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Warriors of Fortune: Nicht sie suchen sich ihr Schicksal aus, es sucht sich sie aus
Warriors of Fortune: Nicht sie suchen sich ihr Schicksal aus, es sucht sich sie aus
Warriors of Fortune: Nicht sie suchen sich ihr Schicksal aus, es sucht sich sie aus
eBook447 Seiten6 Stunden

Warriors of Fortune: Nicht sie suchen sich ihr Schicksal aus, es sucht sich sie aus

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Über dieses E-Book

Es begann als normaler Abend, an dem Beth tanzen gehen und den Alltagsstress vergessen wollte. Niemals hätte sie mit dem gerechnet, was in dieser Nacht noch geschehen sollte.
Sie würde eine Entscheidung treffen, welche ihr bisheriges Schicksal neu schreibt.
Krampfhaft versucht sie sich an ihr bisheriges, normales Leben zu klammern, doch bald wird ihr klar, dass weder der mysteriöse Krieger, welchen sie rettete, noch dessen Widersacher aus ihrem Leben verschwinden werden. Also muss sie sich allmählich mit der neuen Realität anfreunden und ihre Rolle darin herausfinden.
War es immer schon so vorhergesehen, oder kann sie selbst über ihr Leben und somit ihr Schicksal bestimmen?
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum27. Juli 2020
ISBN9783347046610
Warriors of Fortune: Nicht sie suchen sich ihr Schicksal aus, es sucht sich sie aus

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    Buchvorschau

    Warriors of Fortune - Anja Gehlert

    Heute, 2010

    Kapitel 1

    „Hey, komm schon! Da läuft gerade unser Lieblingssong!" Ungeduldig lief Sally hin und her. Sie stand auf diese Musik und seit sie und Elisabeth sich in der Schule gemeinsam durch den Volleyballkurs gequält hatten, waren sie beste Freundinnen.

    „Ja, ich bin ja schon fertig!", schrie Beth nun zurück.

    Die Langform ihres Namens hatte sie noch nie gemocht. Deshalb kannte sie mittlerweile keiner mehr unter ihrem echten Vornamen. Nur Sally kannte ihn und wenn sie Beth ärgern wollte, benutzte sie ihn. Als Sally sich umdrehte und sah, dass sich die Tür geöffnet hatte, atmete sie erleichtert aus.

    „Na endlich! Ich dachte schon, es vergehen noch 1000 Jahre, ehe du aus dem Klo rauskommst!"

    Beth verdrehte die Augen und ging zum Waschbecken, um sich noch schnell die Hände zu waschen. Sie hatte sie noch nicht mal fertig abtrocknen können, da zog ihre Freundin sie schon raus auf den Gang und bewegte sich in Richtung Tanzfläche. Diese war ziemlich gut gefüllt. Kaum dort, mischten sie sich unter die Leute und tanzten zu den „Warriors of the world". In der ganzen Diskothek hallten die Verse der berühmten Jungs von Manowar von den Wänden zurück. „Like thunder from the sky - Sworn to fight and die - We're warriors - Warriors of The World". Nachdem die letzten Töne verklungen waren, suchten sich die zwei eine freie Bank und beobachteten die Menge, die noch auf der Tanzfläche geblieben war.

    „Also der da drüben ist doch nicht schlecht, oder?", richtete sich Sally an Beth. Doch Beth war in ihren Gedanken versunken und hörte sie nicht. Ihre Gedanken schweiften um alles Mögliche.

    Um ihr Studium und darum, warum ihre Beziehungen nie funktionierten. Nein sie musste sich korrigieren. Die zwei Beziehungen, die sie bis jetzt gehabt hatte, hatten nur 4 und 6 Wochen gehalten. Irgendwas stimmte da nicht. Klar, sie war schüchtern, was die Leute gar nicht glauben wollten, aber dennoch! Sie freute sich für die anderen und war immer gut gelaunt. War sie einmal schlecht gelaunt, dann merkte es niemand, da sie es gekonnt überspielte. All die Jahre hatte sie niemand traurig oder sauer erlebt. Eigentlich ging es ihr ja auch gut. Aber mit 22 Jahren immer noch Single zu sein – und das schon seit Langem – kam ihr nicht normal vor.

    „Hey, hast du mir überhaupt zugehört?! Ich sagte gerade, dass der eine Typ da drüben, den du mir vorhin gezeigt hast, schon wieder so hierher starrt!" riss Sally sie aus ihren Gedanken.

    „Was … Ach ja, schon komisch. Der stand da auch schon vor einer Stunde. Und wolltest du nicht schon vor einer Viertelstunde zu deinem Freund kurz mal hinschauen?"

    „Stimmt! Ich bin gleich wieder da!", meinte Sally und schon war sie auf dem Weg zu ihrem Schatz. Als Beth ihren Blick wieder auf die andere Seite der Tanzfläche richtete, konnte sie nur noch die Wand sehen. Der Typ war plötzlich weg. Verwirrt irrten ihre Augen noch eine Weile umher, doch sie konnte ihn nicht mehr sehen. Wie vom Erdboden verschluckt. Schon irgendwie eigenartig, dachte sie, gerade vor einer Sekunde war er noch da gewesen. So schnell konnte er doch nicht aus ihrem Sichtfeld verschwunden sein. Oder etwa doch? Vielleicht hatte er aber auch bemerkt, dass sie und Sally ihn beobachtet hatten und es war ihm unangenehm gewesen. Also war er mal schnell davongeeilt. Sein Gesicht hatte sie nicht genau erkennen können, doch er musste ziemlich gut aussehen. Mit seinen langen welligen dunklen Haaren und den Lederklamotten sah er wirklich nicht übel aus. Er schien auch ziemlich groß zu sein. Sicher mindestens 1,85 m. Und absolut sicher wartete daheim schon sehnsüchtig seine Freundin auf ihn.

    Solche Kerle hatten doch immer eine Freundin. Bestimmt eine voll dumme Kuh. Irgendwie war es ja immer so, dass die gut Aussehenden die hässlichen oder zickigen Mädels abkriegten und andersrum. Aber Beth bemerkte fast nie jemand. Es kam sehr selten vor, dass sie jemand ansprach. Und wenn, dann waren es nur Männer, die ihr schon viel zu alt waren und ihr Vater hätten sein können. Das brauchte sie nun wirklich nicht.

    „Hi, willst du einen Drink?", stupste sie jemand an und als sie aufblickte, sah sie ihren Verehrer.

    „Nein danke, mein Freund wäre darüber nicht sehr erfreut!", wehrte sie ihn ab und stand auf, um Sally zu suchen. Das fehlte noch. Natürlich, diese Gruppe hatte sie ja fast schon vergessen. Die total besoffenen Jungs, die meinten, mit ihrer Alkoholfahne unwiderstehlich zu sein. Für diese benutzte sie auch immer ihre freundliche Ausrede, ihr Freund würde es nicht gerne sehen. Sie wollte die Leute einfach nicht mit einer unfreundlichen Äußerung abwimmeln, sondern etwas Nettes sagen.

    Sie bahnte sich ihren Weg durch die Menge, um ihre Freundin zu finden. Es war schon kurz vor zwei Uhr nachts, aber es war immer noch viel los. Sie konzentrierte ihren Blick auf die Menschenmenge und versuchte ihre Freundin darin auszumachen. Als sie sie nahe dem Notausgang mit ihrem Freund sah, schlug sie diese Richtung ein. Nach einer Minute hatte sie es geschafft und versuchte das Paar voneinander zu lösen.

    „Ach … sorry, hast du lang auf mich gewartet? Ich wollte gleich wieder kommen", versuchte Sally sich zu entschuldigen.

    „Hey, nein, passt schon. Es waren nur fünf Minuten. Ich bin jedenfalls gekommen, um dir zu sagen, dass ich jetzt gehe."

    Schnell verabschiedete sie sich auch noch von Sallys Freund, und als sie ihnen den Rücken zudrehen wollte, konnte sie es sich nicht verkneifen, Sally zuzuflüstern: „Ihr beiden werdet mich doch nicht vermissen, oder? Ich glaube, ihr kennt ja gute Beschäftigungen, falls es euch ohne mich langweilig wird."

    Und mit einem Augenzwinkern machte sie sich auf, in Richtung Eingang, um auf dem Weg nach draußen ihre Lederjacke mitzunehmen.

    Pink, grün, weiß, gelb und in vielen anderen Farben schillerte die Tanzfläche. Die jungen Leute blitzten in diesem bunten Farbenmeer. Es schien sie nicht einmal zu verwirren, dass der Wechsel teilweise nicht einmal in Sekunden gemessen werden konnte. Von Zeit zu Zeit wurden sie auch vollständig von dem weißen Kunstnebel verhüllt. Es sah dann aus, als ob sie durch eine Nebelwand liefen.

    Sein Blick realisierte all das und schweifte weiterhin über die Meute auf der Tanzfläche. Alle wirkten auf eine gewisse Art und Weise gleich. Klar, sie hatten unterschiedliche Tanzstile, aber sie waren sich alle ähnlich. Sie kamen hierher, um zu der gleichen Musik Spaß zu haben. Sie wollten Abstand vom Alltag bekommen und ihre Sorgen vergessen, falls sie welche hatten. Was man nämlich nicht sehen konnte, war, wie es in ihrem Inneren aussah.

    Meistens war es durch ihre Mimik und Gestik leicht erkennbar. Dennoch wusste niemand, um was genau sie sich in diesem Moment Sorgen machten, oder was sie verärgerte. Ob sie in ihrem Job wohl Erfolg hatten? Oder, wenn sie noch zur Schule gingen oder studierten, würde ihr Abschluss erfolgreich sein? Würde der Dozent ihre Arbeit gut bewerten, oder würde es eine Themaverfehlung werden und sie müssten den Kurs erneut belegen? Wann würden sie endlich den passenden Partner finden, wenn es ihn geben sollte? Würde ihr Leben immer so bleiben, oder würde sich etwas in absehbarer Zeit verändern?

    Er schaute weiter und richtete seinen Blick auf die Bank auf der anderen Seite des Raumes, wo sich Beth und Sally unterhielten. Vorhin waren sie noch auf der Tanzfläche gewesen, aber jetzt hatten sie ebenfalls die Rollen getauscht und aus den zwei Tänzerinnen waren Beobachterinnen geworden.

    Nachdem die zwei Mädchen bemerkt hatten, dass er in ihre Richtung geschaut hatte, musste er sich abwenden. Die zwei waren ihm schon früher aufgefallen. Vor allem die etwas Kleinere. Er schätzte sie auf knapp 1,65 m, was nicht so leicht war, da ihre Stiefel sie noch etwas größer machten. Sie lachte viel, wenn sie mit ihrer Freundin unterwegs war, und wenn sie auf der Tanzfläche war, konnte sie sich auch gut zu der Musik bewegen. Das gefiel ihm. Ebenso wie das Blitzen ihrer Augen, wenn sie dem Mädchen neben ihr etwas ins Ohr flüsterte oder sie sich anhand von Blicken ohne ein Wort verständigen konnten.

    Allerdings schien sie von der nachdenklichen Sorte zu sein. Zumindest, wenn er sie alleine sitzen sah. Dann schweifte ihr Blick ins Unergründliche und schien durch die Leute hindurchzuschauen. Fast hätte er sich ein Grinsen verkneifen müssen, als dieser betrunkene Tölpel etwas von ihr wollte und sie ihn freundlich abwies, da sie angeblich vergeben war. Er glaubte jedenfalls, dass es nur eine Ausrede war. Auf ihn machte sie den Eindruck, als wäre sie an niemanden gebunden. Aber sie hatte ihn vorhin bemerkt. Sie konnte ihn nicht genau gesehen haben, da sie mindestens 20 Meter voneinander entfernt waren, und durch die schlechte Beleuchtung wirkte der ganze Laden hier etwas düster. Zumindest mal abgesehen von der erleuchteten Haupttanzfläche, wo die jungen Leute sich gegenseitig anrempelten, um auch noch etwas Platz zum Tanzen zu ergattern. Sie konnte ihn jetzt nicht mehr sehen, da er nun total im Schatten stand.

    Er schalt sich selbst, da es nicht so weit hätte kommen dürfen, dass die beiden ihn hier bewusst wahrnahmen. Schließlich war seine oberste Regel, nicht aufzufallen. Obwohl ihm das zugegebenermaßen in dieser Situation schwerfiel. Aber am nächsten Tag hätte sie ihn sowieso schon wieder vergessen und würde sich sicher nicht daran erinnern, dass da irgendjemand gewesen war. Dessen war er sich zumindest in diesem Moment sicher. Er schaute auf die Uhr und stellte fest, dass es an der Zeit war, zu gehen.

    „Komm gut nach Hause, Beth!", verabschiedete sich der Türsteher noch von ihr.

    „Ich … immer doch! Kennst mich ja", meinte sie mit einem Lächeln.

    Sie unterhielt sich noch kurz mit Dave. Er war in ihrem Kurs „Neue Deutsche Literaturwissenschaft", und musste ebenso wie sie in diesem Hauptseminar eines dieser nervigen Referate halten. Aber so war es nun einmal, ohne Referat kein Schein, und ohne Schein galt der Kurs als nicht bestanden. Hart für manche, aber da musste man durch. Da Dave von weither kam, musste er sich etwas für seine Wohnung hier dazuverdienen. Und was bot sich da besser an, als abends Türsteher zu sein? Er war zwar kein Zwei Meter-Riese, aber er strahlte auf eine besondere Art und Weise Respekt aus, sodass ihm bis jetzt keiner Probleme bereitet hatte.

    Danach setzte sie ihren Weg fort und überquerte den riesigen Parkplatz, da ihr Auto auf der anderen Seite stand. Genauer gesagt in der Nähe mehrerer Seitenstraßen. Im Gegensatz zu dem Parkplatz waren diese gar nicht beleuchtet. Als sie an ihrem Auto ankam und ihre Tasche auf die Rückbank warf, meinte sie etwas scheppern gehört zu haben. Sie hielt kurz inne, doch als nach ein paar Sekunden nichts zu hören war, setzte sie sich in ihr Auto.

    Gerade wollte sie die Tür zuschlagen, als sie erneut etwas hörte. Es war nicht so ganz eindeutig zu beschreiben. Aber sie war sicher, dass es aus der Seitenstraße nahe ihres Autos gekommen war. Also stieg sie entschlossen wieder aus, schloss ihren Wagen ab und steckte den Schlüssel ein.

    Was war, wenn es ein hilfloses Kätzchen war, das vielleicht in eine Tonne gefallen war, und nicht mehr von alleine rauskam? Es war schließlich Anfang Juni und im Frühjahr bekamen viele Katzen ihre Jungen. Und diese jungen Kätzchen waren von Natur aus so neugierig, dass sie öfters in Schwierigkeiten gerieten und ihnen geholfen werden musste. Sie dachte an ein Ereignis vor zwei Jahren und erinnerte sich an das schwarze Kätzchen, dem sie damals geholfen hatte. Es war ebenfalls hier in einer dieser Seitenstraßen in ein Loch gefallen und kam nicht mehr von alleine raus. Es musste damals schon über zwei Tage da dringesteckt haben, da es ganz schwach aussah und sich bis auf ein leises Miauen fast nicht mehr rühren konnte. Sie hatte es herausgehoben und dann auf den Boden gesetzt. Sie dachte damals, dass es zu seinem Besitzer zurücklaufen würde, und war nach Hause gefahren. Aber am nächsten Tag war sie mittags hergekommen, da sie ein so eigenartiges Gefühl gehabt hatte.

    Im Nachhinein hatte sie dadurch der kleinen Schwarzen das Leben gerettet, da diese immer noch dasaß, wo sie sie hingesetzt hatte. Sie konnte sie nicht so zurücklassen und hatte sie zum Tierarzt gebracht. Dieser fand heraus, dass sie vermutlich ausgesetzt worden war und konnte noch leichte Schwellungen am Rücken ausmachen. Sie war sogar geschlagen worden! Und als das Kätzchen sie aus den kleinen treuen Augen so hilflos angeblickt hatte, hatte sie es bei sich aufgenommen und aufgepäppelt. Sogar einen Zettel mit Abbildung hatte sie aufgehängt, falls die Kleine jemandem gehören sollte. Doch es hatte sich niemand gemeldet. Innerlich war sie über jeden Tag froh gewesen, der ohne Anruf verstrichen war. Sie hatte als Katzenliebhaberin die Kleine längst in ihr Herz geschlossen. Und sie hätte sie nur hergegeben, wenn sie hätte sicher sein können, dass es nicht der Besitzer gewesen war, welcher ihr die Verletzungen zugefügt hatte.

    Bis jetzt waren keine Anrufe eingegangen, und es waren über 2 Jahre vergangen und sie würde ihre Katze jetzt um keinen Preis mehr hergeben. Außerdem waren ihre Zettel auch schon längst abgehängt worden.

    Als sie nun ein paar Schritte auf die Seitenstraße zuging, konnte sie jemanden fluchen hören.

    „Du verdammter Scheißkerl, dir werde ich es zeigen! Gleich gehen deine Lichter aus!" Das hörte sich gar nicht gut an, dachte sie bei sich, und als sie beschloss, lieber schnell hinzurennen, bot sich ihr ein schrecklicher Anblick!

    Ein Kerl wurde gerade durch die Luft geschleudert und krachte gegen einen Müllcontainer. Wow, der war mindestens zwei Meter durch die Luft geworfen worden! Er prallte ab und kam auf dem Rücken am Boden auf, wo er auch für einen Moment außer Gefecht zu sein schien.

    Der andere Kerl, der sich jetzt auf ihn zubewegte, sah wirklich furchteinflößend aus. Seine Augen waren schwarz wie die Nacht, aber die Haut schien fast eingesunken zu sein und er hatte eindeutige Augenringe. So, als ob er tagelang nicht geschlafen hatte. Nur, dass diese einen weißen Farbstich hatten. Waren sie normal nicht eher dunkler? Und sein Mund schien auch nahezu weiß zu sein. Als ob er jegliche Farbe verloren hätte. Und als wäre das nicht schon genug, wirkten seine Gesichtszüge hart und Angst einflößend. Zusätzlich, als wäre er noch nicht ausreichend unheimlich, verzogen sich die Lippen zu einem hinterhältigen Grinsen, welches ihn eiskalt erscheinen ließ, während er auf den Mann am Boden zuging. Außerdem trug er eine schwarze Hose und dazu einen schwarzen Rollkragenpulli. Seine dunkelblaue Jacke war halb geöffnet und etwas in der Innentasche blitzte auf. Beth glaubte ihren Augen nicht trauen zu können, als er blitzschnell ein Messer aus eben dieser Tasche herauszog.

    Weder der eine noch der andere schien sie bemerkt zu haben, was eigentlich gut war. Noch hatte sie die Möglichkeit, sich unbemerkt aus dem Staub zu machen. Doch für sie kam es nicht in Frage, davonzurennen.

    Sie könnte nicht mit dem Wissen leben, dass sie einen Mord zugelassen hatte.

    Nicht, wenn sie ihn vielleicht verhindern konnte.

    Angesichts des Schaubildes, welches sich ihr bot, war sie sich zumindest des bevorstehenden Mordes sicher.

    Also handelte sie.

    „Hey!, rief sie, „Weg von ihm!

    Überrascht wandte ihr der potenzielle Mörder sein Gesicht zu. Nun sah sie, dass auch seine rechte Gesichtshälfte bereits angeschwollen war und Blut von dieser auf seine Jacke tropfte. Sein braunes Haar - oder war es rötlich, sie konnte sich nicht entscheiden, - hing ihm wirr ins Gesicht. Er sah so gleich noch viel schrecklicher aus und einen Moment lang wünschte sie sich woandershin. Außerdem hätte sie nicht geglaubt, dass sein dämliches Grinsen noch mörderischer werden konnte.

    Aber sie wurde eines Besseren belehrt.

    Nach ihrem Ruf hatte er sich sofort wieder gefasst.

    Ebenso wie der Mann auf dem Boden, der sich zu regen begann. Sie konnte sein Gesicht nicht sehen, da es von seinen dunklen Haaren verdeckt wurde. Und dann geschah alles ganz schnell. Während der Mann am Boden seinen Kopf in ihre Richtung drehte, die Haare zur Seite fielen und seine Augen wütend und erstaunt zu funkeln schienen, kam der andere auf sie zu und lachte:

    „Na, das wird ja immer besser! Erst muss er zusehen, wie ich dich aufschlitze, und dann schlitze ich ihn auf, während er sich Vorwürfe macht, dass er nicht mal ein Schulkind retten konnte!"

    Seine Stimme hatte einen schrecklichen, hallenden Klang. Doch sie ließ sich davon ebenso wenig ablenken wie von seiner Aussage. Sie als Schulkind zu bezeichnen! Das war sein erster Fehler, schwor sie sich! Sie studierte doch bereits im 7. Semester!

    Als er nur noch zwei Meter entfernt war, holte er mit dem Messer aus und wollte auf sie einstechen. Doch er hatte sie unterschätzt. Blitzschnell war sie auf die Seite gesprungen und der Stoß ging ins Leere.

    Aber seine Verblüffung darüber, dass er sein Ziel verfehlt hatte, hielt nicht einmal eine Sekunde. Beth jedoch war total konzentriert und konnte ihm mit einem gut gezielten Rundkick das Messer, noch während er sich drehte, aus der Hand schlagen. Durch ihre Stiefel mit Blockabsatz hatte ihr Kick noch mehr Kraft und eine härtere Schlagoberfläche als in ihrem Training. Als sie ihren Kick beendet hatte und wieder mit beiden Beinen auf dem Boden stand, befand sie sich auch schon wieder in Kampfstellung. Ihr Vorteil des Überraschungsmomentes war damit jedoch auch schon vorbei, da ihr Gegner nun wusste, dass sie nicht das typische Opfer war. Also setzte sie noch einen kraftvollen Sidekick hinzu, der ebenfalls zu einem Treffer in der Nierengegend wurde.

    Trotzdem schien es ihr Gegenüber nicht sonderlich zu beeindrucken. Jedenfalls verzog sich sein Gesicht nicht schmerzerfüllt. Nur seine Augen schienen noch dunkler zu funkeln als zuvor und er holte mit seiner rechten Faust aus, um sie ihr ins Gesicht zu schlagen.

    Doch sie konnte die Faust mit einem Rundblock abwehren und als sie die ersten Schmerzen in ihrem Unterarm spürte, war sie umso beruhigter, dass der Schlag nicht ihren Kopf getroffen hatte.

    Jedoch hatte sie mit dem Block nur eine weitere Abwehrtechnik angefangen.

    Dadurch, dass sie ebenfalls mit ihrem rechten Arm von außen nach innen blockte, drehte sie sich weiter, sodass sie Seite an Seite standen, und sie schlug ihm mit dem ausgestreckten linken Arm so fest ihre Handkante von hinten in den Nacken, dass er nach vorne stolperte. Nun stand er mit dem Rücken zu ihr und sie war erneut in Kampfstellung hinter ihm. Und Fairness hin oder her - hier ging es ja schließlich um ihr Leben - sprang sie mit dem rechten Bein nach oben, um noch mehr Schwung und Kraft für den dazugehörenden gesprungenen Kick mit dem linken Fuß zu bekommen. Sie verlieh ihrem Kick noch zusätzlich Kraft durch ihren geschrienen Kampfschrei.

    Jedenfalls waren ihre Trainer davon überzeugt und prägten es ihnen immer so ein. Ihr linker Kick traf ihren Gegner hart am Rückgrat, doch dieser fiel erneut nicht zu Boden. Er hatte sein Gleichgewicht so schnell wiedergefunden, dass er nur nach vorn taumelte und sich gleichzeitig umdrehen konnte. Sein Grinsen war ihm nun vergangen und er kniff wütend die Lippen zusammen. Sie standen sich nun wieder von Angesicht zu Angesicht gegenüber.

    Er aufrecht und sie in Abwehrhaltung. Sie blickten sich gegenseitig in die Augen, und sie dachte bei sich, dass sie diesen Blick nie mehr vergessen könnte. Diesen Blick und die in seinen Augen glitzernde Mordlust.

    Als Beth nun rechts einen Schritt nach vorne machte und sich gleichzeitig um die eigene Achse drehte, wollte sie ihn erneut mit einem Kick des linken Fußes treffen. Doch ihr Schlag ging ins Leere, denn in dem kurzen Moment, in dem sie ihn nicht sehen konnte, hatte er sich ebenfalls von der Stelle bewegt und war aus ihrer Reichweite herausgesprungen. Als sie ihren Oberkörper ihm zuwandte und erneut zu einem Kick ausholen wollte, folgte ein von ihm ausgeführter Kick, der sie schmerzlich traf. Sie hatte zwar ihre Arme schützend vor ihrem Körper, um mögliche Schläge abwehren zu können, aber der Kick war zu stark. Durch das Leder ihrer Jacke hindurch konnte sie die Wucht nur zu gut spüren. Sie konnte dem Kick mit ihrem Block zwar etwas von seiner Kraft nehmen, sodass er nicht direkt auf ihren Brustkorb traf, aber trotzdem wurden ihre Arme an ihren Oberkörper gedrückt und die Wucht breitete sich auf ihrem Brustkorb so weit und schnell aus, dass sie nach hinten geschleudert wurde. Sie schlug gegen die Wand hinter ihr und sank auf den Boden. Der Stoß hatte ihr den Atem aus ihrer Lunge gezogen und ihr wurde kurz schwarz vor Augen.

    Als er sie nach ihrem Ruf gesehen hatte, war er zuerst erstaunt gewesen. Das war das Mädchen, welches ihm auf der Tanzfläche aufgefallen war.

    Sie stand unscheinbar am Ende der Gasse in ihren Stiefeln, mit erstaunlicherweise nur wenigen Zentimeter Absatz, dem schwarzen Minirock und der Lederjacke. Hinter ihr der schwache Schein einer Straßenlampe. Ihre langen Haare wurden vom Wind nach hinten geweht. Dennoch drückte ihre Haltung eine selten zu beobachtende Entschlossenheit aus.

    Als sich sein Kampfgegner ihr zuwendete und ihr drohte, sah er nur für einen kurzen Moment ein erschrockenes Aufblitzen in ihren Augen. Es verschwand aber wieder so schnell, wie es gekommen war und ihr Blick wurde berechnend. Als sie ihm kurz in die Augen sah, wollte er sie mit seinem Blick dazu bewegen, abzuhauen, aber sie wandte sich nur wieder dem anderen Kerl zu. Sie hätte diese Chance nützen sollen, um sich in Sicherheit zu bringen.

    Er wollte nicht an ihrem Tod schuld sein. Dies machte ihn noch wütender, als er sowieso schon war. Seine Hand hatte er schon fast an seinem linken Stiefel und er wollte gerade sein Wurfmesser herausziehen, um ihn so zu erledigen. Er wusste nicht, ob er schnell genug gewesen wäre, aber er hätte die Situation schon wieder unter Kontrolle gebracht. Es hatte bis jetzt immer geklappt. Und wenn nicht, dann wäre er eben im Kampf gestorben. So einfach war das.

    So überraschend ihr Auftauchen gewesen war - es hatte ihn noch mehr überrascht, dass sie ihn ohne Mühe hatte entwaffnen können.

    Dann hatte sie ihm eine ganz schöne Folge an gezielten Treffern beschert. Es war unglaublich gewesen. Diese Typen zeigten es zwar selten, wenn sie Schmerzen hatten, aber er war sich sicher, dass dieser hier welche haben musste. Das wusste er aufgrund seiner Erfahrung. Dieser spielte zwar den Schmerzlosen, aber er wusste, dass dem nicht so war. Er hatte schon ziemlich viel eingesteckt, was er an seiner Haltung erkennen konnte.

    Gerade als er dachte, das Unmögliche würde geschehen und sie würde als Siegerin hervorgehen, wurde sie von ihrem Gegner überrascht und an die Wand geschleudert. Der Schmerz stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.

    Er war sich sicher, dass es nun vorbei war. Bei dem Kick musste sie sich einige Rippen gebrochen haben und ihre Arme mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls. Als er sie an dieser Mauer unten liegen sah, bedauerte er, dass sie wohl ein weiteres namenloses Opfer war, das nur zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort war.

    Nein, musste er sich korrigieren, ihren Namen kannte er. Und ihr Gesicht würde er ebenso wie ihren Auftritt vorhin nie vergessen können. Sie wusste nicht, dass er selbst vorhin wahrscheinlich sogar gesiegt hätte, deshalb beeindruckte es ihn umso mehr, dass sie sich dazu berufen gefühlt hatte, ihm sein Leben zu retten. Überleben würde er jetzt auf jeden Fall, es war nur so, dass sie ihr Leben für seines gegeben hätte. Das erschien ihm nicht fair.

    Nun konnte er sehen, wie der Mann sich zu ihm wandte, das Messer hochhob und ihm zubrüllte: „Jetzt bezahlt die widerliche Schlampe mit ihrem Leben dafür! Ich könnte mir noch bessere Sachen mit ihr vorstellen, aber sie ist eh schon so gut wie tot!"

    „Nein!", schrie er entsetzt, als er sah, wie der Angreifer nun vor ihr stand und das Messer sich auf sie zu bewegte, während er selbst gleichzeitig vom Boden aufsprang.

    Doch urplötzlich war ihr Körper in Bewegung und sie rollte sich blitzschnell an ihrem Angreifer vorbei und stand sogleich hinter ihm. Sie holte ebenso schnell mit ihrem Kick aus, wie sie aufgestanden war, und beförderte ihn mit einem kraftvollen Stoß an die Wand, an die sie zuvor geschleudert worden war.

    Der Mann mit dem Rollkragenpulli musste ebenso erstaunt gewesen sein wie er selbst, denn er krachte gegen die Wand, verlor seinen Halt und sank zu Boden. Nahezu zeitgleich bildete sich eine rote Lache neben der Schulter des Angreifers. Er blieb bewegungslos liegen.

    Beth blieb vor der Wand stehen und er erkannte, dass sie das Blut beobachtete, während es sich immer weiter ausbreitete. Sie schien nicht mehr aufrecht stehen zu können, und hielt sich die Arme vor ihrem Körper.

    So fasziniert er über diese überraschende Wendung war, besaß er dennoch die Geistesgegenwärtigkeit, seine Klinge wieder im Stiefelschaft verschwinden zu lassen. Nicht dass sie ihn auch noch für einen Mörder hielt. Obwohl das ja nicht unbedingt so falsch gewesen wäre. Aber er zählte sich selbst zu den Guten.

    Langsam drehte sie sich um und blickte zu ihm.

    Er konnte sich den Blick in ihren Augen schwer erklären.

    Vielleicht war es Fassungslosigkeit, er war sich nicht sicher.

    Nur eines wusste er mit Bestimmtheit: Jeder andere Mensch an ihrer Stelle wäre nicht mehr aufgestanden, sondern ein Fall für das Krankenhaus gewesen. Geschweige denn, dass eine andere Person den Kerl mit diesen Treffern zuvor so hätte schwächen und am Schluss hätte zu Fall bringen können.

    Es war ihm ein Rätsel, woher ihre Stärke kam. Aber er erkannte plötzlich im Blick ihrer Augen, dass sie sich ihrer Stärke nicht bewusst war. Sie kam humpelnd auf ihn zu und er meinte, in ihrem Gesicht den Schmerz ablesen zu können, den sie empfinden musste. Aber sie ließ sich nichts anmerken.

    Sie jammerte nicht und vergoss nicht eine Träne. Er konnte nicht umhin, sie zu bewundern.

    Als sie vor ihm stand und ihm noch immer in die Augen sah, konnte er nur ahnen, wie verwirrt sie war. „Alles okay bei Ihnen?, fragte sie ihn und er hörte erst zum zweiten Mal bewusst ihre Stimme, ohne den Lärm der Musik. Ihrer Stimmlage konnte er ein leichtes Zittern entnehmen. Dennoch klang sie wundervoll in seinen Ohren. Obwohl er sich vorgenommen hatte, nett zu sein, brachte er nur ein raues „Ja, aber du hättest dich da niemals einmischen dürfen heraus.

    Sofort schalt er sich, denn er hätte es doch auch anders formulieren können.

    Andererseits wäre es für sie das Beste, wenn sie das alles hier vergessen würde. Außerdem kannten ihn alle nur als den harten, ruhigen Kerl, der, wenn er sich äußerte, kalt auf alle Fragen antwortete. Und das war auch gut so. Er hatte seit Langem dieses Image und wollte es auf keinen Fall zerstören. Bereits vor langer Zeit hatte er gelernt, seine Gefühle nicht mehr zu zeigen, und hatte sich allen um ihn herum immer mehr verschlossen. So war er nun mal. Es ärgerte ihn schon, dass er in der Disco so viel Aufmerksamkeit für dieses Mädchen gezeigt hatte.

    Das war sein erster Fehler gewesen.

    Er würde auch dafür sorgen, dass es sein Letzter blieb.

    Als er merkte, dass sie einzuknicken drohte, hielt er sie grob am Oberarm fest.

    „Ein freundliches Danke, dass Sie mein Leben gerettet haben, hätte es auch getan. Lassen Sie mich jetzt los", fuhr sie ihn wütend an. Was bildete der sich denn überhaupt ein? Nur weil er nicht schlecht aussah, war das noch lange kein Grund, Boss zu spielen.

    „Nein, du hast nur Glück gehabt!"

    „So? Glück nennen Sie das? Und hören Sie auf mich zu duzen, wir kennen uns nicht und ich bin kein Schulkind mehr, auch wenn der das gemeint hatte!", funkelte sie ihn wütend an und wies mit dem anderen Arm auf die Wand.

    „Oh mein Gott! Wo ist er? Ich dachte, er sei tot!", setzte sie sogleich entsetzt hinzu, als ihr Blick auf die Blutlache ohne Opfer fiel.

    Und dann wurden ihr ihre Worte bewusst.

    Sie hatte ihn fast umgebracht.

    Es war zwar sein eigenes Messer gewesen, aber sie hatte ihn an die Wand geschleudert, sodass sich die Klinge in sein eigenes Fleisch gebohrt hatte. „Was habe ich bloß getan?", flüsterte sie fast tonlos und sank entsetzt an seine starke Schulter.

    „Er wollte dich töten. Das war nur reine Notwehr. Du hattest jedes Recht dazu", beruhigte er sie, während sein Blick umherwanderte. Er lebte noch und hatte entkommen können, ohne dass er es gemerkt hatte. Aber er war nicht mehr in der Nähe. Nur noch die Tropfen der Blutsspur waren zu sehen und er dachte bei sich, dass er sie auch noch später verfolgen könnte.

    Als er spürte, wie sie sich schwach gegen ihn lehnte, wusste er nicht, wie er sich verhalten sollte. Wie lange war es her gewesen, dass er ein Mädchen in seinen Armen gehalten hatte?

    Er dachte lieber nicht darüber nach. Es erfüllte ihn sonst nur noch mit Trauer. Eines der Gefühle, die er nie wieder fühlen wollte.

    Er blickte auf ihren Kopf herunter, der an seiner Schulter lehnte. Sie war ein ganz schönes Stück kleiner und ging ihm nur bis an seine Schulter. Er löste seinen groben Griff und legte unsicher, aber diesmal sanft die Arme um ihren Rücken und hielt sie einfach nur. Er wusste nicht, wie lange sie so dastanden.

    Waren nur Sekunden oder sogar Minuten verstrichen? Er konnte es nicht mit Sicherheit sagen. Er wusste nur, dass es ihm wie eine Ewigkeit vorkam.

    „Alles wieder okay?", fragte er nun und war selbst erstaunt, dass seine Stimme diesmal sanft klang.

    Sie war anscheinend ebenso überrascht, als sie zu ihm hochblickte, und sich langsam aus seinem Griff löste.

    „Ich weiß nicht. Ich weiß nur, dass ich jetzt nach Hause will", antwortete sie ihm nun leise.

    „Soll ich dich nicht lieber zu einem Arzt bringen? Ich kenne jemanden, der um diese Uhrzeit noch wach ist und dir helfen kann", gab er zu bedenken. Es war ihm nicht recht, sie allein nach Hause fahren zu lassen. Klar, er hätte sie nicht zu einem normalen Arzt gebracht, das hätte nur Fragen aufgeworfen, die er lieber vermeiden wollte. Aber er hätte sie zu der Wohnung seines Kumpels gebracht, nahe ihrem Stützpunkt.

    Es war einfach unglaublich, dass sie nach all dem noch stehen konnte und sich wahrscheinlich sogar nichts gebrochen hatte. Von so etwas hatte er noch nie gehört. Noch nie.

    Deshalb wollte er sichergehen und sie untersuchen lassen.

    „Nein, danke, aber es ist nichts, was sich nicht durch eine Dusche und eine schmerzlindernde Salbe beheben lässt", entgegnete sie und versuchte zu lächeln, um ihre Worte zu unterstreichen.

    „Bist du wirklich sicher?"

    „Ja, klar. Ich brauche wirklich keinen Arzt."

    „Na gut, dann fahre ich dich heim", wollte er einlenken. Wenn sie schon keinen Arzt wollte, dann würde er sie die Fahrt über beobachten, um sicherzugehen, dass keine Spätfolgen auftraten.

    Entschlossen bewegte er sich auf den Parkplatz zu und wollte eine Richtung einschlagen, die von ihrem Auto wegführte. Er würde sie nicht ohne Begleitung nach Hause fahren lassen. Obwohl ihre Schritte schon wieder sicher waren, würde er sie nicht allein lassen. Seinetwegen wäre sie um ein Haar gestorben. Ein weiteres Risiko würde er nicht eingehen.

    „Sie glauben doch nicht, dass ich bei einem Fremden mitfahre, oder? Nach dem, was gerade passiert ist? Nein, ich fahre selber. Mein Auto steht dort." Mit diesen Worten brachte Beth ihn dazu, stehen zu bleiben.

    „Aber in deinem Zustand kannst du nicht fahren", meinte er ruhig.

    „Aber klar, dann gilt das ebenso für Sie", erwiderte sie angriffslustig.

    „Wieso? Du wurdest von ihm fast K.O. geschlagen."

    „Sie vor mir ebenfalls, also Gleichstand. Ich fahre. Ende der Diskussion."

    Entschlossen riss sie sich los und ging zu ihrem Auto. Als sie den Schlüssel im Schloss umdrehte und die Tür aufmachen wollte, war er plötzlich wieder neben ihr. Ganz beiläufig lehnte er sich gegen die Fahrertür, sodass es ihr unmöglich war, die Tür zu öffnen. Er zuckte nicht einmal mit der Wimper, als sie an der Tür ohne Erfolg zog. Anscheinend strengte es ihn keineswegs an, die Tür geschlossen zu halten.

    „Also?" Sie sah ihn fragend und genervt an. Es war ja nett gemeint, falls er sich wirklich Sorgen machte. Aber dessen konnte sie sich einfach nicht sicher sein. Erst war er kühl ihr gegenüber gewesen, dann nett, dann wollte er sagen, wo es lang ging. So ging es einfach nicht.

    „Kann ich jetzt endlich einsteigen?" Diese Frage hatte Beth zwar eher rhetorisch gemeint, aber er dachte wirklich angestrengt darüber nach.

    Er konnte sie doch jetzt nicht Autofahren lassen. Was, wenn sie sich doch etwas gebrochen hatte und plötzlich die Schmerzen kamen, während sie durch die Nacht fuhr und dann einen Unfall baute? Er konnte sich doch nicht einfach so aus dem Staub machen? Nein, aber er konnte es ihr nicht übel nehmen, wenn sie alleine sein wollte. Na gut, dann sollte sie eben fahren.

    „OK. Aber ich fahre hinter dir und wenn was ist, dann bin ich sofort da", schlug er nun vor.

    Sie schien es sich wirklich gut zu überlegen. „Als ob sie eine Wahl hätte, dachte er bei sich. Wenn er sich was in den Kopf setzte, zog er es auch durch. Da gab es kein Wenn und Aber. „Na gut, willigte sie schließlich ein, und endlich konnte sie einsteigen. Er schlug die Tür zu und ging schnell zu seinem Wagen. Als sie sah, dass er bereit war, legte sie den ersten Gang ein und fuhr los.

    Immer wenn sie in den Rückspiegel schaute, konnte sie ihn sehen. Er fuhr unentwegt im exakt gleichen Abstand. Er nahm seine sich selbst auferlegte Aufgabe anscheinend wirklich ernst. Die Stirn runzelnd schaltete sie ihr Radio ein und drehte den Rocksender laut auf. Sie wollte sich endlich etwas entspannen und einen freien Kopf bekommen.

    „Das war heute ja wirklich alles hart gewesen", dachte sie bei sich. Der Typ hatte übel was einstecken können. Aber was noch verwunderlicher war, war, dass er plötzlich verschwunden war. Und wieso war es überhaupt zwischen den beiden zu einem Kampf gekommen? Wirklich komisch. Aber was soll‘s, sie würde es eh nie herausfinden, weil sie dachte, keinen der beiden jemals wiederzusehen.

    Zumindest hoffte sie das.

    Dass sie dann fast noch zusammengebrochen war und er sie hatte halten müssen, fand sie am schlimmsten.

    Diese Schwäche!

    Noch schlimmer als der Moment, als sie am Boden lag und dachte es wäre vorbei. Aber genau die paar Sekunden, die der Typ über ihr damit zugebracht hatte, zu erzählen, wie toll es wäre, sie nun endlich töten

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