Zugvögel
Von Sabú Loewe
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Über dieses E-Book
Astyuanax, ein trojanischer Krieger, bemerkt inmitten der Schlacht den schmächtigen, verschreckten griechischen Soldaten Charilas und versteht plötzlich, dass nicht alle Griechen bösartige Feinde sind. Astyuanax macht es sich zur Aufgabe, Charilas sicher aus dem Kriegsgebiet und nachhause zu bringen.
Zunächst ist Charilas beglückt von der Aussicht, in seine zum Idyll idealisierte Heimat, einen Tempel in einem engen Schattental zurückkehren zu können. Doch auf der Reise mit seinem neuen Freund wird es ihm immer deutlicher, dass er nicht mehr in die alte Enge zurückkehren will, in der es für seine Freundschaft mit dem Feind keinen Platz gäbe.
Er erkennt, dass in der Freiheit der selbstbestimmten Realität ein viel größeres Glück zu finden ist.
Die Reihe "Texte für Menschen" strapaziert die Grenzen zwischen Kinder-, Jugend- oder Erwachsenen-, Frauen- oder Männerliteratur. Es handelt sich um philosophische literarische Miniaturen. Die oberflächliche Einfachheit der Texte ermöglicht den Zugang zu gedanklicher Tiefe. Themen wie der individuelle Weg, das sich Öffnen gegenüber Neuem, das Durchbrechen von Zwängen und die Botschaft, dass man Grenzen auflösen kann, machen diese Texte so wertvoll. Mit traumwandlerischer Stilsicherheit und sprachlicher Klarheit fasst Sabú philosophische Gedanken in einfache Bilder. Auf die gewitzelte Frage "Warum nur für Menschen?" antwortet der Antispeziesist: "Alle Katzen, die ich kenne, finden meine Texte langweilig."
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Buchvorschau
Zugvögel - Sabú Loewe
Glut um Troja
Die ganze Welt zerbirst im Unheil! Himmel und Horizonte vertrieben vom furchtbaren Entsetzen! Geröchel und Toben, Mordgeschrei und Wut! Kann mein Tempel noch stehen? Mit sicherem Fuß auf unerschütterter Erde? Der Olymp selbst verschwunden? Wie fern kann die Ferne sein, bevor sie verschwindet? Alles was bleibt - eine Welt aus Zorn! Das ewige Klirren der Waffen.
Da senkt sich ein Schatten selbst über meinen eigenen erbärmlichen Körper. Rasende Augen unter funkelndem Helm, schon tropft das Blut der toten Griechen von der Klinge auch mir auf die Brust. Diese Männer werden als strahlende Helden besungen, als edel, voll Tugend! Dieser fremde Hüne, der mir den Lebensfaden zerschneidet - mir ist er ein Monster! Oh Apoll!
Da sinkt das Schwert, er wendet den Kopf, der Schatten verfliegt! Der Himmel ist blau!
Oh Apoll! Habe ich dich eben laut angerufen? Und hast du mich am Boden dieses Dröhnens gehört? Mich? Mich in dieser furchtbaren Ferne?
Plötzlich umfassen mich Arme mit hartem Griff, zerren mich fort - jetzt muss ich sterben! Schon beugt sich der schreckliche Held wieder über mich, das dreckige Gesicht schweißnass verzerrt, die breiten Schultern aus Stahl. Eine Hand stößt sich unter meine Hüfte, eine unter meinen Hals. Ich werde hochgehoben. Wie lange trägt er mich? Meinem Todesschicksal entgegen? Zeit und Richtung gibt es schon lange nicht mehr, in dieser tosenden Glut um Troja.
Wie sehen die Augen des Kriegers aus, der einen Jungen aus einem Apollontempel zu Hades und den Schatten schicken wird? Müde blicke ich auf, suche den Mann unter der ewig gnadenlosen Rüstung. Er sieht mich nicht. Diese Augen gehören nur dem Kampf. Sicher sind seine Augen genauso düster braun wie sein schmutziges, helmbekröntes Haar. Er legt mich auf die Erde. Und sieht mich an, dieser wilde Sohn Trojas, ein finsterer Umriss gegen den blitzenden Himmel. Wieso muss sich mein Ende so hinzögern! Mit fest zugekniffenen Augen liege ich armselig wartend da und flüstere noch einmal bebend:
„Apoll!"
„Du brauchst nicht mehr zu beten", sagt eine Stimme nah bei mir. Vorsichtig, erschrocken öffne ich blinzelnd die Augen.
Es kann nur er gewesen sein, der sich noch immer über mich beugt. Aber in dieser Stimme lag kein kehliges Brüllen von Mordgeschrei.
„Wieso lebe ich noch?"