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Ausgerechnet Lara: Roman
Ausgerechnet Lara: Roman
Ausgerechnet Lara: Roman
eBook355 Seiten4 Stunden

Ausgerechnet Lara: Roman

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Über dieses E-Book

Auf demütigende Art von ihrem Freund Oliver verlassen, quält sich Lara mit Schuldgefühlen. Um die Gedanken an ihn zu verdrängen, stürzt sie sich ins verlockende Nachtleben von Wien. Sie will etwas erleben, der harten Realität der Trennung nicht mehr ins Auge blicken. Dort lernt sie einen faszinierenden, humorvollen Mann kennen. Als sie sich in der Diskothek davonstehlen, ahnt sie nicht, dass die Ereignisse dieser erregenden Nacht ihr Leben für immer verändern werden. Wird sie die gravierenden Hindernisse, welche sich ihrer Liebe entgegenstellen, überwinden können?
SpracheDeutsch
Herausgebernet-Verlag
Erscheinungsdatum11. Apr. 2017
ISBN9783957202079
Ausgerechnet Lara: Roman

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    Buchvorschau

    Ausgerechnet Lara - Brigitte Winter

    Ausgerechnet Lara

    Brigitte Winter

    Roman

    Alle Rechte, insbesondere auf digitale Vervielfältigung, vorbehalten.

    Keine Übernahme des Buchblocks in digitale Verzeichnisse, keine analoge Kopie ohne Zustimmung des Verlages.

    Das Buchcover darf zur Darstellung des Buches unter Hinweis auf den Verlag jederzeit frei verwendet werden.

    Eine anderweitige Vervielfältigung des Coverbildes ist nur mit Zustimmung des Grafikers möglich.

    Alle in diesem Roman vorkommenden Personen, Schauplätze, Ereignisse und Handlungen sind frei erfunden.

    Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Ereignissen sind rein zufällig.

    www.net-verlag.de

    Erste Auflage 2017

    © net-Verlag, 39517 Tangerhütte

    © Coverbild: Detlef Klewer

    Covergestaltung, Lektorat und Layout: net-Verlag

    E-Book

    -Herstellung: Zeilenwert GmbH 2017

    ISBN 978-3-95720-205-5

    Ich fühle mich eingehüllt von dir

    wie durch ein weißes Blütenmeer,

    als strecktest du liebevoll

    deine weichen, zärtlichen Hände zu mir her.

    Ich sehe, welche Liebe in mir steckt,

    und doch wird diese stille Sehnsucht

    nie von dir erweckt.

    So bleibt lediglich meine Erinnerung wach

    von deinem Duft, den ich rieche,

    nur noch schwach.

    Brigitte Winter

    Inhalt

    Cover

    Titel

    Impressum

    Zitat

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel 5

    Kapitel 6

    Kapitel 7

    Kapitel 8

    Kapitel 9

    Kapitel 10

    Kapitel 11

    Kapitel 12

    Kapitel 13

    Kapitel 14

    Kapitel 15

    Kapitel 16

    Kapitel 17

    Kapitel 18

    Kapitel 19

    Kapitel 20

    Die Autorin

    Buchempfehlungen

    Kapitel 1

    Oliver hatte Schluss gemacht. Dabei hatte alles so schön begonnen. Lara Keuzinger dachte: dass er sich so feige davongestohlen hatte. Das machte sie wahnsinnig wütend, so übelgelaunt, dass sie, wenn er in ihre Nähe kommen würde, sie ihn am liebsten beschimpfen würde wie ein kleiner Rohrspatz, auf jeden Fall würde sie am liebsten so richtig Gift und Galle spucken.

    Da läutete ihr Telefon. Wer störte? Natürlich, es war ihre Freundin Nina. Aber es freute sie in diesem Moment nicht abzuheben. Sie war frustriert. Dabei hatte sie gehofft, Oliver würde anrufen. Aber wieso sollte er? Wäre ja auch ein Wunder! Auch egal. Männer sind halt so … ein wenig anders … Er könnte ihr ja auch eine SMS schreiben mit den Worten: »Hallo, du!«

    Wie klang das? Es klang so … so richtig zärtlich. Oder las sich jedenfalls so. Sie bildete sich ja immer etwas ein, was dann so gar nicht der Wirklichkeit entsprach oder sich nie so entwickelte. Es wäre göttlich, wenn er doch noch, ganz klein geworden, weil sie ihm vielleicht fehlte, angeschlichen käme, ein wenig bettelnd, ein klein wenig unterwürfig, ja fast beschwörend, dass sie ihn wiederaufnehmen würde, er wieder bei ihr einziehen könnte.

    Ach, was wäre das für ein Hochgenuss und eine Freude! Doch das würde sie nicht erleben, denn er war ein Ego. Was konnte sie dafür, dass sie sich in einen egoistischen Idioten verliebte, den sie sich schöngedacht hatte. Von dem sie sich gedacht hatte, er wäre nicht nur äußerlich schön, sondern hätte auch innerliche Werte, einfach ein warmes, liebes Wesen.

    Damals, als er von dieser Zicke verlassen wurde, also besser gesagt, als er nicht so richtig bei ihr landen konnte, hatte er sie gebraucht. Natürlich zum Reden. Und sie Naivling hatte gedacht, er würde sie benötigen. Er hatte sie lediglich benutzt wie einen Waschlappen, den man, wenn man ihn nicht mehr braucht, achtlos in die Schmutzwäsche wirft.

    Und jetzt? Sie würde sich wünschen, Oliver würde nach ihr verlangen, auch wenn er sie nur ausnutzte. Aber er würde sie wenigstens brauchen. Doch nichts!

    Ihre aufgestaute Wut entlud sich in einem tiefen, verzagten Seufzer. Wenn er sich melden würde, sie würde ihm ihre Meinung geigen, so sehr, dass er nie, nie mehr wieder mit ihr reden würde. Auch wenn es nichts nutzen würde. Das nahm sie sich jedenfalls vor. Ob sie es in die Tat umsetzte, war wieder etwas anderes. Denn sicherlich verließ sie dabei sowieso ihr Schneid.

    Sie wusste genau, er rannte der anderen nach. Überall, wo die andere war, erschien er auf einmal auch. Rein zufällig natürlich! Versteht sich von selbst. Aber ihr war klar, dass er sie nicht einmal fürs Bett benötigte, und das ärgerte sie maßlos und frustrierte sie noch mehr.

    Dann seine letzten Worte, die er per SMS sandte:

    »Es ist aus. Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben.«

    Gehört viel Charakter dazu, per SMS Schluss zu machen. Hochachtung! Als sie ihm antwortete, weshalb er denn so plötzlich Schluss machen würde, kamen seine letzten Worte, die ihr völlig den Rest gaben:

    »Lass mich in Ruhe, alle Nachrichten von dir sind nichts wert! Lass mich endlich mit deiner Blödheit in Ruhe!«

    Das hatte gesessen. Und wie. Sie war verletzt. Sehr sogar! Sie war zutiefst verletzt. Zuerst schnaubte sie, nein richtigerweise fauchte sie heftig ein und aus wie ein wildgewordenes, nicht mehr zu bändigendes Rhinozeros und wusste in diesem Moment nicht, wie sie ihre ungeheure Wut verdampfen lassen könnte. Sie war sich nicht ganz sicher, ob er ihr die letzten Worte nicht mit einer zynischen, großen Freude geschrieben hatte. Aber das dachte sie sich nur, weil sie ihn nur zu gut kannte, weil sie ihn so einschätzte.

    Die Luft entlud sich stoßweise aus ihrer hübschen, aber ihrer Meinung nach einfach zu breiten Nase.

    Schnell schluckte sie das aufkeimende Schluchzen hinunter, das sich in ihrem Hals bedenklich stark aufstaute. Dann, langsam, ganz langsam kam sie wieder zur Ruhe.

    Am liebsten hätte sie ihm ja noch ein paar saftige und deftige Worte zurückgeschrieben. Aber diese hätte sie sicher nachher wieder bereut.

    Er hatte zwar nie viel von Gefühlen zu ihr gesprochen, wenn sie es recht bedachte, eigentlich nie, aber durch die gemeinsame Zeit und die schönen Nächte hatte sich eine besondere Nähe entwickelt. Sicher hatte nur sie etwas gefühlt.

    Ihre Freundin Nina hatte sie vor ihm gewarnt. Sie sagte, er sei ein rücksichtsloses, egoistisches Mannsbild. Das hatte sie aber nicht wahrhaben wollen. Daran glaubte sie trotz allem noch immer nicht. Wenn sie ihn jetzt jedoch sah, ignorierte er sie meistens. Er tat, als ob sie überhaupt nicht existieren würde. Sah durch sie hindurch, als ob sie Luft wäre.

    Lara litt fürchterlich. Es tat so weh. Manchmal hatte sie den Eindruck, dass er ihr Leiden sichtlich genoss. Sie war sich nicht ganz sicher, ob er nicht doch eine kleine sadistische Ader besaß, die er vor ihr gut versteckt gehabt hatte. Wie oft hatte sie sich seitdem vorgenommen, ihn aus ihrem Leben zu streichen. Ihre Gedanken an ihn einfach ignorieren. Das Eigenartige an ihrer Beziehung war gewesen, dass er manchmal nett und lieb mit ihr geredet hatte und plötzlich, ohne irgendeine Vorwarnung, so ganz aus heiterem Himmel, war irgendeine beleidigende Äußerung von ihm gekommen, die sie nur mühsam verkraften konnte.

    Sie hatte es ihm immer wieder verziehen, nicht, weil er sich bei ihr vielleicht entschuldigt hätte. Nein! Das wäre ihm ja nicht einmal im Traum eingefallen. Er hatte ja immer recht. Wäre sie von Oliver nicht mehr erniedrigt worden, was hätte sie dann getan? Sie selber hatte Entschuldigungen für sein gemeines Benehmen gesucht. Hatte gedacht, er stehe in seinem Berufsleben sehr unter Druck, daher seine schlechte Laune, oder sie hatte die Schuld bei sich selbst gesucht. Sie hatte ihn so sehr geliebt, dass sie ihm alles verzeihen konnte. Oder war sie ihm hörig gewesen? Sicher war es eine emotionale Abhängigkeit gewesen. Sie dummes Huhn war seinen Attacken sogar noch mit besonderem Verständnis begegnet, hatte gedacht, sie könnte sich dadurch mehr in sein Herz schwindeln, wenn sie sie über sich ergehen ließ.

    Jetzt, wenn sie so darüber nachdachte, konnte sie sich selber nicht verstehen, dass sie alles so hingenommen hatte. Manchmal dachte sie jetzt verdrossen und mit Sarkasmus, dass er sogar im Schlaf grantig schaut. Aber das tat er ja gar nicht immer. Er konnte auch zuckersüß lächeln. So war sie ihm ja auch auf den Leim gegangen. Und wie er mit ihr anfangs freundlich geredet hatte. Das hatte er gleich erkannt, wie er sich bei ihr verkaufen musste. So ein Schleimer, ein hinterhältiger.

    Natürlich war sie voll auf ihn hereingefallen. Und jetzt war es aus. Er hatte ihr einfach einen Tritt in den Hintern verpasst, sie einfach, weil es ihm grade so passte, hinausgeworfen aus seinem Leben.

    Einen Vorteil hatte dieser Schritt von ihm, sie musste seine Allüren nicht mehr ertragen. Das spielte zwar jetzt keine große Rolle mehr, weil es sowieso aus war, aber nun verbot sie es sich selber, an ihn zu denken. Nur war ihr noch nicht klar, wie sie es in die Wirklichkeit umsetzen sollte oder besser konnte.

    Desillusioniert schob sie sich ein kleines Stück Brot in den Mund hinein und kaute hingebungsvoll. Am liebsten würde sie ihn entsorgen. Aber wohin? Am besten als Biomüll. Könnte knapp werden, ihn so zu entsorgen, denn er erschien ihr auch als Sondermüll noch als unanbringlich. Sicher blieb man auf ihm sitzen. Dabei lachte sie gequält und schloss kurz die Augen. Sie hätte alles für ihn getan und alles gegeben. Doch er schob sie sofort mit fadenscheinigen Argumenten wie: »Lass uns Zeit! Wir haben ja alle Zeit der Welt« ab.

    Dabei stieß es ihr jetzt noch sauer auf. Zum Teufel mit ihm! Sie war ja so dumm und einfältig gewesen.

    Lara ging ins winzige Bad und wollte sich die Zähne putzen mit dem Gedanken: Es wird mich wieder so ekeln, und ich werde mich sicher wieder fast übergeben müssen, sobald ich die Zahnpasta in meinem Mund spüre. Es ging ihr immer so beim Zähneputzen. Nur mit Mühe überstand sie diesmal die Zahnputzprozedur. Ihre Augen tränten fürchterlich, sie musste dringend ausspucken, und das Nass rann über ihre trockenen, gebräunten Wangen.

    Es war jedes Mal dasselbe Spiel. Aber Zähneputzen musste schließlich sein. Wie schaute sie denn mit gelben, ungepflegten, ekelhaften Zähnen aus! Grrr. Widerlich!

    Sie sah dabei kurz in den Spiegel. O. k. … Nicht gerade erbaulich und schon gar nicht beruhigend, was sie da sah. Resultat: Also nicht in den Spiegel sehen, entschloss sie notgedrungen.

    Na gut! Konnte nur besser werden. Sicher konnte sie später noch mal vorsichtig den Blick in den Spiegel riskieren, wenn sie wieder anständig, nicht so zerknittert, zerknautscht und mitgenommen aussah.

    Es war sicher nur die Spitze des Eisberges, wenn sie an ihre Erlebnisse mit Oliver zurückdachte. Also Angst, dass ihm Lara überlegen war, konnte er nicht gehabt haben. Das konnte ihn nicht gestört haben. Männer fürchten ja zu starke Frauen. Aber Lara war nicht stark gewesen, hatte meistens nachgegeben, um ihn nicht zu verlieren. Eigentlich hätte sie sich bereits früher von ihm trennen sollen, denn sie hatte ja immer ein wenig im Hinterkopf das Gefühl gehabt, es stimme etwas nicht. Aber sie hatte es sehr, sehr lange Zeit einfach nicht wahrhaben wollen, dass er ihr langsam entglitt.

    Wie konnte man nur so blöd sein wie sie? Oliver war jedenfalls so arrogant und selbstgefällig gewesen, dass ihm gar nicht aufgefallen war, dass auch Lara gar nicht so glücklich mit ihm war. Da denkt man sich, ein intelligenter Mann müsste das doch sicher spüren. Aber vielleicht wollte er es nicht erkennen, weil sie ihm egal war.

    Je mehr Verständnis Lara für Oliver aufgebracht hatte, desto heftiger wurden zum Schluss seine Entgleisungen. Eins war ihr klar: Sie wollte es nicht mehr sehen, wenn er sie überlegend, mitunter berechnend und zugleich sehr spöttisch anstierte. Boshaft und voller Falschheit hatte er oft auf ihre traurigen, ungeschickten und unsicheren Reaktionen gewartet, sie lauernd angeschaut, dann verspottet, um sich nachher daran zu belustigen, wenn sie wieder fürchterlich litt. Aber sie hatte nie vor ihm geweint, wenn er ihr wehgetan hatte. Diesen Triumph hatte sie ihm nicht gönnen wollen. Aber wenn sie wieder alleine war, waren die Tränen geflossen. Und wie!

    So verrückt es klingen mag, sie hatte trotzdem immer wieder Entschuldigungen für sein Verhalten gesucht.

    Jetzt griff sie sich nur noch an den Kopf, dass sie so blöd gewesen war.

    Manches Mal hatte Lara Blindschleichen als Kind in ihrem Heimatdorf im Gras aufgehoben und in Sicherheit gebracht, weil sie hie und da in der Mitte durchtrennte Tiere gefunden hatte. Ja, so fühlte sie sich jetzt, schwach und angeknackst wie eine wehrlose, sich dahin windende Blindschleiche. Schwächer und einsamer als je zuvor und unfähig, daran etwas zu ändern.

    Irgendwann musste endgültig Schluss damit sein! Aber was sollte sie jetzt tun?

    Sie wimmerte leise. Sie wusste, dass der Schmerz in ihrer Brust sie immer noch anfallartig überfiel.

    Klar, dass sie sich nicht fröhlich fühlen konnte. Das zu behaupten wäre Blasphemie. Sie war sicher eine Versagerin in Sachen Beziehungen. Langsam hatte sie diesen Eindruck von sich selber. Also stolz brauchte sie nicht darauf zu sein, sich diesen Burschen geangelt zu haben, der es nicht einmal der Mühe wert fand, persönlich mit ihr Schluss zu machen. Wie einfach es einem die neuen Medien doch machen und wie ernüchternd solche SMS sein können.

    Lara dachte, dass sie jeden Kerl haben könnte, wenn sie nur wollte, also, um nicht zu sehr zu übertreiben, sagen wir fast jeden zehnten. Dachte sie jedenfalls. Die Wirklichkeit sah anders aus. Darauf bildete sie sich aber wieder gar nichts ein, weil es ihr nichts bedeutete. Ja, wenn ihr einer seine Liebe gestehen würde, das würde für sie einen Wert haben. Aber so fühlte sie sich, wie schon gesagt, als Niete, die nichts zustandebringt.

    Aber sie sollte ihre unpassenden Gedanken zur Seite schieben. Denn Traumwelt und Einfältigkeit war in ihrem Fall nicht zielführend. Es führte zu nichts. Zu gar nichts. Außer zu diesem belämmerten Liebeskummer, der sie jetzt so furchtbar quälte.

    Bei ihren Arbeitskolleginnen war sie wegen ihres netten Wesens beliebt, aber beneiden tat sie sicher keine ihrer Kolleginnen und wenigen Freundinnen, da war sie sich sicher. Vielleicht auch, weil sie nichts Besonderes zu bieten hatte. So sah sie selber es jedenfalls. Na ja, sie konnte arbeiten, richtig hart ackern, wenn sie wollte. Aber wen interessierte das schon? Das konnten schließlich viele. Da war sie keine Ausnahme. Deshalb wurde sie von den Männern regelmäßig übersehen oder einfach abgestempelt als fade Tussi.

    Das war es …, es konnte nur das sein. Ihre Mutter, Eva Hauer, hatte auch nie etwas Besonderes in ihr gesehen. Meistens stülpte sie ihr nur bei Besuchen den unangenehmen, beengenden Mantel von Schuldgefühlen und schlechtem Gewissen über. Sie könnte ja viel öfter kommen. Nicht nur alle heiligen Zeiten. Aber sie wollte nicht öfter kommen. Also nahm sie die ständigen, immer wiederkehrenden Vorwürfe als gegeben hin. Vielleicht war sie ja ein unerwünschter »Bastard«? Manchmal kam sie sich jedenfalls so vor. Wie ein lästiges Insekt, das man zertritt oder verjagt.

    Als Kind hatte sie ihre Mutter gefragt, wieso sie einen anderen Familiennamen hatte. Da hatte sie ihr erklärt, dass sie vor der Ehe mit ihrem Vater auf die Welt gekommen war und deshalb ihren ledigen Namen erhalten hatte.

    Viele Jahre später hatte sie noch mal gefragt, wieso ihr Vater sie nicht adoptieren würde, wieso sie anders hieß. Da hatte ihre Mutter gesagt: »Das kostet zu viel!« Damit war das Thema erledigt.

    Aber es gab in Wirklichkeit andere Gründe, und Lara vermutete, dass es mit der Ablehnung ihres Vaters Martin Hauer zu tun hatte. Aber vielleicht war er ja gar nicht ihr leiblicher Vater. Ein leiblicher Vater hätte sie adoptiert, damit sie denselben Namen tragen konnte wie er. Denn sie hatte ihre vielen Verrücktheiten in ihrer Jugend nur deshalb gemacht, um seine Aufmerksamkeit zu erhalten. Was ihr wiederum nur Schläge und harte Strafen eingebracht hatte. Vielleicht hatte sie sich darum sehr rebellisch entwickelt, eben weil sie sich nicht geborgen gefühlt hatte in ihrem Elternhaus. Lediglich ihre Schwester Annika Hauer hatte sie in Schutz genommen. Ihre Mutter, Eva, hatte die vielen Bestrafungen durch ihren Vater nur stumm hingenommen. Nicht ein einziges Mal hatte sie sich für sie eingesetzt.

    Gut, sie erfasste widerwillig, dass sie keine große Schönheit war und manchmal, wenn ihre Mutter sie so nachdenklich ansah, dachte Lara, dass sie genau diese Gedanken hegte.

    Nie hatte sie jemanden gehabt, der zu ihr gesagt hätte, sie sei hübsch. Schon gar nicht Oliver. Da hätte sie eher aus einer toten Maus einen Piepser herausgedrückt. Aber vielleicht bildete sie sich vieles ja nur ein, weil sie sich ungeliebt fühlte.

    Laras Naturhaare waren dunkelbraun. Momentan hatte sie einen Farbspleen. Alle halben Jahre färbte sie sie um. Mal schwarz, mal blond. Jetzt war grade die Farbe bordeaux dran. Na ja, jeder hatte schließlich seinen Vogel. Sie musste sich dauernd verändern, es war wie ein Zwang, um aufzufallen. Das war ihr als lästiges Anhängsel aus der Jugend geblieben, unbedingt Aufsehen erregen zu wollen.

    Auf dem Weg in die Küche leerte sie ihre halbvolle Kaffeetasse, schluckte den heißen Kaffee auf einmal hinunter, dass ihr Hals unwillkürlich brannte wie Feuer, und blickte aus dem alten Fenster in den hässlichen, verwahrlosten Hinterhof, der ihr Zuhause war.

    Aber so ganz unschuldig war sie ja bei ihren Zwisten mit Oliver auch nicht gewesen, wenn sie es recht bedachte. Denn sie hatte die Angewohnheit, sich eben diese romantischen Filme anzusehen, die ihr eine solche heile Welt vorgaukelten. Wenn er bei ihr war, dann drehte sie Sender auf, wo eben solche schnulzigen Filme gerade gesendet wurden, und dann lief sie meistens aus dem Zimmer, um irgendeine Hausarbeit in der kleinen Küche zu erledigen. Sie liebte halt diese sentimentalen Filme, besonders die von Rosamunde Pilcher.

    Oliver war von ihnen weniger angetan gewesen. Dann hatte er ihr immer genervt nachgerufen: »Lara, was du tust, ist seelische Grausamkeit, mich mit diesem Film allein zu lassen! Mein Aggressionspotential steigert sich ins Unendliche, wenn ich mir so einen Film anschauen muss.«

    »Tu ich doch nicht!«

    »Tust du doch!«, hielt er ihr ganz nett lächelnd entgegen und drückte zugleich mit genervtem Blick auf einen anderen Sender.

    Und wenn sie zurückkam, schaltete sie stur wieder auf diesen Film, was dann natürlich zu ausgedehnten und heftigen Streitgesprächen zwischen ihnen führte.

    So war es mit den Männern. Da sah man wieder: Nichts konnte man ihnen recht machen. Da war man bereit, alles zu geben, ihnen alles recht zu machen (und das war jetzt nicht spöttisch gemeint), und sie ließen dich trotzdem fallen wie eine heiße Kartoffel. Erkannte sie demoralisiert. Der einzige Mensch, den sie von Herzen liebte, war ihre wundervolle Schwester Annika. Aber jetzt ihr Herz bei ihr ausweinen wollte sie auch nicht. Sie musste selber damit fertig werden, und sie musste sich so akzeptieren, wie sie war. Und wenn jetzt dieser eine Mann die Flucht ergriff, na wenn schon! Dann hatte er sie auch nicht verdient, dachte sie schon ein wenig getröstet.

    Außerdem konnte sie jetzt wenigstens wieder ihre geschmacklosen und zum Teil anspruchslosen, zu Herzen gehenden Filme, bei denen sich am Anfang schon herauskristallisiert, wie das Ende ausgeht, bis zum Sankt-Nimmerleinstag anschauen. Er kam zwar nicht zurück, aber sie hatte den Vorteil der freien Programmwahl ihres Fernsehers. Was ja auch nicht zu verachten war!

    Wenn sie sich jetzt bei ihrer Freundin Nina ausgeweint hätte, hätte diese sicher nur gesagt: »Die Härten sind verfrontet. Ähh … Legastheniker …, die Fronten sind verhärtet.«

    Oliver würde jetzt sicher seinen Sieg mit anderen Frauen über sie feiern. Sollte er! Er sollte aber nicht vergessen, was er dafür geopfert hat. Nämlich sie. Dachte sie mit ihrem Galgenhumor, bei dem sowieso nur sie sich erheitern konnte und den sie immer an den Tag legte, wenn etwas nicht so lief, wie sie es sich vorstellte. Aber genau das gab ihr Trost. Dann stellte sie es sich vor, wie er mit anderen Frauen unterwegs war und sie innig küsste. Wenn sie daran dachte, wie schuftig er sich ihr gegenüber verhalten hatte, machte es ihr jetzt auch gar nichts mehr aus. Im Gegenteil! Sie war froh, sich nicht mehr an so einen Mann, beziehungsweise so ein Ekel, gebunden fühlen zu müssen.

    Als sie nach draußen blickte, ihr Blick zwischen den düsteren, verwahrlosten Gemäuern, die sich aneinanderreihten, entlangwanderte und das Fenster öffnete, erkannte sie, dass sich die Sonne an diesem Morgen nicht durchsetzen würde.

    Fröstelnd zog sie die Schultern ein. Es war jetzt so zeitig am Morgen noch kühl. Was sollte sie bei diesem Wetter anziehen? Sie wusste, sie musste arbeiten. Sie arbeitete als Verkäuferin in einem Supermarkt. Sie verdiente damit sicher keine Reichtümer, aber man ernährte sich redlich. Große Sprünge konnte sie mit ihrem Gehalt nicht machen, aber sie konnte sich selber über die Runden bringen. Daher war sie auch zufrieden mit ihrem Leben. Nur das Alleinsein machte ihr im Moment ganz schön zu schaffen.

    Damals, als sie ihn kennenlernte, hatte er mit seinem Äußeren ihre Begeisterung geschürt. Damals! Jetzt, da sie sein Wesen enthüllt hatte und nun kannte, war ihre große Begeisterung verflogen. Es ist sicher schmeichelhaft für eine Frau, wenn sie fühlt, sie ist begehrt. Weniger angenehm und schmeichelhaft ist es, wenn ihr ein Mann kurz und tief in die Augen schaut und dabei im selben Atemzug sagt: »Ich muss gehen, habe morgen wichtige Dinge zu erledigen.«

    So war Oliver in letzter Zeit gewesen. Dann, genau dann, folgt nämlich die Ernüchterung.

    Lara war sich nicht sicher, ob Männern überhaupt bewusst war, wie kränkend manchmal ihr Verhalten war, das sie so ungezwungen bei Frauen an den Tag legten.

    Dabei spürte sie einen schalen Beigeschmack, als ihre Gedanken wieder zu Oliver wanderten. Aber vielleicht hatte sie ja auch Schuld gehabt, ihm automatisch Vorwürfe gemacht, weil ihre Beziehung nicht so lief, wie sie es sich erträumte. Es war dieses Gefühl der Unzufriedenheit, der Leere in ihr gewesen. Das hatte sich sicher auch in ihren Stimmungen bemerkbar gemacht.

    Lara tastete sich mit ihren Fingern durch einen dicken Stapel von Wäsche in einem Schrank, den sie bereits dringend zusammenräumen sollte wie ihr verkorkstes, trauriges Leben. Dann nahm sie mit ungestümem und sicherem Griff ein orangefarbenes

    T-Shirt

    heraus, das sie aber schnell wieder, jetzt aber gar nicht geordnet, sondern zerwühlt, wütend und voller Frust in den Kasten zurückwarf, weil es ihr dann doch nicht gefiel. Was konnte schließlich das arme

    T-Shirt

    dafür, dass sie miese Laune hatte?

    Zack, schon war die Schranktür wieder mit kräftigem Schwung zu.

    Normalerweise waren ihr die knalligen Farben lieber. Sie fand sich einfach zu dick, änderte aber nichts an ihrer Figur und wartete, bis ihr der Kragen einmal platzen würde und sie sich endlich durchringen würde abzunehmen. Wie gesagt, sie wartete … und wartete. O.k … die äußeren Werte sollte sie dringend auffrischen und in Form bringen. Jetzt! Nein, wirklich nicht! Es lief ihr ja nichts davon. Überhaupt, in diesem Moment, da sie wieder allein war, hatte sie keine Lust dazu. Es half auch nichts wegzufahren, denn große Urlaube konnte sie sich noch nie leisten und bei ihrem grandiosen Appetit hätte sie bei Fernreisen sowieso nur den Kamelen das Futter weggefressen.

    Doch nun brauchte sie einfach ihre Süßigkeiten als Seelentröster.

    Schnell griff sie mit gespreizten Fingern in ihre verschwenderische dunkelrote Haarpracht und prüfte, ob ihre Frisur den ganzen Tag noch standhalten würde. Dann entschied sie entschlossen, es musste halten, denn sie war sowieso wieder mal zu spät aufgestanden. Sie wollte heute nicht arbeiten, hatte überhaupt keine Lust dazu. Hoffen konnte man ja, dass Leiss, ihr Filialleiter, anrufen würde, um ihr die Nachricht mitzuteilen, der Supermarkt wäre in der Nacht bis auf die Grundmauern abgebrannt. Tat er aber nicht. Also hieß es Zähne zusammenbeißen und durch.

    Sie empfand sich ja selber als nicht ungewöhnlich. Leider! Eher wie eine graue, fade, unbedeutende, winzig kleine Maus, wohnhaft in einem noch winzig kleineren Mausloch, die mit bunten, ins Auge springenden Farben besonders aufgedonnert werden musste. Halb angezogen, die letzten Knöpfe ihrer Bluse hatte sie sich aus Zeitgründen zuzumachen gespart, stürmte sie, die Treppen fast im Flug nehmend, mit quellendem, lockigem dunkelroten Schopf aus dem alten, baufälligen Mietshaus, das ihr Zuhause war.

    Sie würde so gerne eine legere Eleganz ausstrahlen wie ihre Schwester, doch sie empfand, sie war einfach nicht der Typ dafür. Schließlich war sie nicht Wonder Woman, tollpatschig wie sie war, sicher nicht, nur einfach Lara Keuzinger, wohnhaft in Wien, 20. Bezirk.

    Natürlich war sie wieder viel zu spät dran. Nichts Neues in ihrem Leben.

    Männer legten sowieso die Worte: »Ich bin gleich fertig, komme sofort« immer anders aus als Frauen. Männer dachten immer, dass das ein paar Minuten wären bei Aussagen wie: »Ich komme sofort.«

    Was bei Lara aber meistens in einer Viertelstunde oder noch länger gipfelte.

    Oliver hatte immer frustriert über ihre Unpünktlichkeit genörgelt. Sie selber nahm ihre Unpünktlichkeit nur in ihrem Unterbewusstsein wahr, also am Rande. Sie fand sie nicht so schlimm und hatte sich immer erfolgreich herausgeredet und Oliver regelmäßig die Schuld gegeben. Ihre Ausrede war immer gewesen, er hätte sie mit seinen Erzählungen aufgehalten.

    Sie konnte es förmlich vorher schon spüren, wenn sie zu weit gegangen war mit ihren Worten, aber ein kleiner, ungebändigter Teufel in ihr veranlasste, dass sie die Worte trotzdem ausspuckte. Sie konnte in solchen Momenten einfach nicht den Mund halten und ablassen vom bösen Spiel. Was er natürlich nie auf sich sitzen ließ und sie ständig deswegen aneinandergerieten.

    Sein Sarkasmus und seine Ironie waren manchmal schwer für sie zu ertragen gewesen.

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