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Glaube und Gehorsam: Der Großvater erzählt von seiner Hitlerjungenzeit
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eBook221 Seiten3 Stunden

Glaube und Gehorsam: Der Großvater erzählt von seiner Hitlerjungenzeit

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Über dieses E-Book

Hans Baran feiert am 20.4.1944 seinen 15. Geburtstag und weil der mit dem Geburtstag Hitlers zusammenfällt, fühlt er sich dem Führer verpflichtet und wird in diesem Glauben durch den Vater bestärkt, der ein erfolgreicher Jagdflieger ist. Als sein Vater fällt, schwankt Hans in seinem Glauben, wird aber von Siegfried, dem zwei Jahre älteren Führer seiner Kameraschaft, wieder auf Vordermann gebracht. Hans bewundert die Stärke und Durchsetzungskraft Siegfrieds, wird aber von seiner Rücksichtslosigkeit gegenüber Schwächeren und seinem mangelnden Mitgefühl abgeschreckt. So muss er sich auf Kämpfe einlassen, die er nur mit Siegfrieds Hilfe gewinnt, muss befreundete Menschen verletzen, um Siegfried Treue und Gehorsam zu beweisen.
Der Konflikt zwischen bedingungslosem Gehorsam und Selbstbehauptung verstärkt sich, als sich Siegfried vor seinem mächtigen Onkel in der SS beweisen muss, weil bei seinem Vater, der als Offizier in Russland kämpft, kompromittierende Briefe gefunden werden. Als Siegfried während einer Wehrübung Hans zwingt, die Laterne eines befreundeten Bauern, den Siegfried für einen Verräter hält, zu zerschießen, verweigert Hans ihm den Gehorsam und versucht zu fliehen. Zur Strafe wird er von seinen Kameraden gejagt und kann nur mit Mühe seinem Tod entkommen.
Hans wird der Fahnenflucht angeklagt, weil er während der Wehrübung fliehen wollte, Siegfried wird beschuldigt, seine Befehlsgewalt überschritten zu haben, weil er das Gebot der Verdunklung gegen feindliche Luftangriffe eigenwillig auslegte. Zur Strafe werden sie beide zum Flak-Einsatz verurteilt. Dort versucht Siegfried Ruhm zu gewinnen, indem er ein feindliches Aufklärungsflugzeug ohne den Befehl seiner Vorgesetzten abschießt. In dem folgenden Chaos verliert Siegfried durch einen Rohrkrepierer sein Leben, schützt aber Hans vor herumfliegenden tödlichen Eisenteilen, indem er sich auf ihn wirft.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum8. Jan. 2021
ISBN9783753144382
Glaube und Gehorsam: Der Großvater erzählt von seiner Hitlerjungenzeit
Autor

Klaus Steinvorth

Studium der Germanistik und Anglistik in Hamburg, Freiburg, USA 15 Jahre im Ausland als Lektor und Lehrer: USA, Frankreich, Indien, Nigeria, Ägypten. Gymnasiallehrer in Hamburg und Norderstedt, Schleswig-Holstein verheiratet, 3 Kinder, 7 Enkelkinder

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    Buchvorschau

    Glaube und Gehorsam - Klaus Steinvorth

    Glaube und Gehorsam

    Section 1

    1.Kapitel

    2. Kapitel

    3. Kapitel

    4. Kapitel

    5. Kapitel

    6. Kapitel

    7.Kapitel

    8.Kapitel

    9.Kapitel

    10.Kapitel

    11. Kapitel

    12. Kapitel

    13. Kapitel

    14. Kapitel

    15. Kapitel

    16. Kapitel

    17. Kapitel

    18. Kapitel

    19. Kapitel

    Section 1

    Klaus Steinvorth

    Glaube und Gehorsam

    Der Großvater erzählt von seiner

    Hitlerjungenzeit

    Einleitung

    Der Großvater erzählt von seiner Hitlerjungenzeit 1944 in seiner oberschlesischen Heimatstadt.

    Hans Baran feiert am 20.4.1944 seinen 15. Geburtstag   und weil der mit dem Geburtstag Hitlers zusammenfällt, fühlt er sich dem Führer verpflichtet und wird in diesem Glauben durch den Vater bestärkt, der ein erfolgreiche r Jagdflieger ist. Als sein Vater fällt, schwankt Hans in seinem Glauben, wird aber von Siegfried, dem zwei Jahre älteren Führer seiner Kameraschaft, wieder auf Vordermann gebracht. Hans bewundert die Stärke und Durchsetzungskraft Siegfrieds, wird aber von seiner Rücksichtslosigkeit gegenüber Schwächeren und seinem mangelnden Mitgefühl abgeschreckt. So muss er sich auf Kämpfe einlassen, die er nur mit Siegfrieds Hilfe gewinnt, muss befreundete Menschen verletzen, um Siegfried Treue und Gehorsam zu beweisen.

    Der Konflikt zwischen bedingungslosem Gehorsam und Selbstbehauptung verstärkt sich, als sich Siegfried vor seinem mächtigen Onkel in der SS beweisen muss, weil bei seinem Vater, der als Offizier in Russland kämpft, kompromittierende Briefe gefunden werden. Als Siegfried während einer Wehrübung Hans zwingt, die Laterne eines befreundeten Bauern, den Siegfried für einen Verräter hält, zu zerschießen, verweigert Hans ihm den Gehorsam und versucht zu fliehen. Zur Strafe wird er von seinen Kameraden gejagt und kann nur mit Mühe seinem Tod entkommen.

    Andererseits wird Hans von seiner drei Jahre älteren Cousine Marie angezogen, die in ihrem Mitgefühl für Schwächere die Gegenposition zu Siegfried einnimmt. E r beginnt sie mehr heimlich als offen zu lieben, weil der Altersunterschied ihn hemmt. Sie schenkt ihm einen Hund, um den er sich kümmert, und auch das führt dazu, dass er sich Siegfried entfremdet.

    Hans wird der Fahnenflucht angeklagt, weil er während der Wehrübung fliehen wollte, Siegfried wird beschuldigt, seine Befehlsgewalt überschritten zu haben, weil er das Verdunklungsgebot eigen willig auslegt e. Zur Strafe werden sie beide zum Flak- Einsatz verurteilt. Dort versucht Siegfried Ruhm zu gewinnen, indem er ein feindliches Aufklärungsflugzeug ohne den Befehl seiner Vorgesetzten abschießt. In dem folgenden Chaos verliert Siegfried durch einen Rohrkrepierer sein Leben, schützt aber Hans vor herumfliegende n tödliche n Eisenteilen, indem er sich auf ihn wirft.

    1.Kapitel

    Ich erinnere mich, dass ich als Schüler regelmäßig zu meinem Opa ging , der meine Hausaufgaben und die meiner Schwester beaufsichtigte, und dabei oft vom letzten Weltkrieg erzählte. Und einmal, das   war vor zwölf Jahren,   hatten wir zu Hause einen Fernsehfilm über Hitlerjungen gesehen, weil Mama und Papa meinten, das gehörte zur Bildung, aber das brauchten sie nicht zu sagen, denn ich sehe gern solche Filme. In der Schule hatten wir ihn auch besprochen, weil Hancke rote Ohren wie Rücklichter kriegt, wenn er was über Hitler und die Nazis sagen kann. So wollte ich gern von meinem Opa wissen, was er dazu meinte, denn er war dabei gewesen als Hitlerjunge, das hatte er mir schon mehrmals gesagt.

    Er sah mich kopfschüttelnd an und seufzte: „Ach Gott, mein Junge! Du hast einen Film gesehen, in einem bequemen Sessel, vermute ich, weit, weit weg vom letzten Krieg, und das ist auch gut so, aber ich war damals mitten drin in der Schei...!"

    Er brach ab, sah mich entschuldigend an , ich lachte. „Kannst ruhig Scheiße sagen. So empfindlich sind meine Ohren nicht!"

    Er nickte. „Hast Recht! Damals durfte ich zu Hause nicht 'Scheiße' sagen, aber draußen sagten wir es dauernd, weil wir bald merkten, wie es uns stank. We nn ich daran denke, wird mir heute noch schlecht."

    Das machte mich nur noch neugieriger und ich bat ihn, mir davon zu erzählen.

    Er blickte durch das Fenster nach draußen, wo der Frühling ausgebrochen war: Die Vögel machten einen Heidenspektakel und die Bäume grünten und blühten um die Wette. „Was macht Johanna?", fragte er.

    Ich war ziemlich sicher, dass meine Schwester nichts Besonderes tat, höchstens Telefonieren mit ihren Freundinnen, ihre Lieblingsdauerbeschäftigung!

    „ Ruf sie bitte an ! Dann werde ich euch erzählen, wie ich die Zeit damals erlebt habe. Könnte euch interessieren."

    Ich kam natürlich nicht durch, aber sie hatte eine Anklopffunktion, sodass sie sich herabließ, mich zu hören, und dann kam sie herangerast und stand bald keuchend vor der Tür, denn auch sie mochte Opa s Geschichten. Dann machten wir es uns auf dem Sofa bequem und er fing an. )

    Ich beginne mit dem 20. April 1944, das war mein 15. Geburtstag, das war aber auch der Führergeburtstag, den wir in meiner Heimatstadt Groß Strehlitz festlich begingen. Die liegt in Oberschlesien, das gehörte damals zu Deutschland, heftig umkämpft zwischen Deutschen und Polen, sollte ewig deutsch bleiben und gehört jetzt zu Polen. Aber wahrscheinlich wisst ihr gar nicht, wo Oberschlesien liegt.

    Wir sahen uns verlegen an und sagten lieber nichts.

    Jedenfalls versank meine Heimatstadt am Führergeburtstag, also am Geburtstag Adolf Hitlers, von dem ihr sicherlich gehört habt,

    So dumm waren wir nun auch wieder nicht!

    versank also meine Stadt in einem Meer flatternder Hakenkreuzfahnen und ich hatte das Gefühl, die Fahnen flatterten mir zu Ehren und machten deutlich, dass ich durch meinen Geburtstag der geborene Hitlerjunge war.

    Wir marschierte n in endlosen Kolonnen durch die Straßen . Wir aus der Hitlerjugend stellten allein fünf Fähnlein von je 150 Mann. Ich war stolz wie ein Pfau und schielte nach jedem Spiegel, um mich in meiner tadellos sitzenden Uniform zu bewundern, die frisch geplättet war und keinen Fleck aufwies und vom Halstuch mit dem braunen Lederknoten abgeschlossen wurde, das ein Dreieck abzugeben hatte, das war für mich wichtig. Wichtig war auch, dass man die Siegrune auf dem Koppelschloss sah, wichtig die etwas schiefer, also verwegener gesetzte Schiffchenmütze, und wie hüpfte mir das Herz vor Freude, als wir auf der rot und schwarz geflaggten Krakauer Straße unter klingendem Spiel in Reih und Glied vorwärts schritten. Es war ein Mordsspaß, da wusste man doch, wofür man lebte!

    Das Schönste war, dass die Mädchen uns nachguckten, unter denen ich Gerda Emmler und Waltraud Waletzke entdeckte, die eine blond, die andere rot, Schneeweißchen und Rosenrot, die ich natürlich nicht anstarren durfte und sie marschierten ja auch in ihren Mädelschaften mit dem Blick nach vorn, aber ich merkte doch, dass sie mich sahen, oder besser, ich fühlte es! Ich hatte sie einmal auf dem Hindenburgplatz gesehen und war gestolpert und vor ihnen wie ein Idiot gelegen, aber als sie mir aufhalfen, hatten sich unsere Augen ineinander zum schönsten Augenblick versenkt, den ich mir vorstellen konnte.

    „Opa!", rief Johanna und musste kichern.

    Er lächelte. „Ich weiß, dass es euch komisch vorkommt, aber ich fühlte mich damals so romantisch, und in der Stimmung lässt man sich leicht verführen, auch von solchen militärischen Paraden . Hört nur weiter zu!"

    Ich sah Gerda Emmler noch einmal, als der Kreisleiter in seiner Rede über den Führer immer langweiliger wurde, je länger er sprach. Aber am Ende winkte er sie zu sich und sie stieg nach oben und verlas den Gruß an den Führer und gratulierte ihm zu seinem 55. Geburtstag und rief mit klingender Stimme: „Möge er noch lange zum Segen und Wohl des deutschen Volkes regieren!" Ich klatschte mir die Hände wund und ein gewaltiger Applaus rauschte durch die ganze Stadt und selbst die Fahnen standen starr und die Bäume hoben ihre Äste.

    Nach der Parade lief ich nach Hause, wo Tante Edith den G eburtstagskuchen für mich gebacken hatte, mit 1 5 Kerzen oben auf, die ich ausbl asen durfte , um dann von allen umarm t zu werden . Die Umarmungen von Muttel, Omi und den Tanten waren mir egal, aber als Marie, Tante Ediths Tochter, mich drückte, die mit ihren 18 Jahren schon eine junge Frau war, fühlte ich mich ganz mau und hoffte, dass ich nicht rot anlief.

    Johanna kicherte wieder und fragte Opa, ob er in seine Cousine verliebt war.

    „ Ach, ich glaube, ich fand es als Junge großartig, wenn ich den Beifall der Mädel bekam. Wisst ihr, ich kannte die Mädel ja nur von weitem. Ich lebte in einer reinen Jungenwelt. Schule, Kirche, HJ: Ich war nur von Jungen umringt. Und zu Hause gab es die Mütter, Omas und Tanten. Die Väter und Onkel waren ja im Krieg. Da war Marie mit ihren 18 Jahren schon etwas Besonderes. Und sie war hübsch, das kam noch dazu.

    Johanna nickte mit leuchtenden Augen. Sie ist erst 13, das merkt man immer wieder, aber ich, der schon 15 bin, also so alt wie Opa damals, fand es leicht abgedreht, dass er bei seiner älteren Cousine rot anlief. Er fand doch diese beiden Mädel von der Führerparade schon k lasse, warum dann bei einer Cousine ausflippen? Aber ich sagte lieber nichts. Er sollte ruhig weitererzählen.

    Marie spielte sich aber auch als meine große Schwester auf. Sie hatte nämlich ihren jüngeren Bruder durch einen Unfall verloren, im Schwimmbad, wo der Bademeister auf ihn hätte aufpassen müssen. Aber der Trottel hatte   nicht gesehen, dass ihr Bruder auf dem Grund lag, und keiner wusste, wie es dazu gekommen war, wo er doch schwimmen konnte. Seitdem glaubte sie, dass mir so was auch passieren könnte, weshalb sie nie mit Mahnungen und Ratschlägen sparte und dann, wenn ich dagegen protestierte, mir unsere Verwandtschaft vor Augen führte, weil ihr Opa und mein Opa Brüder gewesen waren.

    Sie schenkte mir zu meinem Geburtstag die Feldflasche ihres Verlobten Jorgusch , der im Osten vermisst war, was ich nicht annehmen wollte, weil es mir nicht richtig schien. Aber sie bestand darauf und sagte: „Es gibt immer lange Durststrecken und dann wirst du froh sein über jeden Schluck!"

    Von Muttel, wie ich meine Mutter nannte, bekam ich eine Taschenlampe, und das war ein bombiges Stück, spitzenmäßig verarbeitet, leuchtete über hundert Meter weit und die Batterien hielten gut und gerne 20 Stunden. Aber Marie musste dazu sagen, sie hoffte, die Lampe würde mir den rechten Weg leuchten, wenn es dunkel um uns wurde.

    Von Omi bekam ich zwei Bücher, ein Liederbuch, feine Lieder drin, zweifellos, aber auch Kirchenlieder, denn sie konnte es nicht lassen, mir immer was von der Kirche unterzujubeln, und dann ein zweite s Buch von irgendeinem Pater, das den Titel hatte: „Glaube und Gehorsam". Für mich war gleich klar, dass ich es nicht lesen würde, denn ich wusste, wo ich zu glauben und zu gehorchen hatte, und das war nicht in der Kirche. D och das konnte ich Omi nicht sagen, die beleidigt wäre und zurück nach Gleiwitz zu Tante Martha fahren würde, aber wir wollten sie bei uns haben, weil sie das Haus und den Garten machte.

    Aber das größte Geschenk kam noch, denn als die Tanten gegangen waren, klingelte es, und wer stand vor der Tür? Der Tatschick! So nannten wir meinen Vater. Er war im Fliegerhorst Stubendorf stationiert und konnte auf einen Sprung vorbeischauen.

    Jetzt müsst ihr wissen, dass mein Vater, euer Urgroßvater, ein berühmter Jagdflieger war, ein Fliegerass, der stand damals so hoch im Kurs wie heute die Fußballspieler in der Nationalmannschaft. Wie beim Fußball die Bundesligatabelle so gab es damals die Abschussliste, wo die Zahlen der abgeschossenen Flugzeuge gedruckt waren, die sich natürlich mit jedem Tag änderten. Mit seinen 70 Abschüssen gehörte er nicht zu den Großen, sondern lag im Mittelfeld, aber für unsere Kreisstadt Groß Strehlitz war er ein Held. Und ich fühlte mich wie ein kleiner Held, weil etwas von seinem Ruhm auf mich fiel. Unbekannte Leute blieben auf der Straße stehen und fragten, ob ich der Sohn des berühmten Fliegers wäre. Meine Mitschüler liefen mir nach, weil sie sich ein Bild oder die Unterschrift von meinem Vater wünschten. Ein Lehrer bat sogar um seinen Auftritt in der Schule.

    Aber der Tatschick hatte wenig Zeit. Wenn er kam, dann nur für kurze Zeit, und selbst dann war er ständig unterwegs, weil er so viel erledigen musste. Wenn ich früh aufstand, war er schon beim Frühstück, hinter seiner Zeitung verborgen, die er zum Glück beiseite legte, um mit mir zu sprechen. Wir sprachen über alles, von der Schule, den Lehrern, den Freunden, von Fußball und Turnen. Im Turnen war ich gut, im Fußball nicht. Auch nicht im Laufen, Springen und Werfen, jedenfalls zählte ich nicht zu den Besten, was ich unbedingt wollte. Und im Boxen hatte ich ein, zwei empfindliche Niederlagen hinnehmen müssen, was mich ärgerte. Die   anderen waren größer, hatten es leichter, obwohl ich selbst jeden Morgen meine Liegestütz und Kniebeugen machte.

    Der Tatschick nickte, schlug mir aufmunternd auf die Schulter. Er war ja auch eher klein, kaum größer als Muttel. Alles an ihm war fein und zierlich und sein Gesicht hatte sogar eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Muttels. Wartet mal, ich hab das Hochzeitsbild von meinen Eltern!

    Opa holte aus dem Schrank sein altes Fotoalbum und ich war erstaunt, wie jung meine Urgroßeltern aussahen. Sie standen als Brautpaar vor der Kirche und machten ein Gesicht, als ob sie selbst nicht wussten, was sie da eigentlich sollten. Sie waren eher wie die Schüler unserer Theatergruppe, die ein Hochzeitsspiel einübten.

    „Die sehen aus wie Geschwister!", rief Johanna.

    Opa nickte. „Sie sind auch über viele Ecken verwandt, weil sie aus demselben Dorf kamen. Und ihr seht, wie jung sie sind. Mein Vater ist hier 18 und Muttel 20. Sie mussten heiraten, weil ich unterwegs war."

    „Das sieht man aber nicht", sagte Johanna.

    Opa lächelte. „Das sollte man auch nicht. Deshalb hieß es immer, dass ich eine Frühgeburt war."

    „Bist du denn ein Frühchen?", fragte Johanna.

    Opa lachte. „Nein! Aber damals galt es als anständig, wenn das Kind erst neun Monate nach der Hochzeit auf die Welt kam, jedenfalls bei uns in Oberschlesien, wo die Katholische Kirche bestimmte, was anständig war. Versteht ihr?"

    Johanna trompetete sofort, dass sie es verstand. Aber mir war es egal. So was interessiert e mich nicht.

    Ich sah den Tatschick jedenfalls eher als älteren Freund, als großen Bruder, mit dem ich über alles sprechen konnte. Er war zwar eher klein, aber dafür schnell und drahtig, bewegte sich mit kurzen, festen Schritten, hatte lebhafte Augen. Er lachte, wenn ich die Großen und Starken beneidete. „Wenn du Flieger werden willst, sagte er, „nutzt es dir nicht, groß und stark zu sein. Dann musst du klein und flink sein, ein Händchen für deine Maschine haben, ein Gespür für Wind und Wetter.

    Ich wollte alles über sein Fliegen hören, über seine Luftkämpfe und Abschüsse, aber gerade da war er schweigsam. „Darüber kann man nicht reden, mein Junge. Es sind harte Kämpfe, Mann gegen Mann, aber man ist froh, wenn man es überstanden hat, froh und dankbar, dass man noch am Leben ist."

    Ja, der Tatschick war für mich ein Held und ein Held brauchte nicht über seine Taten zu sprechen, die sprachen für sich selbst. In der Wochenschau sah man immer wieder, wie Jagdflugzuge über den Himmel zogen und ich war sicher, dass der Tatschick mitflog. Wie geschleuderte Pfeile rauschten sie durch die Luft, jeder Pilot hielt seinen Abstand ein, alle brannten darauf, Feuer und Verderben zu bringen. Da saß der Tatschick an Bord, ich sah ihn so deutlich!, in der einen Hand den Steuerknüppel, in der anderen das Maschinengewehr. Da, der Feind, ein dunkler Punkt noch, der rasend auf ihn zukam, aber jetzt über Kimme und Korn festgenagelt wurde. Feuer! Schon schraubte sich der Tatschick wieder hoch, die Sonne im Rücken, sodass er wie der blendende Blitz in die feindliche Rotte fuhr. So schützten die deutschen Flieger das Reich, schallte es laut durch den ganzen Himmel.

    Opa stieß einen tiefen Seufzer aus und schaute uns traurig an: „Oh Gott, Kinder, was ist man als Jugendlicher aber auch leicht verführbar! Wenn du glaubst, du kannst ein Held sein, weil du für eine große Sache kämpfst, bist du zu allem bereit!"

    „ Ich nicht!, sagte Johanna. „Ich mag keinen Krieg!

    ‚ Typisch Mädchen!‘, dachte ich. Aber ich konnte mir schon vorstellen, wie ein Teufel durch die Wolken zu fetzen, um feindliche Flieger vom Himmel zu holen! Musste voll krass sein, so einen Bombenknaller in den Händen zu haben!

    Opa schüttelte seufzend den Kopf. „Dann hört weiter!"

    Der Tatschick kam also am Abend des Führergeburtstags zu uns und Omi lief gleich in die Küche, um Rind er rouladen mit polnischen Klößen und Preiselbeeren zu machen, denn es war sein Leibgericht. Muttel hängte sich gleich in den Arm des Tatschick, wie sie es gerne tat, und sagte, sie

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