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Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg: Band 1 1938 – 1940
Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg: Band 1 1938 – 1940
Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg: Band 1 1938 – 1940
eBook248 Seiten3 Stunden

Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg: Band 1 1938 – 1940

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Über dieses E-Book

Die Abiturienten Günther Weber, Fred Beyer und Martin Haberkorn wachsen als junge Männer in den dreißiger Jahren auf. Unübersehbar stehen die Zeichen der Zeit auf Sturm und im Sommer 1939 werden die drei Freunde einberufen. Weber hatte sich freiwillig zur Waffen-SS gemeldet, Beyer wird als Panzerfahrer ausgebildet und Haberkorn wird zu seiner Freude zur Marine kommandiert. Sie durchlaufen eine intensive Ausbildung und allen ist klar, dass es zum Krieg kommen wird. Auch durch ihre frühere Mitgliedschaft in der Hitlerjugend fühlen sie sich darauf gut vorbereitet. Als sie die ersten Gefechte absolvieren wird ihnen schnell klar, dass es sich nicht mehr nur um ein Geländespiel handelt. Weber und Beyer sind in Polen im Einsatz, sehen Kameraden sterben und lernen die Schrecken des Krieges kennen. Haberkorn ist an Bord eines U-Boots und erlebt erste Versenkungserfolge aber auch zermürbende Verfolgungen und Wasserbombenangriffe. Alle drei ahnen, dass der Krieg gegen Polen nur der Auftakt zu einem weitaus größeren Drama sein wird.

In dieser Romanreihe wird der Lebensweg dieser jungen Männer – die vom Anfang bis zum Ende des Krieges Soldaten sind - geschildert.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum6. Juni 2015
ISBN9783737551748
Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg: Band 1 1938 – 1940

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    Buchvorschau

    Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg - Frank Hille

    Morgengrauen, Halbe-Teupitz, 26. April 1945, östlicher Teil des Kessels

    Günther Weber lag nur in eine Zeltbahn eingewickelt auf der nasskalten Erde, trotzdem war ihm nicht kalt. Der Schnaps, den sie alle in ihrem Sturmgepäck hatten, kreiste noch in seinen Adern und hielt ihn warm, das Pervitin wach. Die russische Maschinenpistole mit dem großen Trommelmagazin hatte er achtlos neben sich gelegt, sie war bei weitem nicht so empfindlich wie das Sturmgewehr 44, das einige der anderen Männer besaßen. Mit ihm campierten gut dreißig Soldaten in dem kleinen Waldstück, der Rest seiner Einheit. Hätte er seine Tarnjacke abgelegt wären die Schulterstücke eines Sturmbannführers der Waffen-SS auf einer bereits deutlich verblichenen Feldbluse sichtbar geworden. Diese war einmal von einem Maßschneider gefertigt worden, denn in der Anfangszeit des Krieges hatte er sehr viel Wert auf die Anzugsordnung gelegt, jetzt spielte das keine Rolle mehr, alle sahen abgerissen aus. Was ihn momentan beschäftigte war der Munitionsvorrat seiner Leute. In den Abwehrkämpfen der letzten Tage hatten sie enorm viel Munition verbraucht denn die Russen griffen in einer Welle nach der anderen an, manchmal hielt er es für ein Wunder, dass sie nicht einfach überrannt wurden. Er zündete sich eine Zigarette an, davon hatten sie aus dem gesprengten Versorgungsdepot hinter der Oder Massen mitgenommen, ebenso Schnaps und Lebensmittel die sie auf dem letzten ihnen verbliebenen LKW mitführten. Vor dem Morgen würden die Russen nicht angreifen, auch ihre Männer waren von den letzten Kämpfen erschöpft und die Nachschubketten überdehnt. Weber hatte wenige Illusionen über den Ausgang des Krieges, seit Jahren trieben die Russen sie nun schon vor sich her und ihre Stärke hatte von Jahr zu Jahr zugenommen. Sie waren jetzt nicht nur besser als die Deutschen ausgerüstet, denn nach den bitteren Lektionen zum Kriegsanfang waren Taktiker herangereift, die der deutschen Führung ebenbürtig und vielfach überlegen waren. Die Deutschen agierten nur noch hilflos, ein Loch neben dem anderen musste in der Front gestopft werden und die Abwehrketten wurden täglich dünner. Verzweifelte Panzerbesatzungen sprengten ihre Fahrzeuge, Treibstoff war kaum noch zu bekommen. Die Männer schlossen sich den Infanteristen an, auch Marinesoldaten und Soldaten der Luftwaffe sah er.

    Gestern hatten die Russen den Kessel geschlossen. Wieder einmal hatte die deutsche Führung einem Rückzugsbefehl wider alle Vernunft nicht zugestimmt. 11 Infanteriedivisionen, 2 motorisierte Divisionen und eine Panzerdivision steckten fest, knapp 50.000 Mann. Berlin lag greifbar nahe, die Russen wollten sich aber nicht zusätzlich mit dem Kessel abgeben der nur Kräfte binden würde, das Kapitulationsangebot lehnte General Busse ab. Weber war das einerlei, für ihn gab es nur zwei Alternativen: entweder er fiel im Kampf oder die deutschen Truppen würden sich zu den Amerikanern durchschlagen und dort ergeben können. Gefangenschaft durch die Russen war für ihn keine Option, sie würden ihn ohne viel Federlesens an die Wand stellen. Seit 1939 war er Mitglied der SS, mit den Taten dieser Truppe wurden viele Kriegsverbrechen verbunden. Er wusste genau, dass es diese gegeben hatte, in den Jahren hatte er genug gesehen. Dass die Männer im Krieg verrohten war folgeläufig, der tägliche Schrecken und der Wille zu überleben führten oft zu Handlungen, die sich die noch jungen Männer vorher niemals hätten vorstellen können. Er war jetzt 25 Jahre alt, von denen stand er 6 Jahre im Krieg. In dieser Zeit hatte er mit seiner Einheit immer an Brennpunkten kämpfen müssen und war wie durch ein Wunder nur zweimal leicht verwundet worden.

    Sollte er weitere Lebensjahre geschenkt bekommen wäre er dankbar dafür, auf der anderen Seite wagte er nicht daran zu denken wie das Land aussah und wie das Leben dann weitergehen sollte. Was die Sieger mit den Besiegten anstellen würden war ihm klar, und ob er überhaupt noch in der Lage wäre wieder ein normales bürgerliches Leben zu führen bezweifelte er, zu sehr war er dessen Sitten schon entfremdet. Wie viele Menschen er getötet hatte konnte er nur schätzen, es mussten weit über 100 gewesen sein.

    Er wusste, dass er keine eigentliche Wahlmöglichkeit hatte, die nächsten Tage würden entscheiden was mit ihm geschah. Sturmbannführer Günther Weber sah dem allem gelassen und ruhig entgegen, niemand wartete auf ihn, das Schicksal sollte entscheiden, er würde es so hinnehmen wie es kam.

    Panther, Halbe, 25. April 1945, westlicher Teil des Kessels

    Der Motor lief im Leerlauf und Oberleutnant Fred Beyer blickte missmutig in die Gegend. Sein Oberkörper ragte aus der Turm Luke des mehr als drei Meter hohen Panzers, durch das Fernglas beobachtete er angestrengt das Gelände. Die vier anderen Männer der Besatzung dösten im Inneren vor sich hin, momentan hatten sie keine Aufgaben. Es war seine dritte Besatzung, zweimal war er gerade noch aus den brennenden Kisten herausgekommen, die anderen schafften es nicht mehr. Obwohl er sich hundertmal gesagt hatte, dass Krieg war und der nicht ohne Opfer abgeht, lag das Geschehene wie Blei auf seiner Seele, manchmal sah er nachts die Gesichter der Toten vor sich. Immerhin hatte er bereits das sechste Kriegsjahr überlebt und wenn er zurückblickte hing das mit Glück und seinem Können als Panzermann zusammen. Der Krieg hatte für ihn in einem Panzer II begonnen, heute kommandierte er einen Panzer V, einen Panther. Welten lagen zwischen seinem ersten Fahrzeug und dem, in dem er nun saß. Dass es jetzt davon zu wenige gab schob er auf die Arroganz der Führung vor Ausbruch des Krieges. Mit einer nicht zu übertreffenden Siegesgewissheit war die Wehrmacht in Polen eingefallen und hatte den Feldzug dank überlegener Technik und Truppenführung schnell für sich entschieden, die Verluste hielten sich in Grenzen. Erstmalig spielten die Panzer und Flugzeuge eine dominierende Rolle und er war mit dabei. Heute war die Panzertruppe ausgeblutet, zusammen mit vier anderen Panthern und einer Handvoll klappriger Panzer III sollte er einen Abschnitt von 8 Kilometern Breite halten. Dass die dünnen Infanterielinien die Russen nicht lange aufhalten könnten war ihm bewusst. Er schwankte zwischen Pflichtgefühl und Hoffnungslosigkeit, allein die Vorstellung, was die Russen anrichten könnten ließ ihn weiter kämpfen, er gab sich keinen Illusionen hin was geschehen würde wenn Deutschland den Krieg verlieren sollte und daran gab es nunmehr für ihn keinen Zweifel mehr.

    Kramer, sein Funker, rief ihm zu:

    „Funkspruch, erste Spitzenpanzer der Russen 20 Kilometer östlich gesichtet."

    Beyer quittierte nur mit einem „Verstanden", bei dem Tempo das die Russen vorlegten konnten sie in zwei Stunden da sein, viel stand ihnen nicht mehr im Weg, aber es war nicht ihr Verteidigungsabschnitt.

    Nur das ferne Donnern der Artillerie und gelegentliches Klackern von Infanteriewaffen störte die scheinbare Ruhe. Er löste das Kabel seiner Sprechkombination vom Bordnetz, zog sich auf den Turm und stieg vom Panzer herab. Hinter dem Heck des Panzers schlug er Wasser ab, gleichzeitig stieg ihm der Geruch seiner Panzerkombi in die Nase: Öldunst, Feuchte und Dreck vereinten sich zu einer undefinierbaren Mischung. Seit Tagen hatten sie sich nicht mehr gewaschen, sich von einer Stellung in die nächste zurückziehend gab es keine Gelegenheit dazu, die Russen trieben sie vor sich her. Er stellte sich wieder auf den Panzerturm, setzte das Fernglas an die Augen und suchte den Horizont ab. Fern ging eine Werfersalve herunter, die Flugbahn der Raketen war gut zu erkennen. Er stieg ein, schloss sich an das Bordnetz an und gab den Fahrer einen kurzen Befehl.

    „Gunder, fahr ein Stück nach vorn und stelle den Panzer mal besser bei der Buschgruppe ab, dort stehen wir günstiger und Müller hat besseres Blickfeld."

    Der Panzer ruckte an und bewegte sich rasselnd gut zehn Meter vorwärts. Beyer ragte aus dem Turmluk, noch gab es keinen Grund sich hinter die schützende Stahlhülle zu verziehen. In der neuen Stellung war der Blick aus den Winkelspiegeln der Kommandantenkuppel auch besser, davon überzeugte er sich bei einem schnellen Hinabtauchen in den Panzer.

    „Motor aus rief er Gunder zu und „alle aussteigen war der nächste Befehl. Die Männer schälten sich aus den Luken und traten im Halbkreis um Beyer herum, in ihren schwarzen Panzerkombis waren sie nicht zu unterscheiden und nur dass sie Beyer ansahen zeigte an, dass er der Vorgesetzte war.

    „Also Männer, ihr wisst, dass der Russe den Sack dicht gemacht hat. Busse hat die Kapitulation abgelehnt, wahrscheinlich steckt wieder das OKW dahinter. Egal, neben uns stehen noch Peters, Weihnert, Kattwitz und Schulze mit ihren Panthern, ein paar Panzer III der SS-Panzeraufklärungsabteilung 10 und sonst nicht viel. Ich vermute mal, dass der Russe auf den östlichen Teil des Kessels drücken wird, dort stehen die meisten unserer Kräfte, Busse muss bald einen Ausbruch Richtung Amis wagen, die sind knapp 180 Kilometer weit weg. Also haben wir wahrscheinlich ganz gute Karten. Die armen Schweine im Osten werden das meiste abbekommen und wenn dieser Teil zusammenbricht gibt es nur noch eine Richtung, nämlich in unsere. Dass wir dann Spitze fahren ist mir egal, Hauptsache raus aus dem Sack. Wir haben noch einen vollen Kampfsatz auf dem LKW. Peukert, staue noch so viele Granaten wie du kannst. Scheiß drauf, ob wir mit 70 oder 90 Granaten in die Luft fliegen ist doch einerlei. Der Sprit reicht für die Strecke nicht, irgendwo werden wir aber hoffentlich noch welchen auftreiben können. Ich denke, dass wir heute noch Ruhe haben werden, die Infanterie vor uns müsste ja mitbekommen wenn die Russen vorfühlen. Trinken wir noch einen Schluck, morgen wird’s ernst."

    Gunder tauchte in den Panzer und erschien mit einer Flasche Schnaps wieder, die Männer tranken reihum kräftige Schlucke. An die Scheibenräder des Fahrwerks gelehnt rauchten sie ruhig ihre Zigaretten.

    Fred Beyer ließ seine Gedanken zurückschweifen. Hier in der Nähe war er zum Panzermann ausgebildet worden, die ersten Gefechte erlebte er Polen, dann in Frankreich, später in Russland und jetzt war der Krieg nach Deutschland zurückgekommen. Es war nur noch eine Frage von Wochen, dann würde alles zusammenbrechen. Bislang waren der Panzer und seine Männer der Kosmos gewesen in dem er lebte, ohne diese Stütze würde er die Orientierung verlieren. Was hatte er in seinem Leben vorzuweisen? Eine gute Bildung, sportliche Erfolge als Boxer, kurze Liebschaften und 6 Jahre Dienst in der Wehrmacht. Nüchtern betrachtet war er nichts weiter als ein moderner Landsknecht der sein Handwerk immer mehr perfektioniert hatte, Töten als Aufgabe. Dass er viele seiner Opfer gar nicht zu Gesicht bekommen hatte machte es nicht leichter. Wenn ein getroffener Panzer in zwei Kilometern Entfernung in die Luft flog war das ein Moment den er in der Anspannung des Kampfes nicht als bedrückend empfand, erst wenn das Gefecht vorbei war zählte er unbewusst, wie viele Gegner er an diesem Tag besiegt hatte.

    Bis zu diesem Tag hatte er mit seinen Besatzungen nachweislich 82 Panzer abgeschossen, dazu kamen eine Unmenge an Geschützen und PAK, auch die Sprenggranaten und die MG des Panzers rissen Hunderte von Infanteristen in den Tod. Lohn dafür war das Ritterkreuz, das jetzt an seinem Hals baumelte. Bereits vor gut 2 Jahren war es ihm verliehen worden, damals war er gerade 23 Jahre alt gewesen. Er musste den Panzerkampf nicht im herkömmlichen Sinne lernen, natürlich gab ihm die theoretische Ausbildung erst eine Vorstellung davon, aber er entwickelte schnell die Fähigkeit, die Situation auf dem Gefechtsfeld zu überschauen. Kein einziges Mal war er in den Rausch eines zu erwartenden leichten Sieges verfallen, vorsichtig sondierte er die Kräfteverhältnisse und mit einem untrüglichen Gefühl nahm er Gefahren eher wahr als andere. Wenn die anderen Panzer rücksichtslos vorpreschten, was sie als Zeichen von Mut ansahen, zog er sich im Zweifelsfall eher in eine Deckung zurück, aus der er den Gegner umso wirkungsvoller bekämpfen konnte. Schon allein die spätere Knappheit an Fahrzeugen zwang die Deutschen bald in die Defensive, er hatte diese Taktik vorweggenommen und auch mit Glück waren an seinem jetzigen Panzer nur unbedeutende Schäden aufgetreten.

    Als er das erste Mal selbst abgeschossen wurde saß er in einem Panzer II, der ihm heute wie eine Sardinenbüchse vorkam. Er glaubte, den Schock dieses Ereignisses schnell überwunden zu haben, in Wahrheit resultierte daraus aber seine überlegte Kampfweise. Das zweite Mal durchschlug eine Panzergranate sein Fahrzeug in Frankreich, unverletzt konnten alle ausbooten, jedoch wurden zwei seiner Männer von der Maschinengewehrgarbe eines gegnerischen Panzers regelrecht zersägt. 

    Die schrecklichen Bilder in seinem Kopf verblassten nach und nach und wurden von anderen überlagert, die auch nicht positiver waren. Sie bildeten aber seinen Alltag und irgendwann konnte er keine Gefühle mehr entwickeln, wenn er grausam zugerichtete Tote oder zerstörte Städte und Dörfer sah. Zu Beginn des Krieges wäre es für ihn undenkbar gewesen Menschen in einem Schützenloch lebendig zu begraben, indem der Panzer sich über diesem durch Abbremsen einer Gleiskette drehte, später war es oft das einzige Mittel, um Panzer Nahbekämpfer auszuschalten. Wenn der Richtschütze und der Funker ihre MG abfeuerten und ganze Trauben von Männern tot oder verstümmelt zu Boden fielen beobachtete er dies aufmerksam durch die Winkelspiegel der Kommandantenkuppel wie ein distanzierter Theaterbesucher auf der Empore. Nach dem Gefecht saßen die Männer oft wortkarg zusammen, der Schnaps gehörte immer mehr zu ihrem Tagesablauf und an manchen Tagen waren sie schon mittags angetrunken.

    Das Ritterkreuz wirkte auf Frauen, er nahm sie sich wo sich Gelegenheiten ergaben, da war nur noch animalischer Trieb in ihm, und wenn er mit ihnen schlief war es schnell vorüber, ein schaler Geschmack blieb zurück.

    In normalen Zeiten wäre er ein Fall für den Psychiater gewesen.

    Halbe, 25. April 1945, östlicher Teil des Kessels

    Martin Haberkorn hielt die Situation für surrealistisch: er hockte mit Soldaten verschiedenster Truppenteile in einem eilig ausgehobenen Schützengraben, eine Einheitlichkeit der Uniformen oder der Bewaffnung gab es nicht, sie unterstanden einem kurzbeinigen Hauptmann mit einer russischen Maschinenpistole der sichtbar mit Schlafmangel zu kämpfen hatte. Noch vor drei Tagen war er in Eckernförde gewesen, dann wurden er und seine Kameraden in schon altersschwache, langsame und nur mit einer schwachen Abwehrbewaffnung versehene Ju 52 verladen, sie sollten nach dem Willen des Großadmirals Dönitz mit zur Verteidigung von Berlin beitragen. Großsprecherisch von der Propaganda als kampfstarke Marineinfanterie bezeichnet wusste Haberkorn es besser: die meisten von ihnen kamen von der U-Boot Waffe, ihre Boote lagen von Wasserbomben zerschmettert, von Fliegerbomben getroffen oder selbstversenkt auf dem Grund und die ehemaligen Seeleute waren weiß Gott keine erfahrenen Landkämpfer. Über Berlin war ihre Maschine von russischen Jägern abgedrängt worden und suchte ihr Heil in der Flucht Richtung Süden, die Russen fanden lohnendere Ziele und drehten ab. Mit unwahrscheinlichem Glück gelang es dem Piloten den alten Vogel in der Luft zu halten obwohl der Steuerbordmotor brannte. Er setzte die Maschine auf der Autobahn Richtung Dresden ab, die Fahrbahn war breit genug und die Männer verließen eilig das Flugzeug und verschwanden in den Nadelwäldern die nah der Straße begannen, nach kurzer Zeit stießen sie auf deutsche Soldaten.

    Erstmalig seit der Grundausbildung hatte er wieder ein Gewehr in der Hand gehalten und in der graugrünen Uniform der Marineinfanterie kam er sich komisch vor, nichts von der Lockerheit seiner Bordkleidung war geblieben. Dass er noch schießen könnte stand außer Frage, dem Infanteriekampf sah er aber mit gemischten Gefühlen entgegen, da gab es keinerlei Erfahrung und die Russen die ihnen gegenüberstanden hatten Routine aus vielen Gefechten. Der nahe Donner der Artillerie erinnerte ihn daran dass der Angriff bevorstand, die Russen würden ihre Truppen schonen und die deutschen Stellungen mit einem Hagel aller möglichen Geschosse eindecken. Hier könnte er nicht Schutz in der Tiefe des Meeres suchen, wie er es oft mit seinem Boot getan hatte.

    Als er als Heizer auf einem VII C Typ einstieg konnte er nicht ahnen, dass er in nicht allzu ferner Zukunft bis zum Offizier und Leitenden Ingenieur aufrücken würde, hätte ihm jemand das prophezeit wäre sein Zeigefinger unvermittelt für eine bestimmte Geste an die Stirn gewandert. Sein ausgeprägtes technisches Verständnis ebnete ihm den Weg in der militärischen Hierarchie, ohne dass er es vordergründig darauf anlegt hatte voranzukommen, lieber wollte er sein Wissen und die damit verbundenen Fertigkeiten erst zu einem sicheren Fundament ausbauen. Nachdem er auf seinem ersten Boot entscheidend dazu beigetragen hatte eine gefährliche Situation zu entschärfen, die den Verlust des Bootes hätte bedeuten können, nahm ihn der Kommandant genauer in den Blick. Das EK II war ihm nicht so wichtig wie die Anerkennung seiner Kameraden, deswegen blieb er auf dem Boden und büffelte an Bord in den Freiwachen Bücher und Dienstvorschriften zum Betrieb des Bootes, keiner wagte es, ihn deswegen aufzuziehen. Als der Kaleun auf ein anderes Boot umstieg nahm er Haberkorn mit, die Männer dort empfingen ihn wegen seiner zurückhaltenden Art freundlich und sie merkten schnell, dass er gut war. Nach der vierten

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