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Aus dem Logbuch meines Lebens: Die Abenteuer eines Segelschiffskapitäns
Aus dem Logbuch meines Lebens: Die Abenteuer eines Segelschiffskapitäns
Aus dem Logbuch meines Lebens: Die Abenteuer eines Segelschiffskapitäns
eBook195 Seiten2 Stunden

Aus dem Logbuch meines Lebens: Die Abenteuer eines Segelschiffskapitäns

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Über dieses E-Book

»Von Montevideo ging es weiter zum Kap Hoorn und es begann die härteste See- mannsarbeit, die es gibt: ein Segelschiff gegen den Wintersturm um dieses Kap herum zu bringen. Drei Wochen lang haben wir gegen den Weststurm gekreuzt. Tag und Nacht fegten die schweren Brecher über Deck.«
Kapitän Ernst Weitendorfs Lebensweg ist eine spannende Abenteuergeschichte aus der fernen Zeit der Segelschiffe. Mit 14 Jahren ging es für ihn 1897 von Rostock nach Hamburg. Bis ins hohe Alter führte er schließlich solch traditionsreiche Schiffe wie den gewaltigen Fünfmaster CARL VINNEN oder das DDR-Segelschulschiff WILHELM PIECK über die Ozeane. Das Buch erschien erstmals 1956 im Hinstorff Verlag Rostock. Die vorliegende Auflage ist um unveröffentlichte Passagen aus dem Originalmanuskript, um Bilder und Dokumente aus Ernst Weitendorfs Nachlass sowie Archivmaterial ergänzt worden.
SpracheDeutsch
HerausgeberHinstorff Verlag
Erscheinungsdatum5. Aug. 2016
ISBN9783356020656
Aus dem Logbuch meines Lebens: Die Abenteuer eines Segelschiffskapitäns

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    Buchvorschau

    Aus dem Logbuch meines Lebens - Ernst Weitendorf

    2016)

    Wie es zu diesem Buch kam

    Ein ganzes Menschenleben hat Kapitän Weitendorf auf hoher See zugebracht, hat Ozeane befahren und viele Häfen auf beiden Halbkugeln angelaufen. Fast ausschließlich fuhr er auf Segelschiffen: auf Schonern, Barken und Vollriggern, jenen herrlichen Schiffstypen, die nun bald der Vergangenheit angehören werden. Wenn Kapitän Weitendorf uns von diesen Fahrten erzählte, dann wurde er immer aufs Neue dringlich gebeten, seine Erlebnisse niederzuschreiben, um sie der Vergessenheit zu entreißen. Ein solches Buch muss – abgesehen davon, dass es vielen alten Fahrensleuten Freude bringt – ein wertvolles Dokument zur Geschichte der deutschen Segelschifffahrt werden, und zwar für den unwiderruflich letzten Abschnitt dieser Epoche.

    Hieraus erwuchs die größte Verpflichtung für den Bearbeiter des Manuskripts. Nicht allein die Achtung vor dem Alter und der Lebensleistung Kapitän Weitendorfs, ebenso auch das Wissen um die Verantwortung für die geschichtliche Forschung forderte ein unbedingtes Beibehalten der ursprünglichen Ausdrucksweise: Sie gehört wie die Handschrift zum Charakter und zur Entwicklung eines Menschen. Sicherlich hätte ein Schriftsteller gern die eine oder andere Szene nach eigenem Gutdünken gestaltet und ganz gewiss hätte man das alles anders schreiben können, etwa im Stile eines Reise- oder Abenteuerbuches. Dann wäre das Ergebnis ein Werk geworden, von irgendjemandem geschrieben, nur nicht von Kapitän Weitendorf. So jedoch hat eben kein Schriftsteller das Wort, sondern ein alter Rostocker Fahrensmann. Und darum durften nur behutsame und wohlbedachte Einwendungen gemacht werden.

    In einem Brief schrieb mir Kapitän Weitendorf: „Ich sehe für die Niederschrift noch einen anderen Grund. Vielleicht werden junge Menschen beim Lesen Lust bekommen, den schönsten und männlichsten Beruf zu ergreifen, den es gibt: den Seemannsberuf. Darum sei diese Schrift der deutschen Jugend in die Hände gelegt."

    So soll es sein. Wolfgang Rudolph, 1955

    Leichtmatrose Ernst Weitendorf, um 1900

    Lehrjahre

    Mein Vater war Hafenarbeiter und vorher Tagelöhner auf dem Lande gewesen. Er wollte, dass auch ich nach der Konfirmation zum Bauern ginge. Doch das war nichts für Ernst Weitendorf!

    Schon als kleiner Kerl hatte ich es mir in den Kopf gesetzt, später einmal Seemann zu werden. Das ist ja gar kein Wunder, wenn man in einer Stadt wie Rostock aufwächst. Zwischen Grube und Himmelfahrtstraße – dort war ich zu Hause. Zwar ist unsere Heimatstadt ein ganzes Stück vom Meer entfernt, doch die Seeschiffe fuhren seit jeher die Warnow aufwärts und machten am Rostocker Bollwerk fest. Und gerade dort spielten wir als Jungens am liebsten.

    Wir bastelten uns kleine Schiffe zurecht, aber das mussten echte Schoner und Briggs werden, und dabei holten wir uns Rat von alten Fahrensmännern. Bald wussten wir mit Marssegel und Klüverbaum besser Bescheid als mit Katechismus und Gesangbuch. Wir konnten schwimmen wie die Frösche und wenn im Hafen von einem Schiff das Fallreep ins Wasser hing, dann waren wir dort auch bald an Deck. Stundenlang drückten wir uns an Bord herum und redeten mit den Matrosen klug wie uralte Seefahrer. Das waren zum Teil Holländer, Schweden und Dänen, aber wir verständigten uns schon und waren stolz, wenn wir ihnen bei der Arbeit helfen konnten. Wir kletterten in die Wanten, krochen auch im Laderaum umher und sahen schließlich aus wie die Ferkel. Eine zerrissene Hose hat mir mein Vater einmal so gut gestopft, dass ich vor Schmerzen eine Weile nicht sitzen konnte. Helfen tat das auf die Dauer doch nicht! Mit all der Spielerei war es uns sehr ernst: Wir fassten sie nur auf als Vorbereitung für den Seemannsberuf.

    Seemann werden, dass hieß bei mir, genau wie wohl bei allen Jungens, zunächst: fremde Länder sehen, Abenteuer erleben, die Welt bereisen! So ist es doch nun einmal.

    Aber ich wollte noch mehr, wollte es zum Steuermann bringen und als Kapitän ein Schiff führen. Damit wurde ich denn aber gründlich ausgelacht: „Du häst jo ’n scheunen Vagel in’ Kopp! Du – un Stüürmann! Hast geflickte Lumpen auf dem Leibe und keinen Groschen in der Tasche, und dein Alter – na!"

    ,Wartet nur ab!‘, dachte ich und kniff die Lippen zusammen. Aber der Anfang war das Schwerste: Ich durfte ja nicht Schiffsjunge werden ohne Zustimmung meines Vaters!

    Lange sah die Geschichte sehr trübe aus. Schließlich fand ich doch einen Verbündeten: meine liebe Mutter! Sie traktierte nach kluger Frauenart den Vater so lange, bis der am Ende knurrte: „Na, meinetwegen. Wenn der Bengel durchaus versaufen will – lot em!" Ich das hören und zum Heuerbaas wetzen, das war eins!

    Als ich den nun bat, mir einen Platz als Schiffsjunge auf einem Segelschiff zu verschaffen, schüttelte er mürrisch den Kopf: „Ausgeschlossen. Alles schon in festen Händen. Alle Plätze besetzt! Was denkst du dir: Da gibt’s genug Schiffersöhne und Kapitänsverwandtschaft, die darauf warten. Aber auf einem Dampfer könnte ich dich noch unterbringen …"

    „Wat? Up so ’n dreckligen Schmook-Ewer?", protestierte ich beleidigt.

    „Na, wenn dir das nicht passt, denn sollst du eben an Land bleiben!", meinte der Baas.

    Das wollte ich jedoch um keinen Preis und so musste ich in den sauren Apfel beißen. Ostern 1897 ging ich als Vierzehnjähriger auf den Dampfer H. VON WITT, der mit einer Ladung Zucker von Rostock nach Hamburg und dann weiter nach England fahren sollte. Ich war Schiffsjunge!

    Mutter hatte mir nur herzlich wenig an Strümpfen und Hemden mitgeben können, aber dafür hatte ich bei ihr wenigstens Stopfen und Nähen gelernt und darauf muss man sich an Bord verstehen. Ich bekam auch keine wasserdichten Stiefel, wie andere Jungens, sondern nur Schuhe, und in meinem Seesack steckte ein einziger alter Rock außer dem Konfirmandenanzug. An Ölzeug war bei Weitendorfs gar nicht zu denken.

    War das ein seliges Gefühl, als wir bei frischem Wind in die Ostsee hinausfuhren. Ein ganz anderes Gefühl wurde es aber, als sich eine halbe Stunde hinter Warnemünde mein Magen umkrempelte, ich totenblass an der Reling lehnte und mich immer wieder erbrechen musste.

    Die verdammte Seekrankheit hat mir noch jahrelang zu schaffen gemacht. Sie dämpfte mir zuerst allen Übermut; ich war schon heilfroh, als ich mich wieder aufrechthalten konnte. Und das war nötig, denn Arbeit wartete genug auf den Moses. Der hatte ab vier Uhr in der Kombüse zu helfen, musste den Matrosen den Kaffee bringen und das Geschirr abwaschen, musste fegen und scheuern, putzen und waschen. Ich wurde auch mit zur Wache eingeteilt, die alle vier Stunden wechselte, Tag und Nacht hindurch. Wenn sich danach die Kameraden in der Freiwache zum Schlafen niederlegten, musste ich zuvor unser Mannschaftslogis aufklaren. Wenn irgendwo etwas nicht klappte, dann hatte natürlich einzig und allein der Junge die Schuld daran. Jeder durfte ihn deshalb ohrfeigen oder ihn gar mit dem Tampen vertrimmen. Jeder rief mich „Du, während ich zu allen „Sie sagen musste. Und mein ganz großer Kummer war es, dass ich – immerhin 14 Jahre alt! – noch nicht rauchen durfte. Den kleinen Beutel Tabak, den ich stolz mit an Bord genommen, hatte mir bald ein Matrose abgeknöpft. Wenn ich das Essen aus der Kombüse ins Logis tragen musste und das Schiff dabei stampfte und schlingerte, dann verschüttete ich in der ersten Zeit ein ganz Teil davon oder brachte einen Schuss Seewasser als Zugabe zur Erbsensuppe mit. Auch dafür gab es ein paar ins Genick. Meine Portion durfte ich obendrein nicht an der Back essen, wie alle Matrosen, sondern ich musste in einer Ecke hocken und den Essnapf auf dem Schoß balancieren. So sah damals das Bordleben eines Moses aus! Nach ein paar Wochen ging ich jedoch selbst bei starkem Seegang schon ganz sicher über Deck. Mir waren „Seebeine" gewachsen und ich war stolz darauf.

    Ja, und dann all das Neue! Im Hamburger Hafen sah ich zum ersten Male die großen Viermaster und dort lagen auch die modernen mächtigen Passagierdampfer der Überseelinien. Das alles war nun meine Welt!

    Preston bei Liverpool war der erste ausländische Hafen, den wir anliefen. Wir luden dort Kohlen für Rostock. Auf der Heimreise fühlte ich mich schon ganz als Seefahrer und nur noch heimlich spuckte ich über die Reling, wenn mich die Seekrankheit wieder gepackt hatte.

    Gleich nach dieser ersten Fahrt erfüllte sich mein sehnlichster Wunsch: Ich konnte den Dampfer, diesen ollen Stink-Ewer, mit einem Segelschiff vertauschen! Auf schwedischen Fahrzeugen, zuerst auf dem Schoner FREDA, dann auf der Bark OLOF, ging es nun in kurzen Schlägen kreuz und quer durch die Nord- und Ostsee. Meist brachten wir Holz von Finnland nach England und luden dort als Rückfracht Kohlen für deutsche oder schwedische Häfen.

    Das war ein andres Leben als auf dem Dampfer! Klettern konnte ich ja. Also gab es für mich nichts Schöneres, als in die Takelage zu entern, auch bei schwerer See! Was musste man da alles lernen: Jedes Tau hat seinen besonderen Namen und es gibt auf einer Bark viel mehr Tauwerk, als wir uns das beim Spielen daheim vorgestellt hatten. Bei der Arbeit an den Rahen, in den Wanten und auf den Fußpeerden richtete ich mich bald nach der alten Seemannsweisheit: Eine Hand für dich und die andere fürs Schiff. Sieh zu, wo du dich festhalten kannst! Allmählich konnte ich auch die schwierigsten Knoten herstellen. All das sieht ja vorher beim Spiel am Bollwerk so einfach aus und man wundert sich dann, wenn man es nachmachen will und nicht zuwege bringt.

    Auf den schwedischen Schiffen gab es reichlich zu essen. Gott sei Dank, denn der Appetit wuchs ungeheuer. Ich fühlte geradezu, dass ich stärker wurde. Meine Brust wurde breiter. Und was für Hände hatte ich bekommen: groß, dick und voller Risse und Schrammen.

    Unsere Mannschaft bestand aus Schweden, Dänen und Norddeutschen. Gesprochen wurde deshalb auch skandinavisch, plattdeutsch oder englisch, so gut oder so schlecht es eben ging.

    Immer wieder hinaus aufs Meer! Nur ab und an ein paar Tage im Hafen! Meer und Wellen, Stürme und Sonnenschein und vor allem: fremde, rätselhafte Länder! So hatte ich mir auf meinen ersten Reisen das Seemannsleben ausgemalt. In den ersten beiden Jahren meiner Schiffsjungenzeit bin ich jedoch über die Ostsee, die Nordsee, den Englischen Kanal und die Irische See nicht hinausgekommen. Durchgemacht habe ich dennoch allerhand in dieser Zeit.

    Da ist man auf hoher See und der steife Südwest wird immer härter. Das Barometer fällt. Kommando: Segel reffen! Ich klettere mit hinauf, freiwillig, denn man traut mir noch nicht so viel zu. Aber dann oben, wenn das Schiff überholt, dann halte dich fest, irgendwo, wie mit eisernen Krallen, sonst reißt Rasmus dich über Bord und alles ist aus.

    Oder du stehst im Sturm auf Deck, bis zum Hals im Wasser, wenn die Brecher überkommen. Du klammerst dich irgendwo an und musst plötzlich speien. Dir wird weich in den Knien und schon fegt die nächste See gegen dich heran. Reiß dich nur zusammen, Moses!

    Ein andermal wird das Schiff vom Nebel überrascht. Zum Ankern ist es viel zu tief. Nun wird getutet und getutet und plötzlich, ganz in der Nähe, meldet sich ein anderes Schiff aus dem Nebel. Du siehst es nicht, aber du weißt: Jeder Augenblick kann den Zusammenstoß bringen. Vielleicht stehst du selbst vorn auf Ausguck und reißt die Augen auf und kannst doch nichts ausmachen. Verdammter Schiet-Nebel!

    Nachher kriecht man mit nassen Kleidern zur Koje und wenn du kaum eingeschlafen bist, weckt man dich schon wieder. Stehst du nicht schnell genug auf, dann gießt dir jemand Wasser über den Kopf. Und immer ist irgendein Befehl auszuführen; oft verstehst du gar nicht, was gemeint ist, aber machst du es falsch, dann haut dir einer die Faust ins Genick. Das waren so unsere Schiffsjungenerlebnisse.

    Es ist nur gut, dass man rasch – zusammen mit den Seebeinen – ein dickes Fell bekommt und sich über nichts mehr aufregt, auch nicht mehr an die Todesgefahren denkt. Man tut ohne zu mucksen das, was einem möglich ist, und hat gar keine Zeit, etwa über das Ende zu grübeln.

    Ganz stolze Gedanken stiegen mir in den Dummejungenschädel: Was macht es denn, dass die anderen das Wort haben und du überhaupt nichts sagen darfst? Zu den Fahrensleuten gehörst du dennoch und das sind die Herren der Welt. Ja, wir Seeleute!

    Das gibt dann ein Kraftgefühl und das reißt selbst solche kleinen Kerle empor über all die Leiden des Tages. Die Muskeln werden härter, das Auge geschärft. Das Essen schmeckt wie niemals zu Hause, du wirst gesund, stark und selbstbewusst. Nur: Durchbeißen musst du dich.

    Schlecht und gemein sind damals auf vielen Fahrzeugen die Schiffsjungen behandelt worden. Oft waren sie Prügelknabe für die ganze Mannschaft. Aber die Matrosen hatten es mitunter auch nicht besser. Sie bekamen eine viel zu niedrige Heuer: bestenfalls siebzig Mark im Monat. Eine Lohnerhöhung durchzusetzen, war ihnen unmöglich. Sie waren nicht organisiert. Auf vielen Schiffen waren die Mannschaftsräume schmutzig und eng. Der eine oder

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