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Fluch der Pardonnex - Weltträumerin (II)
Fluch der Pardonnex - Weltträumerin (II)
Fluch der Pardonnex - Weltträumerin (II)
eBook344 Seiten4 Stunden

Fluch der Pardonnex - Weltträumerin (II)

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Über dieses E-Book

Zwei Jahre lebt Alena nun auf Soma. Das Wissen, zwei Somaner getötet zu haben, um den Planeten zu retten, lässt ihre Seele verkümmern. Als sie erfährt, dass die Somaner ihre magischen Kräfte nur für ihre Bequemlichkeit ausnutzen, flieht sie. Ein magischer Wald, der am Mittsommertag von Einhörnern aufgesucht wird, lindert ihre Seelenqual. Doch die Einhörner stürzen sie in tiefe Verzweiflung: Eine uralte Prophezeiung weist darauf hin, dass sie erneut die Schlüsselfigur des Schicksals von Soma ist. Alena muss wieder kämpfen!
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum11. Feb. 2014
ISBN9783847674993
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    Buchvorschau

    Fluch der Pardonnex - Weltträumerin (II) - Bianca Wörter

    1. Schuld

    Da war ich nun! Es gab keinen Weg zurück! Ich hatte es selbst zugelassen, dass mir der Weg auf ewig verschlossen bleiben würde.

    Damals sah es so aus, als ob es die richtige Entscheidung gewesen wäre, aber in diesen Momenten war ich mir nicht mehr sicher. Ich hätte damals noch zurück gekonnt - Parim und Ro'il'tara waren tot - ich hätte die Somaner beruhigt allein lassen können. Oder?

    Die Somaner hätten mich nicht gebraucht!

    Ich seufzte. Die Somaner hätten mich vielleicht nicht gebraucht, aber ich hatte Soma gebraucht, ein Abenteuer, einen Lebensinhalt. Vor allen Dingen fehlte mir Dar’sal, ich brauchte ihn - alles war anders geworden!

    Jetzt fingen die kleinen Probleme an, der Alltag kam, vor all diesem war ich auf der Erde geflüchtet. Sollte ich wieder fliehen? Wohin? Mir wurde gesagt, dass ich in der falschen Dimension geboren wurde, dass ich auf Soma geboren hätte werden sollen. Jetzt zeigte sich, dass ich dadurch das Gleichgewicht der Welten gestört hatte. Durch diesen Irrtum bekam ich ZU viel Macht als ich nach Soma überwechselte. Allein damit war die Balance zwischen den Welten gestört. Ich hätte mir somit aussuchen können, auf welchem Planeten ich leben wollte und fing an, über mich selbst zu lachen. Zum Glück waren meine Gedanken insoweit isoliert, dass kein magiebegabtes Wesen meine abstrakten Intuitionen lesen konnte – ich hätte mich deswegen geschämt.

    Ein Flattern in der Luft lenkte mich von meinen Gedanken ab. Ich blickte in den makellos blauen Himmel und konnte zuerst nicht erkennen, von wem und woher dieses Flattern kam. Ich drehte meinen Kopf zur Seite und spürte, wie mich das noch weiche, junge Gras an der Wange kitzelte. Es war endlich Frühling. Der Winter vor einem Jahr war härter gewesen als der darauf folgende, doch wir hatten es der Geistesgegenwart der ehemaligen Untergrundbewegung zu verdanken, dass wir die Winter ohne größere Schäden überlebt hatten. Die vielen Vorräte, die sie in meiner Abwesenheit gesammelt hatten und die täglichen Jagdzüge in den Wintermonaten sicherten uns unsere täglichen Mahlzeiten.

    Wieder dieses Flattern!

    Ich richtete mich auf, setzte mich vorsichtig hin und spähte hinter mich. Gerade noch rechtzeitig sah ich, wie der majestätische Drache hinter mir landete, die Flügel an die Seiten ruhig bebend faltete und mir tief in die Augen blickte. Seine karmesinroten Schuppen funkelten im gleißenden Sonnenlicht. Seine Flügel wiesen eine etwas dunklere Farbe als sein Schuppenkleid auf - sie leuchteten in tiefstem Weinrot. Sein stolz erhobenes Haupt, das auf einem langen, schlanken, eleganten Hals thronte, wiegte leicht hin und her. Sein schmaler, kräftiger Körper endete in einem langen, dornenbesetzten, schmalen Schwanz, der sich zum Ende hin verjüngte und wie bei einer Katze aufgeregt hin- und herpeitschte. Sein ganzer Körper stand unter einer mühsam gebändigten Spannung, er tänzelte mit seinen Vorderbeinen wie ein nervöses Pferd. Seine goldenen Augen stachen tief in meine Seele.

    Ich verschloss meine Seele sorgfältig gegen das beleidigende Forschen meines Sprösslings in meinem Inneren. Dafür erntete ich ein wütendes Blitzen aus den Augen des herrlichen Drachens.

    Du wunderst dich? Ich habe dich nicht eingeladen, in meine Seele zu blicken!

    To'rir senkte seinen Kopf auf meine Augenhöhe herab und berührte mit seiner warmen, weichen Schnauze meine Nasenspitze: Unter unseresgleichen fragt man nicht danach!

    Ich stand ruckartig auf, sodass To'rir erschrocken ein paar Zentimeter zurückwich, sich sofort wieder unter Kontrolle hatte und mich an meiner Hüfte wütend mit seiner Schnauze anstieß.

    Ich funkelte ihn böse an: Wir sind nicht von der gleichen Art! Ich bin ein Mensch und du ein Drache!

    To'rirs Kopf schnellte in die Höhe, sein Grollen ertönte, das nur ein Drache als Lachen erkennen konnte. Er verletzte mich dadurch und das wusste er genau. Der Drache blickte mir wieder in die Augen, legte seinen Kopf schief und seine Stirnwülste, die wie Augenbrauen über seinen Augen prangten, zogen sich noch weiter nach unten, sodass ich seine Wut nicht nur körperlich spüren, sondern auch sehen konnte.

    Du lebst zu lange unter den Somanern. Sie verderben dich und dein wahres Wesen!, warf er mir schonungslos vor.

    Ich holte tief Luft und stieß den Atem zischend durch meine zusammengebissenen Zähne aus.

    'Wieso muss er mich wieder so wütend machen?', fragte ich mich still.

    Laut sagte ich: Bitte keine endlosen Diskussionen mehr!

    Ich drehte mich um und ging mit weit ausholenden Schritten in Richtung Pax, der neuen Stadt, die wir dieses Jahr mit vereinten Kräften errichteten.

    Wir, das waren ich und die Somaner, die ich von Parims Joch befreit hatte.

    Das Flattern lederner Flügel über meinem Kopf hielt mich auf. Vor mir ließ sich To'rir elegant auf seinen Hinterbeinen nieder. Diesmal legte er seine Flügel nicht an seinen Körper an, er blieb in Drohhaltung mit weit gespreizten, vibrierenden Flügeln und in der Luft zitternden Vorderbeinen vor mir stehen. Die Flügel waren so groß, dass sie weit über mein Gesichtsfeld hinausgingen. Ich musste innerlich lächeln, als ich verstand, dass er verhindern wollte, dass ich einfach wegging, bevor er mit seinem Gespräch mit mir fertig war.

    Weglaufen ist keine Lösung!, fing er da auch schon an.

    Ich verdrehte die Augen und der Ärger kroch in mir hoch: Soll ich kämpfen? Ich bin zu müde dazu!

    To'rir ließ von seiner Drohhaltung ab, ließ sich auf seine Vorderbeine nieder, senkte seinen Kopf zu mir herab, seine Stimme war erstaunlich weich und sanft: Das ist es, Alena. Du strahlst keine Lebensenergie mehr aus. Du bist schwach geworden. Du bist unglücklich. Ich mache mir Sorgen um dich! Ich weiß nicht, was dir fehlt, du bist seit diesem Winter traurig.

    Ich riss die Augen auf. To'rir hatte mir noch nie gesagt, warum er die Somaner als schlecht für mich erachtete -  von der Tatsache, dass sie keine Drachen waren, einmal abgesehen. Ich hatte seine Meinung auch nicht in seiner Seele lesen können, weil ich mich ihm versperrt hatte und daher auch nicht in sein Inneres eindringen konnte. Doch hatte ich auch nie eindringlich genug danach gefragt, warum er mich immer wieder aus den Reihen der Somaner holen wollte.

    Ja, ich fühlte mich ausgelaugt, ein Stein hatte in diesen Tagen mehr Energie als ich im Leib. Aber es waren nicht die Somaner direkt, die mich diese gewaltige Energie kosteten. Ich war es. Ich half überall - fühlte mich verpflichtet durch die Macht, die ich hatte. Ich gönnte mir keine Pause, keine Ruhe, keine Zeit zum Atmen, da ich mit dieser gewaltigen Verantwortung, die ich mir übertragen hatte, nicht zurechtkam. Wenn ich schlief, konnte ich nicht helfen, daher musste ich im wachen Zustand überall meine Augen und meine heilenden Hände, meine Magie, meine Macht zum Guten einsetzen.

    Den dritten Sommer erlebte ich jetzt auf Soma. Ich hatte mich noch nicht an die langen Jahre auf Soma gewöhnt. Nach der Zeitrechnung der Erde dauert ein Somajahr 18 Monate. Winter wie Sommer waren je sieben Monate, Frühling und Herbst kurze Übergangszeiten von je zwei Monaten.

    'Die Krankenpflege, der Aufbau der neuen Stadt, alles nimmt mich völlig ein! Yyro'ha, Dar'sal, Xera und Semmin helfen mir nach Leibeskräften, aber meine eigenen Ansprüche an mich als Magierin sind viel zu hoch! Egal, ob Tag, ob Nacht, ich bin ständig in Bewegung! Selbst der Schlaf bringt mir keine Erleichterung. Meine Träume verraten mir, dass ich nicht loslassen kann: Sogar in meinen Träumen kümmere ich mich um Kinder, Alte, seelische oder körperliche Kranke und Verletzte. Ich habe keinerlei Abwechslung, doch sollte ich die Somaner sich selbst überlassen? Meine in mir wohnende Macht verpflichtet mich geradezu, sie zum Guten einzusetzen. Aber weißt du was? Ganz tief in mir weiß ich den wahren Grund, warum ich unermüdlich versuche, mich zu geißeln: Ich habe Angst, zu enden wie Parim und Ro'il'tara. Sie hatten am Anfang auch die Macht besessen, hatten sie zu Beginn zum Guten eingesetzt, aber irgendwann schlug ihre Macht in Machtgier um, allmächtig herrschten sie über die Somaner und verloren fortan ihre Würde! Sie stahlen die Macht, indem sie andere Magier töteten und deren Magie in sich aufnahmen. Sie verschrieben sich der schwarzen Magie, wollten mehr und mehr und immer mehr und ich will nicht enden wie sie!'

    'Wenn es ihnen einmal so wie dir ergangen war?', fragte mich To'rir in Gedanken.

    Erschrocken blickte ich zu ihm auf. Ich saß im Gras zwischen den Pranken meines Drachensohnes gebettet. Ich hatte ihm unbewusst meine Seele geöffnet, hatte ihm in Gedanken meine Qual mitgeteilt. Durch die Verbundenheit unserer beider Seelen hatte To'rir nicht nur meine Gedanken gehört - er hatte auch mein Leid gespürt, Szenen gesehen, die sich im Inneren meines Kopfes abgespielt hatten, während ich ihm den Grund meiner Traurigkeit und Lebensmüdigkeit geschildert hatte. To'rirs Worte hatten eine Saite in meiner Seele zum Schwingen gebracht und ich forderte ihn auf weiterzusprechen.

    To'rir rieb seine weiche, samtene Schnauze an meiner Wange: Wenn sie so wie du am Ende ihrer Kräfte waren und für sich beschlossen hatten, dass sie ihre Macht nicht für die anderen mehr nutzen wollten? Wenn sie sich ausgenutzt gefühlt hatten? Wenn ihnen kein aufrichtiger Dank mehr entgegen gebracht worden war sondern Forderungen über Forderungen? Wären nicht die Somaner Schuld daran gewesen, dass sie sich so entwickelt hatten, wie du sie kennengelernt hattest? Wäre das nicht eine Erklärung, warum sie den dunklen Weg beschritten und so viel Leid verbreitet hatten? Bist du nicht auch in dieser Gefahr, so sehr du dir auch wünschst, nur Gutes zu tun? Ist die Trennung zwischen Gut und Böse nicht nur ein schmaler Grat, auf dem du balancierst? So, wie ich dich leiden sehe, halte ich das für möglich und deswegen mache ich mir Sorgen um dich.

    Ich tauchte tief in seinen Augen ein: Das wäre möglich. Das klingt logisch.

    To'rir schnaubte ärgerlich, sein warmer, köstlicher Atem strich über meine Wange: Logik! Wann lernst du endlich, dass du auf deine Gefühle hören sollst?

    Meine Gefühle sind meine Macht - ich höre schon lange auf sie. Aber...

    Kein Aber! Das Herz, die Seele kann nicht lügen! Der Verstand kann lügen, weil er geformt wurde. Die Seele in ihrer reinsten Form ist klarer und schöner als ein Diamant und kann nicht verdorben werden.

    Ich lachte bitter auf: Welche Theorie haben Drachen über die Seele schlechter Somaner?

    To'rir erhob sich ruckartig, sodass ich beinahe nach hinten gefallen wäre, hätte ich mich nicht reflexartig mit meinen Armen abgestützt. Ich stand auf und wandte mich dem roten Drachen zu, sah, wie seine Augen wütend kleine, goldene Blitze verströmten.

    Hat dir die Seele meines Vaters so wenig offenbart oder warst du schon zu lange bei den Somanern?

    Ich schwieg. Dran'gorr und Xyma'la, meine Drachenseele, waren so eng vereint gewesen, wie es noch nie zwischen einem Menschen und einem Drachen geschehen war und auch nie wieder geschehen würde. Doch hatte diese Vereinigung in meiner kleinen Menschenseele viel mehr Fragen als Antworten aufgeworfen und auch die Drachenseele in meinem Menschenkörper konnte dieses Potenzial nicht erfassen, da ich als Mensch und nicht als Drache geboren worden war. Es war nicht leicht, diesen Umstand in Worte zu fassen.

    Ich schüttelte traurig den Kopf: Ich bin kein Drache. Daher habe ich auch nicht das Potenzial für euer umfangreiches Wissen.

    To'rir beruhigte sich. Er ließ sich schnell aus der Fassung bringen. Er wäre als Mensch oder Somaner ein rebellischer Teenager gewesen. Er war noch jung und ungestüm - anders als Dran'gorr.

    Die Seele, begann To'rir in einem Tonfall, der mich an die Predigt eines Vaters vor seinem Kind erinnerte, kann nur durch den Verstand überdeckt werden. Bei Parim und Ro'il'tara stellte der Verstand eine Mauer dar, die sich um ihre Seelen herum gebildet hatte.

    Ein schrecklicher Schmerz durchzuckte meine Seele und durchbohrte mein Herz.

    Ich keuchte auf, krümmte mich unter dem Schmerz zusammen und stieß aus zusammengebissenen Zähnen wütend hervor: Hätte ich die Mauer nicht zerstören können? Jede Nacht wache ich schweißgebadet auf, nachdem ich endlich eingeschlafen bin und das Entsetzen meiner Tat kurz vergessen habe. Wäre ihr Leben zu retten gewesen, wenn ich die Mauer um ihre reine Seele zerstört hätte?

    To'rir nickte ernst: Das hättest du. Jahrzehnte, Jahrhunderte zuvor, aber nicht mehr zu dem Zeitpunkt, als du auf Soma gestrandet bist. Ihre Seelen sind unter der Mauer lange Zeit zuvor qualvoll erstickt, verblüht wie eine welke Rose. Selbst, wenn du die Mauer zerstört hättest, auch dann wären sie gestorben, nur langsamer, qualvoller. Du hast ihnen durch den schnellen Tod eine große Gnade gewährt.

    Mein Puls raste noch, als ich versuchte mich aufzurichten. Die Schmerzen in meinem Inneren verebbten langsam.

    Ich dachte, eine Seele ist unsterblich?

    To'rir legte sich vor mir hin und ich nahm wieder Platz zwischen seinen Pranken, sog seine Worte ein, die sich wie Balsam über meine wunde Seele legten und den Schmerz linderten: Die Essenz der Seele ist unsterblich, aber das Wesen, das, was Parim ausmachte, was zu seiner Seele gehörte, war unwiederbringlich verloren. Sein ‚Ich‘, das in seinem Körper durch ihn handelte, seine innere Identität, sein Geist, die Kraft der Seele, welche denkt und Vorstellungen bildet, zwischen Recht und Unrecht, zwischen Gut und Böse entscheidet, all das macht den Menschen in seiner Würde, in seinem Geist und seiner Gnade aus. Dies aber war bei Parim erloschen. Ohne seine Seele ist sein Körper nur noch wie ein 'Fisch ohne Wasser'. Kannst du dir einen Menschen, einen Somaner oder einen Drachen ohne Seele vorstellen?

    Ich verneinte. Ich lehnte meinen Kopf an seine mächtige Brust und spürte, wie sie sich hob und senkte, wenn er atmete, hörte das Rauschen der Luft in seinen Lungen. Mein Herzschlag war eins mit seinem.

    To'rir, warum konnte ich das nicht selbst erkennen?

    To'rir antwortete belustigt: Weil du kein Drache bist!

    Ich seufzte. Ich fühlte mich seltsam getröstet, auch wenn dadurch das Blut von meinen Händen nicht gewaschen war, so war das nagende Schuldgefühl in meiner Seele gedämpft. Ich konnte mit der Schuld zweier Morde besser umgehen.

    2. Trauer

    Wieso hattest du eine solche Wut in dir?, wollte ich von To'rir wissen.

    Der Drache schwieg lange.

    Danach flüsterte er: Dran'gorrs Trauer ließ meine Seele bluten und du hattest deine Seele für seinen Schmerz verschlossen!

    Ich schloss die Augen: Für mich war es auch nicht leicht.

    To'rir blickte gedankenverloren in die Weite des Himmels: Du hattest jemanden, der noch einen Platz in deinem Herzen einnahm. Vater hatte niemanden. Yli'on und ich hörten ihn jede Nacht singen. Er hat in einer Weise gesungen wie noch nie ein Drache zuvor. Er liebt dich sehr und ist von Trauer und Schmerz erfüllt, dass du nicht bei ihm bist. Je trauriger wir Drachen sind, desto schöner, melodienreicher, bildhafter wird unser Gesang. Plötzlich verstummte sein Gesang. Im ersten Sommer nach Parims Tod. Wir flogen zu den Eisbergen, in denen er sich aufhielt, jedoch wir fanden ihn nicht mehr. Wir spürten nicht einmal seine Anwesenheit. Auch seinen Körper fanden wir nicht.

    Ich verstand: An diesem Tag hattest du mich das erste Mal aufgesucht. Du dachtest, dass ich ihn finden würde, weil er nur von mir gefunden werden wollte. Doch was ist heute geschehen? Du bist verändert.

    To'rir stieß sein grollendes Lachen aus: Heute vernahmen wir seine Gegenwart wieder. Er verbrachte eineinhalb Jahre tief unter den Eisbergen im warmen Inneren von Soma. Ein Drachenschlaf ist todesähnlich. Das Herz schlägt nur einmal am Tag und so schwach, dass wir jüngeren Drachen ihn mit unseren noch unvollkommenen Kräften nicht wahrnehmen können. Heute ist er erwacht und seine Seele blutet nicht mehr.

    Mir krampfte sich mein Herz vor Wut zusammen. Dran'gorr hatte sich die ganze Zeit verkrochen, ließ seine Seele im Schlaf heilen und ich musste mit meiner blutenden Wunde leben! Ich konnte nicht einfach über ein Jahr in Vergessenheit abtauchen und wenn ich wieder auftauchte, erschien alles besser!

    To'rir funkelte mich tadelnd an: Urteile nicht so hart! Denk daran, wieviel tausend Jahre wir leben und wie verschwindend gering eure Lebensspanne ist. Noch ein Grund als Drache zu leben. Alena, ich verstehe dich nicht, wieso du an diesem Menschenkörper festhältst. Du wirfst das wertvollste Geschenk achtlos weg!

    Ich schüttelte den Kopf: Lenk nicht ab! Ich konnte keinen Drachenschlaf halten und für eine kurze Zeit alles vergessen. Ich weiß, dass Drachen intensiver empfinden - ihr seid damit geboren worden, ihr wisst damit umzugehen! Das ist auch der Grund, warum ich als Mensch weiter leben möchte. Ich bin in diesem Körper geboren worden und weiß damit umzugehen!

    Ich zeigte an mir herunter: Diese Hülle ist mir vertraut. Das Menschsein hat seine Vorteile...

    Echt?, ertönte hinter mir die freundlich - lakonische Stimme, die ich die letzten Jahre kennen und lieben gelernt hatte.

    Dar'sal!, rief ich aus, als sich zwei kräftige, federbesetzte Arme um meine Hüfte legten und mich regelrecht umschlangen.

    Ich legte beide Arme über seine und lehnte meinen Kopf an seine mit Federn geschmückte Brust.

    Lässt dich diese fliegende Echse nicht in Ruhe?, wollte Dar'sal wissen.

    Ich musste gegen meinen Willen kichern, als To'rirs Augen einen wütenden Ausdruck annahmen und sich zu kleinen, blitzenden Schlitzen verengten.

    Beschwichtigend griff ich ein: Dar'sal! Ich weiß zwar, dass Bauarbeiter einen rüden Tonfall an den Tag legen, aber du könntest wirklich etwas höflicher zu dem D R A C H E N To'rir sein!

    Ich betonte das Wort „Drache", weil ich Dar'sal schon tausendmal gesagt hatte, dass To'rir es hasste, als Echse beschimpft zu werden. Er konnte es nicht verstehen, wie Dar'sal auf die Idee kam, ihn mit einem Staubkriecher zu vergleichen.

    Jetzt nimmst du ihn wieder in Schutz und nachher beschwerst du dich, dass er dich nicht in Ruhe lässt, weil du kein D R A C H E werden willst!, verteidigte sich Dar'sal.

    Mein rot anlaufendes Gesicht verhinderte nicht, dass To'rir mir einen bitterbösen Blick zuwarf und mir in den Kopf ein ‚Verräter' hineindachte. Seine Verachtung traf mich körperlich, so sehr missfiel dem Drachen die Situation.

    Mein lieber Drache! Werde nicht unfair! Du sagst, dass Drachen ein Kollektivbewusstsein haben und ihre Seele nicht voreinander verschließen. Da wir Somaner das nicht können, gleichen wir das durch Kommunikation aus. Also! Ich denke, dass deine Schwester von jedem meiner Worte, die du gehört hast, weiß.

    To'rir senkte den Kopf und wäre er kein roter Drache gewesen, hätte er sicherlich einen roten Kopf erhalten.

    Verzeihung!, sagte er laut und ich war mir sicher, dass er es ernst meinte.

    Er hatte für heute seine Lektion gelernt. Ich lachte. Ich wusste, dass die beiden sich sehr mochten, obwohl es nach außen hin nicht den Anschein hatte und sie sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu streiten begannen. To'rir bewunderte die Gestaltwandlung des Symbionten, die keinerlei magische Energie benötigte, weil sie zu seinem Wesen gehörte und Dar'sal bewunderte den Drachen ob seiner wunderschönen Gestalt und Kraft, wie sie nur ein Drache besitzen kann. Dar'sal verwandelte sich in einen Somaner und wieder versetzte es mir einen kleinen Stich, weil ich ihn in seiner engelsgleichen Gestalt viel zu gern und leider immer viel zu kurz bewundern konnte. Ich schüttelte meinen Kopf und wollte das traurige Gefühl von mir abschütteln.

    Wieso bist du hier? Hast du mich gesucht?, wollte ich von dem Symbionten wissen.

    Dar'sal grinste: Nur so. Ich mache heute früher Feierabend.

    Ich blickte ihn erstaunt an. Das war ich nicht von ihm gewohnt. Dar'sal arbeitete genauso hart wie ich und nur Balon, der von Natur aus eher gemütlicher veranlagt war, schaffte es manchmal, uns beide zur Vernunft zu bringen, indem er darauf bestand, dass am nächsten Tag noch genug Arbeit auf uns warten würde. Und er hatte recht, denn mit dem Bau der neuen Stadt kamen wir erstaunlich gut voran, weil jeder, der zwei gesunde Arme und Beine hatte, nach Leibeskräften mit anpackte.

    Und Xera und Semmin?, wollte ich wissen.

    Wir vier, Dar'sal, ich und die beiden Elfen, waren ein unzertrennliches Gespann.

    Feierabend, kam die kurze Antwort.

    Überrascht blickte ich Dar'sal an und begann etwas zu ahnen: Und die anderen?

    Feierabend, Dar'sal konnte sich ein kurzes Grinsen nicht verkneifen.

    Langsam bildeten sich Lachfalten auf seinem sonst unbewegten Gesicht.

    To'rir schnaubte und murmelte etwas von: ...typisch Somaner...

    Ich zuckte mit den Schultern: Gut!

    Ich hatte mich schon in den frühen Morgenstunden zu diesem Platz geschleppt, wo mich To'rir und Dar'sal überrascht hatten. Ich wollte Zeit zum Nachdenken haben, wollte nicht, dass mich jemand in meinen Gedanken störte. Ich war mir dabei zwar ziemlich jämmerlich vorgekommen, aber gleichzeitig war mein eigenes Elend so groß, dass ich das Gefühl hatte, an diesem Platz allein und zurückgezogen sein zu müssen, um nicht innerlich zu zerbrechen. Schon bei dem Gedanken daran knirschte ich mit den Zähnen und ballte meine Hände zu Fäusten.

    Dar'sal bemerkte meinen verbissenen Gesichtsausdruck und dass ich mit den Gedanken weit weg von ihm war.

    Er allerdings wollte mich aufmuntern und fuhr mit fröhlichem Tonfall fort: Bist du gar nicht neugierig, warum wir so früh mit dem Arbeiten aufhören?

    Natürlich war ich das! Doch, wenn ich früher neugierig gewesen war, dass ich innerlich fast zerborsten wäre, so konnte ich mich nach den Jahren auf Soma bewundernswert beherrschen. So dramatisch es klang, aber ich war nicht mehr so unschuldig wie früher - ich hatte dem Tod in die Augen gesehen und den Tod in den Augen meiner Feinde. Dadurch verlor ich meine unbeschwerte Unschuld und Ungeduld. Ich hatte nicht im Effekt oder bei einem Unfall, ich hatte absichtlich und bei vollem Bewusstsein getötet und immer, wenn ich mich daran erinnerte, befürchtete ich, dass dadurch ein Wall in mir zerbrochen war und dass mir das Töten in Zukunft leichter fallen würde - dass meine Hemmschwelle heruntergesetzt worden war!

    Ich verdrängte meine düsteren Gedanken und blickte Dar'sal aufmunternd an: Wieso haben jetzt alle Feierabend?

    Dar'sal sah freudig und aufgeregt aus, sodass ich mir dachte, er wäre mit der Neuigkeit herausgeplatzt, wenn ich ihn nicht endlich danach gefragt hätte: Komm mit! Ich darf dir noch nicht viel verraten, aber ich habe ein Geschenk für dich.

    Ab diesem Zeitpunkt war ich wirklich neugierig. Zu gern ließ ich mich entführen. Ich streichelte dem sauer dreinblickenden To'rir über die samtene Schnauze und lief mit Dar'sal los. Als ich mich nach ein paar Minuten umdrehte, bestätigte sich der Eindruck, dass der Drache immer noch da war und mir mit traurigen Augen hinterher blickte. Ich blieb stehen und betrachtete seine funkelnden Schuppen. Er schwebte in einem Schauer von roten Wassertropfen, die bei jedem Atemzug, bei jeder Kopfbewegung, jedem Anspannen der mächtigen Muskeln unter seiner dicken Haut glänzten und tanzten. Er wirkte in dem hellen Sonnenlicht weniger wie ein Drache als vielmehr wie ein perfekt geschliffener, kostbarer Rubin. Ich seufzte, nachdem ich tief eingeatmet und dann den Atem vor Bewunderung lange angehalten hatte. Erst da wurde ich mir Dar'sal bewusst. Mein schlechtes Gewissen plagte mich sofort, nachdem ich an Dar'sal dachte. Die ganzen Monate hatte ich versucht, still, heimlich und leise zu trauern, damit ich nicht auch noch Dar'sal enttäuschen und traurig machen würde - aber nun war die Sehnsucht nach dem Drachen wieder erwacht. To'rir hätte mir nicht von den Leiden seines Vaters erzählen sollen und er hätte nicht in seiner ganzen Drachenpracht vor mir stehen und diese Sehnsucht wieder in mir wecken sollen.

    Ich blickte Dar'sal in die Augen. Sie glänzten. Ich senkte beschämt den Kopf, konnte es nicht mehr ertragen. In Gedanken schickte ich To'rir wütend zwei Worte zu, Wut und Trauer schlugen mir in seinen Gedanken zurück, doch er erhob sich gehorsam und flog davon. Kurz streifte mich seine Woge von Wut und Enttäuschung, dann verschloss ich meine Seele vor ihm und auch vor Dar'sal.

    Geh mit ihm. Du gehörst zu ihnen!, hörte ich die sanfte Stimme Dar'sals, die durch seine Traurigkeit noch weicher klang.

    Nein! Nein, sag das nicht! Ich gehöre zu dir! Zu Xera, zu Semmin und mein Herz würde brechen, wenn ich euch alle verlassen sollte!

    Dar'sal schüttelte den Kopf: Aber du hast immer noch nach dem Drachenkörper diese Sehnsucht, die ich fast körperlich spüre, auch, wenn du versuchst, dies zu verbergen. Ich lese es in deinen Gedanken, in deinen Gefühlen, deinen Bewegungen und Träumen. Du wirst nie mit deinem ganzen Herzen bei mir sein. Ich weiß nicht, wie lange ich das noch ertragen kann!

    Vor Verzweiflung wollte ich am liebsten anfangen zu weinen, aber ich unterdrückte meine Tränen: Dar'sal, sag das bitte nicht. Wo soll ich hingehören, wenn ich in meiner Seele halb Mensch, halb Drache bin und mich beide verstoßen! Wer hat das Recht zu behaupten, zu wem ich gehöre und zu wem nicht? Willst du mich verurteilen? Als ich vor der Wahl meines Körpers stand, habe ich mich für den Körper entschieden, in dem ich das Licht der Welt erblickt hatte. Und sollten mir Zweifel an meiner Wahl kommen, macht mich das nicht noch menschlicher?

    Ich legte meinen Kopf leicht schief und blickte Dar'sal direkt in die Augen, hoffte, dass er die Wahrheit in meiner Seele lesen konnte. Ich erkannte in seinen blauen Augen, wie sich ein dunkler Schatten als Schleier über seinen sonst klaren Blick legte und erkannte darin das schlechte Gewissen, das seine Seele plagte.

    Endlich nahm er mich fest in seine Arme: Verzeihst du mir? Ich wollte dich nicht wegschicken, ich will dich nicht verlieren! Es tut mir leid - ich bin eifersüchtig auf diesen Drachen, weil ich weiß, was er dir bedeutet. Ich... Bleib bei mir, bitte!

    Ich erwiderte seine Umarmung und ließ vor Erleichterung meinen Tränen freien Lauf. Sie rannen über meine Wangen, über Dar'sals silbergraues Haar und tropften auf die Wiese. Überall, wo sie hinfielen, wuchsen Sternblumen. Ich musste unter Tränen lachen, was noch mehr Sternblumen Leben schenkte.

    Dar'sals Augen folgte meinem Blick, er lachte und fragte erstaunt: "Wieso geschieht das mit deinen

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