Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Draggheda - Resignation
Draggheda - Resignation
Draggheda - Resignation
eBook459 Seiten6 Stunden

Draggheda - Resignation

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Als Odile sich Stunden später in ihrem Verlies wiederfand und sie einander anstarrten, war ihre Stimme so durchdrungen von Hass, das Dogan glücklich lächelte »Du hast mich benutzt ...«

»Ja,« flüsterte er »heute hab ich dich verraten, verkauft, benutzt, gefickt und heute hatte ich meinen Spaß!«

Der Berg bebte unter ihrem Gebrüll und er genoss jede Sekunde ihrer Qual! Er konnte sich nicht abwenden. Der Ausdruck des Verrats, ihre Wut und der fast unsichtbare Funken Angst in ihren Augen waren seine Bezahlung für so viele Jahre voller Schmerz!

Als sie anfing zu betteln, fühlte Dogan eine seltsame Art von Scham. Ihr Betteln war unwürdig, es stand ihr nicht an und fast wollte er an ihren Stolz appellieren. Doch dann gewann sein wirkliches Wesen die Oberhand.

»Nein Odile,« sagte er und trat näher an diese glühenden Augen heran »du bleibst genau da, wo du bist. Nirgendwo bist du so sicher verwahrt wie bei mir! Niemand wird sich jemals so um dich kümmern können, wie ich es tue!« Er lachte leise, ihre roten Augen blitzten ihn an »... bist du stolz auf mich?« fragte er und dann wandte er sich endgültig ab und begrub Odile mitsamt seinen Ängsten in dem tiefsten Kerker, den er in seiner schwarzen Seele erschaffen konnte ...
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum13. März 2022
ISBN9783754959275
Draggheda - Resignation

Ähnlich wie Draggheda - Resignation

Ähnliche E-Books

Darstellende Künste für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Draggheda - Resignation

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Draggheda - Resignation - Karin Pfeiffer

    Swiwa

    1 Wie das Ende begann

    Immer wenn die Raben Swiwa einen neuen Körper brachten und ihn dann sich selbst überließen, versank er in der Erinnerung. Das war alles, was ihm geblieben war.

    Die Erinnerung an sein Versagen.

    Die Erinnerung an sein Ende.

    Die Erinnerung an Odile.

    All das lag nun so lange zurück und doch erinnerte er sich an ihren Geruch, ihre Blicke und die Gefühle die sie in ihm auslöste. An die Momente, in denen er sich eingeredet hatte, das Richtige zu tun ...

    Swiwas Erinnerung

    ... Odile hatte ihn heftig gebissen und vor Schmerz hatte er aufgeschrien. Dann sah Swiwa in ihr lachendes Gesicht und sank glücklich über ihr zusammen. Sie fühlte sich wunderbar an. Vielleicht lag es daran, dass das was sie taten so unverzeihlich war. Doch er konnte nicht genug von ihr bekommen. Er musste sie haben. Immer und immer wieder.

    Vor ihrer ersten gemeinsamen Nacht noch war er bei klarem Verstand. Ihm war bewusst, dass Ihre Vereinigung Konsequenzen nach sich ziehen musste. Doch er hatte keine Ahnung, welchen Preis ihr Verhältnis wirklich forderte. Nur langsam verstand er, aber da war es bereits zu spät. Viel zu spät. Denn zu viele seiner Brüder und ihrer Schwestern waren bereits tot. Sie starben. Jedes einzelne Mal wenn Swiwa und Odile sich vereinigten, starb einer von ihnen. Anfangs noch versuchte er sich Einhalt zu gebieten. »Nur noch einmal! Ein allerletztes Mal noch!«, hatte er oft gedacht. Und am nächsten Tag war er wieder in ihr. Denn er kam nicht dagegen an. Nicht gegen sie und nicht gegen die Gier die ihn packte wenn er Odile in seiner Nähe wusste. Er brauchte sie nur zu riechen und schon schaltete sich sein Verstand ab. »Und was soll´s«, dachte er, »es gab mehr als genug von ihnen«. Selbst als seine Entscheidung nicht mehr nur ein Leben kostete, sondern als sie reihenweise umsanken, wenn er in ihr kam, wenn sie auf ihm kam; selbst dann noch konnte er nicht von ihr ablassen.

    Und Odile lachte und rief nach ihm. Sie forderte ihn, mehr und mehr. So pflasterten die Leichen toter Hexen und Zauberer bald ihren Weg. Und nicht lange darauf fand er es nicht nur richtig, nein, es gefiel ihm immer besser. Sie hatten sich gegenseitig verdient und es scherte ihn einen Dreck, was aus den anderen wurde. Sie hatte ihn überzeugt, dass es so sein musste. »Warum?«, fragte sie ihn. »Warum wohl gibt es Zwei wie uns?« Er erinnerte sich daran, dass sie nackt gewesen war als sie ihn das fragte. »Wir beide sind einzigartig! Warum wohl?« Fest zog sie ihn an sich.

    »Wir beide sind die Auserwählten! Wir sind die die herrschen müssen! Nur wir! Keiner von ihnen ist es wert sich das zu versagen! KEINER!«

    Nach diesem Tag hinterfrage er nichts mehr. Er reagierte nur noch, und er genoss es. Mehr als alles andere in seinem bisherigen Leben!

    Odile war weich und sie war hart. Sie war sanft und sie war aggressiv. Sie war alles gleichzeitig und immer genau das, was er sich wünschte. Mal war sie blond und zierlich. Mal war sie schwarz und dominant. Mal war sie seine Schwester, dann war sie die Hure um die Ecke. Er wusste nie, in welcher Erscheinung sie sich ihm nähern würde. Erst wenn sie ihn berührte, erst wenn er sie roch, dann wusste er: SIE WAR ES! SIE WAR ODILE! SIE WAR SEINE BELOHNUNG!

    Sein eigener Wille brach völlig zusammen. Der letzte wirkliche Zauberer war nur noch auf die schwarze Hexe ausgerichtet. Willig folgte er ihren Anweisungen. Er fügte sich ihren Bedürfnissen, tat was sie verlangte. Zusammen überzogen sie Draggheda mit Schmerz und Leid. Sie nahmen den Kampf auf gegen den weißen Zauber, der für Odile schlimmer war als Pest und Krankheit. Als sie sich entschloss, den Draggheda die Möglichkeit zu nehmen, Töchter zu gebären, da war er es, der ihr half, den Zauber zu erschaffen. Und er war es, der den Bann über Draggheda legte. Er war es, der jedes Mädchen mit Mal tötete, dessen sie habhaft wurden. Und auch das war etwas, was er genoss. Er genoss ihren Blick, wenn er mit den Leichen der Mädchen auf sie zutrat. Er genoss ihre Berührung und ihre Dankbarkeit wenn sie sich zurücklegte und die Beine für ihn öffnete. Sie gesattte ihm alles, wonach sein Herz begehrte. Sie lieferte sich ihm aus, ließ sich übernehmen und gab sich ihm völlig hin. Und niemals, kein einziges Mal stellte er in Frage was er für sie tat. Er schwelgte in ihrer beider dunkler Macht und zum ersten Mal in seinem Leben verlor er das große Ganze aus dem Blick.

    Es scherte ihn nicht mehr, ob die Draggheda und das Land über das er seinen Bann gelegt hatte, lebten oder starben. Es scherte ihn nicht mehr, dass sein Handeln seine Brüder und ihre Schwestern vernichtet hatte. Es scherte ihn nicht mehr, dass das Licht in seinem Verstand langsam erlosch. Er lebte nur noch für den Moment, in dem er seine Hand auf ihren Körper legte. Der Moment, in dem er die Schlinge die er um ihren Hals legen durfte, fester und fester zuzog. Er lebte nur noch für den Blick aus ihren Augen, für die Dankbarkeit in ihrem Gesicht, wenn er ihr wieder Luft zum Atmen gab. Keinen einzigen Augenblick lang verstand er, dass es in Wirklichkeit nicht sie war, die eine Schlinge um den Hals trug, sondern er.

    Er verstand es nicht und es wäre ihm auch egal gewesen. Er war ihr Geschöpf geworden. Das war alles was zählte. Anfangs noch ließ sie ihn Distanz halten, kam in Abständen über ihn. Sie näherte sich ihm überraschend und es trieb ihn fast in den Wahnsinn, nie zu wissen, wann sie kam. Dann wurden die Abstände kürzer und für ihn sah es so aus, als ob sie ihn genauso wollte wie er sie. So, als ob sie ihn brauchte. Odile war voller Gier. Sie war leidenschaftlich, biss sich in ihm fest und verlangte nach ihm. Und er war bereit, ihr alles zu geben. Wenn sie mit ihm redete, hörte er zu und danach war er immer bereit, ihr zuzustimmen. Immer war sie dabei nackt. Immer war sie dabei unter ihm und immer war es so, als ob sie ihm aus der Seele spräche. Schließlich erschien sie ihm jeden Tag und wenn sie ihn verließ, war er am Boden zerstört. So lange bis sie blieb und nicht mehr ging. Es war, als ob seine Träume sich erfüllten. Sie verlangte mehr und mehr. Sie ließ ihn Spielzeuge benutzen und er tat Dinge mit ihr, von denen er vorher keine Ahnung gehabt hatte. Sie zwang ihn dazu, sie zu fesseln, wollte, dass er sie schlug. Anfangs schrak er zurück, doch ein Blick in ihr ekstatisches Gesicht machte ihm klar, was sie erwartete. Und so ließ er sich auch darauf ein. Bald schlug die dunkle Woge vollständig über ihm zusammen.

    Sie liebten sich auf den Leichen der Kinder, die er für sie tötete.

    Sie liebten sich in den Häusern der Menschen, die sie für ihn tötete. Und schließlich war sein Lächeln ebenso böse wie ihres. Und in jedem Menschen, auf jedem Platz, in jedem Tier sah er nur noch Gelegenheiten, um seine Triebe mit ihr auszuleben. Er ging jede ihrer Spielarten mit. Sex mit Tieren, Vergewaltigung von Kindern, alles worauf ihrer beider Blick fiel, diente nur noch ihrer gegenseitigen Gier. Alles war vorstellbar! Alles war erlaubt. Swiwa fühlte sich frei! Er fühlte sich stark! Und sie lachte und lachte. Das Töten wurde bald ein Bestandteil ihrer Triebe. Immer öfter schleppte sie Männer und Frauen an, die ihr Liebesspiel nicht überlebten und nach kurzer Zeit wurde auch Swiwas Gier nach Blut immer stärker. Skrupel hatte er schon lange keine mehr. Alles um was es ihm ging, war Odile!

    Odile vor ihm, unter ihm. Odile mit leidenschaftlich verzerrtem Gesicht während er tötete. Und dann die Schlinge um ihren Hals! Der Moment, in dem sie ihm das erste Mal die Macht gegeben hatte, sie zu töten. Als sich ihr Gesicht verfärbte während ihr die Luft ausging, da war er gekommen, wie er noch nie zuvor gekommen war.

    Ja, nach all dem war Swiwa bereit, tausende von Jahren so mit ihr zu verbringen. Er war bereit, Millionen von Menschen für sie zu töten. Konsequenzen spielten schon lange keine Rolle mehr.

    So hatten sie viele Jahre gelebt, vielleicht hundert Jahre, wahrscheinlich mehr. Und Zeit und Raum verschwammen für Swiwa. Und plötzlich war sie verschwunden!

    Sie war fort, als ob er all das nur geträumt hätte. Panisch suchte Swiwa nach ihr. Er suchte überall, war hysterisch und voller Angst. Und schließlich übermannte ihn der Hass. Er war überzeugt davon, dass man sie ihm genommen hatte. Etwas, JEMAND hatte sie ihm genommen! Auf die Idee, dass sie einfach gegangen war, kam er nicht. Er suchte immer weiter und als er schließlich erschöpft aufgab, ließ er seiner Wut freien Lauf. Er tötete und folterte, er brach jeden der ihm begegnete und so wurde seine Dunkelheit fast schwärzer, als es ihre jemals gewesen war. Doch nirgends fand er sie. Nie konnte ihm jemand einen Anhaltspunkt geben, was aus ihr geworden war. Sie war einfach fort. Und zum Schluss brach er zusammen. Er hatte sie verloren! Monatelang zog er durch das Land. Immer in engen Kreisen um den Punkt, an dem sie einander das letzte Mal geliebt hatten. Menschen die ihm begegneten, starben schreiend. Swiwa war am Ende. Er war allein und ohne Hoffnung. Weitere Monate siechte er vor sich hin und war nicht in der Lage den Kopf zu erheben.

    Doch eines Tages während er blicklos in die Leere gestarrt hatte, konnte er einen Schatten in der Ferne ausmachen. Einen Umriss, der ihm so vertraut erschien. Doch er traute seinen Augen nicht. Swiwa wähnte sich in einem Traum, denn da war sie! Sie kam lächelnd auf ihn zu und sie kam nicht alleine. Sie trug ein Kind bei sich und als er seinen Augen endlich traute und das Kind in ihren Armen ansah, da wusste er: Dieses Kind war kein Opfer! Kein Kind, das er töten sollte. Dieses Kind war sein Kind! Sie kam zurück! Und sie brachte ihm seinen Sohn!

    Die Monate, die darauf gefolgt waren, schienen für Swiwa so unfassbar hell, dass sie ihm selbst heute noch völlig unwirklich vorkamen. Alles war in gleißendes Licht getaucht und in diesem Licht erkannte er nur noch das Antlitz seines Kindes und der Hexe, die er liebte. Zuvor hatten sie kein Zuhause gehabt. Sie hatten dort ihr Lager aufgeschlagen, wo sie abends zur Ruhe kamen. Sie hatten ganze Familien ausgelöscht, nur um eine Nacht in deren Betten zu schlafen und am Morgen weiter zu ziehen. Doch nun verschaffte er ihnen ein Zuhause. Er brachte Odile und den Jungen auf eine prächtige Burg. Er schuf ihnen ein warmes Nest und ließ seine Familie einziehen. Und Odile trug seinen Sohn lächelnd über die Leichen des Burgherren und seiner Kinder. Danach lebten und liebten sie. Sie nahmen ihr Liebesspiel wieder auf. Sie gab sich ihm hin und er nahm sie. Nie fragte er, warum sie ihn verlassen hatte. Nie erklärte sie sich ihm. Und wenn er sie nicht liebte, dann hielt er seinen Sohn auf den Armen. Er war vernarrt in das Kind und zum ersten Mal seit Ewigkeiten fühlte er etwas, das nichts mit ihr zu tun hatte. Wenn er in die Augen seines Sohnes blickte, dann fühlte er Licht und Wärme. Und er erkannte den Unterschied zu dem, was Odile in ihm auslöste. Doch es störte ihn nicht. Die Dunkelheit mit der sie ihn erfüllte, war das, wonach er sich sehnte, wenn der Junge schlief. Und lächelnd erwartete sie ihn mit der Schlinge um ihren Hals.

    So lebten sie einige Jahreswechsel. Und während dieser Zeit schmiedeten sie Pläne. Pläne für ihr Fortbestehen und wie immer folgte Swiwa ihr. Dima, sein Sohn, fing an zu laufen und zu lachen. Er war ein fröhliches Kind und Swiwa fühlte sich glücklich, wenn er ihm zusah. Dass Odile sich immer mehr veränderte, fiel Swiwa zwar auf, aber er schob es auf die Langeweile die sie ergriffen hatte. Sie hatte das Leben auf der Burg satt. Sie wollte wieder nach draußen. Sie wollte tanzen, durch das Land ziehen, sie wollte morden. Swiwa zog nach wie vor noch aus und brachte ihr Spielzeuge mit. Doch anstatt an den Männern und Frauen Befriedigung zu finden, schienen sie ihre Sehnsucht zu bestärken. Diese Opfer kamen von dort, wohin es sie zog. Sie hatten, was Swiwa ihr versagte! Er brachte ihr dieses Pack nur um ihr zu zeigen, was er ihr nicht zugestand. Sie konnte sie an ihnen riechen: die Freiheit! Das freie Land durch das sie gezogen waren. Arrogant und selbstgerecht war dieses Pack gewesen! So lange, bis sie Swiwa in die Finger gerieten! Odile kam in ihrer verdrehten Wahrnehmung gar nicht auf den Gedanken, dass die Toten zu ihren Füßen einfache Bauern gewesen waren. Einfache Menschen, die nichts getan hatten, um das Schicksal zu verdienen, dass sie getötet hatte.

    Und dann kam die Nacht, in der sich die Dinge zwischen Swiwa und Odile änderten. Denn in dieser Nacht, sie hatte schon zwei junge Männer getötet, in dieser Nacht holte sie sich Dima ins Bett. Entsetzt riss Swiwa ihr den Jungen aus den Armen. Sie fügte sich mit einem bösen Lächeln, doch nun nagte der Zweifel an ihm. Würde sie es wirklich tun? Wäre sie in der Lage sich an seinem Sohn schadlos zu halten, um ihre Langeweile zu befriedigen?

    Ab da ließ er den Jungen kaum noch aus den Augen. Anfangs blieb sie friedfertig, aber das hielt nicht lange vor. Immer öfter fiel Swiwa auf, wie sie das Kind lauernd betrachtete. Immer öfter lockte Odile Dima von ihm fort. Und immer öfter lächelte das Kind, wenn sie ihn rief. Bald veränderte sich der Blick des Jungen, wenn er seinen Vater ansah. Anfangs hatte das Kind ihn angehimmelt. Nun wich die Liebe in seinem Blick schnell einem Ausdruck, der ihn an den lauernden Blick seiner Mutter erinnerte.

    Und so wuchs etwas zwischen diesen beiden schwarzen Kräften, das ihr Gleichgewicht ins Schwanken brachte. Die Stimmung wurde angespannter, die Liebe die empfunden hatte, kühlte sich ab. Und vielleicht zum ersten Mal sah er sie, wie sie wirklich war: kalt und berechnend, nur auf ihren Vorteil bedacht. Es schauderte ihn, als ihm klar wurde, dass sein Sohn sich ihr zuwandte. Doch Swiwa hielt an ihrer Seite aus. Einen weiteren Winter hielt er durch und bewachte seinen Sohn eifersüchtig. Doch je stärker er versuchte, ihn vor ihr zu schützen, desto stärker wurde das Band zwischen Mutter und Sohn. Und so kam Swiwa eines Tages dazu, als der Junge an ihrer Seite vor dem Feuer saß. Er hörte die beiden flüstern und beobachtete sie unbemerkt. Das war der Moment, in dem er sich eingestand, dass sie gewonnen hatte. Sie hatte aus dem Jungen ihr Geschöpf gemacht. Als Dimas Blick ihn traf, erkannte Swiwa, dass seine Tage gezählt waren. Ohnmächtig überlegte er, wie er Dima retten sollte. Und wieder einmal erkannte er nicht das wirkliche Problem. Denn nicht das Kind musste gerettet werden. Nein, er, Swiwa, war der, der Hilfe brauchte.

    Es war einige Tage später, als Odile Streit suchte. Sie suchte ihn mit einem abschätzigen Lächeln unter einem fadenscheinigen Grund, und sie suchte die Auseinandersetzung vor dem Jungen. Swiwa versuchte, ihr auszuweichen. Mittlerweile hatte er Angst vor ihrer Macht über den Jungen und vor dem Kind selbst. Denn der Kleine war tagelang nicht von ihrer Seite gewichen. Sein Blick war verhangen und seine Gestalt fing an, die untrüglichen Zeichen eines Brechers auszubilden. Odile wusste um diese Angst und sie nutzte sie schamlos aus. Ihr Lächeln verursachte einen tiefen Schmerz in Swiwas Seele. Dann erhob sie sich und fing an, sich vor dem Jungen auszuziehen. Das Lächeln veränderte sich nicht, als sie ihre Finger bewegte. Wie von Fäden gezogen stand sein Sohn auf. Seine Augen waren voller Freude auf Odile gerichtet. Swiwa erkannte die Gier, die er selbst so oft gefühlt hatte, wenn sie ihn an sich zog. Voller Abscheu beobachtete er, wie sein Sohn sich seiner nackten Mutter näherte und dann voller Inbrunst das Gesicht zwischen ihren Schenkeln versenkte. Swiwa hatte keine Wahl. Sein Körper reagierte einfach. Frontal ging er auf sie los und riss das Kind von ihr fort. Doch anstatt sich zu wehren, lehnte sie sich einfach langsam zurück. Und vor sie schob sich sein Sohn.

    So war das letzte was Dogan an diesem Tag sehen sollte, wie der Sohn sich gegen den Vater wandte. Was Augenblicke zuvor noch ein Kind war, hatte sich in einen Brecher verwandelt. Ein Wesen, dessen Bestreben einzig und allein das Blutvergießen war. War ein Brecher erst einmal auf Spur, gab es keine Möglichkeit mehr, ihn vom Töten abzuhalten. Diese Hexenkinder hatte es lange nicht mehr gegeben. Sie waren ausgestorben, als man die Verbindungen zwischen Hexen und Zauberern verbot. Brecher gehörten niemandem. Sie waren mehr Maschinen als lebende Wesen. Sie verschrieben sich keinem König, keiner Aufgabe. Ihr Gott war das Blut, dass vergossen werden musste. Und Swiwa und Odile hatten genau so einen Brecher gezeugt.

    Dima würde sich nun nicht mehr von ihm abbringen lassen. All das war Swiwa einem einzigen Moment klar geworden. Doch er brachte es nicht fertig, sich gegen sein Blut zu wenden. Und so ging er langsam zu Boden, während das Kind wie tollwütig auf ihm tobte und seinem Namen alle Ehre machte. Denn er war Dima! Dima der Brecher! Und sein erster Toter würde sein Vater sein.

    Wie aus weiter Ferne hörte Swiwa die blubbernden Geräusche die das Kind von sich gab, das wie besessen an ihm riss und ihm seine Eingeweide aus dem Körper brach. Dann hörte er nichts mehr. Für lange Zeit hörte er nichts mehr.

    Luther tanzt

    Generationen waren so dahingegangen. Bald erinnerte im Brückenland nichts mehr an den alten Zauberer, als verblasste Wandteppiche und greise Männer, die die alten Legenden erzählten, auch wenn niemand ihnen noch zuhören wollte.

    So waren Könige gekommen und Könige gegangen. Und nun war es eben Luther, der regierte. Tagsüber. Und nachts? Da träumte er. Und immer suchte ihn genau dieser alte Zauberer auf. Der letzte er alten Zauberer. An den Morgen danach wusste Luther um die Macht, die ihn erwählt hatte. Und dann tauchten die Rabenbrüder auf. In der Nacht, wenn sie zu ihm durch sein Fenster geflogen kamen und sich nur ihm zu erkennen gaben, war er ein Gott! Der schwarzäugige Rabe sagte ihm genau, was er tun sollte. Der Grauäugige zeigte ihm den Weg und er beschritt ihn gerne.

    Auch als sie den fremden Krieger ankündigten, fühlte es sich richtig an. Sein Name war Lasqua und die Raben erklärten Luther, dass er eine große Rolle im unendlichen Spiel spielen würde. Freudig gab Luther ihm Obdach und behandelte seinen Gast und die Männer die er mitbrachte fürstlich. Bald danach erfüllten sich Luthers Träume. Er würde den Tag nie vergessen, an dem Lasqua ihm den alten Zauberer überließ. Aus der fabelhaften Figur die ihm im Traum erschienen war, wurde eine leibhaftige Macht, die sich seinen Wünschen beugte. Lasqua lächelte, als er die Gier erkannte, die den König ergriff. Luther war durchdrungen von seiner Macht, wenn er dem alten Zauberer befahl, ihm zu Willen zu sein! Der Arwadok hatte Recht behalten: Es reichte ein einziger fauliger Apfel um den ganzen Korb zu verderben!

    Der Andere

    2 Falk

    Es war kaum zu glauben, aber Falk hatte in der Welt der Menschen Frieden gefunden. Es war ihm nicht leichtgefallen und es hatte Kraft gekostet, doch nun war er hier und er kam zur Ruhe.

    Wann immer sich die Kräfteverhältnisse in Draggheda verschoben, beeinflusste es ihn. Da war der seltsame Kraftverlust von Farq und die Konsequenzen für seine Krieger. Auch das Erstarken des Arwadoks hatte Auswirkungen auf Falk. Es dauerte eine ganze Zeit lang, bis diese Schwingungen die von so weit entfernt auf ihn wirkten, ihn nicht jedes Mal zum Handeln reizten. Er zog sich aus den belebten Gebieten zurück und nach einigen einsamen Monaten in der Wildnis der Berge ließ der Drang ständig um sich zu schlagen, nach. Er hatte viel gesehen, war durch viele Staaten gereist und nun zog es ihn zurück ins Leben. Ihm fehlte Gesellschaft. Vorsichtig näherte er sich den bewohnten Gebieten. Je näher er den großen Städten kam, desto schlimmer wurde der Gestank, desto ärmer wurde die Luft. Also zog er weiter und als der Motor seines Motorrades in einer Kleinstadt mitten in Montana plötzlich anfing zu stottern und schließlich ausfiel, entschied er sich, ein paar Tage zu verweilen. Er suchte eine Werkstatt, gab das Motorrad ab und machte sich zu Fuß auf den Weg.

    Das Kaff war nicht allzu groß. Doch es gab einen Stadtkern und an einem so milden Abend wie heute spielte sich dort das Leben ab. Mehrere Restaurants waren um einen schönen Marktplatz angesiedelt. Vor den meisten standen Tische und Stühle und es gab kaum freie Tische.

    Falk suchte sich einen dieser Tische aus und sah sich um. Es war ihm völlig gleich, wo er saß. Er hatte nicht vor etwas zu essen, denn egal wo er war, egal wie schön der Ort auch sein mochte, das Essen war einfach überall grauenhaft. Als die Bedienung kam, bestellte er freundlich ein Bier und lehnte sich entspannt zurück. Der Ort wirkte fast schon pittoresk. Überall waren Blumenkästen mit blühenden Pflanzen bestückt. Ein Brunnen mit einem netten Wasserspiel war mitten auf dem Marktplatz aufgebaut. Einige Händler räumten noch ihre Waren ein. Es schien Markttag gewesen zu sein.

    Für einen Augenblick ließ er all das auf sich wirken. Das Gemurmel der Menschen um ihn herum war wie das Rauschen von Wellen am Strand. Er nahm es wahr, doch er hörte nicht hin.

    Jedenfalls nicht, bis sich einzelne Wörter in seinem Verstand formten. Anfangs noch setzte er sie nicht in einen Zusammenhang und ließ sie einfach kommen. Doch mit jedem Wort wurde die Stimme klarer.Es war eine Frauenstimme und sie sprach die Worte nicht, sie dachte sie.

    »... wie er wohl beim Kacken aussieht?«, eine Pause »... wenn er nur endlich still sein ...«, dann laut »HMM - AHA? Das ist interessant ...« Es folgte ein Gedankenfetzen »... was tue ich hier? HIMMEL! Warum hilft mir denn keiner?«

    Und laut ausgesprochen »Wirklich? So einfach haben Sie ...« Falk grinste. Es war eine hohe Stimme, die sie unterbrach. Er grinste, weil der Mann sprach, während sie dachte »... das kann der doch nicht ernst meinen. Wie kann er glauben, dass ihm das jemand abnimmt ...«

    »... und dann habe ich auf den Tisch gehauen!«, fistelte die männliche Stimme »So nicht - hab ich gesagt ...«, während die Frau dachte »... ob ich mildernde Umstände bekomme wenn ich ihm jetzt einfach die Gabel in den Hals ...«

    Dann, in ihren Mordgedanken unterbrochen »Ja, wie ...? Nein, nein, habe ich noch nie ...«

    Mit einem Lächeln nahm Falk wahr, dass sie anfing, sich zu ärgern »... warum antworte ich eigentlich? Es interessiert ihn nicht im Geringsten!«, eine kurze Pause, sie kicherte still »... er sieht aus wie ein ... verdammt! An was für ein Tier erinnert er mich bloß?«

    Es machte Spaß, ihr zuzuhören »Wie bitte?«

    Der Mann hatte sie etwas gefragt und sie hatte es nicht mitbekommen »Hmmm?«, fragte sie erneut und wieder näselte der Typ etwas. Falk hörte nicht mal hin, er wartete einfach nur auf ihren nächsten Gedanken und schloss die Augen »... ich muss völlig untervögelt sein, wenn ich meinen Samstag Abend hier mit so einem Idioten verbringe ...« Falk verschluckte sich, als sie den Gedanken weiterspann »467 Tage ohne Sex! Was macht das aus einem Menschen? Herrgott! Dafür MUSS es mildernde Umstände geben!« Jetzt lachte er laut auf und als sich die Leute an seinem Nachbartisch verwundert nach ihm umsahen, riss er sich zusammen. Er trank sein Glas aus und dann drehte er sich um, um die Frau zu betrachten, deren Gedanken ihm so viel Spaß machten.

    Falk ließ seinen Blick durch den Raum wandern. Das Restaurant war voll besetzt, doch das Pärchen war leicht auszumachen und seine Augen blieben zuerst an dem Mann hängen. Das Tier, an das er sie erinnerte, war ein Maulwurf und für das arme Tier war das eine Beleidigung.

    Falk wusste, dass er das Gesicht zu der näselnden Stimme war, ohne dass er einen weiteren Ton hören musste. Er musterte den teuren Anzug, die blinkende goldene Uhr, die Brille mit dem Goldrand und den Gläsern, die wie Lupen wirkten. Er hatte ein spitzes Gesicht und kniff die Augen zusammen. Falk dachte an ihren ersten Gedankenfetzen und stellte ihn sich ebenfalls beim Kacken vor. Wieder drehten sich einige Köpfe nach ihm um, als er auflachte. Sein Blick hielt an dem Mann fest. Er genoss den Moment, bevor er sich zu ihr drehte. Einige Sekunden lang betrachtete er die Frau die dort saß ohne Regung. Sie war irgendetwas ab vierzig aufwärts. Sie war ungeschminkt, ihre Haare waren nicht gefärbt. Ihre Kleidung war geschmackvoll, aber nicht auffällig. Sie trug keinen Nagellack, keinen Schmuck und im Vergleich zu den Frauen, die ihm sonst auffielen, war sie zu dürr. Doch hier und jetzt gefiel ihm was er sah! Sie wirkte echt und das zog ihn an. Ohne sich dessen bewusst zu sein, stand er auf und betrat das Restaurant. Von dem Moment an, als er eintrat, sah er sie an und nahm den Blick nicht mehr von ihr. Er tat einen Schritt auf sie zu und blieb dann einfach stehen. Er sah sie an und freute sich, als sie unter seinem Blick anfing zu schwitzen.

    Sie sah bezaubernd aus, als sie mit roten Backen den Blick abwandte und verzweifelt versuchte, sich auf die Worte des Maulwurfes zu konzentrieren. Es brachte sie aus der Fassung, als Falk einen weiteren Schritt auf sie zu trat. »Steht einfach da und stiert mich an?«, flüsterte ihr Verstand. »Nein, der starrt wahrscheinlich jemanden hinter mir an ...«, bei diesem Gedanken drehte sie sich um und Falks Grinsen wurde breiter, denn da war niemand. Unsicher vergewisserte sie sich, dass er sie immer noch im Auge behielt, dann wich sie erneut aus und Falk machte den nächsten Schritt auf sie zu. Sie knetete ihre Finger, ihre Gedanken rasten.

    »Was?«, der Maulwurf hatte sie etwas gefragt und wieder hatte sie keine Ahnung, was er von ihr wollte. Mit Gewalt versuchte sie sich auf den ihn zu konzentrieren und Falk zog die Schlinge weiter zu. Sein Lächeln verschwand, und als er den Kopf von links nach rechts drehte, knackten seine Wirbel laut und hörbar. Sie schluckte, schloss für einen Moment die Augen und es gefiel ihm sehr, dass sie noch röter wurde.

    Als er den nächsten Schritt tat, konnte er sie riechen. Er mochte, wie sie versuchte, sich unter Kontrolle zu bekommen und wie jämmerlich sie versagte. In all der Zeit, in der er hier in dieser Welt war, war ihm kaum etwas Echtes untergekommen. Die Frauen waren genau wie Neel sie beschrieben hatte. Und genau, wie er voraussagte, verloren sie schnell ihren Reiz. Doch diese da schaffte es nicht, ihre Unsicherheit und ihren inneren Frust zu beherrschen. Damit gefiel sie ihm mehr, als alle, die er bisher hatte. Und von diesem Moment an wollte Falk sie. Es war ihm egal, dass sie nicht in sein Beuteschema passte. Alles was er wollte, war sein Gesicht in diesem Geruch zu vergraben.

    Frances registrierte, dass den Mann eine Regung durchfuhr, und sie bekam Gänsehaut. Sie hatte keine Ahnung, was genau gerade passierte. Alles um sie herum fühlte sich plötzlich wattig an. Alles bis auf den großen Mann, der sie anstarrte.

    »Was?«, fuhr sie herum. Oh ja, diesmal war sie eindeutig wütend. Das Frettchen auf der anderen Seite des Tisches gab einfach keine Ruhe und sie hätte ihn am liebsten geohrfeigt dafür, dass er sie aus diesem Tagtraum holte.

    »Was? Bitte Sam!«, unterbrach sie ihn »Ich ... ich muss ... ich muss mich frisch machen!«

    Als sie vom Tisch floh folgte er ihr langsam.

    ....

    In die Damentoilette rein, in eine der Kabinen und die Tür hinter sich zu! Das war alles, was sie wollte. Sie war aufgelöst. Was verdammt nochmal ging hier vor?

    »Beruhige dich!«, schalt sie sich. »Blöde Gans!«

    Sie atmete einmal tief ein und wieder aus - nochmal ein und wieder aus und dann öffnete sie die Tür und erschrak, als Falk sie wortlos in die Kabine drängte und die Tür hinter sich schloss. Sie taumelte zurück und öffnete den Mund, doch er gab ihr keine Chance etwas zu sagen. »Nein!«, entgegnete er stattdessen leise, »Fang jetzt bloß nicht an zu lügen! Ich kann dich riechen, also sei still!«

    Sie hielt völlig überfahren mitten im Luftholen inne, doch als er an ihr herabglitt und sie sein Gesicht tief an ihrem Körper fühlte. Als die großen Hände des Fremden langsam unter ihren Rock fuhren, da keuchte sie - doch sie wehrte sich nicht. Und nachdem seine Finger sie erreichten, gab sie auf! Sie wollte, was er tat! Sich jetzt zu verweigern wäre Heuchelei gewesen! Und Frances Callone war vieles, sie war alleine, sie war verzweifelt, sie hatte das Gefühl ihr Leben verschwendet zu haben, doch sie war keine Heuchlerin! Falk folgte ihren Gedanken und er griff nach ihr, zog sie fester an sein Gesicht und erfreute sich an den Geräuschen, die sie über ihm machte.

    Sie brauchte nicht lange bis sie kam, und Falk genoss den Moment mindestens ebenso wie sie. Frances sackte kurz über ihm zusammen und es dauerte einen Augenblick, bis sie die Hände aus seinen Haaren löste.

    Als er aufstand und sie anlächelte, wich ihr Blick ihm aus. Sie war gerade von einem Wildfremden in einer Restauranttoilette befriedigt worden und jetzt war der Moment der Scham gekommen. Und auch der gefiel Falk, denn auch dieser Moment war echt. Die ganze Frau gefiel ihm und zum Abschied küsste er sie freundlich. Dann verließ er die Kabine und Frances sank entsetzt auf die Toilette.

    Es dauerte ewig, bis sie sich wieder bewegte. Sie hatte keine Ahnung, wie sie nun wieder in das Restaurant gehen sollte. Jeder würde sehen was sie gerade ...

    Nein, sie konnte es nicht mal denken. Sie riss sich zusammen, kam vorsichtig aus der Kabine und immer noch völlig überfahren wusch sie sich ihr Gesicht. Frances schüttelte den Kopf, war entsetzt von sich und wagte es kaum, in den Spiegel zu sehen. Doch als sie es endlich tat dauerte es nur einen winzigen Moment und dann lächelte sie sich an: Ja, vielleicht war es nicht besonders ... hmmm, anständig ... aber es hatte sich gut angefühlt.

    Eine lange Zeit betrachtete sie sich im Spiegel. Dann beschloss sie, nicht zurück an den Tisch zu gehen. Sie würde sich jetzt nicht zu diesem verdammten Langweiler setzen und sich dieses Gefühl der Befriedigung kaputt machen lassen! Also lächelte sie sich ein letztes Mal im Spiegel an und verließ das Restaurant durch den Hintereingang.

    In der Nacht

    Als Falk ihr Haus betrat, war alles um ihn herum dunkel und still. Er war ihr gefolgt. Er hatte ihr Gesicht gesehen, als sie das Lokal verlassen hatte, und ihm gefiel der Gedanke, das sie den Maulwurf ohne ein weiteres Wort sitzenließ. Außerdem hatte er nichts anders zu tun. Das Haus das sie betrat, war nicht groß und er wartete, bis das letzte Licht erlosch. Langsam setzte er seinen Fuß auf das Grundstück und sah sich um. Das Haus hatte einen großen Garten, ziemlich verwildert. Er warf einen Blick in die Garage und fand dort einen kleinen Alfa. Kein großer SUV, keine teure Männerkarre.

    Er wartete noch eine Zeitlang und als sich nichts rührte, trat er ein. Es war nicht nötig, die Tür aufzubrechen. Wesen wie er machten sich nichts aus Wänden oder Türen. Er glitt in ihr Haus und sah sich in aller Ruhe Raum für Raum an.

    Zuerst betrat er ein großes Wohnzimmer, vollgestopft mit Büchern. Nur ein kleiner Fernseher stand verstaubt in der Ecke. Eine große Couch dominierte den Raum und überall lagen Stapel von Büchern. Ohne erkennbare Ordnung waren überall Unterlagen verteilt. Er nahm ein paar Papiere auf und überflog sie. Doch er ließ sie achtlos fallen, als er einige Bilder auf einem der Regale bemerkte. Langsam trat er näher und betrachtete sie. Er sah die Frau und einen Mann lachend in einem Restaurant sitzen. Dann posierten sie zusammen vor einem seltsamen Turm. Auf einem anderen Bild standen sie vor einer riesigen Kirche. Falk nahm die Bilder nacheinander herab und musterte sie genauer. Der Mann schien um einiges älter als sie zu sein.

    Voller Neugier betrat er die Küche und ein fast kindlicher Ausdruck überzog sein Gesicht, als er den Kühlschrank öffnete. Denn er roch Fleisch! Gutes Fleisch! Nicht das, was ihn wie sonst zum Würgen reizte! Nein, dieses Fleisch roch gut! Es gefiel ihm hier immer besser.

    Auf seinem Rundgang durch das untere Geschoss durchstöberte er noch zwei weitere Räume. In einem waren noch mehr Bücher und ein Computer. Auch hier herrschte ein seltsames Chaos durch die scheinbar wahllos verteilten Bücherstapel.

    Doch dann öffnete er die Tür zum letzten Raum und diesmal übertrat er die Schwelle nicht. Denn in diesem Raum herrschte keine Unordnung. Dieser Raum war fast leer. In der Mitte stand ein Ständer mit einem kleinen Heft darauf. Seltsame Zeichen waren darin verzeichnet. Auf dem Ständer lag eine Flöte. Dieses Zimmer war zum Garten hin ausgerichtet und wurde durch eine große Terrassentür abgetrennt. Falk nahm den Frieden wahr, der hier herrschte. Einen letzten Moment nahm er die Stimmung noch in sich auf, dann zog es ihn nach oben.

    Im oberen Geschoss fand er das Bad. Schnell checkte er, ob hier Männerutensilien zu finden waren, doch er wusste bereits, dass sie alleine war. Außer dem Bad gab es ein weiteres kleines Zimmer in dem ihr Kleiderschrank stand. Auch hier herrschte ein heilloses Durcheinander. Falk wunderte sich über sich selbst als er erkannte wie viel Spaß ihm das alles machte. Dann stand er vor der letzten Tür. Ohne einen Laut zu machen, öffnete er sie und wieder hielt er inne und ließ die Atmosphäre auf sich wirken. Dieses Zimmer war wunderschön und ebenfalls zum Garten hin geöffnet. Die Tür, die auf einen großzügigen Balkon führte, war offen und die leichten Vorhänge bewegten sich sanft im Wind. Hier waren nirgendwo Bücher verteilt. Hier gab es nur eine Menge Pflanzen und ein Bett mit der Frau, deren Geschmack er immer noch auf den Lippen trug.

    Erneut staunte er über sich selbst, doch er gab zu, dass ihm die Stimmung gefiel, in die ihn all das brachte. Er fühlte

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1