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Ich komm hier um vor Angst: Zwei Boote - Ein Leben
Ich komm hier um vor Angst: Zwei Boote - Ein Leben
Ich komm hier um vor Angst: Zwei Boote - Ein Leben
eBook350 Seiten5 Stunden

Ich komm hier um vor Angst: Zwei Boote - Ein Leben

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Über dieses E-Book

Ein recht junger Mann sitzt im gemütlichen Sessel des heimischen Wohnzimmers und denkt über die Anschaffung eines neuen Segelbootes nach. Vieles geht ihm dabei durch den Kopf:
Wie soll er die Ehefrau von seinen Plänen überzeugen, wie groß soll es werden, das neue Boot, wo findet er das Optimum für seinen nicht zu großen Geldbeutel? Und er erinnert sich an den Kauf seines ersten Bootes, damals in Griechenland: an die unvergessliche Motorradtour dorthin, an die aufwendige Vorbereitung der Überführungsreise des Bootes in die Heimat und an die lebensgefährliche, dramatische Segeltour von Korfu nach Deutschland und daran, wie er unverschuldet in die Läufe entsicherter italienischer Maschinenpistolen schauen musste.
Nach etlichen erfolglosen Besichtigungen findet er sein Traumboot, kauft es von einem schwierigen emsländischen Apotheker, mit dem er sich zu allem Überfluss langwierig gerichtlich auseinander setzen muss und lässt den Leser auf häufig zynisch erzählte Weise an seinem nunmehr zwanzigjährigen Leben mit dieser Segelyacht teilhaben.
Kurz gesagt: In diesem Buch werden runde vierzig Jahre Bootsleben durchaus kurzweilig und mit einer ordentlichen Prise selbstironischen Humors versehen, ausgebreitet.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum2. Mai 2018
ISBN9783752836622
Ich komm hier um vor Angst: Zwei Boote - Ein Leben
Autor

Peter Thiemt

Peter Thiemt wurde 1954 in Bad Rothenfelde geboren und lebt heute im kleinen Melle bei Osnabrück. Bis Ende 2016 war er runde 40 Jahre selbstständig unternehmerisch tätig. Seit Übergabe der Geschäfte an seine Nachfolger genießt er einen ganz und gar nicht langweiligen Ruhestand und widmet sich vielfältigen Hobbys. Mit Segelbooten, anfangs waren es kleine Jollen, ist der Autor seit seinem 20ten Lebensjahr unterwegs.

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    Buchvorschau

    Ich komm hier um vor Angst - Peter Thiemt

    Kartoffellaster

    Kapitel 1

    Basteleien und die Grundlagen für eheliche Harmonie

    Zugegeben, ungewöhnlich ist er schon, der Titel für dies Buch. Doch sicher ist eines: Diese Worte wurden real gesprochen und sind seitdem ›geflügelt‹ in unseren Kreisen, wie man so schön sagt. Ähnlich wie folgender Satz aus gleichem Munde: ›Wie konnte denn das passieren?‹

    Aber bis wir soweit sind obiges Rätsel aufzulösen, ist es noch 'ne Weile hin, der Spannungsbogen will fein säuberlich mit allerlei Kunstgriffen versehen gespannt sein, der geneigte Leser soll vorsichtig, aber doch unaufhaltsam in Richtung skeptischen Interesses, dann verhaltener Zustimmung und zu guter Letzt unverhohlener Begeisterung getrieben werden, ein hoher Anspruch – noch mal zugegeben.

    Nun erwartet man sicherlich zu Recht von einem Druckwerk, das sich im weitesten Sinne mit der Segelei beschäftigt, weniger die Benutzung der Vokabel Angst, als vielmehr Berichte über heldenhaftes Handeln, sichere Seemannschaft und das Abwettern diversester Stürme von acht Beaufort an aufwärts vor meist fremder, unbekannter Küste. Selbstverständlich ohne das übliche Kartenwerk und nachdem alle elektronischen Navigationshilfen längst ausgefallen sind.

    Aus diesem Garn zumindest sind die Geschichten gestrickt, die wir so häufig während der Saison zu hören bekommen, meist ungewollt natürlich, erzählt nie von uns selbst, sondern immer am Nachbartisch beliebiger Marinarestaurants in beliebigen Hafenstädten der nördlichen Hemisphäre. Wie es in der südlichen aussieht, weiß ich offengestanden nicht. Vermutlich ähnlich.

    Da werden mit Schiffen unglaublicher Dimensionen Monsterseen bezwungen, die bislang noch keinen Menschen wieder freigegeben haben, geschweige denn ein Schiff. Da werden bei Wind gegen Strom Seegatten durchsegelt, derweil man zumindest an Steuerbord die Muscheln im Schlick zählen konnte. Und unter Vollzeug gegenangebolzt, während alle anderen schon längst den Rettungskreuzer angefunkt haben oder aber zumindest vor Topp und Takel ablaufen.

    Ja, das sind die Geschichten, die wir hören wollen, die unseren Erfahrungsschatz erweitern und die auch gerade deshalb gern erzählt werden. Nie eigentlich, um den Erzähler als besonders fähigen Skipper auszuweisen, denn soviel ist sicher: Bescheidenheit, Zurückhaltung und Hilfsbereitschaft sind die Tugenden, die in der heutigen Seefahrergeneration besonders groß geschrieben werden. Und eben ausschließlich jene Hilfsbereitschaft führt dazu, dass diese Geschichten erzählt werden.

    Übrigens – und auch das ist erwähnenswert: Aus obenerwähnten Giganten der Meere werden im Hafenmeisterbüro beim Bezahlen des Liegegeldes gern kleine, unkomfortable Jollenkreuzer mit Abmessungen, die kaum ein Übernachten an Bord zulassen – alles eine Frage von Perspektive und Situation.

    Das vorliegende Büchlein allerdings, dies sei gleich zu Beginn erwähnt, beschäftigt sich vorwiegend mit den kleinen anderen Dingen; denen, die häufig nicht besprochen werden, weil sie doch keinen Menschen interessieren. Und insofern, leider, wird vermutlich kaum eine größere Leserschar zusammenkommen um die Schreibarbeit zu rechtfertigen, die hier geleistet wird. Sei's drum, ich tu's trotzdem!

    Die Geschichten sind dann eher von folgendem Kaliber, völlig unspektakulär und alltäglich. Aber – und das ist das Schöne – sie passieren immer nur anderen. Trotzdem sei diese hier, genauso wie der Rest des Buches, in der Ich-Form erzählt:

    In einem früheren Sommer, lange Jahre liegt er schon zurück, alle bezeichneten ihn als völlig verregnet und wenig segelgeeignet, saßen wir auf unserem für diesen Urlaub zum Hausboot umfunktionierten Schiff in Maasholm, einem wirklich wunderschönen Dorf am Schleieingang.

    Die Restfamilie machte einen Jollensegelkurs in der ortsansässigen Segelschule und war insofern ausgelastet und wenig an Bord. Ich meinerseits genoss die Stunden völliger Ruhe, die mir eine gute Woche lang beschert war und verbrachte meine Zeit mit Lesen und allerlei Bastelarbeiten, die auf Schiffen jeder Größenordnung und jeden Alters ständig anfallen.

    Hin und wieder setzte ich mich zur Entspannung ins Beiboot, warf den Zwei-PS-Außenborder an und fuhr raus auf die Schlei, um der Familie bei ihren Segelübungen zuzusehen. Und selbstverständlich auch, um mich von der positiven Wirkung eines Nichtfamilienmitglieds als Segellehrer auf die Schüler zwischen elf und gut vierzig Jahren zu überzeugen.

    Meine Frau hatte mich diesbezüglich schon vor Jahren belehrt:

    ››Du, das hat keinen Zweck. Wenn du mir das erklärst, versteh ich es doch nicht.‹‹

    Unausgesprochen bedeutete das nichts anderes als: Pädagogisch bist du bestenfalls 'ne Null!

    Ich selbst sehe die Sachlage anders, bin ich doch der Meinung, dass ich als langjähriger Kenner meiner Frau und Kinder am besten in der Lage bin, auf individuelle Schwächen einfühlsam einzugehen und sie besser als jeder andere fördern zu können. Immer abhängig von ihren Anlagen selbstverständlich.

    Trotzdem hatte ich natürlich verhalten begeistert zugestimmt, als mir meine liebe Frau im Frühjahr eröffnete, sie würde es für gut und auch dem Ehefrieden dienlich halten, wenn sie und die Kinder einen Segelkurs in einer professionellen Segelanstalt absolvieren würden.

    Aber ich schweife ab und eigentlich war ich ja gar nicht so beleidigt - wahrscheinlich hatte sie ja Recht, unsere Große fährt schon nicht mehr mit und das wird Gründe haben, die möglicherweise im Versagen der Schiffsführung zu suchen sind. Möglicherweise – nicht sicher.

    Nun gut, zurück zum Thema. Ich konnte schon recht stolz auf mich sein, hatte ich doch in den vergangenen Tagen unter anderem dafür gesorgt, dass aus unserem spiritusbetriebenen Herd nicht immer wieder unkontrollierbare Stichflammen entwichen, eine meistens völlig ungefährliche Erscheinung. Dennoch hatte genau diese Eigenschaft des Herdes, ohne den sonst üblicherweise einsetzenden Gewöhnungseffekt, schon Mitreisende aus mir unersichtlichen Gründen zu panischer Flucht von Bord veranlasst. Gerade auf See kein empfehlenswertes Handeln, sind die Folgen gerade dann doch nur schwer kalkulierbar.

    Es gab auch Situationen, die selbst mich aufgrund größerer Mengen aus dem Drucktank ausgelaufenen Spiritusses, der sich dann gemeinsam mit der Vorwärmflamme zu entzünden pflegte, zum Feuerlöscher hatten greifen lassen. Als letztes Mittel, gewissermaßen. So manchen Brand aber und darauf bin ich stolz, habe ich ganz ohne Verschwendung wichtiger Feuerlöschressourcen bekämpfen können.

    Immer allerdings war solch ein Vorkommnis auf einen Bedienungsfehler zurückzuführen – meist von Fremdpersonal.

    Ich habe also dieses System von druckbetrieben auf elektrisch umgebaut. So ist für die Zukunft dafür gesorgt, dass bei Bildung ungewöhnlich großer Flammen die Spirituszufuhr sofort unterbrochen werden kann. Sofern man denn eingeweiht ist und in der Lage, den entsprechenden, selbstverständlich versteckt eingebauten Schalter zu bedienen.

    Nach solch gravierenden Erfolgserlebnissen fällt es mir oft schwer, die Arbeit einzustellen. Es drängt mich nach weiteren positiven Erfahrungen. So auch an diesem späten Nachmittag. Trotz Rückkehr meiner Lieben wollte ich eben noch unser zweites Ladegerät reparieren, es arbeitete nun schon seit zwei Jahren nicht mehr. Wir brauchen es nicht wirklich, aber es ist schön, wenn man zwei hat.

    Ein echter, guter Grund für ein zweites Ladegerät sei hier erwähnt und relativiert die eben gemachte Aussage: Hin und wieder landet man in Häfen, deren Betreibergesellschaften eine ihrer vordringlichen Aufgaben darin zu sehen scheinen, für Bewegung und sportliche Aktivität ihrer Gäste zu sorgen. Diese selbstgestellte Aufgabe lösen sie virtuos, indem sie zum einen zwar Landanschlussdosen zur Verfügung stellen, in Einzelfällen perfiderweise sogar gratis, zum anderen aber diese mit Sicherungen von nur zwei Ampere Belastbarkeit versehen. Rechnen wir mal schnell: Das macht eine Entnahmemöglichkeit von ziemlich exakt 260 Watt. Kaffee kochen also ausgeschlossen, föhnen ebenso und meist auch das Aufladen der Bordbatterien, nehmen doch unsere modernen getakteten Ladegeräte sehr viel mehr Leistung auf, als eben diese 260 Watt.

    Davon, dass mit uns ein grausamer Spaß getrieben werden soll, ahnen wir nach dem Anlegen nichts. Freuen uns über den Gratisstrom, ziehen unser Landstromkabel im schlimmsten Fall mit drei Verlängerungen fünfzig Meter weit zur nächsten freien Steckdose, überprüfen den Leitungsweg selbstverständlich auf mögliche Stolperstellen und kehren nach getaner Arbeit auf unser Schiff zurück. Ein Blick auf's Amperemeter sagt uns: Alles Prima, Ladestrom 25 Ampere.

    Mehr zufällig sehen wir wenige Minuten später noch mal hin. Ladestrom Null. Kurz überlegen und feststellen, dass an Bord alles in Ordnung ist. Also ab, nochmal zur Steckdose. Die Sicherung wird aus irgendwelchen Gründen rausgesprungen sein. Ist so! Sicherung wieder reindrücken und zurück an Bord. Mit Glück liegen wir direkt am Steg. Dann ist der Weg erträglich. Aber als Vierter im Päckchen?

    Kein Mensch kommt auf die Idee, mal auf die Sicherung zu schauen, kein Mensch. Ich jedenfalls nicht. Alles wieder okay, entspanntes Zurücklehnen, lesen oder einfach so dasitzen und dösen. Aber leider nur genau so lange, bis es aus dem Bad tönt:

    ››Du, Schatz, der Föhn geht nicht.‹‹

    Irritierte Frage zurück:

    ››Wieso geht nicht? Ging doch gestern noch.‹‹

    ››Ja, jetzt geht er aber nicht!‹‹

    Kurzer Blick zum Amperemeter:

    ››Wie oft hab ich dir schon gesagt, du sollst ihn nur auf kleiner Stufe benutzen. Immer das gleiche Theater.‹‹

    ››Und nun? Was soll ich machen? Hab völlig nasse Haare. Und du weißt doch, dass meine Frisur nur sitzt, wenn ich sie föhne.‹‹

    ››Iss ja gut, ich geh schon, aber stell verdammt noch mal den Föhn jetzt auf halbe Leistung. Bitte!‹‹

    Im schlimmsten Fall läuft man fünf bis sechs Mal, bevor die Erkenntnis reift, dass hier etwas oberfaul ist. Und erst jetzt wirft man den schon längst fälligen Blick auf den Sicherungsaufdruck. Der Hafenbetreiber hat sein Ziel erreicht und noch viel mehr – die harmonische Grundstimmung zwischen den Eheleuten ist zumindest temporär eingetrübt!

    Es sei denn, man verfügt noch über so ein altes Schätzchen, wie wir es als Zweitladegerät an Bord haben. Acht bis zehn Ampere Ladestrom, entspricht einer Aufnahme von rund 150 Watt. Damit schlägt man jedem geizzerfressenen Hafenbetreiber ein Schnippchen. Und kann allen gewohnten Komfort aufrechterhalten. Nun gut, föhnen nicht, brauch ich aber auch nicht bei meinem Kurzhaarschnitt. Nur funktionieren muss es. Und darum werde ich es jetzt eben reparieren.

    ››Ja mach mal, find ich gut‹‹, sagt meine liebe Frau, ››wir sind sowieso kaputt heute und setzen uns erst mal in die Plicht. Dass es nur nicht so lange dauert.‹‹

    Und auf Nachfrage weiter:

    ››Ja ja, das mit dem Herd hast du prima gemacht. Wenn's dann auch funktioniert.‹‹

    Da schwillt die stolze Brust ganz schnell ab, oder?

    Es dauert tatsächlich nicht lange. Das Gerät, im Schrank unserer Heckkajüte eingebaut, ist schnell aufgeschraubt, zu Testzwecken werden die Sicherungen durch größere ersetzt, natürlich nur vorläufig, wirklich kaputt scheint nichts zu sein. Raus aus dem Schrank, war doch verdammt eng da drinnen und das Ding am Schaltpaneel eingeschaltet. Es lädt! Siehste, ging doch fix. Kurz Pause machen vor dem wieder Zuschrauben und im Salon schnell eine rauchen. Nur Sekunden später kommt von oben aufgeregt:

    ››Du, das stinkt ja bestialisch hier, und qualmen tut es wie verrückt.‹‹

    Ein Sprung und ich bin wieder im Schrank. Alles voller Rauch. Einige Kabel glühen noch. Feine Rußpartikel schweben durch die Luft. Das war's dann wohl endgültig mit unserem Ladegerät.

    Eine gute Stunde später sind alle sichtbaren Schäden beseitigt, das Gerät ist wieder zugeschraubt, als sei nichts gewesen, Schrank und Heckkajüte sind gesaugt und gelüftet, an die kleine Panne erinnert für die nächsten Tage nur noch der süßliche Geruch verbrannter Elektronikbauteile. Wir können essen gehen. Was bleibt, ist der bittere Nachgeschmack einer weiteren Niederlage im ewig erfolglosen Kampf mit der Schiffstechnik.

    Wo mein Fehler lag? Ich weiß es nicht. Hab nicht mehr danach gesucht.

    Bis vor Kurzem übrigens verfügten wir neben dem von mir zerstörten und wenig später ersetzten kleinen Ladegerät zusätzlich über einen leistungsfähigen Wechselrichter, der uns die häufig gewünschten 230 Volt produziert. Zu geringe Absicherungen der Stegsteckdosen konnten uns seitdem nicht mehr schrecken. Wir luden kontinuierlich mit dem kleinen Gerät und bezogen, sofern notwendig, bis zu drei Kilowatt über den Wechselrichter aus den Bordbatterien. Diese Anschaffung hat das eheliche Klima während der Saison nachhaltig verbessert. Geföhnt werden konnte jetzt immer. Und Kaffee gekocht werden auch. Zumindest wenn man mit Augenmaß vorging.

    Denn, und das ist wichtig zu ergänzen: Das Ganze funktioniert nur, solange die Batterien über genügend Saft verfügen. Wird zu exzessiv geföhnt, oder werden ganze Reisegruppen mit Kaffee verwöhnt, stößt man bald an die Grenzen der Physik – dramatisch bemerkbar an vollständig entleerten Bordbatterien. Um einem solchen GAU vorzubeugen, haben wir vor zwei Jahren noch einen draufgesetzt und zusätzlich ein kleines Blockheizkraftwerk an Bord genommen. Es produziert uns warmes Wasser, Strom und bei Bedarf auch Wärme. Seitdem sind wir, wenn wir es denn wollen, gänzlich autark – das ist ein schönes Gefühl und hat die eben erwähnte eheliche Harmonie zusätzlich gestärkt.

    Kapitel 2

    Träume vom neuen Boot und Segelübungen

    Eigentlich war mein Plan, weit früher in der Vergangenheit anzusetzen. Betrachten wir also das Vorstehende als kleine Einleitung oder besser noch als Vorgeplänkel.

    Ein anderes Boot sollte her. Groß genug sollte es sein, nicht so beengt, wie wir eines hatten. Und schön, natürlich schön. Und bezahlbar sollte es sein. Das waren die Ansprüche.

    Vor nicht zu langer Zeit hatte ich mein Café verkauft. Ein wenig Geld war also da. Eigentlich geplant fürs Alter. Bis dahin aber, bis dahin ist es ja noch lange hin – sagte ich mir damals. Es müsste also gehen.

    Sicher, für ein neues Schiff würde es nicht reichen – in der gewünschten Größe. So gut waren die Preise nicht für benutzte Cafés. Außerdem bekommt man wenig, wenn man neu kauft. Ein Schiff – ja. Aber Ausrüstung? Kaum. Höchstens ein paar Festmacher sind inklusive. Alles andere fehlt. Ist aufpreispflichtig. So zumindest war es damals. Ob es heute anders ist? Ich weiß es offengestanden nicht. Viel wird sich nicht geändert haben. Oder?

    Alles kostet extra – Navigationsausrüstung, Funkgerät, Log, Heizung, Warmwasserbereiter, Leinen, Schwimmwesten und wovon man sonst noch träumt. Sorry, so ist das. Schnell wird aus dem verlockenden Schnäppchenangebot auf der Bootsmesse, in der Werft oder in bunt bebilderten Magazinen ein schwer finanzierbares Abenteuer, eines, das leicht ruinöse Züge annehmen kann.

    Man braucht die Dinge aber, die gemeinhin fehlen auf einem neuen Schiff. Wer käme heutzutage noch auf die Idee, nur mit einem Kompass in See zu stechen? Wohl ausschließlich Extrempuristen. Nicht einmal die würden vermutlich auf einen Anker verzichten.

    Wie ich auch rechnete damals: Für ein neues Schiff in der gewünschten Größenordnung und vor allen Dingen Qualität, genügten die Mittel nicht. So viel Geld war nicht im Vorrat. Der Vorrat aber sollte reichen. Geborgt werden durfte nichts. Kein Pfennig. Nicht das kleinste bisschen. Da war ich eisern mit mir.

    Was blieb übrig? Ein Kasko? Und den dann ausbauen. Gott bewahre. So ähnlich hatte ich es schon. Früher mal. Davon war ich geheilt. Auf Dauer.

    Gab es Alternativen? Natürlich, den Gebrauchtbootmarkt. Da musste doch was möglich sein. Da gab es sicher interessante Angebote.

    Und bei Licht betrachtet: So ein gebrauchtes Schiff ist häufig ein ordentlich ausgerüstetes, eines, das schon über viele Accessoires verfügt, die man sich bei einer Neuanschaffung qualvoll vom Munde absparen müsste. Vieles wird geboten, was quasi ohne Aufpreis miterworben wird. So zumindest hörte ich von Menschen, die sich auskannten und las es auch hin und wieder in einschlägigen Ratgebern.

    Irgendwann im ausgehenden letzten Jahrhundert waren wir, so um 1996 herum, als mich die Idee von einem neuem Schiff umtrieb. Anfangs träumte ich nur so vor mich hin, abends bei Musik von Bob Dylan oder von dem kleinen Engländer, wie heißt er doch gleich? Rod Stewart, natürlich. Zur Musik genehmigte ich mir gern ein Gläschen Roten und hin und wieder auch eines mehr. Die Restfamilie schlief dann schon selig. Ich hatte es urgemütlich – niemand störte. Und ich konnte so ganz in Ruhe vor mich hinfantasieren. Manchmal pochte die Ehefrau an die Wand zwischen Schlaf- und Wohnzimmer. Sie war ungehalten ob zu lauter Musik, wie sie dann am nächsten Morgen streng bemängelte.

    Der Familie erzählte ich noch nichts in dieser Phase. Besonders meine liebe Ehefrau hätte mich für völlig verrückt erklärt. Wir hatten ja ein Schiff. Nicht groß, aber es ging so grade für uns fünf. Genutzt wurde es nicht so reichlich, wie ich es mir erträumt hatte, als es endlich fertig war und schwamm. Das lag nur wenige Jahre zurück. Darum auch meine Aversion gegen einen Kasko. Denn dieses Schiff hatte ich mit Hilfe des einen und zeitweise anderen Freundes über etliche Jahre hinweg komplett restauriert. Als ich es kaufte, war es nichts weiter als ein Wrack. In den Augen derjenigen, die etwas davon verstanden – beileibe nicht in meinen. Und so waren einige Jahre ins Land gegangen zwischen Ankauf und der ersten Nutzung als schwimmende Familienunterkunft. Ganz abgesehen davon, dass die Welt sich während dieser Zeit kontinuierlich weiterdrehte, gab es Familienzuwachs in dieser Zeit. Und den gleich doppelt: In Form eines liebreizenden Zwillingspärchens nämlich.

    Einerseits eine erfreuliche Entwicklung, die Eltern waren glücklich und froh, andererseits eine, die mir deutlich machte, dass ich gewaltig zu klein gekauft hatte, meine Planungen für den Schiffsausbau sahen im allerhöchsten Fall zwei Kinder vor. Und diese beengten Verhältnisse führten dann auch zu einer Nutzungsrate unserer ›Gallipoli‹, die weit hinter meinen Wünschen und Vorstellungen zurückblieb.

    Im Grunde waren die häufig von meiner lieben Frau erhobenen Einwände für mich nicht nachvollziehbar, hatten wir doch in früheren Urlauben schon kleinste Schiffe gesehen, aus denen heraus durchaus Vater, Mutter und bis zu fünf Kinder auf den Steg turnten. Und diese Boote waren nicht nur in meiner Erinnerung deutlich kleiner als unsere ›Gallipoli‹ gewesen. Gelegentlich hatten wir Kontakt mit solchen Crews. Regelmäßig machten sie einen durchaus gelassenen Eindruck und beklagten sich nur selten über Platzmangel. Jeder ist halt anders.

    Ja, und so fuhr ich dann häufig allein zu unserem Boot, verbrachte dort so manches Wochenende mit verschiedensten Pflege- und so manches Mal auch Reparaturtätigkeiten. Das wiederum war meiner lieben Frau auch nicht immer Recht; ich könne mich doch besser etwas mehr in die Familie einbringen, in der Woche würde ich ja eh nur arbeiten und sei kaum zuhause, außer zum Essen.

    Ein Vorwurf, der nicht völlig aus der Luft gegriffen war. Ich hatte tatsächlich viel zu tun, die Firma verlangte mir einiges ab, sie war noch jung und es machte Spaß, sie nach vorne zu bringen – ich arbeitete gern, war aber auch gern auf dem Schiff. Und so war nicht immer alles völlig harmonisch bei uns in diesen Jahren.

    Diese nicht ausschließlich erfreuliche Situation könne ich heilen, so ging es mir damals durch den Kopf, durch die Anschaffung eines Bootes mit mehr Platz für die Familie. So kam es zu den vorhin von mir beschriebenen Träumen.

    Zum Glück bin ich nicht völlig frei von realistischer Einschätzungsfähigkeit. Weil das so ist, wurde mir bei meinen Überlegungen schnell klar, dass es eine gravierende Klippe zu umschiffen galt. Und diese Klippe drohte meinen Träumereien durchaus ein fixes Ende zu bereiten. Sie bestand, der geneigte Leser wird es ahnen, in meiner lieben Frau. Die galt es zu überzeugen von meinen Plänen und Ideen. Nicht leicht würde das werden, nahezu unmöglich eigentlich. Aber – mir würde sicherlich etwas einfallen, etwas, das sie überzeugte, die gute Ehefrau. Nach Möglichkeit etwas, das dieses Projekt zu ihrem eigenen machen würde. Das wäre das Beste.

    So saß ich also weiter in meinem Sessel, trank manchmal guten, so manches Mal auch weniger guten Rotwein und blätterte in Magazinen, die eine ihrer vordringlichen Aufgaben darin sehen, interessierten Menschen die Möglichkeit einzuräumen, ihre gebrauchten Schiffe anzubieten und gleichzeitig die Bedürfnisse derjenigen Menschen zu erfüllen, die geneigt sind, eines der dort angebotenen Objekte zu erwerben. Nebenher aber kreisten meine Gedanken immerzu um das Hauptproblem – die erwähnte Klippe.

    Ganz ähnlich war die Situationen vor Jahren schon einmal gewesen. Damals war ich in Holland, bei meinem Cousin Karel zu Besuch. Er hatte vor langer Zeit mit leidlichem Erfolg versucht, mir das Segeln beizubringen. Wir waren, es ist wirklich lange her, mit kleinsten Jollen unterwegs. Nicht immer, es wird sich daran nichts geändert haben, sind das die stabilsten Boote gewesen.

    So fielen wir hin und wieder um. Wie das so ist beim Jollensegeln. Einmal, es war nicht zu spät im Jahr, kalt und windig, in meiner Erinnerung ist es April gewesen, kenterten wir nicht wirklich, ich aber fiel einfach raus aus unserem Boot. Weil ich eine Bö völlig falsch eingeschätzt hatte. Ich war Vorschoter und hatte somit auch für den Trimm zu sorgen. Was mir auch gelang, als die heftige Böe einfiel. Es gelang mir nicht mehr, als der steife Wind ganz plötzlich nachließ. Das Boot neigte sich für mich viel zu schnell auf die Seite, auf der ich weit nach außen hing, erreichte nach wenigen Sekunden einen Winkel von deutlich 45 Grad zur Senkrechten und ich lag, schwupps, im Wasser. Gemeinsam mit meinen Gummistiefeln, dickem Pullover, zwei Hosen und ordentlicher Regenbekleidung, die ich sonst zum Motorradfahren nutzte. Für eine Schwimmweste hatte es bei den vielen Plünnen nicht gereicht. Mein Gefühl sagte mir nach Sekundenbruchteilen, dass nun wohl mein letztes Minütlein geschlagen habe – so sehr ich auch strampelte, ich konnte den Kopf kaum über Wasser halten, so zumindest war mein subjektiver Eindruck. Beunruhigt, wie ich war, fing ich kräftig an zu schreien:

    ››Hilfe, Hilfe‹‹, was wiederum meinen Cousin nervös machte. Bei ihm zeigten sich ob meines Gebrülls gravierende Koordinationsmängel, diese führten dazu, dass er unser Boot nach meiner Auffassung nicht ausreichend schnell in meine Richtung manövrierte. Voller Panik schloss ich ab mit meinem Leben. Viel zu früh, nach meiner Meinung.

    Die Situation entspannte sich nachhaltig und ganz in meinem Sinne, als ein mit Höchstgeschwindigkeit heraneilender Motorbootfahrer sich meiner annahm und mir eine temporäre Heimstatt auf seiner Badeplattform anbot. Ich nahm die Einladung dieses freundlichen Menschen wirklich gerne und voller Dankbarkeit an, zerbrach ihm allerdings ohne jede Absicht seinen Flaggenstock, als ich mich mit wirklich letzter Kraft aus dem Wasser schleppte. Seit dieser Erfahrung weiß ich genau, wie schwer mit Wasser gesättigte Kleidung ist, wenn man versucht sie gemeinsam mit dem eigenen Körper aus dem unglaublich kalten Nass eines im April daliegenden Sees herauszuhieven.

    Kapitel 3

    Frühere Träume und eine Motorradreise

    Dieses wenig erfreuliche Erlebnis hat nicht dazu geführt, dass ich für die Zukunft auf Besuche bei meinem Cousin verzichtete. Es hatte ja auch noch mal jutjejangen und er konnte wenig für meinen Fehler. Und die Segelei machte mir nach wie vor Freude. Weniger das In-den-Bach-fallen.

    So war ich wenig später wieder mal zu Besuch in dem ein bisschen heruntergekommenen Reihenhaus aus den frühen dreißiger Jahren, erbaut in typisch holländischem Arbeiterstil: Dünne Wände aus harten, rotgebrannten Ziegeln, Holzbalkendecken, in jedem Raum ein Gaskamin. Im Winter verbreitet er angenehm zischende Wärme. Es war heimelig gemütlich dort und wir verstanden uns gut. Im frühen Sommer 1983 ist das nach meiner Erinnerung gewesen und ich studierte den immer herumliegenden niederländischen ›Waterkampion‹, eine Wassersportzeitschrift mit ausführlichem Gebrauchtbootmarkt. Karel machte irgendwas – ich war allein in der großen hohen Wohnküche.

    Und wie ich so lese in dem spannenden holländischen Blatt, blieb ich bei einer Anzeige hängen, die in etwa ins deutsche übersetzt wie folgt lautete:

    Teileigentum an Yachten

    u.a. Dogger Van der Stadt

    Preis Teileigentum Hfl. 1.700,00

    Gesamtkaufpreis Hfl. 13.000,00

    Telefonnummer: soundso

    Hm, dachte ich so bei mir selbst. Was bitte soll das denn wohl heißen? Teileigentum? Kann das für dich was sein? Und wo, wo gibt's dieses Teileigentum? 13.000 für ein ganzes Schiff? Nicht teuer! Einige Fragen schossen mir durch den Kopf. Aber ich konnte den Fall verdrängen, las weiter, studierte einige andere Anzeigen und kümmerte mich um den redaktionellen Teil des ›Waterkampion‹.

    Verdrängen konnte ich das Gelesene genau so lange, bis wir abends beieinandersaßen und eine Flasche aufgezogen hatten:

    ››Du, sag Karel, ich hab da diese Anzeige gesehen, schau hier. Was bitte bedeutet das?‹‹

    ››Tja, weiß ich auch nicht. Iss es denn wichtig für dich? Wahrscheinlich wollen die irgend'ne alte Krücke verkaufen und wie es scheint auch nur in Teilen.‹‹

    ››Nö, nicht wirklich wichtig, ich mein ja nur. Und solche richtige Yacht, mit Kiel und so, die kippt ja auch nicht um. Könntest du da anrufen und fragen?‹‹

    Der Abend wurde länger – ich ließ nicht locker. Nach zwei weiteren Flaschen hatte ich ihn weichgeklopft:

    Ja, er würde anrufen! Damit ich Ruhe gäbe. Die Sache sei doch völliger Quatsch, aber bitte, er würde das machen für mich.

    Dafür war ich dankbar. Ich spreche leidlich Niederländisch, ein unter Umständen kompliziertes Telefonat traute ich mir allerdings nicht zu. Nach der dritten Flasche gingen wir ins Bett. Oder erst nach der vierten? Es war jetzt wirklich spät.

    Frühstück gab es für uns nicht in aller Herrgottsfrühe, eher gegen Mittag. Und danach wurde telefoniert.

    Ein holländischer Yachtvercharterer bot Anteile an seinen Mietschiffen an. Und obendrein hatte er, so formulierte er sehr werbewirksam, noch ein echtes Schnäppchen an der Hand. Nämlich jene in der Anzeige genannte Dogger. Sie läge bei ihm, sei aber nicht im Charter, er würde sie am liebsten in Gänze verkaufen, darum der geringe Preis. Ein sehr stabiles Schiff sei das, eine ›Van der Stadt 33‹ aus Stahl. Wie gemacht für weite Seereisen. Der Name des Bootes laute

    ›Swan of Durgerdam‹,

    ein schöner Name sei das, oder? Einziger Haken an der Geschichte: Seine Charterbasis sei in Griechenland, genauer auf Korfu. Auch deshalb der geringe Preis. Man solle es sich gut überlegen. Das Angebot sei nahezu einmalig.

    Au, scheiße, dachte ich, Griechenland. Hatte aber Blut geleckt. Ein eigenes Boot in Griechenland. Das hätte was.

    ›› Sollte man sich ansehen. Oder? Was meinst du?‹‹

    ››Was ich meine?‹‹, reagierte Karel mit merkbar scharfem Unterton, ››dass du komplett verrückt geworden bist. Ohne mich, ganz sicher.‹‹

    ››Ich fahr da hin. Guck mir das an. Im Urlaub, im späten Sommer. Zusammen mit Conny. Wir haben eh noch nichts Konkretes vor.‹‹

    Eine Weile sprachen wir noch, einer Meinung waren wir nicht, zumindest nicht zu diesem Thema. Überdies war Karel der Auffassung, dass Conny mir was husten würde, ganz sicher aber nicht mit mir nach Griechenland führe.

    ››Wir werden sehen – wart's ab.‹‹

    Zumindest aber telefonierte er ein zweites Mal für mich und signalisierte gegen seine Überzeugung und deutlich in meinem Namen Interesse an der Dogger.

    ››Schön‹‹, sagte der Vercharterer, ››wir bleiben in Kontakt.‹‹

    Im sehr späten Sommer fuhren wir tatsächlich. Die Vorarbeiten waren nicht leicht für mich. Ich bin kein Diplomat. Ich musste wirklich kämpfen:

    ››Spatzerl, was hältst du von Urlaub in diesem Jahr?‹‹

    ››Toll, natürlich, haben wir noch gar nicht drüber gesprochen, was meinst du, wohin soll es gehen? Ich fände Holland

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