Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 6
Von Frank Hille
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Rezensionen für Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 6
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Buchvorschau
Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 6 - Frank Hille
Martin Haberkorn, 15. April 1942, Bretagne
Als der LKW auf dem Weg nach Camaret-sur-mer war, musste Haberkorn in sich hinein lächeln. Der Flottilleningenieur hatte ihn sofort durchschaut. Natürlich interessierte ihn der Ort nur wenig, er hatte ihn bei seinem ersten Besuch ja schon erkundet und nach wenigen Stunden fast alles gesehen. Die per Brief ausgesprochene vorsichtige Einladung von Marie Hublot ließ ihn gespannt, aber auch nervös auf die Begegnung warten. Er wurde freundlich, aber mit einer gewissen Zurückhaltung empfangen und konnte wieder das bekannte Quartier beziehen. Es war jetzt kurz vor der Abendessenzeit und er und der Fahrer sollten dann doch in die Küche zum Essen kommen.
„So ein Zufall, Monsieur Leutnant sagte Antoine Hublot spöttisch „sind Sie jetzt zur Transportkompanie versetzt worden? Sie beehren uns ja schon das zweite Mal innerhalb von 4 Wochen.
„Die Erklärung ist ganz einfach, Monsieur Hublot erwiderte Haberkorn freundlich „unser Boot liegt in der Werft und es wird einige Zeit dauern, bis die Schäden behoben sind. Also hat man mir den Befehl erteilt, wieder eine Lieferung von Ihnen abzuholen. Außerdem möchte ich mir die Landschaft noch mehr ansehen. Mir gefällt es hier, weil man hier am Meer die Kraft der Natur ganz deutlich spürt. Und als Seemann fühle ich mich ohnehin zum Wasser hingezogen. Außerdem habe ich bei meinem letzten Besuch Muscheln gegessen und die haben mir ganz hervorragend geschmeckt.
„Sie sprachen von Schäden sagte Marie „es ist wohl sehr gefährlich auf so einem Boot?
„Das kann man so sagen. Immerhin bewegen wir uns öfter tief unter der Oberfläche."
„Wie tief" fragte Maries Vater.
„Aber Monsieur Hublot antwortete Haberkorn lächelnd „Sie erwarten doch jetzt keine Antwort von mir. Ich werde Ihnen keine Geheimnisse verraten, das werden Sie doch wohl verstehen. Ja, es ist gefährlich, aber was ist im Krieg denn schon ungefährlich?
„Na zum Beispiel ein Posten in der Schreibstube im Hafen erwiderte Antoine Hublot „geregelter Dienst, alles läuft in Ruhe ab, abends in die Stadt gemütlich einen Wein trinken und ein ordentliches Quartier. Da dürfte Ihr Tagesablauf doch ein bisschen anders aussehen, oder?
„Das kann man so sagen. Es ist eng bei uns. Zwei Matrosen müssen sich jeweils eine Koje teilen. Frische Nahrungsmittel gibt es nur die ersten paar Tage. Je nach Klimazone ist es drückend heiß im Boot, oder kalt. Es riecht nach Diesel. Und eine geregelte Dienstzeit gibt es kaum."
„Und warum tun Sie sich das an" fragte Marie.
„Weil ich als Dieselmaschinist auf ein Boot kommandiert worden bin. Das war damals nicht meine eigene Entscheidung."
„Aber dass Sie vom einfachen Matrosen so schnell zum Offizier aufgestiegen sind ist doch eine außergewöhnliche Sache, oder" meinte Antoine Hublot.
„Das stimmt. Ich habe in einer gefährlichen Situation richtig gehandelt und so mitgeholfen, das Boot vor dem Untergang zu bewahren. Außerdem wollte ich nach dem Abitur ein technisches Fach studieren und so hat man mich auf die Seefahrtschule zur Ausbildung als LI kommandiert."
„Tja sagte Marie „viele junge Männer haben sicher andere Pläne gehabt als in den Krieg zu ziehen. Und es ist kein Ende abzusehen. Wie lange soll das bloß noch gehen?
„Bis wir im Osten einen Wall gegen die Bolschewisten geschaffen haben. Übrigens, auch Franzosen, Belgier, Norweger kämpfen in der Waffen-SS dafür. Das ist das was ich schon in unserem letzten Gespräch sagen wollte. Die westliche Kultur muss doch gegen diese Bedrohung zusammenstehen. Glauben Sie mir, ich kann mir ein geeintes Europa vorstellen, das wirtschaftlich prosperiert und stark ist. Mag sein, dass das in Ihren Ohren jetzt seltsam klingt, Sie haben mir ja schon gesagt, dass Sie die Deutschen als Besatzer empfinden. Aber in 5 Jahren wird das ganz anders aussehen, dann werden Deutsche und Franzosen als gleichberechtigte Partner zusammen leben."
„Ihre Hoffnung kann ich nicht teilen, Monsieur Leutnant erwiderte Antoine Hublot „erst einmal müsste der Krieg zu Ende sein, und danach sieht es im Moment ja nicht aus. Aber wechseln wir das Thema. Wir werden den Auftrag iübermorgen fertig haben. Was wollen Sie in der Zeit hier unternehmen? Marie könnte Ihnen vielleicht ein paar schöne Stellen an der Küste zeigen.
„Sehr gern, vielen Dank. Wann passt es Ihnen denn?"
„Morgen Nachmittag."
„Gut. Ich freue mich. Vielen Dank für das Essen und Ihnen noch einen schönen Abend."
Haberkorn und der Fahrer gingen, dann rauchten sie auf dem Hof noch eine Zigarette und gingen in ihre Quartiere.
Am nächsten Nachmittag war passables Wetter, und Haberkorn und die junge Frau liefen an einem Weg oberhalb des Meeres entlang. Nach einer Weile erreichten sie eine Stelle, wo mächtige Gesteinsbrocken vielleicht 20 Meter von der Küste entfernt standen. Die Felsen hatten durch die ständig anbrandenden Wellen skurrile Formen angenommen, aber sie gaben ein Bild der Stärke ab.
„Wer weiß, wie es hier vor 50 Millionen Jahren ausgesehen hat sagte Haberkorn nachdenklich „vielleicht war damals alles noch eine Steinwüste. Aber nach und nach hat sich das Meer Platz geschaffen und über diese wahnsinnig lange Zeit diese skurrilen Formen erzeugt. Der linke Felsen erinnert mich an einen auf den Hintertatzen stehenden Bären. Was denken Sie?
„Ich dachte Sie sind Ingenieur sagte Marie Hublot spöttisch „aber Sie reden wie ein Poet. Das hatte ich von Ihnen nicht erwartet. Die Leute hier im Ort nennen diesen Felsen allerdings die Bäuerin, weil die scheinbare Gestalt so aussieht, als würde sie Obst von einem Baum ernten wollen.
„Na ja, das ist eben eine Frage der Phantasie. Das kann jeder für sich selbst entscheiden. Darf ich Sie später zum Essen einladen?"
„Warum nicht. Ich kenne ein kleines Restaurant, wo es wirklich gute Muscheln gibt."
„Äh, Marie, wird es für Sie Probleme geben, wenn Sie sich dort mit einem Deutschen zeigen? Und noch einem in der Uniform der Kriegsmarine?"
„Die Leute dort kennen mich. Und warum sollte es Probleme geben? Es gibt schon einige Freundschaften zwischen einheimischen Frauen und deutschen Soldaten. Das muss ja nichts Schlechtes sein. Machen Sie sich da mal keine Sorgen."
Das Essen begeisterte Haberkorn erneut. Der kleine Gastraum war nur schwach besetzt und er und Marie hatten einen Tisch mit zwei Stühlen an einer Wand gefunden. Marie wurde von der Kellnerin freundlich begrüßt, Haberkorn nickte sie freundlich zu und nahm die Bestellungen entgegen.
„Sie sprechen ganz gut Französisch sagte sie anerkennend „wo haben Sie die Sprache gelernt?
„An Bord, in meinen Freiwachen."
„Gefällt Ihnen die Bretagne?"
„Ja, sehr. Ich liebe diese raue Landschaft mit ihren schroffen Felslandschaften. Auf der anderen Seite habe ich auch stille Buchten gesehen, da kann man im Sommer sicher gut baden. Und was ich nicht verschweigen will, ich bin ein großer Freund der bretonischen Küche. Erst hier habe ich erkannt, wie vielfältig das Angebot an Meerestieren sein kann. Insgesamt finde ich diesen Landstrich sehr schön."
„Aber Sie werden bald wieder an Bord gehen sagte Marie „freuen Sie sich darauf?
„Freuen ist das falsche Wort. Ich bin gern auf dem Boot, aber ich habe es Ihnen schon gesagt, lieber würde ich im Frieden auf einem Dampfer fahren. Aber es sind nun eben andere Zeiten."
Die beiden verbrachten noch einen angenehmen Abend miteinander und unterhielten sich über alle möglichen Themen, bloß nicht über den Krieg. Am Morgen darauf fuhr Martin Haberkorn mit dem LKW und den Ersatzteilen zurück zum Stützpunkt. Sie wollten sich Briefe schreiben.
Bei der Reparatur des Bootes hatte es doch noch erhebliche Probleme gegeben, so dass statt der geplanten 4 Wochen fast 6 vergingen. Vor allem der Austausch der Batterieanlage war kompliziert gewesen und offensichtlich von den französischen Werftarbeitern, mit Vorsatz oder aus Unkenntnis, auch nicht ordnungsgemäß ausgeführt worden. Falsche Polungen, locker eingesetzte Batteriezellen, die Liste der Mängel war lang und führte zu erheblichen Nacharbeiten. Am 25. Mai lief das Boot zur Abnahmefahrt aus. Der Tieftauchversuch verlief ohne Beanstandungen. Haberkorn achtete genau auf die Reaktionen des Bootes und lauschte auf verdächtige Geräusche. Bei 180 Metern fing der Druckkörper an sirrende Klänge zu erzeugen und ein Knacken drang durch das Boot. Er wusste, dass dies nur die Reaktionen der hölzernen Einbauten waren. Als das Boot langsam wieder stieg war die Erleichterung der Männer deutlich zu spüren. Allen war bekannt, dass sie in dieser Tiefe noch nichts befürchten mussten, oft waren sie bei Verfolgungen schon tiefer gewesen. Haberkorn war immer noch beeindruckt, dass der nur 2 Zentimeter dicke Druckkörper diesen enormen Belastungen in der Tiefe standhielt. In 40 Meter pendelte er das Boot durch und der Horcher überprüfte das Gruppenhorchgerät. Alles funktionierte tadellos. Dann befahl der Kommandant, eine 2 Meilen Strecke mit E-Maschinen Höchstfahrt zu laufen.
„Mal sehen, ob die neue Batterie uns ein bisschen schneller macht" sagte er.
Der Fahrtmesser zeigte 8,4 Knoten an, 7,6 waren der Normwert.
„Fast einen Knoten schneller als üblich stellte Haberkorn fest „aber es sind ja auch die Schalttafeln und die E-Maschinen gründlich überholt worden.
„Gibt es sonst noch etwas zu bemängeln?"
„Paar Kleinigkeiten. Der Funkpeiler leckt leicht, eine Abgasklappe muss justiert werden. Dürfte die Werft in einem halben Tag geschafft haben."
„Dann könnten wir übermorgen ausrüsten?"
„Wenn alles nach Plan läuft, ja."
Am 26. Mai 1942 legte das Boot am frühen Vormittag voll ausgerüstet ab und begann den Marsch in das Operationsgebiet. Wegen der immer mehr zunehmenden Luftbedrohung ließ der Kommandant sofort nach Erreichen der Tiefwasserlinie tauchen. Mit halber E-Maschinenfahrt und damit knapp 4 Knoten Geschwindigkeit, also ungefähr 7,5 Kilometer pro Stunde, bewegte sich das Boot langsam unter Wasser vorwärts.
„Wie lange bleiben wir unten, Obersteuermann" fragte der Kommandant.
„5 Stunden würde ich sagen. Dann haben wir 20 Seemeilen geschafft. Das dürfte reichen, um aus der unsicheren Zone herauszukommen."
„Na gut. Schmutt, mal ne Kanne Negerschweiß aufsetzen.