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Unterwegs auf den Wegen des Schicksals: Eorin #3
Unterwegs auf den Wegen des Schicksals: Eorin #3
Unterwegs auf den Wegen des Schicksals: Eorin #3
eBook710 Seiten10 Stunden

Unterwegs auf den Wegen des Schicksals: Eorin #3

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Über dieses E-Book

Eorin - Band 3

von Margret Schwekendiek

Der Umfang dieses Buchs entspricht 707 Taschenbuchseiten.

Alles ist ganz anders gelaufen, als man erwarten konnte. Im letzten Moment hat sich jemand freiwillig geopfert, um Eorin vor dem verderblichen Einfluss der magischen Waffe zu bewahren. Doch damit ist die Gefahr nicht zu Ende. Eorin und Darras müssen einen Weg finden, um das Schwert endgültig zu neutralisieren oder besser noch, zu zerstören. Die junge Magiepriesterin erfährt plötzlich Dinge aus dem eigenen Leben, die ihr bisher unbekannt waren, und sie muss sich einer tief verwurzelten Angst stellen. Das alles scheint jedoch nicht viel zu nützen, denn wiederum steht sie vor der Entscheidung, sich selbst zu opfern oder die Welt in den Untergang zu reißen.

Alte Feinde werden jedoch plötzlich zu neuen Freunden, und von unerwarteter Seite taucht Hilfe auf. Doch sie scheint zu spät zu kommen, denn Eorin bleibt keine andere Wahl, als sich selbst der Macht des Schwertes zu unterwerfen. Ihre Bösartigkeit kennt plötzlich keine Grenzen, und selbst Darras hat keine Möglichkeit, sie aus der hoffnungslosen Lage zu befreien. Das kann nur sie selbst, doch sie hat keine Absicht, sich dieser unglaublichen Machtfülle selbst zu berauben.

Die verlorenen Schatten scheinen einen Ausweg zu bieten, doch wer zu ihnen gehört, ist eigentlich schon tot. Nicht nur Darras steht vor einer unlösbaren Aufgabe, bei der ihm nicht einmal seine Liebe zu Eorin helfen kann.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum25. Mai 2019
ISBN9783739641898
Unterwegs auf den Wegen des Schicksals: Eorin #3

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    Buchvorschau

    Unterwegs auf den Wegen des Schicksals - Margret Schwekendiek

    Unterwegs auf den Wegen des Schicksals

    Eorin - Band 3

    von Margret Schwekendiek

    Der Umfang dieses Buchs entspricht 707 Taschenbuchseiten.

    Alles ist ganz anders gelaufen, als man erwarten konnte. Im letzten Moment hat sich jemand freiwillig geopfert, um Eorin vor dem verderblichen Einfluss der magischen Waffe zu bewahren. Doch damit ist die Gefahr nicht zu Ende. Eorin und Darras müssen einen Weg finden, um das Schwert endgültig zu neutralisieren oder besser noch, zu zerstören. Die junge Magiepriesterin erfährt plötzlich Dinge aus dem eigenen Leben, die ihr bisher unbekannt waren, und sie muss sich einer tief verwurzelten Angst stellen. Das alles scheint jedoch nicht viel zu nützen, denn wiederum steht sie vor der Entscheidung, sich selbst zu opfern oder die Welt in den Untergang zu reißen.

    Alte Feinde werden jedoch plötzlich zu neuen Freunden, und von unerwarteter Seite taucht Hilfe auf. Doch sie scheint zu spät zu kommen, denn Eorin bleibt keine andere Wahl, als sich selbst der Macht des Schwertes zu unterwerfen. Ihre Bösartigkeit kennt plötzlich keine Grenzen, und selbst Darras hat keine Möglichkeit, sie aus der hoffnungslosen Lage zu befreien. Das kann nur sie selbst, doch sie hat keine Absicht, sich dieser unglaublichen Machtfülle selbst zu berauben.

    Die verlorenen Schatten scheinen einen Ausweg zu bieten, doch wer zu ihnen gehört, ist eigentlich schon tot. Nicht nur Darras steht vor einer unlösbaren Aufgabe, bei der ihm nicht einmal seine Liebe zu Eorin helfen kann.

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

    © by Author

    © dieser Ausgabe 2016 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.

    Alle Rechte vorbehalten.

    www.AlfredBekker.de

    postmaster@alfredbekker.de

    1. Kapitel

    Anderswo

    Er fühlte sich miserabel. Jeder Knochen in seinem Körper schien an einer falschen Stelle zu sitzen und schmerzte erbärmlich. In seinem Kopf pulsierte und rauschte das Blut, hämmerte stechend, bis nur noch der Schmerz alles ausfüllte und für keinen klaren Gedanken mehr Platz ließ. Seine Augen blickten müde und brennend umher.

    Wo befand er sich hier?

    Ein fremder Raum, und doch irgendwie vertraut. Egal.

    Er lag auf dem Boden, und ihm war kalt, obwohl feurige Schauder ihn schüttelten. Er bewegte sich mühsam, stützte sich mit den Händen ab und schrie auf. Seine Hände waren voller Brandblasen, von denen einige jetzt aufplatzten. Woher kamen sie?

    Die Antwort entstand gleich darauf in seinem Kopf, eine Stimme sprach zu ihm, und er schüttelte unwillig den Kopf. Es war doch niemand sonst hier, oder?

    Wieder sprach die Stimme in seinem Kopf, und ein Bruchstück der Erinnerung kehrte zurück.

    Das Schwert im Steinkreis, Darras, der jeden Augenblick sterben musste, Eorin, die das alles verhindern wollte und sich jetzt selbst zum Opfer gab. Er selbst.

    Er würde das nicht zulassen, konnte das nicht zulassen. Sie war eine Wächterin der Macht - gäbe sie sich zum Opfer, würde die ganze Menschheit im Chaos untergehen.

    Er hatte es verhindert, fiel ihm ein.

    Wie mochte es Eorin gehen? Hatte Darras die Katastrophe überlebt?

    Um diese Fragen würde er sich später kümmern. Jetzt musste er wieder auf die Füße kommen und feststellen, wo er sich befand - und was er tun sollte.

    Wieder war da die Stimme in seinem Kopf und flüsterte ihm etwas ein.

    Er machte eine unwillige Bewegung mit der Hand, als könnte er so die Stimme vertreiben.

    Doch je mehr sich seine Gedanken klärten, umso stärker wurden die Einflüsterungen, und umso weniger konnte er sich dagegen wehren.

    Hatte es wirklich einmal eine Zeit gegeben, in der er Angst vor der Kraft in seinem Innern gehabt hatte? Lächerlich! Er war stärker als jemals zuvor. Er war - ja, wer und was war er überhaupt? Er hatte niemals magische Kräfte besessen, war jetzt aber mit Kräften ausgestattet, die ihm unter anderen Umständen Angst gemacht hätten. Wer war er? Was war er?

    Er dachte darüber nach, doch es fiel ihm nicht gleich eine Antwort ein.

    Endlich aber hatte er sich aufgerichtet und stand noch ein wenig schwankend da. Diesen Raum kannte er, er hatte einst Francis gehört und war Bestandteil des Schlosses.

    Und jetzt? Jetzt würde er von hier aus seine Herrschaft antreten.

    Unwillig schüttelte er wieder den Kopf. Was dachte er denn da? Aber die Stimme in seinem Kopf war hartnäckig und vor allem viel stärker als er selbst.

    Langsam, fast schleichend wurde sein Widerstand gebrochen, übernahm eine fremde Macht, die ihr Ziel noch lange nicht erreicht hatte, die Gewalt über Körper und Geist des Mannes. Nur selten noch blitzten seine eigenen Gedanken auf, wehrte er sich gegen die Macht in seinem Innern.

    Mit aufrechten und immer fester werdenden Schritten ging er zielstrebig aus dem Raum, eine Treppe hinunter, einen Gang entlang, in einen anderen Raum. Hier stand eine Art Thron, aus Holz und Stein, erhöht auf einem Podest - und dorthin setzte er sich. Lautlos und stumm tauchten Diener auf, verbeugten sich ehrfürchtig, bezwungen von der Macht seiner Ausstrahlung.

    Der Mann saß ganz ruhig und still da, als würde er seine Gedanken sammeln, während er in Wirklichkeit ein letztes Rückzugsgefecht in seinem Innern auskämpfte.

    Dann strafften sich seine Schultern, sein Blick wurde klarer und seine Ausstrahlung fester. Er richtete seine Augen auf seine unmittelbaren Untertanen.

    „Ab heute bin ich euer Herrscher. Ich erwarte, dass ein jeder seine Pflicht tut, denn sonst werde ich unnachsichtige Strafen verhängen, sagte er mit warmer volltönender Stimme. „Von heute an wird mein Wort wie ein Gesetz sein. Denn ich bin Thomkar, der Herr der Welt.

    *

    Bericht Eorin:

    Ich fühlte, wie zwei kräftige Hände mich sanft untersuchten, dann hochhoben und forttrugen, bis sie mich schließlich irgendwo auf weiches duftendes Moos und sanft raschelnde Blätter legten. Das alles nahm ich wie durch dichten Nebel wahr. Ich fühlte mich unfähig die Augen zu öffnen, mich zu bewegen oder gar etwas zu sagen. Doch diese Fürsorge hüllte mich ein und vermittelte mir ein trügerisches Gefühl von Wohlbehagen. Ich wusste, dass irgendetwas Schreckliches geschehen war, und dass ich damit zu tun hatte. Doch ich konnte mich nicht erinnern, was es gewesen war. Im Augenblick war es mir auch ziemlich egal.

    Ich fühlte wieder die Berührung der Hände, die mir kalte Umschläge auf die Stirn legten, sanft über meine Wangen strichen und dann nach meinen Händen griffen.

    „Eorin, klang eine besorgte, vertraute Stimme auf. „Eorin, hörst du mich?

    Ich wollte antworten, doch mein Mund schien verschlossen. Dann fühlte ich sanfte tastende Impulse, die etwas in mir lösten, und ich schaffte es zunächst einmal, die Augen einen Spalt zu öffnen.

    Da war Darras, mein Freund, mein Lehrer, mein Oberer. Sorge und Liebe sprachen aus seinem Blick. Der Himmel über uns war blutrot, die Luft war schwül, schien regelrecht zu stehen, und ich bemerkte erst jetzt, dass das Atmen mir schwer fiel. Ein dicker Frosch saß in meinem Hals, und ich räusperte mich.

    „Was ist passiert?", fragte ich mühsam.

    Noch immer wusste ich nur, dass etwas Schreckliches vorgefallen war. Aber was? Daran konnte ich mich immer noch nicht erinnern.

    „Jetzt nicht", murmelte Darras. Er hatte dunkle Schatten unter den Augen, aber er lebte. Mich durchfuhr Erleichterung, weil er noch lebte. Warum?

    Ich sah plötzlich das Schwert der Macht, es wollte Darras töten, und schlagartig fiel mir alles wieder ein.

    Ich fuhr auf, mit einem Schrei auf den Lippen, nur um festzustellen, dass Darras mich sanft wieder herunterdrückte.

    „Ist ja gut. Es fällt dir alles wieder ein, ja? Ich hatte gehofft, es würde länger dauern."

    „Wo sind wir hier? Aus dem Steinkreis heraus?", stieß ich hervor.

    Meine Augen blickten wild umher, voller Angst und Panik wäre ich am liebsten davongelaufen. Nicht noch einmal dieses schreckliche Gefühl der unendlichen Verstärkung meiner Kräfte zu spüren, nicht noch einmal das Gefühl unendlicher Macht, ich hatte Angst davor. Das war es ganz sicher nicht, was ich wollte. Nein, diese Art Macht stieß mich ab, und nie würde ich dieser Verlockung nachgeben.

    „He, Kind, ist ja alles gut", murmelte Darras und umarmte mich, denn ich hatte angefangen, unkontrolliert zu zittern. Dabei war ich mittlerweile nur noch müde und wütend.

    „Wer hat das Schwert genommen, Darras?, fragte ich spröde. „Ich kann mich nicht erinnern. Aber Mortuin ist tot, ja? Oder habe ich das nur geträumt? Ich weiß gar nicht mehr, was Wahrheit und Gaukelei ist. Du hast mir schon schwer zugesetzt mit den Erinnerungen, die du heraufbeschworen hast. Du hast mich fast zerstört.

    „Du musst jetzt nicht darüber nachdenken, meine Liebe. Versuch etwas zu schlafen. Hier sollten wir relativ sicher sein."

    Seine Worte erreichten mich kaum. „Darras, sieh dir den Himmel an. Er sieht so aus, als wollte er jeden Moment explodieren. Sag mir doch, was geschehen ist."

    Ich hielt inne, richtete mich dann ruckartig auf und ignorierte die Nebenwirkungen. „Es ist wegen des Schwertes, nicht wahr?, stieß ich hervor. „Wer hat es?

    Meine eindringliche Frage brauchte er nicht mehr zu beantworten. Eine ungeheure Woge von Macht schien den Himmel regelrecht zu erschüttern, und violette Blitze zuckten lautlos zur Erde. Ein furchtbarer Gestank stieg aus dem Boden auf, und für jeden Begabten schoss durch alle Gedanken die Proklamation der Macht.

    „Ich bin Thomkar, der Herr der Welt!"

    Ich fühlte, wie mein Geist sich weigerte, diese Worte als Wirklichkeit anzuerkennen. Ungläubig schüttelte ich den Kopf, bettelte Darras mit den Augen an, mir eine wohltuende Lüge aufzutischen. Aber sein niedergeschlagener Gesichtsausdruck sagte mir alles.

    „Nein, das darf nicht sein", flüsterte ich tonlos.

    Dann sackte ich zusammen.

    *

    „Kannst du den Kreis nicht magisch verschließen, sodass niemand mehr dieses Rund betritt?", bat ich Darras zwei Tage später, als wir gingen. Ich konnte mich nur langsam wieder auf den Beinen halten.

    Darras hatte unser provisorisches Lager in einem kleinen Wäldchen aufgeschlagen, in dem ein Bach floss, und wo es auch einige Beerensträucher gab. Aber der Steinkreis befand sich in Sichtweite. Jedes Mal, wenn mein Blick darauf fiel, liefen mir eisige Schauder über den Rücken.

    Jetzt wollten wir zurückkehren in die Gemeinschaft, wo ein Bruder aus dem Hellen Tempel uns helfen sollte, unsere Kräfte neu aufzubauen.

    Doch vorher bat ich Darras dringend darum, den Steinkreis zu versiegeln.

    Er schaute mich lange an und schüttelte dann den Kopf.

    „Selbst wenn ich im Augenblick genügend Kräfte dafür hätte, ich könnte es nicht tun. Der Kreis schützt sich selbst."

    „Nun gut, dann lass uns endlich gehen", sagte ich niedergeschlagen.

    Darras begleitete mich schweigend, doch ich fühlte immer wieder seine prüfenden Blicke. Der Steinkreis lag außerhalb der bewohnten Gegenden, es verirrte sich nur selten jemand hierher, und zurückgekehrt war wohl schon lange niemand mehr. Trotzdem hatten wir keine Mühe unseren Weg zu finden. Wie von unsichtbaren Linien geführt folgten wir unserem Weg.

    Darras, dessen Kräfte schon wieder etwas stärker waren, hatte festgestellt, dass alle Personen, die zu Mortuins Feier gekommen waren, wieder das Haus verlassen hatten - unbeschadet. Bis auf Thomkar.

    Ein Schmerz durchfuhr mein Herz, sobald ich an ihn dachte. Was hatte diesen unvernünftigen, starrköpfigen Landlord dazu gebracht, uns zu folgen? Diese Frage zog automatisch die nächste nach sich: Wie war es ihm überhaupt gelungen, das Schwert zu ergreifen? Ein Kopfblinder! Er hätte tot sein müssen!

    Er besaß keine Kräfte, keine Magie, keinen Zauber, nein, er lehnte das alles sogar heftig ab. Ein riesiges Rätsel türmte sich auf, und ich sah kaum eine Möglichkeit, eine Lösung dafür zu finden.

    Thomkar! Ich dachte an seine liebevollen, gütigen, braunen Augen, sein manchmal verschmitztes Lächeln, seine breite warme Brust, in der das Herz regelmäßig und stark schlug. Es konnte doch einfach nicht wahr sein, dass ausgerechnet er jetzt dem Bösen verfallen war. Nicht Thomkar, nein, auch wenn jeder Begabte auf der Welt seine Macht gespürt hatte.

    Nein!!! Ich fühlte, wie meine ineinander verkrampften Hände sanft gelockert wurden.

    „Willst du darüber reden?, fragte Darras sanft. „Ich weiß, dass es dir wehtut. Aber auch ich habe keine Antwort anzubieten.

    „Ach, wirklich nicht?, höhnte ich verzweifelt und völlig ungerecht. „Du bist es doch, der sonst jeden, auf den er trifft, sondiert. Hast du das bei Thomkar wirklich nie getan? Er muss doch ganz einfach irgendwo verborgene Kräfte haben, und ausgerechnet du hast nichts gemerkt?

    Sein Blick wurde traurig, er nahm mir diesen Ausbruch nicht übel, aber er betrübte ihn.

    „Nein, das habe ich bei Thomkar nie getan. Und du, Eorin? Du kennst ihn länger und besser als ich. Auch du hast einfach akzeptiert, dass er sich als kopfblind ausgab, nicht wahr?"

    Wütend hob ich einen Stein auf und schleuderte ihn davon.

    „Natürlich, ich bin ja auch nicht so von Misstrauen geprägt wie du. Warum hätte ich sondieren sollen? O ihr Götter, hätte ich es doch nur einmal getan!"

    „Langsam, Kind, du bist zornig auf dich selbst und machst dir Vorwürfe. Aber du hättest nichts von all dem verhindern können, glaub mir."

    „Aber ich hätte zumindest mit der Möglichkeit rechnen müssen. Thomkar, ausgerechnet Thomkar! Er hat das Schwert genommen, weil er nicht zulassen wollte, dass ich mich opfere, weißt du das? Es ist mir vorhin wieder eingefallen. Und auch, wie er aufgetaucht ist, steht wieder deutlich vor mir. Er muss seine Kräfte sehr lange unterdrückt haben. Oder vielleicht war er auch blockiert, ich weiß es doch nicht. Aber er besitzt ungeahnte Kräfte. Und ich habe nichts davon gewusst. Vielleicht hätte ich es verhindern können, vielleicht hätte ich ihn davon abhalten können, vielleicht..."

    „Vielleicht wärst du jetzt tot, wenn du es gewusst hättest", warf Darras scharf ein.

    „Und vielleicht wäre das besser. Vielleicht - ach, lass mich doch in Ruhe", stieß ich hervor und beschleunigte meinen Schritt.

    „Halt, warte. Es hat keinen Zweck, wenn du dich jetzt mit dem Gedanken daran, was hätte sein können, selbst zerstörst."

    „Ach ja, und was schlägst du vor?", brüllte ich über die Schulter zurück.

    „Nun bleib mal stehen, Eorin. Ich will mir dir reden. Ist es deine Art, neuerdings nur noch über die Schulter mit mir zu reden? Du sollst stehenbleiben, habe ich gesagt."

    „Fahr in die Unterwelt", murmelte ich vor mich hin, ohne dass er es hörte und lief weiter, doch er hatte etwas dagegen. Ich hätte es mir denken können. Ich lief vor eine unsichtbare Wand und drehte mich unwillig um.

    „Was willst du noch?", fuhr ich ihn an.

    „Vielleicht dich zum Denken animieren?", kam es sarkastisch.

    „In Ordnung. Nach den vielen Vielleicht - vielleicht mal etwas anderes."

    Darras grinste plötzlich wie über einen gelungenen Scherz. „Kommst du endlich wieder zur Besinnung? Ich kann es ja verstehen, dass du dir um diesen Mann Sorgen machst, er scheint deinem Herzen ja ungeheuer nahe zu stehen. Aber wenn du weiter plan- und ziellos durch die Gegend rennst, wirst du mit Sicherheit nichts erreichen. Fang mal an zu überlegen, mach einen Plan, oder willst du einem Kopfblinden kopflos helfen?"

    „Er kann nicht kopfblind sein", korrigierte ich automatisch, bevor mir der Sinn seiner Worte richtig aufging.

    „Du meinst, wir - nein, ich sollte...".

    „Falsch, wir sollten schon zusammen. Ich halte nicht viel davon, dich jetzt allein zu lassen, beziehungsweise dann allein zu lassen, wenn wir beide wieder im Vollbesitz unserer Kräfte sind. Zuerst müssen wir zurück in die Gemeinschaft, allein werden wir uns nicht helfen können, erst dann kommt alles andere. Wir müssen anschließend nach Corday. Lamorak wird auf jeden Fall schon Bescheid wissen. Aber - wusste er etwas über seinen Vater und sein Doppelleben? Und falls nicht er, wer weiß es dann? Wir müssen alles über Thomkar herausbekommen, was es gibt. Wir sollten logischerweise bei seinen Eltern anfangen. Kennst du sie? Hat er dir etwas über sie erzählt?"

    Ich schüttelte stumm den Kopf. Darüber hatte Thomkar nie gesprochen.

    „So, fühlst du dich jetzt etwas besser?" Seine Hand griff nach der meinen.

    „Ich könnte Bäume ausreißen", erklärte ich großspurig.

    Grinsend deutete er auf eine uralte Eiche. „Bitte. Fang an."

    Lächelnd wehrte ich ab. „In den letzten Tagen hat es genug Zerstörung gegeben. Ich will nicht noch mehr kaputt machen."

    Drei lange Tage brauchten wir bis zur Gemeinschaft, und es erschien uns wie eine endlose Zeit.

    Darras hatte mit mir unterwegs einen Block gebildet, mühevoll und unter großen Anstrengungen, wir hatten um Hilfe aus dem Hellen Tempel gebeten.

    Auch dort schien es Brüder zu geben, die die Absolute Bewegung beherrschten, Bruder Ildar war einer davon. Er erwartete uns bereits in der Gemeinschaft.

    Nach einem langen Gespräch mit Darras, von dem ich ausgeschlossen wurde, kam Bruder Ildar zu mir in meine Kammer. Er führte eine Überprüfung durch und schaute mich dann aufmunternd an.

    „Du bist mit Kräften umgegangen, die niemand von uns genau kennt, Schwester. Das alles hat dir sehr geschadet, ich will versuchen dir zu helfen. Wie mir dein Oberer erklärte, wirst du schnell wieder gebraucht, auch wenn ich nicht einsehen kann, dass jemand, der so ausgelaugt ist, seine Kräfte erneut über alle Maßen benutzen will. Aber die Hintergründe eurer Geschichte gehen mich nichts an, wie mir deutlich gemacht wurde."

    Diese Worte beinhalteten eine Flut von Fragen, die der Bruder nie offen stellen würde. Doch eine Antwort durfte auch ich ihm nicht geben. Unsere Abenteuer konnten vielleicht einmal in fünfzig Jahren erzählt werden, am Lagerfeuer oder am Kamin, aber nicht jetzt. So lächelte ich Bruder Ildar müde an.

    Er war ein älterer Mann mit flinken, fast schwarzen Augen mit goldenen Funken, etwas füllig am Körper, schlohweißen Haaren und einem dichten Bart. Unzählige Falten durchzogen sein Gesicht, rund um die Augen sah es wie ein feines Netz aus, Ildar schien gerne zu lachen.

    „Du verbirgst deine verständliche Neugier sehr gut, Bruder, aber ich werde dir nichts erzählen können. Was hast du meinem Oberen vorgeschlagen?"

    „Du bist eine kluge Schwester", bemerkte er mit einem verschmitzten Lächeln, und mir wurde klar, dass er auf Anweisung von Darras so gehandelt hatte.

    Wollte mein Oberer wirklich sicher sein, dass ich anderen Mitgliedern gegenüber schwieg? Welch eine Frechheit, ich hatte sehr wohl gelernt, meinen Mund zu halten.

    „Nun also, was hast du Darras als Behandlung vorgeschlagen?", erkundigte ich mich erneut.

    Ildar nahm meine Hand und bedeutete mir, mich auf mein Bett zu setzen.

    „Dein Oberer ist längst nicht so schwer geschädigt und ausgezehrt wie du. Wohlgemerkt, ich rede von euren Kräften. Körperlich scheint ihr auch etwas entkräftet, doch das halte ich ihm Augenblick für nebensächlich. Du hast mit Kräften gearbeitet, die jemand wie wir besser ruhen lassen sollte. So wie ich hörte, hattest du jedoch keine andere Wahl. Ich habe nun deinen Oberen in einen tiefen Heilschlaf versetzt. Er wird in wenigen Tagen wieder der alte sein. Bei dir liegt der Fall anders. Es wäre sinnvoll, deine Kräfte zu blocken, um die schädlichen Einflüsse langsam abzubauen."

    Ich zog ein angewidertes Gesicht, hatte allerdings schon mit einem derartigen Vorschlag gerechnet. Ich kannte meinen Körper, vor allem aber kannte ich meinen Geist.

    „Ich sehe schon, fuhr Ildar mit einem amüsierten Blick auf mich fort, „du scheinst von dieser Möglichkeit nicht sehr begeistert. Ein Heilschlaf würde in einem solchen Zustand aber nicht viel Sinn machen. Bleibt nur die allerletzte Möglichkeit. Wir müssen gemeinsam in einem abgeschirmten Raum alle Hindernisse und Blockaden beseitigen und deine Kräfte neu aktivieren.

    „Und das alles möglichst vorgestern", murmelte ich.

    „Hättest du dann irgendetwas verhindern können?", fragte er sanft.

    Ich schüttelte den Kopf. „Nein, wohl kaum. Nun gut, Bruder, ich werde dir nach Kräften helfen. Aber auch für dich wird es sehr schwer werden, denn du musst dich auch um meinen Oberen kümmern. Ich denke, es wird sinnvoll sein, wenn ich den abgeschirmten Raum nicht verlasse."

    „Den Vorschlag hätte ich dir noch machen müssen, doch du scheinst sehr verständig."

    „Täusche dich nicht, ich werde durch äußere Umstände zur Vernunft gezwungen, lächelte ich freudlos. „Schläft mein Oberer gut?

    Ildar lächelte. „Ich weiß wirklich nicht genau, was euch beide treibt, und es ist auch ganz sicher nicht gut für euch. Doch es scheint etwas so Wichtiges zu sein, dass ihr beide alles, was ihr seid und habt, in die Waagschale werft. Ihr seid sehr mutig, aber auch sehr verzweifelt, wie es aussieht. Würdet ihr es vorziehen, dass ich bei euch bleibe, sobald ihr wieder im Vollbesitz eurer Kräfte seid? Ich könnte euch als Heiler einige Dienste leisten."

    „Das wäre sicher eine gute Idee, Bruder, darüber entscheidet allerdings allein der Obere. Ich danke dir, dass du keine Fragen stellst, die ich nicht beantworten kann."

    „So langsam glaube ich, dass ich lieber nichts wissen will", erklärte er vernünftig.

    Gemeinsam gingen wir in einen abgeschirmten Raum.

    *

    Seit sieben langen Tagen arbeiteten wir zusammen. Ich hatte Bruder Ildar mittlerweile schätzen gelernt. Er ging vorsichtig vor, konnte aber durchaus hartnäckig sein. Er besaß eine unendliche Geduld. Nie wurde er mürrisch oder zeigte Müdigkeitserscheinungen. Immer blieb er freundlich, wenn auch manchmal stur. Es kam vor, dass ich darum bettelte, endlich aufzuhören, oder ich ihn in die Unterwelt verwünschte. Dann griff er schon mal hart nach meinen Händen und zwang mich, seinen Impulsen standzuhalten. Aber auch dann war er immer noch sanft und freundlich, bis ich mich fast schämte, so ungeduldig gewesen zu sein.

    Viele Stunden täglich hielten wir Kontakt, und er baute Stück für Stück die schädlichen Einflüsse des Schwertes, aber auch des Steinkreises ab. Er kümmerte sich überdies um Darras, der noch immer seiner Genesung entgegen schlief. Ich fragte mich, woher der Bruder seine Kraft nahm, er schien einfach unerschöpflich.

    Es war der achte Tag, und ich fühlte, dass ich nicht mehr weit vom Ende dieser Tortur in diesem Raum sein konnte. Seit acht Tagen hatte ich außer zu Ildar keinen Kontakt mehr zu einem anderen Menschen gehabt. Natürlich war ich jetzt ganz auf ihn fixiert, das war der erwünschte Nebeneffekt. Ich wurde nicht abgelenkt oder gar verführt, meine Kräfte zu früh einzusetzen. Es blieben mir nur die Stunden mit dem Bruder, um überhaupt meine Kräfte zu nutzen, es war fast wie eine Blockade.

    Manchmal fehlte mir Darras. Er hätte es vermutlich auch nicht anders als Ildar gemacht, und ganz sicher war der Bruder vorsichtiger als mein Oberer, der manchmal mit einer Art Schock einen Fortschritt herbeiführte. Es war eigentlich alles genau richtig - und doch vermisste ich Darras.

    Nun, Bruder Ildar kam gerade von einem seiner Besuche bei Darras zurück. Er sah müde aus, und ich verstand das. Niemand konnte auf Dauer dieser Doppelbelastung standhalten.

    „Wie geht es meinem Oberen?", stellte ich meine alltägliche Frage und bekam die übliche Antwort.

    „Gut, er ist auf dem Wege der Besserung."

    „Du musst dich heute nicht unbedingt um mich kümmern, Bruder. Du siehst müde aus. Möchtest du etwas ruhen?", bot ich großmütig an.

    Sein Blick wurde plötzlich scharf und aufmerksam.

    „Ich dachte, dir liegt viel daran, so schnell wie möglich fertig zu werden", bemerkte er mit einem Misstrauen in der Stimme, das ich gar nicht verstehen konnte.

    „Ich sorge mich nur um dich, Bruder, erwiderte ich sanft. „Niemandem ist gedient, wenn du dich bei mir völlig verausgabst. Der Obere ist auf jeden Fall wichtiger. Du solltest dich vorrangig um ihn kümmern.

    „So etwas Ähnliches hat er zu mir auch gesagt, allerdings mit umgekehrten Vorzeichen. Also, Schwester, setz dich und gib mir deine Hände, vertreibe deine eigenen Gedanken, öffne dich und gib dein Unterbewusstsein frei."

    Er brach das Gesprächsthema einfach ab, und ich forschte nicht weiter nach. Gehorsam beugte ich mich den Anweisungen des Bruders, nur um bald darauf festzustellen, dass Ildar dicke Schweißperlen auf der Stirn standen. War er nun doch überanstrengt, oder kam er einfach nicht weiter? Ich hatte mich von meinem Unterbewusstsein regelrecht abgekapselt, aber jetzt verband ich mich wieder mit mir selbst. Nun spürte ich es selbst - wie eine undurchdringliche Mauer baute sich eine Barriere in mir auf. Ich hatte nicht einmal gewusst, dass dieses Ding da war, in mir drin. Automatisch versuchte ich selbst das Hindernis abzubauen, doch ich bekam einige zornige Impulse von Ildar.

    Eigentlich hätte ich mich zurückziehen müssen, doch hier ging es um mich, und ich war plötzlich nicht mehr davon überzeugt, dass er alles richtig machte. So wehrte ich mich gegen ihn und stürmte dann selbst gegen die Mauer an.

    Ildar baute nun Druck in mir auf, ein durchaus üblicher Vorgang, um jemanden zurückzuweisen, und ich zögerte. Wenn ich stillhielt, war es vielleicht doch schneller vorbei. Etwas widerstrebend zog ich mich zurück, wachsam und spürend.

    Ildar arbeitete wieder vorsichtig und systematisch, er suchte einen Ansatzpunkt in diesem Wall, der mich und meine Kräfte umgab, einen winzig kleinen Riss, an dem er einen Durchbruchsversuch machen konnte. Allein seine Abtastung bereitete mir plötzlich Schmerzen. Ich zwang mich stillzuhalten, doch der Drang, sich gegen ihn zu wehren wurde immer stärker. Unbewusst hob ich abwehrend die Hände, griff dann an meinen Kopf und sprang auf.

    „Nicht, du tust mir weh", wimmerte ich.

    „Komm her, ich will dir nur helfen", bat er sanft.

    „Geh weg, du willst mich zerstören", warf ich ihm vor.

    Ich fühlte, wie ich eine unbekannte Kraft aufbaute, und plötzlich tanzten auf allen Dingen im Raum kleine blaue Flammen, ein stechender Geruch breitete sich aus.

    „Schwester, was tust du da?", rief Ildar alarmiert.

    Er sprang auf und kam auf mich zu, doch ich sah ihn nur an, und allein mein Blick schleuderte ihn zurück.

    Warum tat ich das, und woher konnte ich das überhaupt? Egal, ich konnte es, jetzt würde ich es diesem unbedarften Priester mal zeigen. Er wollte meine Blockaden lösen? Selbst mit dieser Blockade besaß ich mehr Kraft, als er sich vorstellen konnte.

    Ildar hatte plötzlich panische Angst im Gesicht, er sah endlich ein, dass ich in diesem Raum die Macht besaß, und nicht nur in diesem Raum. Der Bruder lief nun mit allen Anzeichen von Panik zur Tür, aber ich lachte nur böse auf.

    „Nicht mit mir, liebster Bruder!", rief ich böse.

    Die Tür würde er nicht öffnen können, sie war mit einem Gedanken von mir verriegelt.

    Flüchtig blitzte eine Frage in mir auf: Was tat ich hier eigentlich? Ildar wollte mir doch nur helfen, woher kam jetzt diese absolute Bösartigkeit in mir?

    Aber diese Überlegung wurde gleich wieder weggewischt, und ich packte Ildar mit meinen unbegreiflichen Kräften, hob ihn hoch und drückte ihn gegen die Wand. Er konnte kaum noch atmen, und zu schreien war ihm erst recht nicht möglich.

    Aus dem Nichts erschuf ich nadelspitze Dolche, die den Körper in der Kutte regelrecht an die Wand nagelten. Dann zog ich meine Kraft etwas zurück und bemerkte mit Befriedigung, dass er dort hängenblieb. Wieder lachte ich böse auf, nicht auf meine innere Stimme hörend, die mich davon abhalten wollte, diesen Irrsinn fortzuführen. Mit einem einzigen machtvollen Impuls ließ ich Feuer an den Dolchen aufflammen, und Ildar blickte mich voller Angst an. Die ersten Funken sprühten zur Kutte, ich sah ungerührt zu. Mit Erstaunen stellte ich fest, dass ich selbst in einem Kreis aus Feuer stand. Wann hatte ich den entzündet? Das war mir egal. Ebenso auch, dass die Ränder meiner Kutte anfingen zu glimmen und ich vermutlich auch gleich in Flammen stehen würde.

    Ildar rollte wild mit den Augen, reden konnte er immer noch nicht.

    Ich fand sein wildbewegtes Gesicht äußerst amüsant und lachte lauthals, ohne mich von meinem Platz zu rühren. Irgendwie fand ich es gut, dass ich hier mitten im Feuer stand. Es war mir alles so gleichgültig.

    Mit einem furchtbaren Knall flog plötzlich die Tür auf, ein Schwall eisiges Nichts strömte herein und erstickte sofort alle Flammen in dichtem Rauch. Ich begann zu husten, und meine Augen tränten. Für kurze Zeit war ich von meiner Kraft abgelenkt.

    Ich spürte, wie sich jemand hastig entfernte, dann knallte die Tür wieder zu. Macht war mit mir im Raum, der ich mich jetzt stellen musste - Darras war da!

    *

    Ich war wild entschlossen zu töten, obwohl da etwas in mir war, das mich davon abzuhalten versuchte. Diesen inneren Drang unterdrückte ich jedoch gnadenlos und konzentrierte mich auf Darras. Eigentlich hatte ich nicht gedacht, dass er schon wieder soweit war, sich gegen mich zu stellen. Doch er war da, mit aller Macht und Autorität des Oberen. Er hatte mir befohlen, sofort aufzuhören, unterlegt mit der Aura des unbedingten Gehorsamszwangs, dem ich normalerweise sofort nachgegeben hätte, wie alle anderen Brüder und Schwestern auch.

    Doch jetzt hatte ich nur gelacht.

    „Du hast mir nichts zu befehlen", hatte ich ihm entgegen geschleudert.

    Er nahm meine Worte ungerührt hin. „Dann wirst du deinen Starrsinn teuer erkämpfen müssen", war sein Kommentar gewesen.

    „Ganz wie du willst", rief ich und griff auf meine unbekannten Kräfte zurück. Sie konnten nur ein Abbild der Macht des Schwertes sein, eine Reflexion, von mir ungewollt und doch vorhanden. Sie überlagerten mich und führten diese verhängnisvolle Konfrontation herbei. Meine innere Stimme kämpfte dagegen an, unterlag jedoch. Darras versuchte nun, mich in einem Schutzschirm einzukapseln, in dem jeder Impuls auf mich selbst zurückschlagen musste. Ich zerfetzte diese Bemühungen schon im Ansatz und bemerkte, dass Darras keine Regung zeigte, er schien damit gerechnet zu haben.

    Ein regelrechter Blutrausch erfüllte mich, ich erschuf einen kalt flammenden Degen und drang auf den Mann vor mir ein. Er wich meinen Hieben und Stößen aus, ohne sich selbst zu wehren. Doch dann blieb er plötzlich stehen, und ich stieß mit einem triumphierenden Aufschrei meine Waffe mitten durch ihn hindurch. Aber da war nichts, die Gestalt löste sich auf, und die beherrschte spöttische Stimme erklang in meinem Rücken.

    „Hier bin ich, meine Liebe, brauchst du eine Sehhilfe?"

    Ich wirbelte herum und stieß erneut zu, aber auch jetzt verwischte das Trugbild. Wollte er mich zum Narren halten? Aber ja, sechs, sieben Gestalten standen plötzlich da, und ich hätte nicht zu sagen gewusst, wer der richtige Darras war.

    „Kämpfe gegen mich, du Feigling, brüllte ich. „Hast du mir wirklich nichts anderes entgegenzusetzen als Trugbilder? Billig, Darras, wirklich billig. Warum stellst du dich nicht?

    „Du bist unlogisch, Eorin. Ich bin doch hier, oder nicht?"

    „So, und wo?", schrie ich auf und hieb auf die nächste Illusion ein. Der Schweiß perlte auf meiner Haut, ich sah ein, dass ich Darras auf diese Weise nicht bezwingen konnte, also ließ ich den jetzt nutzlosen Degen wieder verschwinden.

    Gleichzeitig lösten sich die Trugbilder von Darras auf.

    „Willst du jetzt mit mir reden?", fragte er ruhig und sanft.

    „Warum?", wollte ich verständnislos wissen.

    „Siehst du wirklich keinen Grund dafür? Du könnest mir zum Beispiel erklären, warum du Bruder Ildar töten wolltest. Warum du jetzt auf mich losgehst, statt dich mit mir zu freuen, dass ich wieder auf den Beinen bin. Du könntest mir auch erklären, was ihr in den vergangenen Tagen gemacht habt." Seine Stimme senkte sich tief in mich, sickerte ein wie Quecksilber und versuchte meinen hilflosen Zorn und den Willen zu töten abzuschwächen.

    „Sei still!", brüllte ich ihn an.

    „Warum? Auch wenn wir uns hier sinnloserweise bekämpfen, können wir doch miteinander reden. Oder hast du das verlernt?"

    Ich presste die zu Fäusten geballten Hände an die Schläfen, wollte kein Wort mehr von ihm hören und wünschte mir doch gleichzeitig nichts anderes, als noch länger dieser Stimme zu lauschen.

    Ich warf einen Impuls auf ihn, der ihn zerquetschen sollte wie einen Wurm, aber er lenkte die Kraft ab auf den Tisch, der krachend in tausend Einzelteile zerfiel.

    „Du bist wieder einmal viel zu verschwenderisch", stellte Darras ruhig fest.

    „Na und? Wenn schon, ich habe reichlich davon."

    „Wie lange noch, Eorin?, kam die sanfte Frage. „Du wirfst deine Energien wild um dich. Ich will gar nicht wissen, woher du diese Kraft nimmst, die nicht deine eigene ist. Aber irgendwann wird diese Quelle versiegen. Was machst du dann?

    Ich presste die Hände gegen die Ohren, um die Stimme auszusperren.

    Warum redete er wie ein Wasserfall, statt sich gegen mich zu wehren? Hatte er vielleicht gar nicht genug Kraft? Ja, das musste es sein, er war noch gar nicht wieder soweit, dass er mir entgegentreten konnte. Ich musste nur seine Worte ausschließen und meine Kräfte voll gegen ihn einsetzen, dann war es bald vorbei.

    Mit dieser neuen Erkenntnis starrte ich ihn plötzlich kaltlächelnd an. Dann hielt ich ihn fest, er würde mir nicht mehr entkommen.

    Langsam, ganz langsam zwang ich ihn in die Knie, seine Augen suchten die meinen, und ich war erstaunt, weder Furcht noch Panik darin zu entdecken. Nein, liebevoll war sein Blick, sicher und voller Vertrauen. Vertrauen in was? Dass ich es nicht wagen würde, ihn zu töten? Vertrauen in seine eigenen Kräfte? Dann würde ich ihm jetzt beweisen, dass es ziemlich sinnlos sein würde.

    Ich baute einen machtvollen Impuls auf, er musste sterben - jetzt und sofort.

    Genau in dem Bruchteil, bevor ich zuschlug, wurde ich nach rückwärts geschleudert, prallte mit dem Kopf schwer gegen die Wand und schrie auf. Meine Kräfte entluden sich ziellos, und die auf dem Boden herumliegenden Trümmer wirbelten wild durcheinander. Ich hatte nicht mehr die Konzentration, mich zu beherrschen und die Impulse zu koordinieren. Wilde Entladungen fuhren wie Querschläger durch den Raum, rissen faustgroße Löcher in die Wände, schlugen alles kurz und klein, trafen mich und Darras und verursachten Wunden.

    „Jetzt reicht es aber wirklich", hörte ich seine Stimme wie durch dichten Nebel. Er saß plötzlich neben mir am Boden und umfasste meine Hände wie mit Stahlkammern.

    „Hör mir zu, Priesterin, sagte Darras eindringlich, und jedes Wort senkte sich mit suggestiver Kraft in mich. „Hör mir zu! Lass deine innere Stimme durchdringen. Höre auf sie. Lass sie zu und befolge sie.

    In mir entbrannte ein furchtbarer Kampf, widerstreitende Gefühle rangen gegeneinander, und wieder bahnten sich wilde Impulse einen Weg, doch das schien Darras nicht zu stören. Er hielt weiter meine Hände fest und übermittelte mir seine Kräfte, die meine innere Stimme unterstützten.

    Flammen, Regen, Hagel, und ich weiß nicht mehr, was noch alles auf uns niederprasselte, doch unbeirrbar blieben unsere Hände miteinander verbunden. Ich versuchte mich zu befreien und Darras wieder anzugreifen, doch das ließ er nicht zu. Er erzwang die Verbindung, und ich begann von innen her meine Barrieren abzubauen. Das alles ging natürlich nicht so einfach ab. Mehrmals wand ich mich und wehrte seine Hände ab, versuchte den Kontakt zu unterbrechen. Doch er hielt nicht inne, immer weiter auf mich einzusprechen, bis ich mich gegen den Klang seiner Stimme nicht mehr wehren konnte. Schließlich durchbrach ich meine Schranken mit einem entsetzlichen Schrei.

    Darras wurde davon geschleudert, nachdem auch seine Hände sich nicht mehr halten konnten. Mit seltsam verrenkten Gliedern blieb er am Boden liegen.

    Mir dröhnte der Schädel, und als ich mich vorsichtig bewegte, konnte ich einen kleinen Überblick über das Ausmaß der Zerstörung gewinnen. Mit einem gemurmelten Fluch ließ ich mich wieder zurücksinken und schloss die Augen.

    Irgendwo bewegte sich Darras und murmelte vor sich hin, dann stand er auf und schaute auf mich herab, wie ich mehr fühlte als sah.

    Was hatte ich nur getan? Was war es, das so Besitz von mir ergriffen hatte?

    „Tut mir leid!, flüsterte ich und schlug die Augen wieder auf. „Tut mir wirklich leid. Bist du in Ordnung? Habe ich dich verletzt?

    Er beugte sich nieder und strich mir über das Gesicht. Seine Berührung war wohltuend und sanft.

    „Hast du jetzt alle Schranken gelöst?", wollte er wissen.

    Ich überprüfte mich selbst, doch ich war ratlos. Klar, auch vorher hatte ich nicht gewusst, welcher Sturm der Zerstörung in mir steckte.

    „Das kannst du wohl besser feststellen", sagte ich dann.

    „Kannst du aufstehen? Du musst in einen anderen Raum. Dieser hier ist für einige Zeit unbrauchbar. Ich denke, auch die Abschirmung wird zerstört sein. Du hast ganze Arbeit geleistet, Eorin."

    O ihr Götter, wäre ich doch lieber bewusstlos geworden. Warum machte er mir keine Vorwürfe? Das hier war doch mein Werk.

    Ich ließ mich von ihm hochziehen, und mir entfuhr ein Schmerzenslaut. Mein Körper schien mir meine Anstrengungen übel zu nehmen. Automatisch überprüfte Darras mich und murmelte etwas. Mir wurde schwarz vor Augen. Hatte er etwas getan, oder war es eine ganz natürliche Reaktion? Egal, ich riss mich mit letzter Kraft zusammen und blieb auf meinen Beinen stehen.

    „Komm", sagte Darras nur und zog mich hinter sich her.

    Die Abschirmung im Raum schien doch noch zu funktionieren, denn erst als ich durch die Tür trat, spürte ich das ganz normale mentale Gemurmel. Doch Darras ließ mir keine Zeit, mich wieder damit vertraut zu machen. Er schubste mich in den nächsten Raum hinein.

    Optisch gab es eigentlich keinen Unterschied, diese abgeschirmten Räume, die nur selten benutzt wurden und von denen es nur ein paar gab, boten weder Luxus noch Abwechslung.

    „Soll ich dich anbinden, bevor es dich wieder überkommt?", fragte mein Oberer.

    Ich lachte freudlos. „Wenn du glaubst, dass es etwas nutzt."

    „Wohl kaum. Es sollte ein Scherz sein. Aber wie es scheint, bist du dafür im Augenblick nicht empfänglich."

    „Du kannst ja versuchen mir einen Witz zu erzählen, den ich schon kenne", gab ich trocken zurück.

    „Lassen wir das lieber. Hast du Hunger oder Durst?"

    „Durst, ja. Bitte etwas zu trinken. Ich ließ mich dankbar auf das Bett sinken. „Geh, du musst sicher das Aufräumkommando organisieren, versuchte ich ihn hinauszuschicken. „Lass mich ruhig jetzt etwas allein."

    „Du glaubst, dass das gut wäre?" Mir entging der lauernde Unterton in der Stimme, er traute dem Frieden nicht.

    „Keine Ahnung. Oder doch, ja. Geh ruhig."

    Er machte allerdings keine Anstalten dazu. Stattdessen setzte er sich neben mich auf das Bett. „Ich habe eine Dienerin und einen Heiler gerufen. Bruder Ildar wird eine Weile brauchen, bis er sich wieder erholt hat. Komm jetzt nicht auf die Idee, dich zu entschuldigen. Falls es dir entgangen sein sollte, du kannst wirklich nichts dafür. Bruder Ildar wusste sehr gut, auf was er sich da einließ. Er wird dir sicher nichts übel nehmen."

    Es klopfte, und der Heiler kam herein. „Schwester Somaris!", rief ich erfreut.

    Ein Lächeln glitt über ihre Züge, die gute Schwester mochte mich, wie ich sehr wohl wusste.

    „Schön, dich wiederzusehen", sagte sie zur Begrüßung und ging darüber hinweg, dass Darras nicht sehr glücklich über ausgerechnet ihr Erscheinen war. Er hielt sie für zu weich und nicht durchsetzungsfähig genug. Das mochte bei normalen Kranken kein großes Problem sein, doch bei hartnäckigen Wesen, wie mir zum Beispiel, konnte das durchaus zu Problemen führen.

    Doch ich freute mich darüber, sie zu sehen, Somaris erinnerte mich an Satris, ihre Sanftmut und Demut - warum, ach, warum konnte ich das nicht auch? Und mich dann ganz still zurückzuziehen in die Gemeinschaft, nie mehr auf Abenteuer aus sein, nie mehr die Verantwortung für andere, geschweige denn für die ganze Welt zu tragen; und vor allem nie wieder dieses quälende Gefühl im Kopf zu haben.

    Ich fühlte mich leer, ausgelaugt, erschöpft und doch von einem inneren Drang beseelt, alles hier kurz und klein zu schlagen, wild mit den Kräften um mich zu schlagen, und die beiden hier zu töten.

    Verdammt, woher kamen diese merkwürdigen Gedanken schon wieder? Was war das nur?

    Ich drängte diese Gedanken wieder zurück und lächelte Somaris an.

    „Es ist schön, dass du da bist, Schwester. Leider sieht es so aus, als hätte ich Probleme. Leider bin ich nicht sicher, ob du mir helfen kannst."

    „Liebe Eorin, mischte sich Darras kalt ein. „Die Heilerin soll deinen Körper überprüfen, für deinen Geist bin ich zuständig.

    „Ach wirklich?", flötete ich zuckersüß, während ich die Erschöpfung und den inneren Drang bekämpfte.

    „Schwester, ich möchte dich bitten, eine rasche Überprüfung, wie auch einleitende Maßnahmen zur Heilung vorzunehmen", sagte Darras zu Somaris.

    Auf unbegreifliche Weise schien die Schwester auch den tieferen Sinn seiner Worte zu verstehen. Sie verneigte sich kurz und formell und machte sich an die Arbeit.

    Ich fühlte ihre sanften tastenden Impulse, die meinen Körper zur Heilung anregen sollten. In mir wurde der Drang immer stärker, sie und Darras gegen die Wand zu schleudern. Unbewusst krallte ich die Hände zusammen, dass die Knöchel weiß hervortraten. Darras schob Somaris aus dem Raum.

    „Gut, Schwester, wir danken dir fürs Erste. Ich denke, ab morgen wird Eorin mehr von deiner Hilfe benötigen. Jetzt möchte ich dich bitten, uns allein zu lassen."

    „Es könnte gefährlich werden, ja?", fragte Somaris.

    „Ich weiß es nicht", erwiderte Darras ruhig, zu ruhig.

    „Er hat wahrscheinlich recht, Schwester, sagte ich plötzlich mühsam. „Er ist immerhin der Obere. Geh jetzt bitte.

    Ich fühlte, wie sich eine Entladung Bahn brach und konnte nichts dagegen tun, dass ich mit einem Blitz auf Somaris zielte. Bevor der treffen konnte, hatte Darras ihr einen Stoß in Richtung Tür gegeben und gleichzeitig einen Reflektorschirm aufgebaut. Ich entging meinem eigenen Blitz nur um Haaresbreite. Es knallte, als die Entladung in die Wand schlug. Somaris war draußen, und Darras stand ruhig da.

    „Setz dich still hin, und rühr dich nicht. Bau keine Konzentration auf, sonst müsste ich dir wehtun. Hast du mich verstanden?"

    Ich nickte und kämpfte weiter gegen mich selbst. Dann kam die Hilfe von außen. Darras brach den Bann, von dem ja augenblicklich nur noch Reste vorhanden sein konnten. Er arbeitete schnell und ohne mich zu berühren. Gnadenlos zerrte er die Reste der Beeinflussung hervor, und ich fühlte, wie ich mich dagegen wehren wollte, doch jedes Mal verstärkte er den Druck. Es wurde schmerzhaft, als würde er mich in Stücke reißen. Aber ich hielt still. Entweder jetzt in relativ kurzer Zeit oder geblockt über Wochen, das war mir wohl klar.

    Irgendwann schien ich völlig leer und ausgebrannt. War da wirklich immer noch etwas in mir, das konnte doch eigentlich nicht sein.

    Weder Darras noch ich hatten uns um die kleineren Nebeneffekte gekümmert, immer wieder waren Blitze aufgezuckt und Impulse wild ausgelöst worden. Doch jetzt musste es endlich vorbei sein. Ich jedenfalls konnte nicht mehr.

    „Genug", bat ich mit fremder rauer Stimme und hob bittend die Hand.

    Blaue Flammen tanzten für einen kurzen Augenblick darauf, ich betrachtete sie so interessiert, als sähe ich sie zum erstenmal.

    „Du meinst, das wäre schon alles?", fragte Darras bissig.

    „Ich weiß nicht, es ist mir auch egal, ich kann nicht mehr."

    „Ja, das glaube ich dir gerne. Ich halte es für gut, wenn du endlich keine Kraft mehr hast, dich gegen mich zu wehren. Du darfst dich gerne hinlegen", bot er großzügig an.

    „Und dann?, fragte ich erschöpft. „Denkst du, dass da wirklich noch etwas in mir ist? Warum betäubst du mich dann nicht? Oder willst du mir nicht so viel Erbarmen zeigen?

    Für einen Augenblick zeigten seine Augen Trauer, Schmerz und Mitleid, ich weiß nicht genau, was. Dann wurden sie wieder eiskalt.

    „Ich brauche dich wach, du musst schon noch ein bisschen selbst tun. Du kannst nicht mir allein die ganze Arbeit überlassen", erklärte er sarkastisch.

    „Ich kann wirklich nicht mehr", gab ich geschlagen zu.

    „Das werden wir ja sehen."

    Es wäre müßig, die nachfolgende Tortur in Einzelheiten zu beschreiben. Er ließ nicht zu, dass ich mich auch nur für kurze Zeit ausruhte, bis ich wirklich total ausgebrannt war. Mein Gehirn schien ein einziges schwarzes Loch zu sein, und ich wünschte mir zu sterben. Schlimmer konnte der Tod nicht sein.

    Trotzdem kam es noch zu einem letzten Ausbruch, mit dem ich von mir aus nicht mehr gerechnet hatte. Von irgendwoher nahm ich jedoch noch Kraft und warf sie Darras entgegen, der kalt auflachte. Er blockte diesen Angriff ab, und ich stöhnte gequält auf.

    „Nicht mehr", wimmerte ich nur noch.

    Abrupt hörte er auf und kam er zu mir, griff nach meiner Hand und streichelte mir mit der anderen über das Gesicht.

    „Ist gut, meine Liebe, du hast es geschafft. Alles wird wieder gut. Entspanne dich, es ist jetzt vorbei."

    Meine Augen brannten, aber ich schaute ihn noch einmal an. In seinem Blick standen jetzt Erleichterung und Liebe.

    „Ich hasse es, wenn ich dir das antun muss. Aber es ließ sich nicht vermeiden. Ich will dir gern Rede und Antwort stehen, wenn du Wert darauf legst. Aber jetzt brauchst du Schlaf", murmelte er.

    „Schlaf, ja, flüsterte ich. „Und vielleicht einmal keine Erinnerungen an die vielen Toten.

    „Denk jetzt nicht daran."

    Seine Worte ließen mich in einen tiefen traumlosen Schlaf sinken.

    *

    Bruder Ildar hatte jede Entschuldigung von mir abgelehnt.

    „Ich hätte nicht gedacht, dass eine einzelne Schwester zu solchen Leistungen fähig wäre, sagte er anerkennend. „Ich trage es dir nicht nach, dass du mich fast umgebracht hast. Ich bewundere deine Kräfte und auch deinen Einfallsreichtum, Schwester. Mögest du nur Gutes in Zukunft mit deiner Kraft bewirken.

    „Ich danke dir für deine Worte, auch wenn sie meine Selbstvorwürfe nicht lindern werden. Schon seit dem Tage meines Eintritts in die Gemeinschaft bemühe ich mich darum, nur Gutes zu tun. Aber leider kommt mir immer wieder etwas oder jemand dazwischen."

    „Willst du jetzt hier vor Selbstmitleid zerfließen?", fragte Darras ironisch dazwischen.

    „Aber natürlich. Vielleicht habe ich dann mal Ruhe vor dir", gab ich spitz zurück.

    Zwei Tage waren vergangen seit der gewaltsamen Zerstörung der Blockade in mir. Ich hatte viel geschlafen und fühlte mich körperlich schon wieder frisch, doch mein Geist schien noch immer leer zu sein. Das bedeutete nicht, dass ich nicht schon wieder meine Kräfte benutzen konnte. Nein, es war etwas anderes, mir kam es vor wie ein tiefes Loch in meinem Gehirn, etwas fehlte, auch wenn ich nicht hätte sagen können, was es war.

    Mit Darras sprach ich nicht darüber, vermutlich wusste er es ohnehin. Ich hatte darauf bestanden, Bruder Ildar auf der Heilerstation zu besuchen. Er hatte Brandverletzungen und einen Schock, nichts wirklich Schlimmes, er befand sich längst wieder einigermaßen wohl, schließlich hatten wir gute Heiler.

    Aber ich wollte mich entschuldigen, auch wenn Darras dagegen war. Trotzdem hatte er mich nicht zurückgehalten, hatte mich sogar begleitet.

    „Wenn du jemals Ruhe vor mir hast, Eorin, dann wird es für alle anderen Menschen ziemlich übel aussehen", bemerkte Darras nun trocken.

    „Warum? Weil ich dann vielleicht wirklich mal etwas bewirken kann, was von mir selbst ausgeht?"

    „Nein, weil ich dann vermutlich tot bin und du die Herrschaft über das Böse angetreten hast."

    „Du bist sehr aufbauend. Das sind wirklich Worte, die mir Mut machen, fauchte ich. „Verzeih, Bruder Ildar, es scheint, als sei der Obere doch noch nicht ganz genesen. Aber ich freue mich, dass du auf dem Wege der Besserung bist, und bitte noch einmal um Verzeihung.

    Ich lächelte ihn an und verließ das Zimmer. Darras folgte mir auf dem Fuße.

    „Was sollte das gerade?", fuhr ich ihn an, als wir allein auf dem Gang waren.

    „Ich will dich nur davor bewahren, dich einer Selbsttäuschung hinzugeben, oder auch dem Selbstmitleid. Wenn du deine Kräfte dieser Art von Energieverschwendung aussetzen willst, muss ich eingreifen. So etwas werde ich nicht zulassen", erwiderte er scharf.

    „Und du billigst mir keine eigene Entscheidungsfreiheit zu, nehme ich an", fragte ich bitter.

    „Wenn es um Dinge geht, die die Gemeinschaft oder das Schwert betreffen - nur sehr ungern."

    „Woher willst du eigentlich wissen, dass allein deine Ansichten die richtigen sind? Du hast auch nicht gewusst, was Mortuin im Steinkreis plante. Da musste ich ebenfalls selbst entscheiden..."

    „Und hast ums Haar die falsche Entscheidung getroffen, unterbrach er mich brüsk. „Es wäre in jedem Fall besser gewesen, wenn du mich hättest sterben lassen. Du durftest nicht einmal einen Gedanken daran verschwenden, mich zu retten, indem du dich der Macht unterordnetest. Aber du warst nahe dran, genau diesen Fehler zu begehen. Wenn du dich also schon in Selbstvorwürfen ergehen willst, dann füge noch einen hinzu. Indirekt bist du schuld daran, dass Thomkar das Schwert genommen hat. Er wollte dein Opfer nicht zulassen.

    Betroffen blieb ich stehen. Ja, da hatte er wirklich recht, obwohl ich nicht sicher war, dass es anders ausgegangen wäre, hätte ich mich geweigert.

    Plötzlich stürmte ich los, ich wollte allein sein mit mir selbst. Ich rannte förmlich in den Garten hinaus, wo ich mich hinter einem dicken Baum verbarg. Doch vor mir selbst konnte ich mich nicht verstecken, und Zweifel und Vorwürfe quälten mich.

    Aber was sollte ich tun? Oder was hätte ich tun können?

    Darras hatte mir keine neuen Vorwürfe gemacht mit seiner Bemerkung, an Thomkars Verhalten lag keine Schuld von mir. Es war auch nichts weiter als eine zynische Erinnerung daran, dass ich nicht an jedem Unrecht auf der Welt die Schuld trug. Trotzdem kauerte ich mich eng zusammen, so als könnte ich mit dieser körperlichen Haltung meinen Gedanken entfliehen.

    „Hast du gepackt?", fragte mich irgendwann die Stimme von Darras.

    Er würde mich immer finden, ja. Wahrscheinlich würde er auch immer die richtigen Worte finden, um mich aus meiner Verzweiflung zu retten.

    Packen? Nein, natürlich hatte ich nicht gepackt.

    „Es wird Zeit, wieviel davon willst du eigentlich noch vertrödeln, indem du dich vor dir selbst versteckst? Aber wenn du Wert darauf legst, kannst du das auch unterwegs tun. Also los, Schwester, beeile dich."

    Ich gab keine Antwort, das wäre mehr als überflüssig gewesen, stattdessen eilte ich, um unser Bündel zu packen. Schließlich mussten wir nach Corday.

    Es wurde wirklich Zeit.

    *

    Er hatte mich am ersten Tag meinen Gedanken überlassen, ohne mich anzusprechen. Seine Blicke hatte ich allerdings immer wieder gefühlt, prüfend, kritisch, aufmerksam.

    Wir gingen zu Fuß, unsere Kräfte wollten wir schonen, mussten wir schonen, längst waren wir noch nicht wieder ganz in Ordnung. Am Abend rasteten wir auf einer Lichtung, aßen und legten uns dann zum Schlafen nieder. Kein Wort des Trostes oder Verständnisses kam von Darras, aber auch keine zynische Bemerkung, er schwieg einfach. Ich fühlte mich einsam und leer, und sehnte mich nach einer Umarmung von ihm, etwas Trost für das Labyrinth meiner Seele. Aber vielleicht hatte er recht, und ich musste erst einmal selbst einen Ausweg finden. Oder mich mit dem abfinden, was geschehen war. Oder akzeptieren, dass ich nicht all das tun konnte, was ich wollte.

    Schlaflos, reglos lag ich da und lauschte dem Konzert der Nacht. Das leise Flügelschlagen einer Eule auf Beutefang, Mäuse, Grillen, alles dröhnte überlaut an mein Gehör, obwohl ein normales Ohr vermutlich nichts gehört hätte.

    Quälend langsam verstrich die Zeit, während ich versuchte mich soweit zu entspannen, dass ich einschlafen konnte.

    „Komm, jetzt ist es wirklich genug", klang irgendwann die Stimme von Darras an meine Ohren. Eine Hand griff nach mir und zog mich heran an eine breite Brust, wo ein starkes Herz schlug. Wie ein Durchbruch war es, als meine Verkrampfung sich löste, die Zweifel verschwanden, und große Ruhe überkam mich.

    „Du bist ein eigensinniges, stures, entsetzlich selbstzerstörerisch veranlagtes Wesen, auf das man ständig aufpassen muss. Aber ich habe dich sehr gern", sagte er leise.

    „Ja, es gibt Zeiten, da mag ich dich auch", erwiderte ich und kuschelte mich eng an ihn. Endlich konnte ich einschlafen.

    *

    „Warum hast du im Steinkreis nicht getan, was ich dir befahl?", fragte Darras am nächsten Tag, als wir weitergingen. Es war noch ein langer Weg bis Corday, und ich benutzte die Ruhe dieser Wanderung, um Kräuter zu sammeln. Da ich sie hier unterwegs schlecht trocknen oder anders aufbereiten konnte, wollte ich sie am Abend bei der nächsten Rast zerdrücken und die Inhaltsstoffe durch Vibration zu einer Essenz verarbeiten.

    Ich hockte am Boden, um vorsichtig eine Wurzel auszugraben und antwortete nicht gleich auf die Frage. Dann aber blickte ich hoch.

    „Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich dich einfach hätte sterben lassen?", fragte ich dann zurück.

    „Du hättest es tun müssen, beharrte er. „In diesem Fall hast du eindeutig die Prioritäten falsch gesetzt. Es stand mein Leben gegen das vieler anderer. Eine solche Entscheidung durftest du nicht fällen, es war deine Pflicht, zum Wohle aller zu handeln.

    „Ach, wirklich?, fragte ich ruhig und stand auf. „Du hattest mit deinem Leben schon abgeschlossen, bevor mir die Entscheidung aufgezwungen wurde. Wie konntest du es wagen, mich wegschicken zu wollen? Warum hast du dich nicht einfach auf mich verlassen? Hätte dein Tod mich wirklich vor der Übernahme bewahrt? Nein, ich glaube nicht.

    „Ich habe an andere gedacht an die ganze Menschheit, im Gegensatz zu dir."

    „So muss es sich aus deiner Sicht natürlich darstellen, bemerkte ich spröde. „Aber vielleicht wäre das alles auch unnötig gewesen, wenn ich vorher etwas mehr Hintergrundwissen gehabt hätte. Du hast mir vieles verschwiegen, und das kann ich nicht gutheißen.

    „Willst du mir Vorwürfe machen, weil ich dich schützen wollte?", erkundigte er sich ruhig.

    „Seit wann braucht eine Priesterin der Gemeinschaft und Wächterin des Hellen Tempels Schutz?", gab ich zurück.

    „Du bist mehr als all das, Eorin. Es hätte dir nicht gutgetan zu wissen, dass das Schwert dich haben will. Es hätte dich beeinflusst."

    „Und jetzt tut es das nicht mehr?", spöttelte ich.

    „Viel zu sehr, stellte er ernsthaft fest. „Mal abgesehen davon, dass du unter der Ausstrahlung unendlich gelitten hast. War dir eigentlich bewusst, dass du töten wolltest?

    „O ja, ich weiß, dass ich dazu bereit war, das musst du mir nicht mehr vorhalten.

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