligen Arm um die Taille. Ich spüre seine Finger dicht bei meinem Nabel, der Daumen erreicht gerade noch meinen Rücken. Ich habe das Gefühl, von einer klebrigen, zudringlichen Gummihandschuhhand umarmt zu werden. Dann spüre ich seinen Oberschenkel an meinem. Und reiße mich los, ich springe auf, trete ihm, so hart ich kann, vors Schienbein, kehre ihm den Rücken zu und marschiere aus der Bar. Ich würde gern mit der Tür knallen, aber ein blonder Mann in einem knallbunten Hemd hält sie für mich auf. Er sagt etwas, auf Schwedisch, glaube ich. Es klingt freundlich. Aber who cares? Und was bildet der Typ sich ein, hier einfach freundlich zu mir zu sein? Dussel! Ich fauche ihn an, dann bin ich draußen.

    Ich weiß nicht, wohin, ich weiß nur, dass ich nicht länger mit Affenmann und Flaggenmann zusammen sein will. Und ich weiß, dass ich nicht nach Hause will. Vor allen Dingen will ich nicht nach Hause ins Ferienhaus. Deshalb gehe ich die Straße entlang, weg vom Zentrum, weg von der Bar. Weg von ihr. Mir geht auf, dass ich die Bierflasche mitgenommen habe. Ich trinke zwei Schluck, bekomme aber eine Gänsehaut, als ich mich zum Schlucken zwinge. Mir ist schlecht, und ich gehe nur noch einige Meter weiter, dann lasse ich mich an den Straßenrand fallen, mitten in eine Löwenzahnkolonie. Die meisten Blüten haben sich für die Nacht geschlossen, eine große aber ist noch immer hellgelb und offen. Plötzlich muss ich an einen Sommer vor langer Zeit denken, einen Sommer zu Hause in Norwegen. Als alles anders war, und ich ein kleines Mädchen mit Zöpfchen und aufgeschrammten Knien. Damals hatte ich ja keine Ahnung. Und das Leben war so leicht. Mama rupfte den Löwenzahn aus der Wiese, brach den Stängel ab. Ich sehe ihre Hände vor mir. Warme, weiche, mollige Mamahände. Sie zeigte auf den weißen Saft, der aus dem Stängel quoll, und erzählte, dass Löwenzahn auf Dänisch »Mælkebøtte« heißt, also Milchkanne. Jetzt sitze ich hier auf einer kleinen dänischen Insel am Straßenrand, umringt von Löwenzahn. Plötzlich liege ich auf den Knien, ich reiße an Grasbüscheln und ziehe an Löwenzahnpflanzen, ich schleudere alles auf den Boden. Danach zermatsche ich es im Kies zu einem Brei, und meine Fingerspitzen werden aufgeschrammt und tun weh. Aber dann kann ich einfach nicht mehr länger wütend sein. Ich sinke in mich zusammen, vorsichtig strecke ich eine Hand nach dem größten Löwenzahn aus. Nach dem offenen. Er steht unberührt dicht neben mir. Ich pflücke ihn und halte ihn an meine Wange. Und ich merke, dass jetzt das Weinen kommt. Ich habe kein einziges Mal geweint, seit wir hergekommen sind. Aber jetzt weine ich. Ich heule wie ein kleines Kind. Wie ein kleines Mädchen mit Zöpfchen und kurzem Kleid.

    So bleibe ich eine Weile sitzen und lasse meine Tränen fließen, bis ich ganz leer bin. In meinem Kopf wütet ein Orkan und meine Gedanken flattern umher wie Papierschnipsel. Der erste Schultag: Ich habe eine karierte Schultasche und Mama hält meine Hand. Dann bin ich ein bisschen älter: Ich sitze zwischen meinen Eltern und blicke enttäuscht in eine Zirkusmanege voller Clowns mit roten Nasen und hüpfenden Pudeln. Und heute: der erste Tag der Sommerferien, und alles ging schief, schon von Anfang an. Die Sonne schien und es gab auf dem Frühstückstisch frische Brötchen, Saft und weich gekochte Eier. »Morgenmad«, sagte Mama, das ist dänisch für Frühstück, und sie lachte. Aber das half nichts. Der gelbe fröhliche Sonnenschein machte nur alles doppelt so schlimm. Ihre Augen, die dünnen Handgelenke. Es war unmöglich, nicht zu sehen, unmöglich zu vergessen. Es war unmöglich, sie nicht zu hassen. Ich sprang auf und ging, ohne auf Wiedersehen zu sagen, ohne zu sagen, wohin ich wollte. Ohne zu wissen, wohin ich wollte. Es tat gut, die Haustür knallen zu hören. Ich ging am Strand entlang, aber als der sich mit munteren Sommermenschen mit Saftflaschen und kreischenden Kindern füllte, verzog ich mich in die Straßen der kleinen Stadt. Ich besuchte Läden, trank eine Tasse Tee, probierte Kleider an, von denen ich wusste, dass ich sie nicht kaufen wollte, ich kaufte Haargel und klaute Lidschatten, den ich nie im Leben benutzen werde. Dann liefen mir der Butter schwitzende Flaggenmann und sein widerlicher Affenkumpel über den Weg. Und jetzt sitze ich heulend hier neben einer fast leeren Bierflasche. Es ist noch immer der erste Tag der Sommerferien. Aber der Tag ist zum Abend geworden und bald kommt die Nacht.

    Ich schalte meine Nachtsicht ein

    und höre keuchenden Atem

    Schon als kleiner Junge habe ich entdeckt, dass alles Spannende nachts geschieht. Man muss nur genau hinschauen. Mit geübtem Nachtblick nehme ich noch die kleinste Bewegung wahr, während ich wie ein schwarzer Schatten vorüberhusche, wie ein Windhauch.

    Ich kann mit geschlossenen Augen hier entlanggehen, so gut kenne ich den Strandweg. Aber das tue ich nicht, denn ich will alles mitbekommen, und wenn ich im falschen Moment gezwinkert hätte, dann hätte ich sie in dieser Lücke zwischen zwei Häusern bestimmt nicht gesehen, auf der anderen Straßenseite, in sich zusammengesunken und bewegungslos. Und zwar das Mädchen, das morgens am Strand aufgetaucht ist. Sie sieht jetzt anders aus als bei Tageslicht. Etwas ist passiert. Und dieses etwas passiert immer nachts.

    Ich gehe in die Hocke und betrachte sie, wie das bei Tageslicht am Strand niemals möglich wäre. Die Tage gehen vorüber wie eine kleine Ewigkeit nach der anderen, die Nächte nicht. Die gehören mir. Und jetzt schlägt mein Puls schneller. Denn hier stimmt etwas nicht. Sie dürfte nicht so dasitzen und am Etikett einer Bierflasche herumspielen. Nachts stülpt das Leben sich um. Wenn man genau hinsieht. Und ich habe Nachtblick. Und Nachtgehör. Ich höre das eintönige Dröhnen einer Fähre draußen auf dem Meer, betrunkenes Dänengeheul in der Ferne und den keuchenden Atem des Mädchens.

    Nachts sehen die dunklen Schatten aus wie Ungeheuer, deshalb bleibe ich bewegungslos im hohen Gras sitzen. Ich habe Zeit. Ich habe die ganze Nacht.

    Und jetzt bewegt sie sich.

    Ich werde zur Seiltänzerin und

    mache bei einem Kotzkurs mit

    Ich bin eigentlich sonst keine, die im Straßengraben herumflennt. Silje, meine Freundin, sagt, ich sei eine, die alles schafft. Aber das stimmt nicht. Jedenfalls hebe ich den Kopf und wische mir die Tränen ab. Aufzustehen bringe ich nicht über mich. Mein Körper ist schwer von den vielen Gedanken, die ich einfach nicht denken will, die ich im Moment allerdings nicht wegbefehlen kann. Da war dieser Tag im Oktober: Auf dem einen Sofa saßen Mama und Papa. Auf dem anderen saß ich. Ihr Blick ließ mich nicht los. Himmel. Warum muss ich die ganze Zeit daran denken? Ich will mich amüsieren, ich will nicht nachdenken.

    Ich fluche nur selten. Ich habe beschlossen, die Flüche für die Gelegenheiten aufzusparen, bei denen ich sie wirklich brauche. Das hier ist so eine Gelegenheit. Ich sage es laut in die stille Nacht hinaus: Verdammte Mutter! Scheiß-Mama. Ich hasse dich, weil du mir das antust, weil du mein Leben kaputtmachst. Das Weinen steigt mir wieder den Hals hoch, aber ich presse es nach unten. In der Hand halte ich einen gelben Löwenzahn mit abgerissenem Stängel. Wird der schon schlaff? Ich will nicht daran denken. Ich will nicht! Ihre Augen schauen trotzdem in meine.

    Plötzlich habe ich das ekelhafte Gefühl, dass mich in diesem Moment irgendwer ansieht. Ganz ruhig jetzt, Mia, sage ich mir. Reg dich ab, Weichei, hier ist kein Mensch. Ich trinke den letzten Schluck Bier, dann lasse ich die Flasche auf der trockenen, staubigen Landstraße um sich selber wirbeln. Die, auf die der Flaschenhals zeigt, soll auf einem Bein stehen und ganz laut kikeriki sagen, fordere ich gebieterisch. Ich fahre zusammen, als ich meine wütende und zugleich muntere Stimme höre. Aber zum Glück zeigt die Flasche ja nicht auf mich. Sondern auf den Baum da hinten. Ich kichere und drehe sie noch einmal. Ich amüsiere mich ja so sehr. Die, auf die die Flasche jetzt zeigt ... diesmal zeigt die Flasche genau auf mich. Na gut. Ich stehe auf und gehe den Weg entlang auf die Brücke zum Festland zu. Die Brücke ragt im Halbdunkel immer höher auf, je näher ich komme. Ich halte mich an einem Stahlseil fest und beuge mich über das Wasser. Ich beuge mich so weit vor, dass ich fast das Gleichgewicht verliere, aber nur fast. Ich weiß, was ich tue, und das Wasser ist eine matte schwarze Haut.

    Als ich klein war, waren Mama, Papa und ich einmal im Zirkus. Von den Bänken blätterte die Farbe ab. Der Zirkusdirektor hatte ein fleckiges Hemd. Ich kann mich an die Elefanten erinnern – riesig, grau-schmuddelig, mit kleinen roten Augen, ganz anders als die hellblauen molligen Elefanten in meinen Büchern zu Hause. Aber die Seiltänzerin war toll. In einem federleichten weißen Tüllrock balancierte sie hoch oben unter der Zeltkuppel. Ich hielt Mamas Hand fest und ließ die Seiltänzerin nicht aus den Augen, ich wagte fast nicht zu atmen, es war so schön und so gefährlich.

    Ehe ich eigentlich weiß, warum, bin ich auch schon auf das Brückengeländer geklettert. Auf der einen Seite gibt es Asphalt und ab und zu ein Auto, auf der anderen Seite gibt es Wasser. Tief unten glitzert es matt. Lockend und beängstigend zugleich. Ich balanciere mit zur Seite gestreckten Armen, gehe langsam, setze vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Ich bin die Seiltänzerin. Ich trage ein Wippröckchen und sehe aus wie eine Feenkönigin. Ich setze die Füße in den schmalen weißen Seidenschuhen vor mich hin und tanze über das dünne Seil. Das Publikum starrt atemlos zu mir herauf, und da unten, geborgen zwischen Mama und Papa, sitzt ein blondes Mädchen mit roten Schleifen in den Zöpfchen. Ich gehe weiter und weiter, immer weiter hinaus auf die Brücke. Und es gefällt mir immer besser, ich denke nur an den nächsten Schritt. Ich bin eine Balancekünstlerin. In meinem Kopf ist für nichts anderes Platz. Einen Fuß vorsichtig vor den anderen gestellt, die Arme seitwärts ausgestreckt, den Blick nach vorn gerichtet. Vielleicht werde ich schweben und der weiße durchsichtige Tüllrock wird mich wie ein Fallschirm umgeben. Vielleicht werde ich durch die Luft fliegen. Das kann nicht gefährlich sein. Ich amüsiere mich doch nur, oder was? Und die Augen sind so graublau und die Handgelenke sind so dünn geworden. Verdammte Mama!

    Ein Auto jagt mit

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