Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 7
Von Frank Hille
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Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 7 - Frank Hille
Martin Haberkorn, 14. Juni 1942, Frankreich
Der Abendzug nach Paris hatte Brest pünktlich verlassen und Martin Haberkorn war in einem Offiziersabteil untergekommen, in dem noch zwei Oberleutnants der Infanterie, ein Hauptmann der Panzertruppe sowie ein Oberleutnant der Luftwaffe saßen. Die Männer hatten ihre Koffer in den Gepäckablagen verstaut und wegen der drückenden Hitze ihre Uniformjacken zum Teil geöffnet. Als das Boot von Haberkorn von seiner letzten Unternehmung in Brest eingelaufen war hatte die Wärme des Hochsommers die Männer der Besatzung wie eine Keule getroffen, im Atlantik war das Wetter die meiste Zeit über stürmisch gewesen und vor allem die Matrosen der Brückenwache waren kaum aus ihren nassen Klamotten herausgekommen. Diesmal strotzte der Kommandant beim Anlegen vor Selbstbewusstsein, denn am ausgefahrenen Sehrohr flatterten zwei weiße Wimpel für versenkte Frachter, und ein roter für ein Kriegsschiff. In einer wagemutigen Aktion war es gelungen, einen Geleitflugzeugträger im Überwasserangriff mit drei Torpedos eines Viererfächers zu treffen und das Sinken konnte einwandfrei gehorcht werden. Öfter war es so, dass die Boote nach einem Angriff schnell wegtauchen mussten und die Versenkungsangaben damit auch ungenau ausfielen. Jeder in der U-Bootwaffe wusste, dass dann schon einmal großzügig aufgerundet wurde und manche scheinbaren Erfolge stellten sich später als Falschmeldungen heraus. Vorsatz war meistens nicht dabei, aber die Führung, vor allem Dönitz, beförderte solche Vorfälle, da der versenkte Schiffsraum zum alleinigen Maß aller Dinge erklärt worden war. Haberkorn wusste, dass der Kommandant sein Erfolgskonto natürlich ausbauen wollte und durchaus gewagte Manöver fuhr, aber doch immer im Blick behielt, das Boot in keine aussichtslose Situation zu bringen. Da die Abwehr der Alliierten aber immer besser organisiert war folgte für die Boote zwangsläufig daraus, doch höhere Risiken einzugehen, um überhaupt noch zum Schuss kommen zu können. Besonders die Bedrohung aus der Luft hatte enorm zugenommen und unerfahrene Besatzungen hatten größte Mühe, ihre ersten Unternehmungen zu überstehen. Die Zahl der bereits auf der ersten Reise versenkten Boote nahm immer mehr zu.
„Na Herr Leutnant fragte der Hauptmann Haberkorn „wie war die Jagd? Wie viele haben Sie erwischt?
„3 Schiffe, zwei Frachter, einen Flugzeugträger."
„Alle Achtung! Da wird den Tommies ja bald die Puste ausgehen. Wenn ich die Wehrmachtsberichte richtig verstehe, war 1942 für die U-Bootwaffe ja ein sehr erfolgreiches Jahr."
„Das stimmt, aber die Boote waren vor allem vor der amerikanischen Küste erfolgreich und Operation „Paukenschlag trug ihren Namen zu Recht. Dort konnten so viele Schiffe wie noch nie zuvor mit den Bordgeschützen versenkt werden, weil es anfangs eine Abwehr so gut wie gar nicht gab. Im Atlantik auf den Geleitzugrouten sieht es aber schon anders aus. Dort wird es immer schwerer, an den Gegner heranzukommen.
„Das kriegen wir schon hin meinte der Offizier der Luftwaffe „auch wir haben es nicht leicht. Die Briten sind zähe Hunde, die nicht so schnell klein beigeben. Aber wir werden sie bezwingen, das steht fest. In Russland geht es wieder voran und dann können sicher auch ein paar Kräfte von dort abgezogen werden und die Reichsverteidigung stärken. Und wie ich aus sicherer Quelle weiß werden wir bald über gänzlich neue und revolutionäre Waffen verfügen. Ist aber noch alles streng geheim.
Die Männer rauchten und hatten das Fenster geöffnet. Einer der Infanterieoffiziere packte eine Flasche Kognak aus und jeder trank kurzerhand daraus ohne ein Glas oder einen Becher zu benutzen.
Martin Haberkorn streckte die Beine aus, die letzten Tage waren anstrengend gewesen. Obwohl das Boot relativ unbeschadet von der Reise zurückgekommen war, ergaben sich immer eine Vielzahl von Reparaturen, die er zu beaufsichtigen hatte. Das lenkte ihn auch von der Enttäuschung ab, Marie diesmal nicht sehen zu können, sie war für zwei Wochen zu einer Freundin aufs Land gefahren. Haberkorn hatte Post von Fred Beyer und Günther Weber bekommen. Beide äußerten sich optimistisch über die Entwicklung an der Ostfront aber Urlaub stand für sie in der nächsten Zeit nicht auf dem Programm.
Das Umsteigen in Paris war mit einiger Wartezeit verbunden und diese verbrachte er in einem zugigen Wartesaal. Für seinen Vater hatte er eine Flasche Kognak gekauft, für seine Mutter ein schönes Tuch. Er würde eine Woche zu Hause sein, und dann wieder in den Stützpunkt zurückreisen. Wenn im Hafen alles klar gegangen wäre, würde das Boot nach seiner Ankunft schon bald wieder auslaufen.
Fred Beyer, 22. Juni 1942, Suchinitschi, Russland
Als die Russen das siebente Mal gegen die deutschen Stellungen angerannt waren und auf dem Gefechtsfeld ungefähr 300 gefallene Rotarmisten lagen und einige Panzer ausbrannten befanden sich in den Munitionsbehältern des Panzers noch 3 Panzer- und 5 Sprenggranaten. Beyers Besatzung hatte vom Vormittag bis jetzt, es war kurz vor 18 Uhr, mehr als 100 Granaten verschossen. Obwohl es kalendarischer Hochsommer war, hatte sich das Wetter in den letzten Tagen verschlechtert, es war kühl und windig. Davor hatte die Sonne kräftig geschienen und die Infanterie hatte die guten Witterungsbedingungen genutzt, um ihre Stellungen weiter auszubauen. Obwohl an diesem Frontabschnitt relative Ruhe geherrscht hatte war anzunehmen gewesen, dass die Russen bald wieder aktiv werden würden, denn die Deutschen waren erheblich damit beschäftigt, die Bedrohung durch die Partisanen im Hinterland zu beseitigen und deswegen waren ihre Kräfte zersplittert und die Linie nur schwach besetzt. In den gut 5 Kilometer langen Stellungen lag ein Infanteriebataillon mit knapp 800 Mann, dahinter stand Feldartillerie in geringer Anzahl und hatten sich die 12 Panzer von Beyers Panzerkompanie teilweise eingegraben. Die Aufklärung war durch Focke-Wulf FW 189 geflogen worden und die Beobachter hatten Fotos mitgebracht, die die Zusammenziehung russischer Truppen an diesem Abschnitt bestätigten. Allem Anschein nach waren in 4 Kilometer Entfernung russische Artilleriegeschütze stationiert worden. Einige Panzereinheiten waren auf dem Vormarsch beobachtet worden. Die deutsche Artillerie hatte diese Ansammlungen beschossen aber nur wenig Schaden anrichten können, da die Russen ihre Einheiten nach den ersten Feuerschlägen auseinandergezogen hatten. Das erste Mal traten die Russen gegen 10 Uhr an. Einige T 34 und BT 7 waren mit vorgerückt und als sie noch 1.000 Meter entfernt gewesen waren hatten die Panzer IV das Feuer eröffnet.
Die Langrohrkanonen erwiesen sich immer mehr als sehr schlagkräftig, Lahmann hatte einen T 34 anvisiert und die Granate traf das rechte Leitrad und riss dieses aus seiner Befestigung, die Kette sprang ab. Durch die weiter laufende linke Kette wurde das Fahrzeug nach rechts gedreht. Häber hatte schon wieder nachgeladen und Lahmann gelang ein Treffer am Turm des Panzers. Das Wuchtgeschoss schlug mit seiner Kappe aus weichem Material auf der Panzerung an, verringerte dadurch den Aufprallschock und schützte den eigentlichen Wirkkörper. Dieser aus gehärtetem Metall bestehende Teil des Geschosses durchdrang danach die Panzerplatten und dessen hohe kinetische Energie wurde jetzt in Druck und damit auch in hohe Temperatur umgesetzt. Die Reibung des Wirkkörpers mit der Panzerung erzeugte einen Splitterregen, und die in der Granate befindliche geringe Sprengstoffmenge wurde zusätzlich durch einen Verzögerungszünder im Inneren des Panzers zur Explosion gebracht. Den vier russischen Panzersoldaten platzten durch den Druck die Lungen und die glühend heißen Splitter töteten die Männer sofort. Das Inferno im Inneren des Panzers ließ die Bereitschaftsmunition hochgehen und der Turm wurde durch die gewaltige Detonation durch die Luft geschleudert. Auch die anderen deutschen Panzer konnten Abschüsse erzielen und der Angriffsgeist der Russen war nach dem siebenten Angriff endgültig gebrochen. Die deutsche Artillerie hatte ihre Granaten auch auf das Gefechtsfeld gesetzt und die meisten Rotarmisten waren durch deren Wirkung gefallen, die anderen im rasenden Feuer der deutschen MG und Schützenwaffen getötet worden. Die russischen Geschütze waren anfangs aktiv gewesen, aber nachdem etliche der Geschosse zwischen den vorrückenden Männern der eigenen Truppe eingeschlagen waren hatten sie das Feuer eingestellt. Da die Flugplätze der Russen vermutlich zu weit von dem Frontabschnitt lagen waren keine Bomber oder Jagdflieger zum Einsatz gekommen.
Fred Beyer war es so vorgekommen, als hätten die russischen Truppen nur der Form halber angegriffen und wenig Elan gezeigt. Lediglich die Panzer waren wagemutig vorgestoßen, aber die Infanterie war seltsam unentschlossen vorgegangen. Nach dem Ende des Gefechts stellte sich durch Gefangenenvernehmungen heraus, dass die Fußtruppen aus Einheiten mit Strafgefangenen bestanden, die wegen geringster Vergehen dort kämpfen mussten. Die überlebenden Männer schienen froh zu sein, jetzt in Gefangenschaft geraten zu sein. Zunächst einmal hatten sie immerhin das blanke Leben retten können, aber ob die Bedingungen bei den Deutschen wesentlich besser waren, war nicht sicher, spielte im Moment für sie aber keine Rolle. Das Gefecht war eindeutig zugunsten der Deutschen ausgegangen, sie hatten nur geringe Verluste zu beklagen. Der Angriff war für die Russen zu einem Desaster geworden aber die vielen Toten spielten für deren Führung offensichtlich keine Rolle, die Männer der Strafkompanien hatten ihr Leben ohnehin verwirkt. Beyer und seine Männer waren aus dem Panzer ausgestiegen und standen rauchend neben dem Panzer.
„Warum zu Teufel heben die nicht alle die Hände und kommen zu uns" fragte Müller.
„Weil in der letzten Kette die Politoffiziere laufen und alle umlegen, die abhauen wollen erwiderte Lahmann „das wissen wir doch.
„Jedenfalls werden die jetzt hier erst einmal Ruhe geben meinte Beyer „das war doch ein totales Debakel. Jetzt brauchen wir dringend Munition. Und ich brauch endlich was zu essen und zu trinken. Haben wir noch was in unserer Gepäckkiste?
„Das Übliche erwiderte Bergner „Dosenwurst und Kommissbrot in Dosen. Leckere Sache. Ich hol mal was. Und zu trinken gibt es warmes Wasser aus unseren Feldflaschen.
Die Männer setzten sich auf den Boden, öffneten die Dosen und strichen sich Jagdwurst auf die Brotscheiben. Fred Beyer hielt die Situation für surrealistisch. Nur ein paar hundert Meter von ihnen entfernt lagen Massen von toten und sterbenden Rotarmisten auf dem Gefechtsfeld, brannten Panzer aus, in denen die Leichen der Besatzungen zu unförmigen Gegenständen verkohlten,