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Eiskalte Gier
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eBook243 Seiten3 Stunden

Eiskalte Gier

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Über dieses E-Book

Selma entledigt sich auf grausame Art ihres unliebsamen Ehemannes und lässt es gekonnt nach einem natürlichen Tod aussehen. Ihre Rache und Lust zu morden überträgt sie auch auf andere Männer. Sie kann es nicht lassen und sucht sich neue Opfer.
Wird es ihr immer wieder gelingen, den Mühlen der Justiz zu entrinnen?
SpracheDeutsch
Herausgebernet-Verlag
Erscheinungsdatum15. Dez. 2018
ISBN9783957202529
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    Buchvorschau

    Eiskalte Gier - Brigitte Winter

    frei!

    Zwei Jahre später

    Die Sonne schielte zaghaft auf Selmas glattes, sorgfältig geschminktes Gesicht. Sie bohrte ihren neugierigen Blick auf den alten Mann mit den kleinen, blauen Augen, der sich auf der Bundesstraße befand und im Begriff stand, in das nahegelegene, winzige Wirtshaus in dem ansonsten jetzt zur Mittagszeit menschenleer erscheinenden Ort, hineinzugehen. Dabei sagte sie laut und herrisch zu dem Taxifahrer: »Bleiben Sie stehen, ich werde nach dem Weg fragen!«

    »Wie Sie wollen!«, gab er beflissen zur Antwort und bremste das Auto ab.

    Selma drückte auf den Knopf, sodass sich das Taxifenster leise surrend öffnete. Bestimmend rief sie in Richtung des Alten: »Ich suche einen Mann, der hier wohnt, er heißt Alfred Flink. Wissen Sie, wo ich ihn finde?«, fragte sie mit zuckersüßer, harmlos erscheinender Miene.

    Der von vielen gerauchten Zigaretten durchlöcherte Pullover und die verschlissene Kleidung ließen darauf schließen, dass der leicht gebückt gehende Einheimische von der Arbeit kam. Er hielt inne und starrte sie voller unverschämter Neugier, die er auch gar nicht versteckte, an, konnte seinen Blick nicht mehr abwenden von der schwarzhaarigen, sehr teuer und aufwendig angezogenen Unbekannten. Sofort rotierten seine Gedanken. Was wollte diese elegante Frau in dieser kleinen Stadt und von dem alten Bewohner? Sie passte so gar nicht zu dem betagten Mann, den sie suchte. Er wusste, dass dieser allein lebte. Seine Frau, die immer ein sehr strenges Regiment geführt hatte, war vor einem Jahr verstorben.

    Dann fiel ihm ein, dass Alfred Flink bekannt war, dass er dem weiblichen Geschlecht sehr zugetan war und jedem Rockzipfel nachlief. Wer war die Unbekannte? Vielleicht eine Bekannte?

    Daher kam es ihm in diesem Moment nicht mehr seltsam vor, sodass er bereitwillig Auskunft gab: »Alfred Flink wohnt am Stadtrand von Dürnstein in der Hausnummer 303.« Dabei konnte er nicht umhin, die Frau fast ununterbrochen anzustarren. Ihr ganzes Gehabe war sehr gepflegt. Ihre Fingernägel waren zartrosa lackiert, auch ihre Haare trug sie sorgfältig frisiert und toupiert. Sie machte den Eindruck einer sehr selbstsicheren Frau, die es gewohnt war, dass man ihre Wünsche erfüllte. Ihre vornehme, distinguierte Ausstrahlung machte Eindruck auf ihn.

    Da zauberte sich ein gewinnendes Lächeln auf ihr Gesicht. Dem Landarbeiter stand, ohne dass es ihm bewusst war, der Mund vor lauter Wissbegier offen. Angestrengt dachte er nach, wer die Frau sein konnte. So sehr er sich auch abmühte, er kam zu dem Schluss, die Fremde noch nie hier gesehen zu haben; er konnte auch keine Verbindungen herstellen, obwohl er sonst über alles in der Gegend informiert war.

    Da drückte die Frau auf den Fensterknopf und sagte dabei kurz und leicht gelangweilt lächelnd: »Vielen Dank!«

    Sie beachtete aber den ärmlich aussehenden Alten schon nicht mehr, denn er hatte seine Funktion erfüllt. Mehr brauchte sie nicht. Es genügte ihr, die Zieladresse zu kennen.

    Dieser jedoch gaffte ihr lange hinterher und trottete dann langsam weiter in Richtung Wirtshaus.

    Auf ihren Knien lag eine große Tageszeitung mit Anzeigen, die sie zu Hause durchforstet hatte. Eine davon hatte sie mit einem dicken Stift umrandet.

    Selma hatte kaum ein geborgenes Elternhaus kennengelernt, denn ihr Vater war früh verstorben, und ihre Mutter lebte total verwirrt und geistig umnachtet in einer Heilanstalt in Wien. Sie hatte sich so mehr schlecht als recht durch eine Arbeit in einer Kleiderfabrik durchgebracht. Mit dem Gesetz war sie noch nie in Konflikt geraten. Und das war gut so. Denn so war sie unauffällig, was ihr bei ihrem jetzigen Lebensstil sehr zugutekam. Dass sie schon verheiratet gewesen war, war ihren Bekanntschaften sogar recht, denn viele vermuteten, dass sie eine vermögende Frau sei, weil sie sehr auf ihr Äußeres achtete und sich einen gewissen Luxus leistete.

    Sie hatte während ihrer Ehe die Tatsache nicht ertragen können, dass ihr Ehemann Friedrich trank, denn dann waren Gewalttätigkeiten an der Tagesordnung gewesen. Besonders weil er mitbekam, dass sie sich zusehends mit anderen Männern einließ. Dann schlug er ohne Gnade zu, wenn er heimkam.

    So langsam war dann dieser perfide Plan in ihr gereift, da ihr Interesse an ihm komplett abgeklungen war.

    Ein überhebliches Lächeln veränderte bei dem Gedanken an ihren Mann ihr hübsches Gesicht. Sie war die Siegerin geblieben. Nur zu gern dachte sie daran zurück.

    »Du brutaler Mistkerl!«, flüsterte sie leise und lächelte wieder auf ihre eigene, nicht zu deutende Art. Er hatte sie in den letzten Jahren angekotzt, und das hatte sich bis zu seinem letzten Atemzug durchgezogen. Sie konnte wirklich zufrieden mit sich sein, denn sie hatte eine perfekte Lösung gefunden.

    Was hatte ihr Mann immer zu ihr gesagt? Sie sei ein Dickschädel.

    Und er hatte recht, denn wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, war sie stur und zog es eigensinnig durch. Und sie konnte sehr beharrlich sein.

    Selma war selber stolz auf sich, wie sie das alles unauffällig durchgezogen hatte. Und nie, nie war irgendein Argwohn aufgetaucht, dass Selma ihre Finger im Spiel gehabt haben könnte. Diesmal zogen sich ihre Lippen ironisch nach oben. Sie unterdrückte ein schadenfrohes Grinsen. Ihr Mann hatte sich eingebildet, sie beherrschen zu können. Das hatte er nun davon. Er war brutal gewesen, aber ihrer Raffinesse überhaupt nicht gewachsen.

    Trotzdem, sie hatte ihn ja einmal geheiratet und auch viel für ihn empfunden.

    Ihn zu beseitigen, war ganz einfach gewesen. Dieses Schwiegermutter-Gift mit seiner farb- und geruchlosen Eigenschaft war ihrem Vorhaben entgegengekommen.

    Und doch hatte ihr die Angst im Nacken gesessen, dass ihre Tat auffliegen konnte. Sie schämte sich nicht dafür, dass sie ihn sich tot gewünscht hatte, aber sie wollte nicht dafür bezahlen.

    Schwachsinn, dass ihr jemand auf die Schliche kommen könnte, redete sie sich deshalb permanent ein.

    Ihr Mann war überraschend schnell unter heftigen, unbarmherzigen Krämpfen dahingeschieden. Niemand hatte seinen natürlichen Tod angezweifelt, woraufhin sich Selma zusehends sicher fühlte.

    Und dann das viele Mitleid, das ihr entgegengebracht worden war, als sie ihren Mann durch seine »schwere Krankheit« verloren hatte! Diese aufrichtige Anteilnahme hatte richtig gutgetan.

    Sie war dadurch richtig aufgeblüht, denn ihre Aufopferungsbereitschaft war bekannt gewesen.

    Seitdem wiederholte sich alles: Sie pflegte Männer, die sie kennenlernte, wenn sie krank wurden, um von der Außenwelt bemitleidet zu werden. Und sie wurden garantiert krank! Dafür sorgte sie schon. Natürlich spielte der finanzielle Aspekt bei ihren Handlungen auch eine große Rolle.

    Nach dem feierlichen Begräbnis ihres Ehemannes hatte sie sich mit häufig wechselnden Liebhabern treffen können, da sie endlich frei war.

    Bald danach freundete sie sich mit ihrer gleichgesinnten Nachbarin Hannah an. Seitdem Hannahs Mann ebenfalls gestorben war, hatte diese auch wechselnde Beziehungen.

    Doch im Gegensatz zu Hannah Binder hatte Selma beschlossen, ihren Lebensunterhalt durch ihre neuen Bekanntschaften zu finanzieren.

    Nun saß sie in diesem gelben Taxi und fuhr zu der Adresse aus dem Zeitungsinserat in der wunderschönen Stadt Dürnstein. Ihre schwarzen, mit wenigen braunen Fäden durchzogenen Haare legten sich auf ihre Schultern. Sie war attraktiv, und das nutzte sie bei den Männern weidlich aus. Immer wenn sie nervös war, presste sie ihre schmalen Lippen fest aufeinander, sodass es so aussah, als würde sie nachdenken. Doch sie konnte sich ausgezeichnet verstellen, weshalb niemand ahnte, was sich wirklich hinter ihrer hohen Stirn abspielte. Ihre schauspielerischen Fähigkeiten waren enorm und wirklich beeindruckend. Sie hielt sich für anziehend, ja fast schon für unwiderstehlich, und sie wusste die älteren Männer, die sich nach Zärtlichkeit sehnten, zu nehmen.

    Das Haus, das das Taxi anvisierte, war kein Prachtbau, aber auch nicht unansehnlich, ein bescheidenes Häuschen unweit der Donau mit dunkelbraunen Fensterläden. Neugierig musterte sie die Umgebung. Schnell warf sie einen Blick zur Donau, dessen dunkles grünes Wasser sich träge dahinwälzte. Das Gras war zu dieser Jahreszeit, jetzt im zeitigen Frühling, so frisch und satt wie zu keiner anderen. Vereinzelt blühte bereits der Löwenzahn. Die tellerförmigen Körbchen der gelben Blüten stachen aus dem saftigen Grün hervor. Es war ihr sehr recht, dass die Ortsstraße jetzt zur Mittagszeit fast menschenleer war, so konnte sie ruhig und unauffällig, ohne Aufsehen zu erregen, das Haus betreten.

    »Das wären dann zweihundert Euro«, brachte sie die Stimme des Taxifahrers in die Wirklichkeit zurück.

    »Natürlich, hier haben Sie das Geld.« Sie streckte ihren Arm aus und überreichte ihm mit ihren gepflegten Fingern eine Banknote.

    »Soll ich Sie heute wieder abholen?«, fragte der Taxifahrer geschäftstüchtig, ein Folgegeschäft witternd. Er hatte sich seine Kundin genau angeschaut. Wer so eine lange Hinfahrt mit dem Taxi bezahlt, der kann das auch für die Rückfahrt tun.

    »Das weiß ich noch nicht genau, geben Sie mir Ihre Karte mit Ihrer Telefonnummer. Ich werde Sie anrufen, wenn ich Sie für die Rückfahrt brauche«, antwortete sie beiläufig.

    Da reichte er ihr seine Visitenkarte nach hinten.

    Selma packte ihre Tasche und wollte aussteigen. Sie hatte gewisse Regeln, die sie immer wieder anwendete. Dabei war ihr grenzenloser Egoismus die Triebfeder ihres Handelns. Sie öffnete die Autotür, zog ihre elegante Tasche nahe an sich heran und bugsierte ihren fülligen Körper aus dem Taxi.

    »Auf Wiedersehen«, verabschiedete sie der Taxifahrer freundlich und beobachtete sie beim Aussteigen.

    »Auf Wiedersehen«, antwortete sie mit aufgesetztem Lächeln, ihn keines Blickes würdigend, denn mittlerweile heftete sie ihre Augen voller unverschämter Neugier auf das nette kleine Haus. Sie wollte es sich unter den Nagel reißen, aber sie kannte die Gegebenheiten noch nicht, und daher hatte sie auch noch kein passendes Konzept, als sie abwägend auf das gelbe Haus mit den braunen Fensterläden starrte. In Gedanken rauschten viele offene Fragen durch ihren Kopf. Vielleicht war ihr das Glück hold, und der zweiundsechzigjährige Mann, der die Anzeige aufgegeben hatte, so stand es jedenfalls im Inserat, lebte allein. Das Hausdach schien neu gedeckt zu sein und bestand aus roten Ziegeln.

    Schnell sah sie sich nach allen Seiten um. Sie brauchte keine Spekulanten und Tratschen, die sich die Mäuler bei ihrer Ankunft zerrissen. Denn nur so konnte sie unauffällig ans Werk gehen. Selmas Blick wirkte freundlich und bescheiden. Sie wusste, dass ihre äußere anziehende Erscheinung ihre Wirkung auf Männer nie verfehlte. Man sah ihr das Alter wirklich nicht an. Sie war neunundvierzig Jahre alt, aber geschätzt wurde sie des Öfteren durch ihr jugendlich gepflegtes Auftreten viel jünger.

    Bei der Musterung des Anwesens hätte sie beinahe laut durch die Zähne gepfiffen. Im letzten Moment ließ sie davon ab. Im Nu verbesserte sich ihre Laune. Wenn jetzt noch alles andere passte, dann war sie richtig an diesem Plätzchen. Alles musste stimmen, jedes Detail. Dementsprechend wurde der jeweilige Mann ausgewählt, der in ihr Vorhaben passte.

    Langsam ging sie mit ihrer Tasche in der Hand auf das Haus zu. Sie fühlte, wie sie eine Gänsehaut befiel, denn sie hatte ja die Wärme des Taxis mit der frühlingshaften Kälte getauscht, denn so richtig durchsetzen konnte sich die Sonne noch nicht.

    Vor dem Haus blieb sie stehen und blickte geradeaus ins Leere; über ihr der stahlblaue Himmel. Dann griff sie kurz in ihre halblangen Haare und ordnete sie akribisch. Fest presste sie dann ihren gepflegten Daumen auf die Haustürklingel.

    Selma wusste ihre Vorzüge bei den Männern auszuspielen. Sie hatte ihre dunklen Augen auf die dunkelbraune Tür gerichtet und wartete frierend und ungeduldig, Neugier und Entschlossenheit im Blick, dass sich die Tür öffnen würde.

    Es dauerte nicht lange und hatte den Anschein, als ob der Bewohner schon auf sie gewartet hätte, denn die Tür wurde schwungvoll geöffnet. Vor ihr stand ein wohlbeleibter, einfach gekleideter kleiner Mann mit bübischen schmalen Augen und einem von Altersflecken übersätem Gesicht. An ihm vorbei konnte sie einen kurzen Blick ins Haus werfen.

    »Guten Tag, Herr Flink«, sagte sie, freundlich bemüht. Sie vermied es, ihn allzu eingehend zu betrachten, dazu hatte sie später sicher noch genug Zeit.

    »Frau Selma Steiner?«

    »Ja, das bin ich.«

    »Schön, dass Sie sich auf mein Inserat gemeldet haben«, sagte der Mann lächelnd und gab ihr fest die Hand.

    »Ein nettes Häuschen haben Sie da«, lobte sie und sah sich forschend um.

    Das aufmerksame Interesse der Besucherin stolz wahrnehmend, deutete ihr Alfred Flink mit der rechten Hand einzutreten.

    Selma, die nervös auf ihren hohen Absätzen wippte, ließ sich nicht lange bitten und trat zügig ein.

    »Wie alt ist Ihr Haus? Sie haben es sicher selbst gebaut!«, hakte Selma geschickt nach, um den Gesprächsfluss weiter in Gang zu halten. Ihr ging es lediglich um möglichst viele Informationen.

    Alfred Flink jedoch nahm es als Interesse an seiner Person wahr und sprudelte nur so hervor: »Ja, wir haben es selbst gebaut, meine verstorbene Frau und ich. Vor vierzig Jahren kauften wir als Erstes dieses Grundstück, und danach bauten wir es in jahrelanger schwerer Arbeit auf, da ich ja Alleinverdiener war. Aber als Beamter verdiente man ja nicht schlecht.«

    »Alle Achtung! Wirklich eine Leistung!«, antwortete sie anerkennend.

    Anfangs hatte Selma Anlaufschwierigkeiten gehabt, um sich so professionell mit Männern zu treffen. Doch jetzt durchstöberte sie die Zeitungsanzeigen mit Lust, Interesse und großer Vorfreude auf das Geld, das sie dadurch wieder reichlich zur Verfügung haben würde.

    »Wir mussten damals ganz schön haushalten, um uns dieses Haus leisten zu können. Ja, das war damals so! Heute würde es ganz anders aussehen«, verriet er seinen finanziellen Wohlstand, sich vor ihr brüstend. »Aber, wie ich sehe, sind Sie ja auch sehr elegant gekleidet, also geht es Ihnen sicher auch sehr gut«, meinte er anerkennend.

    »Ja, mein Mann hat mich gut versorgt. Wie Sie aus meinem Brief ja wissen, bin ich ja schon zwei Jahre Witwe«, seufzte sie theatralisch und sprach nicht weiter, wartete, dass er das Wort wieder ergriff.

    »Aber kommen Sie doch erst mal weiter herein!«, wies er noch mal mit der Hand den Weg ins Wohnzimmer.

    Sie lächelte gewinnend und ging im schmalen Flur voraus. Dabei huschten ihre Augen interessiert suchend durch den Gang. Jetzt konnte Selma ihre altbekannte Show abziehen. Vertrauen aufbauen, dann Netz auslegen und langsam, ganz langsam zusammenziehen.

    Als man nichts mehr außer dem Schlürfen seiner alten Hauspantoffeln und dem Widerhall ihrer Stöckelschuhe hörte, die sie mit ausgreifenden Schritten auf dem hellen, harten Fliesenboden verursachte, dachte sie hinterhältig: Ich komme ja schon, du gutgläubiger Narr, wenn du mich schon so nett hereinbittest. Glaub mir, du wirst noch froh sein, du hättest es nicht getan!

    Dabei zauberte sie wieder ihr schönstes Lächeln auf ihr schönes, zart geschminktes Gesicht, das wie eine Farce wirkte.

    Sie hatte einen eisernen Willen, und sie wusste aus Erfahrung: Je bescheidener die Männer lebten, desto mehr Geld war bei ihnen zu holen. Und hier schien sie wieder einen Goldgriff gelandet zu haben.

    Von Fall zu Fall arbeitete sie sich mit zäher Verbissenheit an ihr Ziel heran, erwarb mit besonderer Liebenswürdigkeit das Vertrauen ihrer Opfer und spielte ihnen später Liebe vor.

    Sie hatte sich Männern gegenüber nicht immer so verhalten, erst durch ihren verstorbenen Ehemann war sie zu der geworden, die sie jetzt war.

    »Setzen Sie sich doch! Möchten Sie einen Kaffee?«, fragte er gastfreundlich und fuhr sich durchs leicht schüttere Haar.

    »Das wäre nett!«, gab sie höflich zur Antwort und blickte sich, als er in die Küche ging, interessiert um.

    Das Haus war zwar nicht nach dem neuesten Stand, doch sehr nett und gemütlich eingerichtet. Da zog ein Grinsen über ihr Gesicht. Als sie sich nun auf die weiche Wohnlandschaft setzte, wurde es draußen bereits dunkel. Ein heftiger Regenschauer senkte sich vorübergehend über die Landschaft, und die Tropfen, die am Wohnzimmerfenster haften blieben, zeichneten beim Herunterlaufen ihre Spuren darauf. Sie versuchte, ihre Nase von dem abgestandenen Geruch, der im Raum vorherrschte, abzuschotten und ihn zu ignorieren.

    Da kam ihr Gastgeber auch schon samt einem Tablett zurück aus der Küche. Als er ihr den anscheinend bereits vorbereiteten Kaffee einschenkte, was sie aufgrund der kurzen Zeit, nach der er wieder zurück war, vermutete, betrachtete sie ihn eingehend. Ihr fiel seine einfache Kleidung auf. Er trug eine graue Hose und einen hellbraunen Pullover. Auf den ersten Blick schien er ihr sehr fidel und geistig rege, sein Körper war leicht korpulent.

    Alfred Flink grinste sie an wie ein Weihnachtsgeschenk, das ihm besonders gut gefiel. Das blieb ihr natürlich nicht verborgen.

    »Sie suchen also auch einen Mann, so wie ich mich auf die Suche nach einer Frau gemacht habe«, stellte er aufgrund der logischen Tatsache völlig unnötig fest und steckte eine Hand in die Hosentasche.

    Sie nickte kurz.

    »Es ist doch sehr einsam, seit meine Frau verstorben ist«, gestand er.

    »Mir geht es genauso«, log sie unverblümt, zeigte sich dabei total unterwürfig und lächelte wieder ihr sanftes, schüchternes Lächeln.

    Da lachte er auch leise auf und legte in einem Anflug von Vertraulichkeit seine warme, feuchte Hand auf ihre rechte.

    Der hat es aber eilig, dachte Selma,

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