Drei Musketiere -Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 5
Von Frank Hille
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Rezensionen für Drei Musketiere -Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 5
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Buchvorschau
Drei Musketiere -Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 5 - Frank Hille
Martin Haberkorn, März 1942, Provence
Nach seinem Empfinden war es schon eine Ewigkeit her, dass er die eine Woche in Camaret-sur-mer gewesen war. So wie er es vorgehabt hatte konnte er sich in den Tagen ein wenig in der Gegend umsehen. Natürlich war der Winter nicht die ideale Jahreszeit die Bretagne zu erkunden, aber ob die Sonne schien oder es bitter kalt war, an der ursprünglichen rauen Schönheit der Landschaft änderte das Wetter nichts. Da sein Auftrag nur der war, die Teile nach Fertigstellung zur Flottille zu bringen, war er eigentlich ohne Aufgaben und der Tag stand frei zu seiner Verfügung. Dem Fahrer hatte er erklärt, dass er für ihn nichts zu tun hätte und er sich frei bewegen könnte, aber wenn er auch nur von einer Winzigkeit von Disziplinarverstößen Wind bekommen sollte, würde die Sache für ihn ein übles Ende nehmen.
Keine Sorge, Herr Leutnant
hatte der Mann geantwortet ich bin Fahrzeugschlosser und da der LKW ja in ner Scheune steht kann ich mir den mal ordentlich vorknöpfen. Irgendwie kommt der nicht richtig auf Leistung. Das will ich rauskriegen.
Und wenn Ihnen Teile fehlen sollten?
Gehe ich über den Hof und rede mit den Männern im Betrieb.
"Können Sie Französisch?'
Nö, wozu? Ich werde schon klarkommen.
Liegt so n bisschen im Blut, alles in Schuss zu halten und Geld zu sparen? Ich meine bei den Schwaben.
Muss ja nicht schlecht sein, oder?
Zum Frühstück um 7 Uhr saßen der Firmenbesitzer, seine Frau, die beiden Kinder, Haberkorn und der Fahrer am Tisch. Der Sohn arbeitete im Betrieb mit, Marie, die Tochter, erledigte die Buchhaltung und das andere Geschäftliche in Absprache mit ihrem Vater. Es wurde nur wenig geredet, 8 Uhr erschienen dann die Arbeiter. Haberkorn hielt sich noch ein wenig in seiner Kammer auf, dann zog er los. Der Ort lag direkt an der Küste und er schaute lange auf die anbrandende Dünung. Diese endlose Weite des Wassers bis zum Horizont beeindruckte ihn immer wieder und er erinnerte sich an den Geographieunterricht, als er erstaunt festgestellt hatte, welche riesigen Gebiete der Erde von Wasser bedeckt waren. Zu dieser Zeit hatte er alles gelesen was mit Seefahrt zu tun hatte, und der Wagemut der Leute auf den Segelschiffen vor vielen Jahrhunderten und ihr Entdeckerdrang hatte ihn zutiefst fasziniert. Für ihn war schnell klargeworden, dass ihn die Arbeit in einem Büro schnell langweilen würde, auf dem Meer hingegen galt es Herausforderungen zu bestehen. Diese romantische Sicht hatte er bei der Kriegsmarine bald abgelegt, aber der Dienst auf dem Boot erschien ihm als die richtige Wahl. Ihm war kalt geworden und er betrat ein Kaffee. Der Espresso war kräftig, dann lief er weiter durch die Straßen und schaute in die Auslagen der Geschäfte. Die Häuser sahen heruntergekommen aus, aber die bunten Schilder über den Läden verliehen dem trüben Anblick wenigstens etwas Lockerheit. Das Leben verlief in Frankreich ohnehin in einem ganz anderen Takt als in Deutschland. Während die Dinge zu Hause in knappen Sätzen geregelt wurden sprachen die Leute hier ausgiebig und freundlich miteinander. Das brauchte zwar seine Zeit, aber das Ergebnis war nicht schlechter. Dass man hier lange Zeit bei den Essen saß war ein typisches Merkmal des Landes, in Deutschland ging es vor allem um die Nahrungsaufnahme, nicht um den Genuss. Nach einem längeren Spaziergang durch die windgeschützten Gassen des Ortes landete er in einem Restaurant.
Mit etwas Bange bestellte er Miesmuscheln. Nach einiger Zeit stand ein Teller mit den Schalentieren vor ihm, einige Scheiben Baguette gehörten zum Gericht. Er fragte die Kellnerin, wie er die Muscheln denn essen sollte. Na mit den Händen, war die Antwort. Er hörte nur etwas Spott heraus, keine Arroganz oder gar Beleidigung. Haberkorn öffnete die erste Muschel. Dann aß er. Die Muscheln waren in Weißwein und Knoblauch sowie anderem Gemüse gekocht worden und so einen Geschmack hatte er noch nie am Gaumen gehabt. Es schmeckte ganz hervorragend. Absolut zufrieden bestellte er noch einen Pastis.
Nur damit Sie es wissen, Monsieur, hier trinkt man den Aperitif vor dem Essen
sagte die Kellnerin lächelnd.
Ich lerne noch
antwortete Haberkorn freundlich aber alles war phantastisch. So gut habe ich lange nicht mehr gegessen.
Das glaube ich Ihnen. Wo dienen Sie denn?
Auf einem U-Boot.
Oh, mon Dieu! Nichts Frisches. Alles aus der Dose! Sie Ärmster.
Abends zu Tisch berichtete Haberkorn von seinem Tag.
Tja Monsieur Leutnant
sagte der Firmenchef die Deutschen und Franzosen unterscheiden sich doch schon, meinen Sie nicht auch?
Dem stimme ich zu. Aber wir haben auch viele Gemeinsamkeiten.
Und die wären?
Eine große Geschichte mit vielen Errungenschaften. Den Stolz auf das Erreichte. Die Hoffnung auf ein gemeinsames friedliches Zusammenleben.
Das setzt aber voraus, dass man sich auf Augenhöhe begegnet und nicht Bürger zweiter Klasse im eigenen Land ist.
Antoine
sagte die Frau des Mannes scharf.
"Lass mich. Der Leutnant sieht nicht so aus, als würde er gleich die Gestapo informieren wollen. Wenn wir schon über bestimmte Dinge reden, dann richtig. Nun Herr Leutnant, wie würden Sie sich fühlen, wenn Frankreich Deutschland besetzt halten würde?
Nicht gut.
Also? Wie sieht die Lösung aus?
Haberkorn überlegte. Der Fahrer saß zwar mit am Tisch, aber verstand kein Wort. Er konnte ehrlich antworten.
Vielleicht ein Völkerbund in Europa, in den die Staaten gleichberechtigt entscheiden können.
Das ist unlogisch. Warum hat Deutschland den Krieg begonnen? Um den Kontinent zu dominieren! Das ist die Wahrheit.
Haberkorn schwieg betreten. Der Mann hatte Recht. Ihm selbst war in seiner Jugendzeit stets vermittelt worden, dass das deutsche Volk zur Führung in Europa bestimmt wäre. Er hatte jetzt keine Argumente mehr und sagte hilflos:
Glauben Sie mir bitte, nichts wäre mir lieber als ein Ende des Krieges. Ich würde gern als Ingenieur auf einem guten Schiff fahren, und nicht dazu beitragen, feindliche zu versenken. Aber wenn wir den Krieg jetzt einstellen würden, würden die Russen Europa überfluten und ihr Regime bei uns errichten. Es gibt keinen Weg zurück. Haben Sie Dank für das Essen und gute Nacht.
Er und der Fahrer verließen das Haus. Haberkorn zündete sich eine Zigarette an. Der Fahrer ging in seine Kammer. Die Tochter des Firmenchefs kam zu Haberkorn.
Mein Vater ist ein sehr impulsiver Mann
sagte sie er meint es nicht so.
Doch, er meint es so, und ich verstehe ihn
antwortete Haberkorn aber vielleicht können Sie mich auch verstehen. Es geht um mein Land.
Ja, das kann ich. Gute Nacht.
Die folgenden Tage begegnete man sich höflich aber reserviert. Bereits nach vier Tagen war der Auftrag erledigt, so, als wollte man, dass die Deutschen schnell wieder abrücken konnten. Drei Stunden vor der Abfahrt des LKW kam Marie zu Haberkorn und bat um seine Feldpostnummer. Er kritzelte sie auf einen Zettel. Sie sah ihn noch einmal kurz an, dann ging sie in den Betrieb zurück.
Alle Achtung
sagte der Flottilleningenieur die haben sich ja mächtig ins Zeug gelegt. Und wieder beste Qualität. Übermorgen geht Ihr Boot ins Trockendock. Anfang März müsste alles fertig sein.
Die Werftabnahme mit Tieftauchversuch fand am 1. März statt. Alles funktionierte tadellos, dann verlegte das Boot an den Ausrüstungskai. Am folgenden Tag wurden Torpedos, Treibstoff und Proviant übernommen. Haberkorn war den ganzen Tag auf den Beinen. Als er nach dem Abendbrot geschafft in seine Kammer einrückte, hatte er drei Briefe bekommen. Seine Freunde Beyer und Weber hatten ihm geschrieben, der dritte war von Marie Hublot. Er wollte den Brief sofort öffnen aber entschied dann, ihn erst an Bord zu lesen.
Am kommenden Tag würde das Boot auslaufen.
Günther Weber, Anfang März 1942, Russland
In den vergangenen Wochen hatte es keine ernsthaften Aktionen beider Seiten gegeben. Die Deutschen waren noch weiter zurückgewichen, aber mittlerweile war eine Verteidigungslinie aufgebaut worden, die diesem Namen entsprach. Seit langer Zeit fanden die Männer auch ganz passable beheizbare Erdbunker vor. Diese waren nicht wie auf dem ständigen Rückzug als Quartiere für kurze Zeit ausgelegt, sondern diesmal mit Balken an der Decke verstärkt worden. Irgendwie war es sogar gelungen, einen Tisch und ein paar Stühle dort unterzubringen. In einer Emaile Schüssel wurde Wasser aufgetaut. Das Grabensystem war durchgängig und gut ausgebaut. Artillerie war rückwärtig in Stellung gegangen. Einige Panzer waren dicht an der Linie postiert, andere weiter hinten in Reservestellungen geparkt. Die durchschlagkräftigen Acht Acht hatte man gut gedeckt in geschützten Stellungen verteilt, Flak Vierlinge sollten Luftangriffe abwehren. Munitionslager waren ein Stück weit weg angelegt worden.
Gestern hatten die Russen wieder wie üblich gegen Abend einen Artillerieüberfall unternommen und die Männer waren in den Gräben abgetaucht. Die deutschen Feldgeschütze hatten kurz darauf geantwortet. Auf solche Geplänkel beschränkten sich die Aktivitäten, mehr war auch nicht möglich, da extremes Schneetreiben herrschte, das jegliche Bewegung, auch wegen des tiefen Schnees, unmöglich machte. Die Männer in ihren Unterkünften waren deswegen auch relativ sicher, dass es an ihrem Abschnitt so lange ruhig bleiben würde, bis sich die Wetterbedingungen änderten. Selbst die Flieger beider Seiten blieben inaktiv, sie mussten am Boden bleiben. Nach langer Zeit konnten die Männer auch wieder Zeit für die Körperpflege aufbringen. Ein Waschen der Unterwäsche oder Uniformen war wegen der Kälte dennoch unmöglich. Günther Weber war wie die anderen seit Wochen nicht aus seinen Sachen herausgekommen. In seinem Sturmgepäck hatte er noch zwei Garnituren Unterwäsche verfügbar. Kurz entschlossen ging er nach draußen, zog sich aus, und dann wälzte er sich nach dem anfänglichen Kälteschock nackt im Schnee. Er rieb sich ab und ließ die benutzten Sachen im Schnee liegen. Als er später noch einmal eine Zigarette rauchen ging fand er seine Kleidungsstücke kaum wieder, der Schneesturm hatte sie zugeweht.
Er presste Unterhose und Unterhemd zwischen seine kältestarren Finger und war peinlich berührt, dass er seine Unterhose mit dem Schnee nicht richtig sauber bekam. Im Schritt war immer