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Paarungen: Novelle
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eBook92 Seiten1 Stunde

Paarungen: Novelle

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Über dieses E-Book

Der Ostseeurlaub eines Paares geht nicht ohne erotische Verwicklungen.

Wir sind doch nur typische Kleinbürger mit scheinbar fortschrittlichen Ansichten, die wir lauthals in die Welt posaunen, um allen zu zeigen: seht her, wie frei und progressiv wir sind. Die Kreise, in denen wir uns bewegen sind nichts anderes als die sumpfig modrige Brutstätte des Spießertums.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum27. Sept. 2014
ISBN9783847613602
Paarungen: Novelle

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    Buchvorschau

    Paarungen - Gerhard Schumacher

    Marlene und Kaspar, ein Paar

    1

    Es ist die Zeit. Die Zeit der Magier, der Täuscher, des Verlangens und des Ekels. Die Zeit der Enttäuschten und der Einsamen. Die Zeit der Wiederkehr, des Erkennens und Vertuschens. Die Zeit der Gläubigen, der Spötter und Narren. Die Zeit der Revolution und des Stillstands. Die Zeit der Träumer. Sie kehrt aber und abermals wieder. Seit Jahrhunderten und länger, wiederholt sie sich beständig und immer. Niemand vermag ihr zu entfliehen. Niemand vermag sie abzustellen, verschwinden zu lassen. Niemand kann sie vergessen machen. Genauso wenig wie die Jahreszeiten oder das Alter. Es ist diese verdammte Zeit.

    Die angenehme Lethargie war dem warmen Sommerwetter geschuldet und erreichte beinahe schon südländische Wesensart. Marlene schlug vor, einige Tage an die Ostsee zu fahren. Sie wollte in diesem Jahr noch einmal im Meer schwimmen. Kaspar stimmte zu. Die Entscheidung war eine spontane und fiel, wie man so sagt, aus dem Bauch heraus.

    Schwieriger schon war es, kurzfristig ein geeignetes Quartier zu finden. Hotels und Gasthöfe erwiesen sich als durchweg belegt. Ferienwohnungen desgleichen. Letztendlich buchte Kaspar für eine Woche ein Haus in Strandnähe, viel zu groß für sie, fast schon luxuriös und dementsprechend kostspielig. Allerdings boten sich ihnen keine Alternativen. Es war der Preis, den die Spontaneität forderte. Last minute auf höchstem pekuniären Niveau. Selbst Marlene musste lächeln, als Kaspar den Gedanken wie nebenbei aussprach.

    Am Morgen des Sonntags fuhren sie los.

    Marlene döste mit geschlossenen Augen auf dem Beifahrersitz. Kaspar bewunderte sie für diese Fähigkeit. Er selbst konnte weder schlafen noch vor sich hin dämmern oder überhaupt die Augen schließen, wenn ein anderer als er selbst am Lenkrad saß. Da er dieses Verhalten auch in Bussen mit professionellen Fahrern nicht abzulegen in der Lage war, wurden längere Fahrten zu einer Qual für ihn, während Marlene frisch und ausgeruht aus dem Auto stieg. Kaspar führte seine Eigenart weniger auf fehlendes Vertrauen in die Befähigung des jeweiligen Chauffeurs zurück, denn auf die Unart der eigenen Fantasie, sich jede erdenkliche Unfallmöglichkeit in überaus blutigen Bildfolgen auszumalen. Sobald er die Augen schloss, hörte er bereits die Sirenen der Rettungsfahrzeuge. Das war natürlich nicht normal, aber für einen Besuch beim Psychiater maß Kaspar seiner Absonderlichkeit keine ausreichende Bedeutung zu. Ähnlich verhielt es sich mit seiner Höhenangst, die er nach und nach entwickelt hatte und die mit zunehmendem Alter geradezu groteske Formen annahm. Kaspar konnte ohne Schweißausbrüche weder über Talbrücken fahren (vom Laufen ganz zu schweigen), noch im Fernsehen von der Couch oder im Kino vom Sperrsitz aus in Abgründe, Schluchten oder tiefe Täler schauen. Seine größte Angst war es, von Bekannten zum Geburtstag eine Ballonfahrt geschenkt zu bekommen. Es war Schick derzeit, -in- und verströmte einen Hauch von dekadentem Snobismus. Gerade in den letzten Jahren hielten das viele Leute für eine ganz besondere Geschenkidee. Kaspar wäre eher gestorben, als sich auch nur in die Nähe eines Korbs zu begeben, der von einem gasgefüllten Ballon in unbestimmte Höhen gehoben werden konnte. Ihm zitterten alle Glieder, wenn er daran dachte, in einem offenen Geflecht den Elementen ausgeliefert zu sein und jederzeit im freien Fall auf die Erde rasen zu können, so er über die Reling fiel. Und über die Reling, das war für ihn völlig klar, würde er mit absoluter Sicherheit fallen.

    Komischerweise machte ihm das Fliegen nichts aus. Ganz im Gegenteil schaute er beim Start des Flugzeugs gerne aus dem Fenster, sah, wie die Maschine vom Boden abhob, an Höhe gewann und die Landschaft darunter sich immer weiter entfernte. In dieser Röhre mit starren Flügeln rechts und links, wie sie kein Vogel hatte, (es war ihm nie so richtig verständlich geworden, wie sich ein derartiger Koloss in die Luft erheben und in aller Regel auch oben halten konnte) fühlte er sich erstaunlicherweise sicher. Er verdrängte die Lösung seiner beiden Probleme, die er anderen gegenüber gerne als Schrullen oder Macken verniedlichte.

    Den grünen Kasten hatte Kaspar erst bemerkt, als orangefarbenes Blitzlicht ihn aus seinen allgemeinen Betrachtungen schreckte und daran erinnerte, dass er ein Auto fuhr. Und das offensichtlich zu schnell. Er lenkte den Wagen an den Straßenrand, hielt an und stellte den Motor ab. Marlene, aufgrund der fehlenden Motorgeräusche und dem Stillstand der Bewegung aus ihrem Halbschlaf aufgeschreckt, wollte wissen, was los ist, warum er anhielt und ob sie vielleicht schon vor Ort, will heißen, am Ziel, seien.

    Nein, sagte Kaspar, sie seien noch nicht vor Ort, aber wenn einer am Ziel sei, wäre er selbst das. Ausschließlich er, und fügte die Worte Scheiße, gottverdammte Scheiße, an. Was ist los, fragte Marlene, du fluchst doch sonst nicht so.

    Es sei wegen des orangefarbigen Lichts soeben, antwortete Kaspar ihr, er sei geblitzt worden und habe sein endgültiges Ziel damit erreicht. Die Endstation sozusagen. Marlene ließ das Fenster herab. Warme Luft strömte ins Wageninnere.

    Du wirst doch nicht zum ersten Mal geblitzt, sagte sie, seit wann dies ein Grund zur Aufregung für ihn sei.

    Doch, eben genau das sei der Grund, dass er nicht zum ersten Mal geblitzt wurde. Sein Punktekonto sei so voll, wie er sich seine Geldbörse immer gewünscht habe. Eine weitere Möglichkeit, geblitzt zu werden, wird es wohl vorerst nicht geben. Seiner Schätzung nach, fügte Kaspar hinzu.

    Allmählich verstünde sie das Problem, meinte Marlene, er werde für eine gewisse Zeit seinen Führerschein los, was in der Konsequenz bedeutete, sie, Marlene, dürfe ihn, Kaspar, durch die Gegend kutschieren, wenn er dringend zu einem Termin müsste. Das aber, jetzt lächelte sie Kaspar an, könne er sich getrost aus dem Kopf schlagen, weil es ganz sicher nicht passieren würde. Schließlich gebe es einen öffentlichen Personenverkehr, sprich Busse und Bahnen, wenn sie ihn daran erinnern dürfe.

    Busse und Bahnen, ja, nickte Kaspar, die gibt es wohl und ihn schauderte bei dem Gedanken an seine mobile Zukunft. Dann startete er, lenkte den Wagen wieder in den Verkehr der Landstraße und fuhr die letzte Strecke ihrem gemeinsamen Ziel entgegen.

    Bei der Schlüsselübergabe in der Agentur erhielten sie eine kurze Wegbeschreibung, derer es nicht bedurfte, weil das angemietete Haus in dem überschaubaren Ort auch ohne diesen Hinweis leicht zu finden war.

    Von der Hauptstraße bogen sie linker Hand in einen unbefestigten Weg ein, der an einer Reihe villenähnlicher Häuser entlang führte, hinter denen Marlene und Kaspar das Meer wussten. Das vorletzte Haus der Zeile war ihr Domizil für die Zeit des Urlaubs.

    Während das Gebäude rechts von dem ihren einen unbewohnten Eindruck machte, schien das linke belegt zu sein. Marlene sah einen silbergrauen Wagen vor der Garage parken, konnte indes nicht erkennen, um welche Marke

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