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Totenwache 2.Teil: Banque pour l'art
Totenwache 2.Teil: Banque pour l'art
Totenwache 2.Teil: Banque pour l'art
eBook617 Seiten8 Stunden

Totenwache 2.Teil: Banque pour l'art

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Über dieses E-Book

In der Hoffnung, wieder in den Polizeieinsatz zurückkehren zu können, muss sich Sarah Fender erneut einer herben Enttäuschung stellen. Gebraucht zu werden, aber nicht als Polizistin im Dienst, ist für Sie nicht verständlich, schon gar nicht akzeptabel. Erneut hadert sie mit sich und all denen, die es eigentlich gut mit ihr meinen. Glücklicherweise ist dieser Gemütszustand nur von kurzer Dauer, denn die Sache mit den gefundenen Kunstgegenständen geht in die nächste Runde. Eine ominöse Schweizer Privat-Bank stellt im Auftrag einer französischen Compagnie Besitzansprüche. Erneut wird sie, wenn auch nur widerwillig, zusammen mit "ihrem" Kommissar Frank Wagner ins Rennen geschickt. Beauftragt, diverse Unterlagen nach Bern zu bringen, sollen sie ausloten, inwiefern die Ansprüche überhaupt gerechtfertigt sind. Konfrontiert mit den mitunter skrupellosen Machenschaften der "Banque pour l'art", kommen den Beiden ziemlich schnell Zweifel an der Richtigkeit der Ansprüche. Unterstützt werden sie dabei von dem Sohn eines russischen Offiziers, der maßgeblich an dem damaligen Verschwinden der Kunstgegenstände beteiligt war. Das, was Sarah und Frank vor einem Jahr in Glostelitz im "Raum ohne Türen" gefunden haben, war nur ein Drittel einer viel größeren Ansammlung von Kunstgegenständen, die die Juden vor den Nazis in Sicherheit zu bringen gedachten. Das sogenannte "Menora-Vermögen" wurde 1945 zur Beutekunst wobei die zwei Drittel der Sammlung unter bedenklichen Umständen über Frankreich in die Schweiz gelangten. Daraus resultieren nun die Ansprüche auf das fehlende Drittel, welches in Glostelitz gefunden wurde. Sarah und Frank tauchen in eine Welt ab, in der das Zwischenmenschliche auf der Strecke geblieben scheint. Sie müssen ankämpfen gegen die Hierarchien und Mechanismen der Bankenwelt und werden in einen fast aussichtslosen Konflikt hineingezogen. Einschneidende Ereignisse in Bern lassen die Beiden ergebnislos nach Berlin zurückkehren, aber Sarah hat Blut geleckt.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum28. Feb. 2017
ISBN9783742795571
Totenwache 2.Teil: Banque pour l'art

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    Buchvorschau

    Totenwache 2.Teil - Tonda Knorr

    Kapitel 1

    Banque pour l’art

    -Totenwache 2. Teil-

    von

    Tonda Knorr

    Behutsam berührte Sarah die vermutlich von Franzi liebevoll um die Türklinke gewickelte kleine rote Schleife. Sie zögerte ein wenig das kalte Messing der Klinke zu berühren um das nagelneue, fast schon überdimensionalem Holztor zu öffnen, welches zu der Scheune gehört, die im letzten Jahr während der aufregenden Ereignisse um ihren Gutshof fast bis auf die Grundmauern abgebrannt wäre, wenn, ja, wenn da nicht ihr ganz persönlicher Kommissar und die Einwohner von Glostelitz gewesen wären. Vorsichtig nimmt Sarah ihre Hand zurück und vergräbt sie in ihrer Hosentasche. Ihr Blick schweift durch das leicht getönte Glas der Torfenster, welche einen verschwommenen Blick in das Innere zulassen.

    Systematisch kehrten die Bilder der Geschehnisse um die auf ihrem Grundstück gefundenen toten russischen Soldaten zurück. Und mit den Bildern des letzten Sommers kamen auch die Erinnerungen an das Jahr davor zurück.

    Sie, Sarah Fender, eine 35jährige lebenslustige, ganz ansehnliche, um nicht zu sagen hübsche Berliner Hauptkommissarin aus wohlhabendem Hause, wurde bei einem Polizeieinsatz im Jahr 2005 von ihren Kollegen im Stich gelassen, geriet in einen Hinterhalt, wurde verprügelt und vergewaltigt.

    Auf Grund medizinischer Gutachten wurde sie für dienstunfähig erklärt und in den Ruhestand versetzt. Mit sich selbst, ihren Eltern, dem mit ihrer Familie befreundeten Polizeidirektor und dem Rest der Welt unzufrieden, nahm sie nach ihrer langwierigen Genesung ein Jahr später das Angebot ihres Vaters, einem Berliner Großindustriellen an, auf einem schon ewig leerstehenden, von Ihrem Vater günstig erworbenen, ehemaligen Gutshof in Glostelitz zur Ruhe zu kommen.

    Glostelitz ist ein kleines verschlafendes Dorf in Brandenburg, welches wie viele andere noch immer auf den versprochenen großen Aufschwung wartete.

    Bei Bauarbeiten auf dem Gutshof wurden menschliche Knochenreste gefunden, die bei ihr langsam wieder den polizeilichen Instinkt weckten. Da den Knochenresten russische Uniformen beilagen, wurde die Angelegenheit zu einem Fall für eine spezielle Sonderkommission, die dem Berliner Polizeidirektor Bernhard Kuntz untersteht. Als Erziehungsmaßnahme beauftragte Kuntz den damals wegen Befehlsmissachtung suspendierten Kommissar Frank Wagner, sich des Falles anzunehmen.

    Unwissend, dass der Kommissar genau den Mann im Dienst erschossen hat, der als Drahtzieher des Hinterhalts galt, welcher Sarahs Leben verändert hatte, entwickelte sich zögerlich eine Zusammenarbeit, die Frank Wagner mehr und mehr daran zweifeln ließ, dass er es bei ihr mit einer normalen Zivilistin zu tun hatte.

    Anfangs schien der Fall uninteressant, wurde aber nach und nach zu einer geheimnisvollen Reise durch die deutsche Vergangenheit.

    Von den Dorfbewohnern noch mit Argwohn beobachtet, unterstützte Sarah den Kommissar bei seiner akribischen Kleinarbeit und wurde dann zur treibenden Kraft.

    Lange Zeit hüllten sich die Dorfbewohner in Schweigen.

    Ein Pfarrer, der keiner ist, eine geheimnisvolle alte Frau, Sarahs Nachbarin, die bis zum Fund der Knochenreste tagtäglich auf der Straße gegenüber Sarahs Scheune hockte und vor allem Benno, der unberechenbare sonderbare Sohn des Pfarrers, der fortwährend von einem Raum ohne Türen faselte, gaben Sarah und dem Kommissar mehr Rätsel auf, als dass sie ihnen bei der Lösung des Falls behilflich waren.

    Während sie dem Geheimnis der Toten nur schleppend auf die Spur kamen, entwickelte sich zwischen ihr und Frank eine persönliche Zuneigung, die sich bei ihr dadurch verstärkte, dass sie Franks Tochter kennenlernte. Konfrontiert mit der Offenheit, mit der der Kommissar und seine 10jährige Tochter Franziska mit dem Tod seiner Frau und ihrer Mutter umgingen, überdachte Sarah ihr eigenes Leben. Trotz der langsam aufkommenden Zuneigung für Frank, ließ sie ihn über ihre Vergangenheit im Unklaren. Sie hatte viel zu viel mit sich selbst zu tun, als sich ihm vollends zu öffnen, obwohl die Möglichkeit da war, als Frank ihr eigentlich ganz nebenbei suggerierte, dass er im Dienst ihren Peiniger erschossen hatte.

    Jede seiner Fragen zu ihrer Vergangenheit ließ sie unbeantwortet. Sie ließ sie ihn sogar im Ungewissen darüber, wen er da erschossen hatte und erkannte nicht, dass er eigentlich mehr an ihr als Person, als an ihrer beruflichen Vergangenheit interessiert war. Sie merkte einfach nicht, dass Frank sich genauso in sie verliebt hatte, wie sie in ihn.

    Über seine Möglichkeiten als Polizist erfuhr Frank aber doch von ihrem Vorleben, aber auch er offenbarte ihr sein Wissen nicht.

    Sarah huschte ein Lächeln über das Gesicht, während sie an die Geheimniskrämerei von damals zurückdachte. Wie einfach könnten sich die Menschen doch ihr Leben machen, wenn sie einfach mehr miteinander reden würden. Gerade sie, die doch eigentlich immer das Herz auf der Zunge trug.

    Umso näher sie der Lösung des Falles kamen, desto mehr merken Beide, dass der Moment der Offenbarung näher rückte.

    Während der Fall langsam ungeahnte Ausmaße annahm, überschlugen sich die Ereignisse. Der Kreis der Verdächtigen, Opfer und Täter wurde immer undurchsichtiger. Sarahs Scheune, vor der sie jetzt stand, in der sie und der Kommissar durch Zufall für den Fall anscheinend relevante Akten aus der deutschen Geschichte vom Krieg bis in die Stasizeit fanden, wurde von Benno, dem Sohn des Pfarrers, angezündet. Was für eine Katastrophe! Und während Frank Sarahs Nachbarin, die das Feuer löschen wollte, aus der Flammenhölle rettete, wurde ihr bewusst, dass er ihre Geschichte kennt.

    Was hatte sie sich auch dämlich angestellt um ihre Vergangenheit zu verheimlichen. Fünfzehn Jahre im Polizeidienst kann man vor einem Kommissar halt nicht verbergen. Die Fragen die sie stellte, wie sie sie stellte, das persönliche Verhältnis ihrer Familie zum Polizeidirektor und schließlich ihr routinierter Umgang mit der Technik eines Einsatzwagens, all das musste auch der dümmsten Nuss aufstoßen. Und Frank war alles andere als dumm. Aber er behielt seine Erkenntnisse für sich. Er wollte sie nicht bedrängen.

    Trotzdem fühlte sie sich gekränkt und hintergangen und stieß ihn, den nach der Rettungsaktion auch noch gesundheitlich angeschlagenen Kommissar, vor den Kopf.

    Wieder musste Sarah schmunzeln. Das erste Zerwürfnis, obwohl sie noch gar kein Paar waren.

    Und dann waren da Gustav und Lisa. Wer weiß, wie es weitergegangen wäre, wenn die zwei sie nicht umgehend zurechtgestaucht hätten.

    Ohne ihren Rat zu suchen wurde sie von Gustav, einem alten Angestellten ihres Vaters und von ihrer besten Freundin Lisa zurechtgewiesen. Sie zögerten keine Sekunde, ihr die Leviten zu lesen und einen Spiegel vorzuhalten.

    Was ist Sarah den Beiden heute dankbar dafür.

    Zur Aussprache mit Frank bereit, tauchte sie wieder in die harmonische Welt von Frank und seiner Tochter ein und musste erkennen, dass sie mit ihrem persönlichen Leid nicht der Nabel der Welt war. Leider konnte sie sich Frank nicht erklären, da ihm seine Verletzungen schwer zu schaffen machten.

    Als Sarahs Vater, zu dem sie kein besonders harmonisches Verhältnis pflegte, durch einen Herzinfarkt schwerverletzt verunfallte, war Frank aber wider Erwarten zur Stelle. Sarah erwachte vollends aus ihrer Lethargie und gestand sich die Liebe zu Frank ein. Sie verbrachten eine unvergessliche Nacht miteinander, und sie fühlte sich seit langem mal wieder richtig geliebt, verstanden und vor allem geborgen. Nach und nach fand Sarah ihren persönlichen Frieden wieder, bis der Fall eine ungeahnte Wende nahm.

    Sie war die Erste die den Eigenbrödler Benno ernst nahm, ihn vor einer großen Dummheit bewahrte und so mit der Nase auf die Lösung des Falles gestoßen wurde.

    Der jahrzehntelangen Geheimniskrämerei müde, öffneten sich mehr und mehr die bisher unbeteiligt wirkenden Dorfbewohner, allen voran Sarahs Nachbarin Sina Rosenbaum, fünf geheimnisvolle alte Männer und der Pfarrer, wobei jeder seine eigene Geschichte hatte und sich erst zu diesem Zeitpunkt erkennen ließ, wie weit diese eigentlich miteinander verflochten waren. Ein schreckliches Verbrechen in den Wirren der Nachkriegstage und eine nicht weniger schreckliche Vergeltungsaktion.

    Für Sarah und Frank war kaum noch zu erkennen, wo eigentlich die Grenze zwischen Schuld und Unschuld war. Sie wurden nicht nur mit dem Kleinbürgertum eines Dorfes konfrontiert, sondern mussten sich auch mit der dunklen Vergangenheit des Holocaust, den Nachkriegsrepressalien der russischen Armee und den Machenschaften der Stasi in der ehemaligen DDR auseinandersetzen.

    Es zeigte sich, dass die gefundenen Knochenreste nicht nur die Überbleibsel eines Kapitalverbrechens waren, sondern führte die Beiden auch zu einem spektakulären Fund.

    Es stellt sich heraus, dass der Raum ohne Türen realer war als angenommen, und er bescherte den Dorfbewohnern von Glostelitz für einen Moment das Gefühl der gesellschaftlichen Dazugehörigkeit.

    Russische Rotarmisten machten an diesem verhängnisvollen 10. Juli 1945 während eines Transportes von Kunstgegenständen Halt in Glostelitz. Während eines Saufgelages vergewaltigten sie Sinas Mutter. Ihre ganze Familie musste sich die Tortur mitansehen. Sina, damals gerade zehn Jahre alt, erlebte, versteckt auf dem Heuboden, nicht nur wie ihre Mutter gedemütigt wurde, sie musste auch hautnah miterleben, wie ihr Bruder den russischen Peiniger mit einer Heugabel tötete und die restlichen Soldaten daraufhin ihre Eltern, ihren Bruder, ihren Onkel und ihre Tante in einem tosenden Kugelhagel niedermetzelten. Sie rannte um ihr Leben und fand Zuflucht in der alten Dorfkirche. Schützend stellte sich der alte Pfarrer, Werner Grams Vater, den Russen entgegen. Sina überlebte, der Pfarrer nicht. In ihrem Frust, ein verängstigtes kleines Mädchen nicht gefunden zu haben, brannten sie die Kirche nieder und verwüsteten den Dorffriedhof, während sich die kleine Sina fast zwei Tage im Wald versteckte. Es zerriss Sarah das Herz, als ihr Sina vor einem Jahr ihre Geschichte erzählte, nichts ahnend, dass genau in dieser Zeit, in der Sina sich versteckte, fünf Jugendliche aus dem Dorf das Recht in ihre Hand nahmen, die ihren Rausch ausschlafenden Soldaten überwältigten und erschossen. In einer Nacht und Nebelaktion wurden die Leichen der Soldaten, Sinas Familie und der Pfarrer auf dem alten Gutshof vergraben. Nach dem Krieg war es ein Leichtes, Leichen verschwinden zu lassen, ohne dass jemand nachfragte. Die Kunstgegenstände wurden in ein altes Werkstattgebäude eingemauert und über das Geschehen legte sich ein Mantel des Schweigens. Sechzig lange Jahre.

    Sarah war sich bis dahin noch nicht sicher, wer außer den Beteiligten davon wusste. Sie rannte die ersten Tage gegen eine Mauer aus Verschwiegenheit, Unwissen und Geheimniskrämerei. Erst Benno stieß sie auf die Lösung. Von seiner Mutter verlassen und auf der Flucht vor dem langweiligen Dorfleben, entdeckte er die Unstimmigkeiten zwischen der inneren und äußeren Architektur des alten Werkstattgebäudes. Verzweifelt drohte er, wegen der ihm von seinem Vater, den Sohn des alten Pfarrers auferlegten Verschwiegenheit, an seinem Wissen zu zerbrechen. Der fast nicht mehr auszuhaltenden Geheimniskrämerei müde, offenbarten sich die in die Jahre gekommenen fünf Jugendlichen Sarah und dem Kommissar. Sie allein wussten, dass in den Kisten Kunstgegenstände von unschätzbarem Wert waren. Was für ein unvorhergesehener Fund für das verschlafene Dorf. Auf einmal war Glostelitz in aller Munde. Sarah, die sich mittlerweile in Glostelitz angekommen fühlte, ging es nicht um den Wert der Kunstgegenstände. Sie erkannte sofort, wie einem fast vergessenen Ort mit so einem Fund in der Öffentlichkeit plötzlich alle Türen offenstanden. Sie spürte die Sehnsucht der Dorfbewohner, wieder einen Friedhof und eine Kirche haben zu wollen, und so setzte sie alle Hebel in Bewegung, dies zu ermöglichen. In ihrem Vater und dem Polizeidirektor Bernhard Kuntz fand sie auch tatsächlich bereitwillige Unterstützer.

    Es verging nicht viel Zeit, und die Dorfbewohner konnten in einer bewegenden Zeremonie einen kleinen Kirchenneubau und den wieder hergestellten Friedhof einweihen.

    Ein unvergesslicher Tag für Sarah, schon deshalb, weil sie ihn mit den ihr wichtigen Menschen verbringen konnte:

    Ihre Eltern, die beruflich kürzertreten wollten, um endlich mehr Zeit für einander zu haben, Gustav, der der Familie liebgewordene alte Wegbegleiter ihres Vaters, der sich auch endlich zur Ruhe setzen wollte, der Polizeidirektor und ein alter russischer Bataillonskommandeur. Beide arbeiten sie Seite an Seite seit Jahren in einer Sonderkommission zur Aufklärung von Kriegs- und Nachkriegsverbrechen auf deutschem Territorium. Der über achtzig Jahre alte ehemalige Kommandeur hatte sich stellvertretend, in einer bewegenden Rede bei den Bewohnern von Glostelitz für die Gräueltaten der russischen Soldaten entschuldigt und um Vergebung gebeten. Lisa, ihre beste Freundin, der Pfarrer, sein Sohn Benno, Sina, die endlich mit der Vergangenheit abschließen konnte, ja das ganze Dorf war auf den Beinen. Und allen voran waren sie da, ihr Kommissar und seine bezaubernde Tochter.

    Sarah musste sich eingestehen, dass sie mit dem Polizeidienst immer noch nicht abgeschlossen hatte. Mit der Gewissheit, dass sich das Verhältnis zu ihren Eltern gebessert hatte, sie mit Lisa die beste Freundin der Welt an ihrer Seite hat und dass sie von den Dorfbewohnern akzeptiert wurde, entschied sie sich für ein Leben in Glostelitz und für die Liebe zu Frank und seiner Tochter.

    Und nun steht sie hier vor der wieder aufgebauten fertigen Scheune. Umgebaut zu einem großzügigen Wohnhaus, so wie Sarah es liebte. Wenig Trennwände, viel Platz, viel Holz und vor allem viel Licht sollte es haben. Ihr Vater, Gustav und vor allem Frank, wenn es sein Polizeidienst denn zuließ, hatten alles getan, es ihr so wohnlich wie nur möglich zu machen. Ab und an kamen sogar ein paar Dorfbewohner, um mit Hand anzulegen. Frank, der gelernte Möbeltischler, hat sie die letzten Wochen gar nicht mehr in die Scheune gelassen. Drei Wörter musste sie sich jedes Mal anhören: „Lass dich überraschen! Dann hielt er ihr die Hand vor die Augen, hievte sie über seine Schulter und brachte sie wieder raus auf den Hof. Dort stellte er sie irgendwo ab, küsste sie zärtlich, gab ihr ein Klaps auf den Po und ging mit einem Lächeln auf den Lippen zurück in Richtung Scheune. Nicht ohne sich nochmals umzudrehen und ihr ein „wage es nicht mir zu folgen zuzurufen. Nun war also der Augenblick gekommen, wo sie endlich…

    „Also wenn du nicht weißt wie man da reinkommt, das hier ist die Türklinke."

    Sarah zuckte zusammen. Gedankenverloren hatte sie gar nicht bemerkt, dass Franziska mittlerweile neben ihr stand.

    „Hast du geweint? Warum gehst du nicht rein?"

    Verstohlen wischte Sarah sich übers Gesicht.

    „Ach weißt du Franzi, ich bin so aufgeregt. Ich musste kurz daran denken, was die letzte Zeit so passiert ist."

    „Kurz nachgedacht nennst du das? Wir dachten schon du bist im Stehen eingeschlafen."

    Mit einem Lächeln strich Sarah Franziska über die Haare. Ihr Blick wandte sich zu Frank der nicht unweit von ihr mit all den anderen an dem supergroßen neuen Holztisch mitten auf der Wiese saß. Den alten Tisch, an dem die Russen damals ihr Saufgelage abgehalten haben, hatte Sarah gleich als erstes entsorgen lassen. Ihr Blick wanderte weiter zu dem alten Stall. Auch der war umgebaut worden. Gustav kann hier jetzt in Ruhe seinen Lebensabend verbringen und sich, wenn er Lust hat um den Hof kümmern, Sina zur Hand gehen, mit Franzi, wenn sie denn da ist, Blödsinn machen oder einfach nur im Liegestuhl sitzen und die Ruhe genießen. Auch er schaute neugierig zu ihr rüber wie auch Sina, der Pfarrer, Franks Mutter und ihre Eltern. Keiner wollte sich den Augenblick entgehen lassen, wo Sarah ihre neue Scheune endlich betreten durfte.

    „Na dann los. Dann wollen wir mal", wandte sie sich wieder an Franzi.

    „Oh nein. Das mach mal schön alleine. Weißt du was uns unterscheidet?"

    „Na?"

    „Im Gegensatz zu dir weiß ich schon, wie es da drin aussieht. Außerdem hat Papa gesagt, ich soll dich da alleine reingehen lassen."

    „Ach, ist ja interessant. Du kleines Biest durftest dir das schon ansehen."

    Mit einem verschmitzten Lächeln kostete Franzi den Augenblick der Überlegenheit aus, ohne noch etwas zu erwidern.

    „Na dann werde ich jetzt mal…"

    „Manno, wie oft willst du das denn noch sagen?"

    „Ich bin so aufgeregt. Ich komme mir vor wie ein kleines Kind, dass auf den Weihnachtsmann wartet."

    „Los jetzt…"

    Franziska übernahm jetzt die Initiative. Sie öffnete ohne zu zögern das Tor. Sarah beobachtete die Leichtigkeit mit der es sich öffnen ließ. Unweigerlich dachte sie daran, wie sie damals damit zu tun hatte, gemeinsam mit Frank das alte verzogene Holztor auch nur annähernd auf zu bekommen.

    „Das geht so leicht."

    „Los jetzt. Rein da."

    Behutsam schob Franziska Sarah durch die Tür.

    „Weihnachten…, wir haben noch nicht einmal Sommer. Wie lange willst du denn noch warten? Papa ist doch genau so aufgeregt wie du."

    „Meinst du?"

    „Na klar. Jeden Tag hat er sich gefragt, ob es dir wohl gefallen wird."

    Vorsichtig, als könnte irgendetwas kaputtgehen, betrat Sarah die riesige Scheune. Es roch nach frisch lackiertem Holz. Sarah hätte am liebsten vor Freude geheult, so überwältigt war sie. Alles sah aus wie aus dem Katalog einer Holzhausfirma. Als ob es hier nie gebrannt hat. Außer den frischverputzten weiß getünchten alten Außenmauern war alles aus Holz. Die Fußböden, die Decken, Fenster, die Galerie, die Holztreppe, einfach alles. Sarah stand mit offenem Mund mitten im Raum und hätte ihre Freude am liebsten in die weite Welt hinausgeschrien. Sie wusste gar nicht, wo sie zuerst hinsehen sollte. Kein Vergleich zu der alten Scheune, in der sie mühsam einen Lichtschalter gesucht hatten, die vollgemüllt war mit altem Holz, Unmassen Stroh, die vermodert roch, nur vernagelte alte Fenster und nicht einmal einen festen Fußboden hatte. Sarah wippte leicht mit ihrem Körper auf dem festen Untergrund.

    „Ein richtiger Fußboden."

    Ihr Blick wanderte von der offenen, typisch amerikanischen Küche zu dem abgetrennten Teil, dem Bad. So wie sie es wollte. Jeden ihrer zaghaft vorgetragenen Wünsche hatte Frank ihr erfüllt. Sie traute sich nie richtig ihre Ideen an den Mann zu bringen. Ihre Liebe schien ihr noch zu frisch um von Frank zu fordern, was er mühsam in seiner knappen Freizeit alles bewerkstelligte. Schließlich wollte sie ihn erst richtig kennenlernen. Es genießen in seinen Armen zu liegen, sich wohl zu fühlen, ihn zu lieben. Ohne es zu merken, legten beide ein Tempo vor, dass ihr manchmal schwindlig wurde vor Glück. Sie genoss jeden Augenblick mit Frank und es fiel ihr jedes Mal schwer ihn nur durch das Küchenfenster beim rumwerkeln in der Scheune zu beobachten, ohne ihn berühren zu können, ihn in den Arm zu nehmen und sich von ihm küssen zu lassen. Meistens kam er ins Bett, wenn sie schon schlief. Sie konnte nicht einmal sagen, ob der zärtliche Kuss sein Gutenachtkuss war oder schon die Verabschiedung, weil er früh zum Dienst musste.

    Vorsichtig durchstreifte sie den Raum in Richtung der Holztreppe. Stufe für Stufe schlich sie langsam nach oben. Sie erinnerte sich, wie Frank damals oben in der Galerie am Geländer lehnte, die Scheune musterte und sie für ausbaufähig hielt. Recht hatte er, der Fachmann. Sarah musste lachen: Erst hatte sie einen alten Gutshof mit Scheune und Stall, aber ohne Wasser und Strom in einer gottverlassenen Gegend. Und nun, nun hatte sie ein Gehöft, welches wohnlicher fast nicht sein kann, ja welches sie fast als Feriencamp vermieten könnte. Sie hatte sich in ihrem damaligen Zustand, ihrer Lethargie, nicht mal alles angeschaut als sie die Entscheidung fällte, hier her zu ziehen. Das einzige was geblieben ist, ist die gottverlassene Gegend in der sie sich aber mittlerweile wohlfühlte und in der man, wie Gustav schon sagte, eigentlich ganz gut alt werden kann. Sie setzte sich auf das fußbodenhohe Podest vor dem die Giebelfront fast ausfüllendem Fenster und genoss die Weite des Raumes. Während sie gedankenlos vor sich hinstarrte vernahm sie leise Schritte auf der Treppe. Ein leichtes Klirren zweier Gläser begleitete Frank auf seinen Weg nach oben. In der anderen Hand hielt er eine Sektflasche. Freudestrahlend musterte sie ihn.

    „Was will man denn mehr? Was will man denn mehr als einen Mann, der einem in so kurzer Zeit so eine Hütte hinstellt, mit zwei Sektgläsern die Treppe hochkommt, so unverschämt gut aussieht und ein dermaßen verschmitztes, trotzdem schüchternes Lächeln auf den Lippen hat. Was will man denn mehr?"

    Mit einem Achselzucken quittierte Frank Sarahs Lobhudelei. „Rede ruhig weiter."

    „Als ich noch jünger war…, ich meine, nicht das ich jetzt alt bin, aber eben früher, da hat mein Vater immer gesagt, achte drauf, dass der Mann, den du dir aussuchst, dir ein Haus bauen kann. Als ich ihm dann gesagt habe, dass ich ja vielleicht gar kein Haus haben will, da hat er gesagt: Rockmusiker schlagen überall Ihre Zelte auf, aber jede Frau will irgendwann mal ein Haus haben."

    „Und hat er Recht gehabt?"

    „Was soll ich sagen…, sei dir sicher, wenn da draußen nicht unsere Eltern, Franzi und die Anderen wären, ich würde dir hier auf der Stelle meine Dankbarkeit zeigen. Ist das Antwort genug?"

    „Hier? Auf der Stelle und auf dem harten Holzfußboden?"

    „Oh ja! Hier, auf der Stelle und auf dem harten Holzfußboden!"

    Enttäuscht entschlüpfte Frank ein leises „Scheiße…".

    „Scheiße?"

    „…dass die da sind, aber ich werde darauf zurückkommen".

    Mit einem Lächeln erhob sich Sarah und ging Frank entgegen. Sie umarmte ihn und küsste ihn wie sie ihn vielleicht noch nie geküsst hatte.

    „Ich bin dir so dankbar. Ich weiß gar nicht, wie ich…"

    „Na das haben wir doch gerade geklärt", unterbrach er sie.

    „Danke! Danke! Ich muss mich erst mal bei deiner Mutter bedanken, dass es dich gibt."

    „Na nun übertreib mal nicht so. Komm, lass uns anstoßen."

    „Nein, ganz im Ernst. Ich weiß nicht…, ich kann dir gar nicht sagen…, man, mir fehlen die Worte. Ich stottere hier rum. Ich könnte heulen vor Glück. Ich weiß nicht, womit ich das verdient habe. Ich…, ich freue mich einfach…"

    „Ist gut, ist ja gut, unterbrach Frank sie vorsichtig. „Hauptsache es gefällt dir.

    Sarahs Blick klebte an Franks Gesicht. Sie konnte ihren momentanen Glückszustand einfach nicht in Worte fassen. Und das hatte bei ihr schon was zu bedeuten.

    „Wollen wir jetzt?"

    Frank hielt ihr fragend die Gläser entgegen.

    „Ja, ja, na klar."

    Ohne ihn aus den Augen zu lassen, nahm sie ihm die Gläser ab und störte sich nicht daran, dass ihr der überschäumende Sekt über die Hand lief. Kein Wort wechselte mehr zwischen ihnen, während sie anstießen, einen Schluck tranken und sich innig küssten.

    „Hallo, darf man stören, wurden sie aus der unteren Etage aus ihrer trauten Zweisamkeit gerissen. Sarah hauchte Frank noch ein kurzes „danke zu, eh sie sich zum Geländer begab um wie eine Herrscherin vom Balkon ihres Palastes auf ihr Reich hinunterzublicken. Da standen sie in Reih und Glied, ihre Eltern, Franzi, Gustav, Sina und Pfarrer Gram und schauten erwartungsvoll zu ihr hoch.

    „Na Kind, sag, gefällt dir das?"

    Gespielt skeptisch wedelte sie mit der Hand.

    „Naja…, geht so, hier und da hätte man…"

    Sie hielt inne. Die Falten auf der Stirn ihres Vaters nahmen schon bedrohliche Züge an und sie wollte ihn nicht weiter auf die Folter spannen. Wie ein kleines Kind hüpfte Sarah die Treppe herunter um ihren Vater um den Hals zu fallen.

    „Danke Papa. Ist echt gut geworden."

    „Gut? Gut heißt, es geht noch besser."

    „Oh nein. Besser geht’s nicht."

    Sie küsste ihrem Vater das Gesicht ab, als hätte sie noch nie die Gelegenheit dazu gehabt.

    „Na nun ist ja gut. Bedank dich bei Frank und Gustav. Ich habe damit…"

    Sarah hielt ihrem Vater behutsam den Mund zu.

    „Hör auf. Ich weiß genau was Frank gemacht hat und was du dazu beigetragen hast."

    Sarah wandte sich an Gustav um auch ihm um den Hals zu fallen.

    „Langsam, langsam", versuchte Gustav sich Sarahs überschwänglicher Freude zu erwehren.

    „Na siehst Du, von wegen alter Mann, war doch ein guter Vorschlag von mir, dich hier anzusiedeln. Ich habe schon gewusst, dass ich dich hier brauche. So kann man doch alt werden, oder?"

    „Naja, jünger jeworden bin ick dadurch nich. Außerdem ist alt werden nicht so schlimm. Alt sein ist Kacke."

    „Ooooh. Mach dir mal keine Sorgen. Dafür pflege ich dich die nächsten hundert Jahre, wenn es sein muss."

    „Um Jotteswillen, bloß nich nochmal so lange. Det halt ick nich aus und die Welt da draußen och nich."

    „Man hör auf zu jammern, unterbrach Sarahs Vater die Gefühlsduseleien von Gustav. „Lasst uns noch was trinken, wir wollen dann bald los. Macht einen ja ganz verrückt, soviel Dorfidylle.

    Während sich alle Beteiligten langsam dazu aufmachten die Scheune zu verlassen, klingelte Sarahs Handy. Ein kurzer Blick aufs Display versetzte Sarah in Erstaunen.

    „Kuntz?"

    Ihr fragender Blick wandte sich an Frank, der mit ihr stehen blieb.

    „Kuntz…, Kuntz ruft mich auf dem Handy an. Weißt du was?"

    Frank reagierte nicht, nahm aber war, wie sich in Sarahs Gesicht eine Freude breitmachte, die der Freude über die neue Scheune noch um ein Vielfaches übertraf.

    „Jetzt ist es soweit."

    „Was?"

    „Warte. Ich geh erst mal ran."

    „Fender."

    „Hallo Sarah. Na wie geht es dir?"

    „Sag du es mir."

    „Gefällt dir die Scheune?"

    „Die Scheune? Du weißt…? Die Scheune ist der Hammer. Deshalb rufst du an?"

    „Na ja, wenn einer meiner besten Polizisten auf einmal mit Schwielen an den Händen rumläuft, muss man doch wenigstens fragen, ob es sich gelohnt hat."

    „Oh ja, absolut geil. Ich meine schön, toll, super…"

    „Ja, ja, ich habe schon verstanden was du meinst. So alt bin ich ja nun auch noch nicht."

    Während Sarah dem Polizeidirektor zuhörte wackelte sie ungeduldig mit dem Kopf.

    „Nun sag schon, warum rufst du wirklich an?"

    Sarah merkte nicht, wie Frank sie skeptisch anschaute. Auch Herbert stand nicht unweit von ihnen und beobachtete die Beiden. Unbehagen machte sich in ihm breit.

    „Hat Frank dir nichts gesagt? Ich brauche deine Hilfe."

    „Meine Hilfe? Du bist der Chef? Jederzeit."

    Am anderen Ende der Leitung kehrte Ruhe ein.

    „Bernhard? Bist du noch da?"

    „Ja, ja, wie schon gesagt, ich brauche deine Hilfe. Hättest du Zeit vorbeizukommen?"

    Sarah verstand nicht. Sie konnte mit der Art und Weise der Fragestellung nichts anfangen.

    „Na klar. Das weißt du doch. Wenn einer weiß, dass ich Zeit habe, dann du. Jederzeit."

    „Sarah! Hör dir doch erst mal an worum es geht."

    „Morgen. Ist dir morgen recht?"

    „Sarah…, morgen…, ja gut, dann komm morgen vorbei. Mittags am besten. Aber Sarah…"

    Noch bevor Kuntz den Satz vollenden konnte, knallte Sarah ihm ein „ja gut, morgen Mittag" entgegen und klappte das Handy voller Enthusiasmus zu.

    „Oh, jetzt habe ich ihn abgewürgt."

    Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie Frank an.

    „Frank! Heute ist mein Glückstag. Ich glaube wir sind bald wieder Kollegen."

    „Was? Ist das jetzt gut oder schlecht?"

    „Quatsch ist das", brabbelte Gustav beim Weggehen vor sich hin.

    „Ich soll morgen zu Kuntz und du fährst mich hin…"

    Sarah unterbrach ihren Redefluss, kniff die Augen zu und zeigte mahnend mit dem Finger auf Frank.

    „Du hast das gewusst."

    „Was?"

    „Du wolltest mich überraschen."

    „Womit?"

    „Kuntz ist davon ausgegangen, dass du mir schon Bescheid gesagt hast. Hast du aber nicht. Du wolltest mich überraschen."

    Sarah näherte sich Frank. Nahm seinen Kopf zwischen die Hände und küsste ihn.

    „Du weißt, wie man es machen muss. Nicht alle Überraschungen auf einmal, sondern eine nach der anderen…"

    „Wovon redest du?", unterbrach Frank sie.

    „Na was kann Kuntz schon von mir wollen. Er lässt mich wieder in den Polizeidienst. Hat ja lange genug gedauert. Die ganzen Tests, die Untersuchungen, die neuen Gutachten. Jetzt wird auch er es kapiert haben, dass ich bereit bin."

    „Und was ist mit deinen Schwindelanfällen?"

    „Vielleicht bin ich ja schwanger."

    „Was?"

    „War nur ein Scherz."

    „Mach dich nicht lustig darüber. Du weißt doch genau, dass du sie noch hast."

    „Die paar mal."

    „Wie oft?"

    „Ab und zu."

    „Wie oft?"

    „Ein bis zwei Mal."

    „Im Monat?"

    Sarah verzog ihr Gesicht. Warum wollte er ihr jetzt die Vorfreude nehmen? Sie schmollte.

    „In der Woche. Aber…"

    „Nichts aber, unterbrach er sie. „Meinst du, die Ärzte haben das nicht mitbekommen?

    Sarah zuckte nur mit den Schultern.

    „Wenn man dich so reden hört, könnte man denken, dass du das gar nicht willst."

    Beherzt aber mit einer gewissen Sanftheit packte Frank Sarah an den Oberarmen.

    „Sarah, wie kannst du so was sagen? Ich will, dass du glücklich bist. Ich will, dass das, was du dir wünschst oder was du dir vornimmst, auch in Erfüllung geht. Ich will aber nicht, dass du dir falsche Hoffnung machst oder dir jemand weh tut."

    „Was will er denn dann von mir? Du weißt doch was? Hat er jedenfalls gesagt."

    Frank zögerte kurz.

    „Ich weiß nur, dass es um die Kunstgegenstände geht. Irgendetwas liegt da im Argen. Mehr weiß ich auch nicht."

    „Und wann wolltest du mir das sagen?"

    Ratlos zuckte der Kommissar mit den Schultern.

    „Irgendwann…, keine Ahnung. Ich wollte, dass du das heute hier genießt. Ich hätte es dir noch erzählt. Ich wusste nicht, dass es so eilig ist."

    „Aber du kommst mit?"

    „Ich muss! Schon vergessen, ich bin der Polizist. Es war mein Fall. Und wie es scheint, ist er es wieder oder immer noch."

    Mit einem leisen gut kauerte sie sich an Franks Brust. Behutsam strich er ihr durchs Haar während sich sein Blick mit dem von Sarahs Vater traf. Er hatte die Unterhaltung beobachtet, vielleicht auch ein paar Wortfetzen verstanden. Auf alle Fälle sah er besorgt aus. Besorgter als damals, als Frank ihm das erste Mal begegnete. So sehr es ihn freute, dass Herbert jetzt mehr Interesse an dem Wohl seiner Tochter zeigte, umso mehr hätte er ihn gerne beruhigt, dass Sarah nicht schon wieder enttäuscht wird. Konnte er aber nicht. Er wusste es ja selber nicht, war sich aber sicher, dass er es wüsste, wenn Kuntz Sarah wieder in den Polizeidienst nehmen würde. Ihn graulte es ein wenig vor morgen. Wie wird Sarah wohl reagieren, wenn sie erfährt, dass es nur um den Fall geht, von dem alle Beteiligten schon dachten, er ist abgeschlossen.

    „Komm lass uns die anderen rausschmeißen, dann haben wir unsere Ruhe."

    Nachdenklich stimmte Frank mit einem kurzen Kopfnicken und einem wohlwollenden Lächeln den Worten von Sarah zu. Er küsste sie, umarmte sie und beide machten sich auf, ihre in Aufbruchstimmung befindlichen Eltern, den Pfarrer und Sina zu verabschieden. Während das bei Sina und dem Pfarrer mit einem kurzen Dankeschön und einem beiläufigen Winken relativ rasch ging, Gustav sowieso schon wieder auf dem Liegestuhl vor seinem „Stall" kauerte und Franzi wild gestikulierend irgendwelche haarsträubende Geschichten erzählte, warteten ihre Eltern schon sehnsüchtig, dass Frank und Sarah sich ihnen zuwandten.

    „So mein Mädchen, dann bist du uns erst mal eine Weile los. Ab jetzt legt Papa sich auf die faule Haut."

    Ein bisschen sehnsuchtsvoll schaute Sarah ihren Vater an, während sie sich in seine ausgestreckten Arme fallen ließ.

    „Glaubst du, dass du das hinbekommst, so ganz ohne Arbeit? Drei Monate an der Nordsee ohne Telefon, jeden Morgen ausschlafen, keine Termine, den ganzen Tag mit Mama?"

    Skeptisch schaute Herbert drein.

    „Ganz ohne Arbeit? Ja! Ohne Telefon? Ja! Jeden Morgen ausschlafen? Auch! Den ganzen Tag mit deiner Mutter…? Da bin ich noch skeptisch."

    „Na sage mal…, was soll denn das heißen?"

    „War doch nur ein Scherz. Ich war doch mein halbes Leben den ganzen Tag mit deiner Mutter zusammen, außerdem, gesagt ist gesagt. Ich hab’s ihr nun mal versprochen. Davon abgesehen, Telefon habe ich ja mit, und du? Kriegst du das morgen hin?"

    „Du kannst nicht aufhören, willst immer alles wissen. Hast wohl wieder gelauscht?"

    „Man kann eben nicht alles von heute auf morgen ablegen. Ruhestand hin, Ruhestand her, du bleibst nun mal meine Tochter."

    „Was soll mir denn noch groß passieren? Außerdem ist Frank ja bei mir, da werde ich mich schon benehmen."

    „Na dann…"

    Sarah drückte ihrem Vater einen dicken Schmatzer auf, wischte ihm zart über die Wange und rückte sein Schlips zu Recht.

    „Danke nochmal. Danke, dass du das hier alles gemanagt hast."

    „Los jetzt!, rief Herbert seiner Frau und Franks Mutter zu, als hätte er Sarahs Worte nicht vernommen. „Schnappt euch Franzi und dann los.

    Selbst Gustav wuchtete sich noch mal aus seinem Liegestuhl, obwohl er solche Abschiedsarien eigentlich nicht mochte. Mit seinem Zigarrenstumpen im Mundwinkel stellte er sich zu Sarah und Frank, die dem davonfahrenden Wagen hinterhersahen.

    „Jut."

    „Was ist gut?", wandte Sarah sich an Gustav.

    „Jut, wenn die dann endlich wieder abhauen."

    „Gustav." Mit einem nicht ganz ernst gemeinten Klaps gegen Gustavs Arm quittierte Sarah das störrische Gebrabbel.

    „Naja, is doch so. Stadtmenschen. Ick hab ma schon so an det ruhige Leben gewöhnt. Ein Jequatsche, ein Jequietsche, eine Hektik…, nee…, ick brauch meene Ruhe. Und deshalb lass ick euch jetzt och alleene. Kiekt euch noch ruhig an wie die abhauen, aber achtet druf, dass die och wirklich weg sind."

    „Mach’s gut Gustav."

    Sarah schaute noch kurz dem alten Brabbler hinterher um sich dann liebevoll an Frank zu lehnen. Sie beobachte, wie er sehnsuchtsvoll seiner Tochter hinterherschaute, die wild gestikulierend von der Rückbank winkte.

    „Morgen seht ihr euch ja wieder."

    „Ja, aber dann sehe ich dich nicht."

    „Tja, so ist das mit zwei Frauen. Außerdem bin ich doch morgen mit dir."

    Nachdenklich lauschte Frank Sarahs Worten, Sein Blick verharrte die Dorfstraße hinunter, wo außer einer Staubwolke in der abendlichen Dämmerung nicht viel zu sehen war.

    Kapitel 2

    Nervös trommelte Sarah mit ihren Fingern auf dem brusthohen Tresen am Empfang herum.

    „Warum dauert das so lange?"

    „Weil der Herr Polizeidirektor nicht immer kann, wie er will. Außerdem sind Sie zu früh."

    Verunsichert schaute Sarah in das Gesicht der netten Empfangsdame.

    „Sie wollen mich ja nur beruhigen."

    „Ja das will ich. Außerdem, wenn ich ehrlich bin, nervt ein wenig ihr Getrommel."

    Sarah hielt inne. Ein kurzer Blick zu Frank, der nicht unweit neben ihr stand, ein kurzes Nicken seinerseits und ein skeptischer Blick von ihm, bestätigte ihr, dass die junge Frau wohl Recht zu haben schien. Sarah blickte hoch zu der Uhr an der Wand. Noch 12 Minuten, viel zu früh. Die Dame am Empfang folgte Sarahs Blick mit einem verschmitzten Lächeln.

    „Ganz genau, wenn beide Zeiger ganz oben stehen, dann spätestens kommt der…"

    „Ja, ja, ja…, unterbrach Sarah die Frau. „…ich hab‘s ja verstanden.

    „Sarah?"

    Eine leise Stimme, ließ Sarah zusammenzucken. Ihr lief ein eiskalter Schauer den Rücken herunter. „Fender, mach kein Quatsch", waren die letzten Worte die sie von dieser Stimmlage vernahm. Dem ersten Schreck folgte unbeschreibliche Wut. Ihr geschultes Polizeigehör konnte sofort ermessen, wie weit sich derjenige zu dem die Stimme gehörte, von ihr entfernt befinden musste. Sie war sich sicher, dass das genau der richtige Abstand sei um gleich auszuholen.

    Noch während Sarah sich mit dem Gedanken befasste, war ihr der Körper schon voraus. Aus einer kurzen Körperdrehung heraus streckte sich unter dem entsetzten Blick von Frank ihr Arm zu voller Länge aus und Sarahs geballte Faust landete in dem Gesicht, das zu dem hünenhaften Kerl gehörte, der Sarah vorsichtig angesprochen hatte. Im Nu war es mucksmäuschenstill. Kein Gerede, kein Telefongeklingel, kein Nichts. Ruhe im ganzen Foyer und alle starrten sie an. Keiner hatte einen Blick für den Kerl, der gerade von einer fast um einen Kopf kleineren Frau mit einem einzigen Fausthieb dahingestreckt wurde. Ruhe. Sarah hasste Ruhe. Schon mal, weil sie das laute Klicken der Zeiger vernahm, welche ihr Wissen ließen, dass es gleich 12.00 Uhr sein musste und der Polizeidirektor jeden Augenblick erscheinen konnte. Bernhard war immer pünktlich.

    „Büttner."

    Der Kerl, der eben noch einen Meter von ihr weg auf dem Fußboden lag, erhob sich langsam. Frank hatte sich mittlerweile vorsorglich zwischen die beiden postiert. Mit ausgestrecktem Arm deutete er Büttner an, sich zurückzuhalten.

    „Mach jetzt kein Quatsch."

    „Nein, nein, keine Angst. Ist schon okay."

    Frank nahm langsam seinen Arm herunter und wandte sich Sarah zu. Sie zitterte am ganzen Leib und hielt sich schmerzverzerrt die rechte Hand.

    „Scheiße Büttner, geh mir aus den Augen. Jetzt habe ich mir an deiner Visage fast noch die Hand gebrochen."

    „Sarah…"

    „Man, halt deine…"

    „…es tut mir leid."

    Sarah hielt inne. „Was tut dir leid, dass mit meiner Hand? Ich habe noch eine und die kommt auch gleich angeflogen."

    „Ich will mich bei dir entschuldigen. Ich kann mit dir mitfühlen. Seit dem Abend geht’s mir…"

    „Was?"

    „Was?"

    Fast im Einklang reagierten Frank und Sarah überrascht auf das, was sie da gerade von Büttner zu hören bekamen. Keiner der Beteiligten merkte, dass mittlerweile Bernhard Kuntz im Foyer angekommen war. Während er dem herangeeilten Sicherheitsbeamten andeutete nicht eingreifen zu müssen, verfolgte er aufmerksam den Disput.

    „Ich mach mir seitdem Vorwürfe…"

    „Vorwürfe? Zwei Jahre lang machst du dir Vorwürfe?", wurde Büttner erneut von Sarah unterbrochen.

    Frank merkte wie Sarah begann, an seinem ausgestreckten, schützend vor ihr gehaltenen Arm zappelig zu werden. Sie schäumte vor Wut und es schien als würde sie dem Kerl gleich an die Kehle springen. Behutsam aber wirkungsvoll drückte er sie zurück, während er Büttner vorwurfsvoll anschaute.

    „Sag mal, hast du noch alle Latten am Zaun? Wovon redest du?"

    „Ich weiß nicht wie ich es sagen soll, aber…, es tut mir so…, ich mach mir solche Vorwürfe."

    „Vorwürfe?" Frank stand Büttner jetzt Visasvis gegenüber. „Man du stotterst hier rum, wie so eine kleine Rotzgöre. Was hättest du jetzt im Einsatz gemacht, wenn das keine Faust gewesen wäre, die da in dein Gesicht gedonnert kam. Genau so dämlich habt ihr euch auch damals angestellt, ihr Schisser. Egal was passiert, man lässt seinen Kollegen nicht im Stich. Schon gar nicht wenn es eine Frau ist und ihr in so einen Laden wollt."

    „Aber…, aber die Vorschriften…", stotterte Büttner vor sich hin. Kreidebleich und das Gesicht mit Schweißperlen übersät stand er vor Frank wie ein Häufchen Elend.

    „Vorschriften! Du kannst dir die Vorschriften und deine Selbstvorwürfe in den Arsch stecken, und selbst dann kannst du immer noch nicht mitfühlen wie es Sarah an diesem Abend ergangen ist."

    „Schluss jetzt!", wurden sie von Kuntz unterbrochen. Die Argumentation mit den Vorschriften ging dem Polizeidirektor jetzt doch zu weit. Frank ließ sich aber nicht beirren. Mit versteinerter Miene starrte er Büttner an.

    „Weißt du, es ist nicht nur der körperliche Schmerz. Es ist die Enttäuschung, dass einen die eigenen Kollegen im Stich gelassen haben. Die, auf die man sich in so einem Einsatz hundertprozentig verlässt, oder verlassen müsste. So ein Einsatz ist Teamarbeit und ihr habt euch die Ärsche breit gesessen, bis ihr Schutz vom SEK hattet. Ihr Lappen, ihr habt einfach kein Kreuz gehabt."

    Auch Kuntz ließ, wie alle anderen, das Gesagte kurz wirken, eh er sich mit einem kraftvollen „Schluss jetzt!", wiederholend zu Wort meldete.

    „Büttner, Sie verschwinden hier. Frank, du wartest da und Sarah, du kommst bitte mit. Für euch beide ist das ein Befehl und für dich Sarah, eine ernstgemeinte Bitte. Und für alle anderen hier…, haben Sie nichts zu tun?"

    Während er Sarah an den Arm nahm, unterstrich er mit seiner anderen Hand eindringlich gestikulierend seine Anweisungen. Er machte sich, Sarah neben herführend, auf den Weg nach draußen. Auf der Eingangstreppe ließ er Sarahs Arm los. Ohne ein Wort zu wechseln lehnten sie sich gegen das Geländer. Sarah, immer noch auf 180, umklammerte frontal das Geländer während Kuntz sich mit einer störrischen Ruhe rücklings dagegen lehnte. Sein Blick über den Hof streifend machte er sich gelassen eine Zigarette an. Er fühlte förmlich wie es neben ihm in Sarah brodelte. Genussvoll zog er zwei drei Züge bevor er Sarah die Zigarette hinhielt.

    Verstört sah Sarah ihn an. „Ich denk du hast aufgehört?"

    „Offiziell ja, inoffiziell…, in meinem Alter…? Das lohnt sich nicht mehr."

    „Aber hier kann dich doch jeder sehen."

    „Na und! Schließlich bin ich hier Direktor. Da traut sich doch keiner was zu sagen. Nun nimm schon."

    Sarah schüttelte mit dem Kopf.

    „Nee, hab auch aufgehört."

    „Wegen Frank?"

    „Auch! Soll ungesund sein."

    Noch während sie redete nahm sie Kuntz unter dessen belustigter Beobachtung die Zigarette aus der Hand und zog dran. Langsam drehte sie sich um. Sie schien sich zu beruhigen.

    Kuntz sinnierte „Davon redet immer keiner."

    „Wovon?"

    „Immer heißt es, achtet auf eure Gesundheit. Die Lunge, der Krebs, der Gestank, die Mitmenschen die passiv mitrauchen. Aber keiner erwähnt, wie beruhigend so eine Zigarette sein kann."

    Während Bernhard für sich eine zweite Zigarette anmachte, legte Sarah ihren Kopf auf seine Schulter. Beide schwiegen für die Länge der Zigarette vor sich hin.

    „Und? Geht’s wieder?"

    „Ich glaub schon. Tut mir leid. Ich habe nicht damit gerechnet."

    „Womit? Büttner hier zu treffen?"

    „Nein. Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich nach fast zwei Jahren noch so darauf reagiere. Ich dachte ich bin auf dem richtigen Weg."

    Kuntz drehte sich zu Sarah.

    „Bist du Kleine, bist du. Das ist doch gerade das, was dich ausmacht. Das Emotionale. Aber Gewalt ist nun mal keine Lösung."

    „Das sehe ich anders, und die Geschichtsbücher sind schließlich voll damit."

    Er hielt inne. Ließ das Gesagte kurz wirken.

    „Wie geht’s eigentlich Herbert und Marianne?"

    „Sie fahren heute an die Nordsee. Die wollen es ganz in Ruhe angehen lassen. Erst mal abschalten und vielleicht ein bisschen planen, wie es weitergehen soll."

    „Abschalten." Nachdenklich kehrte Kuntz in sich.

    „Als ob das so einfach geht. Ist wie ne Vollbremsung. Du läufst dein Leben lang auf Hochtouren und dann, von heute auf morgen…, naja, die werden das schon hinkriegen. Ist bloß schade."

    „Schade?"

    „Schade für Berlin. Ich habe Herbert immer bewundert. Er hat‘s echt draufgehabt. Der ist manchmal rumgesprungen wie ein HB-Männchen. Termin hier, Termin da, Telefon an einem Ohr, Handy am anderen. Aber das was er gemacht hat…, seine Entscheidungen…, immer im richtigen Augenblick, immer durchdacht und sehr professionell!"

    „Also ein bisschen wie du?"

    „Oh nein! Meine Entscheidungen sind an Gesetze und Vorschriften gebunden. Da ist meistens wenig Spielraum. Oder denkst du, ich hätte dich einfach so gehen lassen? Glaub mir mal, das ist mir sehr schwer gefallen. Da hast du es als Unternehmer erheblich einfacher. Du musst zwar mehr ins Risiko gehen, aber dafür bist du dann auch mit dem Ergebnis zufrieden. Meistens jedenfalls."

    Während Sarah Bernhard zwar noch zuhörte, waren ihre Gedanken aber bei dem hängen geblieben, was er zu ihrer Versetzung in den Ruhestand sagte. Sie musste sich eingestehen, dass sie noch nie darüber nachgedacht hatte, ob es Bernhards persönliche Entscheidung war oder ob er gar keine andere Wahl hatte, sie für immer aufs Abstellgleis zu schieben. Aber schließlich war sie heute hier, weil er sie brauchte. Trotzdem passte das alles irgendwie nicht recht zusammen.

    „Warum bin ich heute hier?"

    Kuntz ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Er konzentrierte sich darauf, seine Zigarette auszudrücken. Vielleicht wollte er auch noch nicht antworten.

    „Sag schon, warum bin ich heute hier?"

    Kuntz wandte sich Sarah zu. Während sie ihn erwartungsvoll, von Neugierde besessen anschaute, zeichnete sich in seinem Gesicht ein wenig Ratlosigkeit ab.

    „Ich brauche dich. Wirklich. Wir stehen unter Zeitdruck. Es ist auch gut, dass du heute gleich gekommen bist. Nicht gut für Büttner, aber für mich."

    „Na dann leg los."

    „Gleich. Habe noch einen Augenblick Geduld. Ich will euch erst mal was zeigen."

    Behutsam nahm er Sarah wieder an den Arm um mit ihr zurück ins Foyer zu gehen, hielt aber vorher kurz noch mal inne.

    „Sarah…, wenn Büttner da jetzt noch irgendwo rumsteht, dann gehen wir da ganz ruhig vorbei."

    „Mal sehen."

    „Nicht mal sehen. Vielleicht sollte ich dir mal klarmachen, dass du gerade einen Polizeibeamten umgehauen hast."

    „Vielleicht bekomme ich ja mildernde Umstände?"

    „Warum? Bloß weil der Büttner größer als zwei Meter ist?"

    Mürrisch blickte Sarah drein, während sie dem Polizeidirektor folgte.

    Keine Spur von Büttner. Frank gesellte sich ohne ein Wort zu verlieren zu den beiden. Auch ein Sicherheitsbeamter, der von Kuntz herbeigewinkt wurde, folgte den Dreien. An der Sicherheitsschleuse vorbei ging es, zu Sarahs Überraschung, nicht zum Fahrstuhl.

    „Wo gehen wir hin?"

    „Wart’s ab."

    Neugierig blickte sie sich um. Sie musterte die Schilder an den Wänden. Auch an jeder Glastür, die sie bis dato durchschritten, standen Begriffe, die sie nicht einordnen konnte. Ihr fiel nur auf, dass der Sicherheitsbeamte unter

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