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Mirabella und die Neun Welten
Mirabella und die Neun Welten
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eBook451 Seiten5 Stunden

Mirabella und die Neun Welten

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Über dieses E-Book

Teil 2 der Mirabella-Reihe:
Die junge Halbgöttin stürzt sich tapfer in ihre neuen Aufgaben als Monsterflüsterin und Hüterin der geheimnisumwitterten Statue. Sie schwört den Eid der Vestalinnen und lernt die mit dem Süden verfeindeten nordischen Götter kennen. Odin, Göttervater der Asen, schlägt gar einen Halbgötter-Austausch mit dem Süden vor. Mirabella willigt mutig ein, sie ist neugierig auf den Norden und begierig, das Rätsel um den Raub der zweiten Statue und ihrer Herkunft zu lösen. Mit ihrer offenen Art stößt sie oft an, gewinnt aber auch neue wertvolle Freunde. Während sie die nordische Götterwelt kennenlernt und ihre göttlichen Kräfte ergründet, gerät sie immer weiter in den Strudel der Vergangenheit und lernt den Bösewicht Loki kennen.

Begleite Mira weiter bei der Entdeckung der europäischen Götterwelt, ihrer wachsenden Fähigkeiten und der immer stärker werdenden Gefühle für ihren Halbbruder. Was für ein Schock, als er plötzlich eine Freundin hat! Doch ein Verehrer lässt nicht lange auf sich warten…
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum13. Okt. 2021
ISBN9783754172490
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    Buchvorschau

    Mirabella und die Neun Welten - Isabelle Pard

    PROLOG IM OLYMP

    „Jupiter, ich muss dich sprechen."

    Eine hochgewachsene Frau von dezenter Schönheit war aus dem Nichts vor dem prächtigen Thron des römischen Göttervaters erschienen. Die weiße Stola über ihrer Tunika, die sie meist über ihre langen schwarzen Haare drapierte, war in der Aufregung in den Nacken gerutscht. Das sonst Ruhe und Güte ausstrahlende Gesicht der Göttin sah beunruhigt zu ihrem Bruder auf. Jupiter erhob sich von seinem Thron und streckte ihr wortlos seinen starken Arm entgegen. Dankbar ergriff die Göttin die wohlgeformte Hand, welche gebieterisch nach Antwort verlangte, und schloss die Augen. Einen langen Moment verharrten beide unbeweglich mit geschlossenen Lidern, bis Jupiter die Verbindung löste. Er sah sie eindringlich mit seinen dunklen Augen an. „Bist du dir ganz sicher, Vesta?"

    Sie nickte ernst. „Die Statue verlangt nach ihr."

    Seufzend nahm er wieder auf seinem Thron Platz und fuhr sich nervös durch seinen gelockten Bart.

    Mitfühlend betrachtete sie die sorgenvolle Miene ihres Bruders. „Ich werde auf sie Acht geben, ich verspreche es."

    Jupiter sah auf, seine Mundwinkel verzogen sich spöttisch. „Wie auf die letzte Vestalin?"

    Die Göttin errötete stark und warf ihm einen tief verletzten Blick zu. Betroffen schwieg sie.

    „Entschuldige, erwiderte er unerwartet milde, „ich will sie nur nicht auch noch verlieren.

    1 - JUPITERS KINDER

    14 Jahre später

    Es waren über zwei Wochen seit der denkwürdigen Aufnahmefeier im Olymp vergangen. Mirabella, die scheinbar jüngste Tochter von Jupiter, dem Chef der Olympischen Götter, war nun eine anerkannte Halbgöttin mit Erlaubnis, den Olymp, den Sitz der griechisch-römischen Götter, jederzeit zu besuchen. Sie konnte es nur nicht.

    Während der Aufnahmeprüfung hatte sie feststellen müssen, dass ihr der Zutritt verwehrt war, sofern sie nicht die Kette von Jupiter, die ein Haar von ihm enthielt, bei sich trug. Dieses Amulett diente dazu, mit Jupiter Kontakt aufzunehmen, für den Notfall oder die monatlich stattfindenden Treffen der lebenden halbgöttlichen Jupiterkinder. Heute Abend, an den Iden des Julis, was in diesem Monat der fünfzehnte bedeutete, fand das nächste und für sie erste Treffen statt. Sie würde endlich ihren Halbbruder Nikolaos wiedersehen, der mit seiner Mutter, seinem Adoptivvater, seiner kleinen Halbschwester Olympia und seinem Hund Platon in Brüssel lebte und die letzten zwei Wochen mit seiner Familie durch Kalifornien gereist war, während Mirabella zuhause in München noch Schule hatte. Sie hatte ihn trotz regelmäßiger Meldungen aus dem Urlaub furchtbar vermisst. Zumindest hatte sie nun etwas mehr Zeit für Antonia und Lukas gehabt, ihre menschlichen besten Freunde, die Mirabellas Geheimnis kannten. Sie hatten gemeinsam viel Zeit im Schwimmbad verbracht und den Besuch von Nikolaos geplant, der in gut zwei Wochen stattfinden sollte. Zwischenzeitlich würde Mirabella mit ihren Eltern nach Tansania fliegen. Eigentlich verspürte sie gar keine Lust auf den Urlaub, obwohl sie immer ganz wild auf eine Safari durch Afrika gewesen war, aber sie freute sich sehr, mit ihren Adoptiveltern Marcus und Yasmin Zeit zu verbringen. Marcus war der Bruder von Mirabellas Mutter Helena, die bei ihrer Geburt gestorben war. Jupiter hatte sich über die Trauer um Helena zurückgezogen, er hatte Mirabellas Mutter sehr geliebt, sie jedoch nicht retten dürfen, da auch er nicht über dem Schicksal stand. Mirabella erfuhr von ihrer Adoption erst durch Jupiter. Noch vor einem knappen Jahr schien sie ein ganz normales Mädchen aus bürgerlichem Haus zu sein, sie haderte mit ihren roten Locken, die niemand in der Familie hatte und über die sich eine Klassenkameradin immer lustig machte, aber sie hatte wunderbar(e) normale Eltern und Menschenfreunde. Nun war alles anders.

    Mirabella saß in ihrem Zimmer auf dem Bett, auf ihren Beinen lag ein Buch, das ihr Vesta, die älteste Schwester Jupiters und ihre göttliche Patentante, gegeben hatte. Es erzählte, im wahrsten Sinne des Wortes, in Bildern und gesprochenen Worten die Geschichte des Krieges zwischen den Olympischen Göttern des Südens und den Asen, den Göttern des Nordens, der vor vielen Jahrhunderten stattgefunden hatte. Heutzutage bestand ein fragiler Frieden, den man mit dem Kalten Krieg im letzten Jahrhundert auf der Erde vergleichen konnte. Sie hatte das Buch aufgeschlagen, jedoch nach wenigen Momenten die Lust an diesem traurigen Kapitel der Göttergeschichte verloren, und ließ lieber eine kleine güldene Ziege vor sich in der Luft schweben. Sie hatte die kleine Statue beim Training im letzten Schuljahr erhalten. Das Bewegen von Gegenständen mit reiner Geisteskraft - Telekinese - wurde von allen Halbgöttern beherrscht. Als Tochter des Donnergottes war sie zudem fähig, Blitze zu erzeugen. In der Kindheit waren diese Fähigkeiten noch nicht sehr ausgeprägt und auch nicht bewusst, mit Beginn der Pubertät wuchsen sie jedoch zu einer Stärke an, die Schulung und Kontrolle erforderten. Sie hatte mit anderen jugendlichen Halbgöttern aus Südeuropa Unterricht erhalten, der auf ein Leben als Halbgöttin vorbereiten sollte. Alle Olympischen Götter hatten sich vorgestellt, die Jugendlichen hatten die verschiedenen Heiligtümer, den Unterwasserpalast von Neptun, das Totenreich von Pluto und Proserpina, den geheimnisumwitterten Vesta-Tempel und das Orakel von Delphi besucht. Letzteres hatte mittels Mirabella zu ihnen gesprochen und unheilvolle Dinge vorhergesagt.

    Die goldene Figur vollführte einen Salto, als Mirabella ein leises Knacken vernahm und Bert aufgeregt pfiff. „Es kommt! Sie sah auf, ließ die Figur aufs Bett plumpsen und stürmte zum Nest der Beo-Familie. Greta hatte ihr vor vielen Jahren den sprechenden Vogel Bert geschenkt. Die geheimnisvolle Isar-Nymphe Greta war nach Mirabellas Geburt als Kindermädchen engagiert worden, ohne dass ihre Adoptiveltern etwas von Göttern, Nymphen oder Halbgöttern ahnten. Letztes Weihnachten hatte Jupiter die exotische Beo-Dame Maya zu Mirabella nach Hause gebracht. Bert hatte sich bei den regelmäßigen Zoobesuchen schwer in Maya verliebt und nun bekamen sie ihren ersten Nachwuchs. Drei Eier lagen in dem liebevoll gebauten Nest und Mirabella starrte gebannt auf das zart grünliche Ei mit kleinen hellbrauen Flecken, in dem ein kleiner Riss zu sehen war. Das Vogelbaby klopfte von innen mit dem Schnabel gegen die Schale, der Riss wurde größer, schließlich entstand ein Loch, man sah eine kleine gelbe Schnabelspitze. „Wie süß!, entfuhr es Mirabella, die unwillkürlich lächelte. Nach ein paar weiteren Klopfern steckte der kleine Beo den Kopf aus dem Ei und befreite sich schließlich ganz. Sein grauer spärlicher Flaum lag feucht an, aber er krähte vergnügt, bis ihn Maya unter ihre Fittiche nahm und ihm etwas Nahrung aus ihrem Schnabel anbot. Bert und Mirabella beobachteten die Szene verzückt und das Mädchen vergaß zum ersten Mal seit der Prüfung ihren Kummer.

    Als sie ohne Jupiters Kette den Olymp nicht hatte betreten können, war eine innere Unruhe aufgetreten, die sie nur selten ignorieren konnte. Juno, Jupiters göttliche Gemahlin, hatte ihr die bei der Prüfung verlorene Kette zukommen lassen und bei der Feier eine Unterredung mit ihr gehabt. Sie hatte angedeutet, Mirabella könnte eventuell nicht-olympischen Ursprungs sein, was das Mädchen innerlich in Panik versetzte. Das durfte einfach nicht sein, Jupiter, Nikolaos und all die anderen, sie waren zu ihrer neuen Familie geworden, die sie liebte und brauchte. Sie hatte nicht einmal Nikolaos, dem sie sonst alles anvertraute, davon erzählt. Juno hatte zudem klargemacht, dass sie eine Enttäuschung für Jupiter, der Mirabella liebte, nicht dulden würde. „Aber merke dir, wenn du Jupiter Schmerzen bereiten solltest, werde ich zu deiner Feindin", waren ihre Worte gewesen. Falls Mirabella nicht Jupiters Tochter war, wollte sie es gar nicht wissen.

    Pünktlich um neunzehn Uhr öffnete sie ihr Amulett mit einem Kuss und den Worten „Te aper-i!" und holte Jupiters Haar heraus. Für den Unterricht waren sie täglich in den Olymp teleportiert worden, eine Technik, die selbständig nur die Vollgötter beherrschten. Die Halbgötter waren auf den Bulla-Express, schwebende Blasen, angewiesen, wenn sie alleine reisten. Von den Heiligtümern und im Olymp konnte man in Blasen, die von außen nicht einsehbar waren, an jeden beliebigen Punkt reisen. Mit Jupiters Haar konnte sie sich jedoch direkt von ihm in den Olymp holen lassen. Sie drehte es zwischen ihren Fingern und dachte an den Göttervater und Herrscher des Olymps. Im nächsten Augenblick stand sie im Thronsaal und sah sich verwundert um. Niemand außer ihr und Jupiter waren anwesend. Sie nahm zumindest an, dass es Jupiter war, denn vor ihr stand Barack Obama. Die Götter lebten noch immer von der Verehrung durch die Zwischenweltwesen und die Menschen - heutzutage in anderer Form als in der Antike. Jupiter trat besonders gern als Weihnachtsmann oder Double bekannter Persönlichkeiten auf.

    „Bin ich zu früh?", fragte Mirabella irritiert.

    „Es liegt nahe, einen Witz zur deutschen Pünktlichkeit zu machen, aber ich glaube, es liegt eher daran, dass du nicht bedacht hast, dass ihr Sommerzeit habt."

    „Oh, natürlich, wie dumm von mir." Sie wollte gerade Jupiter bitten, sie zurückzuschicken, als Nikolaos vor ihr materialisierte. Mirabella grinste über beide Ohren. Sie freute sich, ihn zu sehen, aber war auch froh, dass er denselben Fehler wie sie gemacht hatte.

    „Vater, er nickte Jupiter zu und lächelte dann beim Anblick seiner Schwester. „Hi, Mira!

    „Hi, Nick", sie hatte in den zwei Wochen vergessen, wie gut ihr Bruder in natura aussah, diese Erkenntnis ließ ihr Grinsen verschwinden, was er jedoch nicht sehen konnte, da er sie spontan kurz umarmte.

    „Was grinst du denn so?", fragte er vergnügt, als er sie wieder losließ.

    „Ich? Oh, du hast denselben Fehler gemacht wie ich! Diese Tatsache zauberte das Grinsen zurück. „Wir haben Sommerzeit…

    Man konnte zusehen, wie der Groschen bei Nikolaos fiel. Er schlug sich mit der Handfläche leicht an die Stirn. „Ah, klar! Naja… ist doch gar nicht schlecht, können wir eine Stunde quatschen, oder?"

    Er sah zu Jupiter, der einverstanden wirkte. „Ich komme dann später wieder." Obama verschwand.

    „Lustig, meinte Nikolaos, sich auf den Boden setzend, „wo ich gerade in den Staaten war, also eigentlich noch bin, wir fliegen morgen früh zurück. Obama wird vielerorts nachgetrauert.

    „Naja, das war ja auch der coolste Präsident, den sie je hatten, oder?" Sie setzte sich neben ihren Bruder.

    Nikolaos nickte und sah sie dann lächelnd an. „Ich hab‘ dich vermisst. Wie geht es dir?"

    Mirabella errötete leicht, sie hätte ihm so gerne von ihren Zweifeln erzählt, aber ihr Entschluss stand fest, sofern niemand etwas Anderes behaupten würde, war sie eine waschechte Olympierin.

    „Gut, bisschen langweilig zuhause."

    „Naja, du fliegst morgen los, oder?"

    „Ja."

    „Freust du dich nicht?"

    „Doch, sie merkte selbst, dass sie einsilbig war. Sie sah zu ihm auf. „Ich vermisse den täglichen Unterricht, dich und die anderen zu sehen. Ich habe das Gefühl, ich komme mit einem rein menschlichen Leben gar nicht mehr zurecht. Ich habe sogar fast schon Mars vermisst!

    Nikolaos lachte. „Das will was heißen! Er kannte Mirabellas Abneigung gegenüber dem Kriegsgott Mars, der sie alle in verschiedenen Kampftechniken schulte. „Latein auch?

    „Sowieso, ich fand es viel cooler als gedacht!", gab sie zu.

    Er nickte zustimmend. „Ich habe das hier auch vermisst, aber wahrscheinlich werden wir bald wünschen, man würde uns in Ruhe lassen. Hab‘ durch Zufall beim Tauchen eine Tochter Neptuns kennengelernt, die vor ein paar Jahren aufgenommen wurde. Ist ganz schön stressig, was sie erzählt hat. Neptun hat ständig kleinere Aufträge für sie."

    „Kennt sie Delphine?" Eine jüngere Tochter des Meeresgottes Neptun war zusammen mit den Jupiterkindern in einer Klasse gewesen.

    „Klar, sie konnte nur zur Initiationsfeier nicht kommen, da sie ein paar Seeungeheuer aus der Zwischenwelt einfangen musste."

    „Neptun hat so sein ganz eigenes Reich, scheint mir."

    Ihr Bruder nickte erneut. „Alles unter Wasser ist seins, da würde Jupiter auch nicht dazwischenfunken. Neptun berichtet aber an ihn."

    „Na, da bin ich ja schon gespannt, was die Monsteramazonen von mir erwarten!" Mirabella hatte sich entschieden, den drei Göttinen Minerva, Diana und Vesta bei der Kontrolle der Monster und anderer Zwischenweltwesen zu helfen. Die Zwischenwelt war eine Parallelwelt zur irdischen; Schnittstellen, so genannte Portale, verbanden die Welten miteinander. Wenn sich Zwischenweltwesen in die irdischen Gebiete verirrten, mussten sie zurückgebracht, manchmal bekämpft werden. Mirabella konnte von Geburt an mit Tieren reden und hatte feststellen müssen, dass sie die Monstersprache ebenfalls beherrschte. Sie hatte von Diana, der Göttin der Jagd, ein Armband mit einem Mondgestein erhalten, mit dessen Hilfe sie sich zu einem der drei Heiligtümer der Göttinnen teleportieren lassen konnte. Minerva war die Göttin der Weisheit und Freundin von Diana. Vesta war die jungfräuliche Göttin des Herdfeuers und der Familieneintracht und die dritte im Bunde.

    „Hoffentlich ist der Vestalinnendienst nicht zu anstrengend!", fügte die junge Halbgöttin stirnrunzelnd hinzu. In Vestas Heiligtum wurde eine der Zwillingsstatuen aufbewahrt, die Mirabella gedanklich so viel beschäftigte und im Orakelspruch von zentraler Bedeutung zu sein schien. Die Statue schien Mirabella als neue Hüterin erwählt zu haben, was auch immer das genauer bedeuten sollte. Die zweite Zwillingsstatue war vor langer Zeit geraubt worden, wahrscheinlich von den Nordischen Gottheiten. Laut Vesta konnte nur eine Vereinigung der Statuen zu einem dauerhaften Frieden in der Götterwelt führen.

    Als Nikolaos leicht besorgt aufsah, forderte sie ihn auf, vom Urlaub zu erzählen, was sie nicht schon via Nachrichten erfahren hatte. Sie selbst sprach ein bisschen von Antonia und Lukas, die er schon im Skiurlaub und an Ostern kennengelernt hatte, und von der Geburt des ersten kleinen Beos. „Wenn du kommst, werden alle geschlüpft sein!"

    „Cool, aber sind die nicht sehr laut?"

    „Mal schauen, sonst müssen sie im Gästezimmer schlafen."

    „Und wo schlafe ich dann?"

    „Ich besitze gute Ohrenstöpsel", neckte Mirabella.

    Nikolaos lachte kurz, sah sie dann einen Moment an. „Ich habe auch vermisst, mit dir zu trainieren. Wollen wir Jupiter fragen, ob wir hier nächste Woche trainieren dürfen?"

    „Gerne!" Sie hatten sich beide für den Kampfsport Aikido entschieden, Mirabella vor allem, da er hauptsächlich auf Verteidigung ausgelegt war. Wenn sie konnte, vermied sie es, Gegner, selbst die Hologramm-Gegner im Olymp, zu verletzen, und hatte mit Nikolaos zusammen die Technik der Star Trek-Vulkanier erlernt, humanoide Wesen mittels schmerzlosem Handgriff am Hals in die vorübergehende Bewusstlosigkeit zu schicken. Das funktionierte tatsächlich.

    Im nächsten Moment tauchte Johanna vor ihnen auf, eine Jupitertochter mittleren Alters, die in Basel lebte. Sie trug Jeans und ein T-Shirt, das muskulöse Oberarme nur teilweise bedeckte. „Gruezi mitanand!"

    Die Jugendlichen standen auf und grüßten zurück. Nikolaos erkundigte sich, was Johanna denn treiben würde, als in dem Moment der Greis Georg aus München dazu stieß und alle mit einem Nicken begrüßte. Er und Mirabella hatten schon festgestellt, dass sie nicht weit voneinander entfernt wohnten und lose verabredet, sich einmal zu besuchen.

    „Ich kletter‘ a bisserl", meinte Johanna lässig.

    Georg lachte kurz. „Das Hannerl is so bescheiden. Klettert a weng! Er schüttelte indigniert den Kopf. „Sie zählt zu den besten Bergsteigern der Welt! Sie klettert die schwierigsten Routen ohne Seil und hat schon alle 8000er erklommen. Einschließlich die der Zwischenwelten!

    „Da fehlen mir noch ein paar", gab sie zu.

    Die Jugendlichen sahen sich amüsiert an. „Und du, Georg?", fragte Mirabella neugierig. Georg trug eine leicht ausgebeulte dunkle Stoffhose, ein kurzärmeliges weißes Hemd ohne Kravatte und einen dünnen dunkelroten Pollunder.

    „Ich bin Professor für Altphilologie und Archäologie, eigentlich bin ich emeritiert, aber gebe noch Vorlesungen und darf noch ein bisschen mitforschen."

    „Cool!, rief sie spontan aus, „wo buddelt ihr denn gerade nach Schätzen?

    „Ich beschäftige mich hauptsächlich mit der römischen Antike…, er konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. „Derzeit in Südfrankreich.

    Nach und nach trudelten die anderen ein. Josef aus Slowenien, Jana aus Kroatien, Élodie aus Belgien, Karim aus Tunesien und zuletzt ein junger athletischer Mann in schwarzer Biker-Hose, T-Shirt, Sonnenbrille und einer grünen Wollmütze. Alle bis auf diesen Halbgott-Rapper hatten sie schon bei der Aufnahmefeier kurz kennengelernt, er war damals auf Mission gewesen. „Ciao!, grüßte er lässig, bis sein Blick bei Mirabella hängenblieb. „Ah, unsere Jüngste. Eine tizianische Schönheit! Mirabella riet, dass er auf ihre Haare anspielte, sie hatte schon von Tizianrot und der Vorliebe des Malers für Rothaarige gehört. Gegen ihren Willen errötete sie leicht. Ihr charmanter Halbbruder reichte Mirabella seine Hand. „Timo - aus Rom."

    „Freut mich, Mira aus München", antwortete sie förmlich und entzog ihm ihre Hand, suchte seine Augen hinter der Sonnenbrille.

    „Oh, wie unhöflich, Timo nahm die Brille ab, ein paar dunkler, fast schwarzer Augen blickten sie belustigt an, er wirkte nicht unsympathisch. Es entschlüpfte ihr ein Lächeln „Schon wieder auf Mission gewesen?

    Timo schüttelte den Kopf. „Nur eine kleine Spritztour mit meinem Motorrad." Jetzt entdeckte er das fremde Gesicht neben Mirabella.

    „Du musst Nikolaos sein, Jupiter erwähnte dich neulich."

    Der so angesprochene nickte. „Hi, nenn mich ruhig Nick."

    „Aus Griechenland?"

    „Meine Mutter."

    Mittels Ohrnymphen war die Kommunikation trotz unterschiedlicher Sprachen im Olymp problemlos möglich.

    Jupiter war unbemerkt auf seinem Thron eingetroffen, dieses Mal in seiner Gestalt als römische Gottheit mit weißer Toga über dem weißen Unterkleid, der Tunika. Sein Vollbart war wie sein Haupthaar gepflegt gelockt, auf dem Kopf trug er einen Eichenlaubkranz.

    „Schön, dass ihr euch nun alle vorgestellt habt." Seine Kinder fuhren herum und verbeugten sich leicht zur Begrüßung. Mirabella und Nikolaos hatten ihn schon begrüßt, ohne Verbeugung, aber taten es nun den anderen gleich, während sie sich gegenseitig leicht belustigte Blicke zuwarfen. Jupiter machte eine wegwerfende Handbewegung und neun Schemel im Halbkreis um den Thron erschienen, jeder Spross nahm auf einem Platz und sah Jupiter erwartungsvoll an.

    Jupiter berichtete vom Initiationsfest, der Aufnahmefeier, und der Audienz, der Nikolaos beiwohnen durfte. Es wurden verschiedene Beschwerden vorgetragen, wie Jupiter schilderte. Die Pterippus, Flügelpferde wie einst Pegasus, litten unter Hungersnot, da ihre Weideflächen von einer Pflanzenkrankheit befallen waren. Apoll, der Gott der Heilkunst, hatte sich bereits der Sache angenommen. Die Riesen, aggressive große zweibeinige Wesen mit übernatürlichen Kräften hatten ein riesiges Gebiet in der Zwischenwelt zugesprochen bekommen, aber sie überschritten immer wieder ihre Grenzen und belästigten, beraubten oder töteten andere Zwischenweltwesen. Zuletzt waren die Malleocornu betroffen gewesen, als die Riesen einen Staudamm gebaut hatten, der bewirkte, dass der Fluss der nilpferd-ähnlichen Monster austrocknete. Mirabella hatte die Amazonen begleitet, als sie sich des Problems angenommen hatten.

    „An mich ist nun die Bitte herangetragen worden, einen neuen Vertrag mit den Riesen zu verhandeln und die Grenzen generell zu sichern. Nikolaos wird an dem Projekt beteiligt. Er ist an Juristerei interessiert, vielleicht kann er am Vertrag mithelfen und beim Verhandeln. Ich möchte einen fairen Vertrag, aber ich sollte vielleicht erwähnen, dass Nikolaos die Gabe der Suggestion beherrscht." Ein Raunen ging durch die Runde, die Gabe war wohl selten. Nikolaos konnte Monstern und Tieren seinen Willen aufzwingen. In der Prüfung konnte er ein Monster dazu bewegen, seinen Hund Platon freizugeben. Je schwächer und primitiver der Geist war, umso einfacher war seine Beherrschung. Er hatte Mirabella versprechen müssen, es nie bei ihr anzuwenden.

    Élodie und Josef wurden aufgefordert, einen Vertrag auszuarbeiten und Nikolaos zu beteiligen. Auf der Erde waren sie Anwälte und nickten ergeben seufzend, sahen aber so aus, also wären sie mit ihrer alltäglichen Arbeit schon mehr als ausgelastet. „Dürfen wir Zusatzstunden nehmen?", fragte Élodie.

    „Wenn es sein muss", bestätigte Jupiter gnädig nickend.

    Zusatzzeit bedeutete, dass man sich im Olymp außerhalb der normalen Erdzeit treffen konnte. Der Unterricht im ersten Jahr wurde in der Zusatzzeit abgehalten, Mirabella und ihre Mitschüler hatten dadurch Tage von sechsundzwanzig bis dreißig Stunden gehabt. Im Olymp konnte man maximal vierundzwanzig Stunden zusätzlich erhalten, das jedoch nur ausnahmsweise in einem Notfall. Vereinzelte Extrastunden wurden auf Anfrage gewährt, es bedeutete für den Olymp einen enormen Energieaufwand und Mirabella hatte bis heute nicht verstanden, wie die Technik eigentlich funktionierte.

    Die beiden Juristen berichteten über einen anderen Vertrag mit den Kelten. Man wollte ihnen Großbritannien überlassen, aber die Kelten konnten sich nicht entscheiden, ob sie selbständig werden oder in der Olympischen Union verbleiben wollten, da einige Gebiete in Nordfrankreich, Bayern und Belgien für sie dann verloren wären. Die Nord-Union der Nordischen Götter wollte zudem nicht Schottland abtreten. „Was würden denn die Asen im Ausgleich haben wollen?"

    „Bayern."

    Mirabella machte große Augen.

    „Was?", donnerte Jupiter und sah automatisch zu Mirabella und Georg.

    „Niemals! Bayern war nie germanisch. Schlagt ein anderes Gebiet vor. Flandern oder irgendwas im Osten, aber nicht Bayern, zumindest nicht Oberbayern!"

    „Und wenn sie das ablehnen?", fragte Josef vorsichtig.

    „Dann gibt es eben keinen Deal." Jupiter zuckte mit den Schultern, es war eindeutig, dass er nicht mit sich reden lassen würde. Mirabella vermutete, dass es mit ihrer Herkunft und der ihrer Mutter zusammenhing. Jupiter hatte Helena so sehr geliebt, dass er sie heiraten und zu einer Göttin machen wollte, wie die Liebesgöttin Venus sich verplappert hatte.

    Es herrschte einen Augenblick Schweigen, Mirabella und Nikolaos sahen sich verstohlen an. Schließlich wandte sich Jupiter an Jana und Karim.

    „Wie sehen eure Fortschritte aus?"

    Karim überließ Jana mit einer Geste das Wort.

    Sie berichtete über eine Nichtregierungsorganisation, die sich um Menschenrechte kümmerte. Ein großes Thema waren derzeit die Flüchtlingsströme, speziell aus Nordafrika. Es ging darum, Fluchtursachen zu bekämpfen, gemeinsam mit der Politik Schleuserbanden zu bekämpfen, die Aufnahme humaner zu gestalten und Integration zu fördern.

    Jupiter erklärte nun Mirabella und Nikolaos die für ihn wichtigen Punkte. „Die Organisation hat schon viel Lob und Anerkennung erhalten, Karim ist der Leiter für Tunesien, Jana in Kroatien. In letzter Zeit ist das Thema Flüchtlinge jedoch sehr problematisch, wie ihr vielleicht mitbekommen habt. Viele in Europa haben Angst vor zu vielen Flüchtlingen und die Erwartungen der Flüchtlinge decken sich nicht mit der Realität. Sie erhoffen sich neben Sicherheit auch ein wirtschaftlich besseres Leben, landen jedoch in Asylunterkünften, dürfen nicht arbeiten und werden teilweise offen von der Bevölkerung angefeindet. Neptun hat sich von der Problematik abgewandt, weil die Rettung der Schiffe auch nicht immer Anerkennung brachte, einige Schiffe sind seither gesunken. Jupiter seufzte. „Ich hab‘ euch immer gesagt: widmet euch einfacheren Themen, damit gibt es keine Anerkennung zu gewinnen.

    Jana sah genervt auf. „Wir machen das ja nicht nur für die Anerkennung, sondern weil wir denken, dass es das Richtige ist. Wir dürfen unsere Werte nicht einfach über Bord schmeißen, nur, weil es unbequem wird."

    Jupiter gebot Jana Einhalt. „Ich kenne deine Meinung dazu. Was höre ich von Karim? Er ist selbst in Gefahr?"

    „Naja, demokratische Werte in Tunesien zu verteidigen ist nicht gerade einfach…"

    Der Göttervater nickte. „Wenn es ernsthafte Probleme gibt, erhältst du vorübergehend hier Asyl, wir arrangieren etwas."

    Karim nickte dankbar.  „Wir haben übrigens doch einen Erfolg aufzuweisen. Wir haben nun auch Beraterfunktion bei der UNO. Wie viel das bringen wird, wird man sehen…"

    Jupiter sah höchst skeptisch aus, nickte aber wohlwollend und sah zum alten Georg.

    „Was macht dein Buch über den Jupiter Tonans?"

    „Fast fertig."

    „Georg macht die römischen Götter wieder populärer, schreibt Bücher und Artikel und gibt Vorlesungen. Er hilft wider das Vergessen", erklärte Jupiter den beiden Neuankömmlingen der Runde. Sein Blick fiel auf die Schweizerin.

    „Johanna ist eine berühmte Bergsteigerin, sie akkumuliert wie Timo Kraft und Energie durch Verehrung. Was ist dein nächstes Projekt?"

    „Ich will einen neuen Rekord aufstellen, die Cassin-Route an der Eiger Nordwand. In unter zwei Stunden!"

    „Wie ist der Rekord derzeit?", fragte Nikolaos interessiert.

    „Zwei Stunden und paar Minuten."

    „Wow!" Nikolaos war sichtlich beeindruckt.

    Nun war Timo an der Reihe zu berichten. „Wir haben einen neuen Plattenvertrag und eine europaweite Tournee ist geplant!" Der junge Römer blickte stolz um sich.

    Jupiter schaltete sich ein. „Timo spielt in einer Band. Wie nennst du das? Hop Hip?"

    Mirabella musste ein Prusten unterdrücken und sah zu Nikolaos, dem es ähnlich ging.

    „Hip Hop, sagte Timo leicht indigniert, wandte sich dann an die beiden Jugendlichen, „wir kreieren gerade unseren eigenen italienischen Hip Hop, Roma Funk. Bisschen Electro, bisschen Punk. Ich bin der Sänger. Wollt ihr mal auf eins unserer Konzerte?

    „Klar", sagten Mirabella und Nikolaos wie aus einem Munde.

    „Das lässt sich arrangieren, sagte Jupiter nun neutral, „was ist mit der Sängerin? Will sie kooperieren?

    „Mit Venus? Ja, ist interessiert."

    „So eine Symbiose?", fragte Mirabella irritiert. Jupiter hatte ihnen anfangs erklärt, dass die Energiewesen des Olymps von der Verehrung der Menschen lebten. Dafür nahmen sie einerseits die Gestalt von beliebten Figuren wie dem Weihnachtsmann oder auch manchen Superhelden an, vor allem bei Ereignissen wie Weihnachtsmärkten, Heiligabend, Fan-Treffen oder Conventions, wo deren Präsenz erwartet wurde, oder für kleine Kinder, die noch an die Real-Präsenz dieser Wesen glaubten. Eine andere Möglichkeit war die Bedienung der zahlreichen Doubles bekannter Persönlichkeiten. Schließlich gab es auch noch die Symbiose. Die Götter verliehen einem Menschen eine göttliche Gabe, beispielsweise außergewöhnliche Schönheit, Intelligenz oder verschiedene Talente, die zu einer Bewunderung der Person führten. Als Gegenleistung hatten die Götter Anteil am Ruhm und an der Verehrung, Jupiter nannte dies eine Win-Win-Situation.

    Der Göttervater nickte nun bei Mirabellas Frage. „Sie hat eine tolle Stimme, aber ihr Aussehen… Jupiter schüttelte den Kopf. „Unvorteilhaft. Venus wird ihr etwas Liebreiz verleihen, dann könnten die beiden sehr populär werden!

    2 - VON MARS UND MONSTERN

    Sand rieselte durch Mirabellas leicht gebräunte Zehen, das Meer rauschte im Hintergrund und das junge Mädchen blinzelte im Halbschatten über ein Buch gebeugt, ohne es zu lesen. Sie war auf Sansibar, dem Sehnsuchtsort vieler, und vermisste den Olymp, ihre Freunde und vor allem ihren Bruder. Was war nur mit ihr los? Sonne, Strand und Meer, Delphine im Wasser, coole Kite-Surfer an der Strandbar und endlich einmal Zeit zum Faulenzen, Lesen und Nachdenken. Aber vielleicht war das Mirabellas Problem, sie wollte nicht faulenzen und schon gar nicht nachdenken, sie wollte Action, Abenteuer und Geselligkeit. Die erste Ferienwoche mit Safari durch die Serengeti und den Ngoro-Ngoro-Krater war schnell vergangen. In unbeobachteten Augenblicken testete Mirabella stets, ob sie auch mit den wilden Tieren Afrikas sprechen konnte. Noch war ihr kein Tier begegnet, das sie nicht verstehen konnte. Abends unterhielt sie meist das folkloristische Programm in der Lodge, eine Runde Skat mit den Eltern oder das Sichten der Videos und Bilder des Tages.

    Erst auf Sansibar befiel Mirabella wieder diese innere Unruhe, kreisten ihre Gedanken erneut um die Frage ihrer Herkunft. Wenn es kein komischer Zufall war, dass ihr der Zutritt ohne Amulett verwehrt war, kam keiner der Olympier als ihr Vater in Frage. Oder Mutter. Die Energiewesen besaßen kein Geschlecht im menschlichen Sinne. Wie konnte aber sonst ihre Mutter schwanger mit einer Halbgöttin gewesen sein? Und Halbgöttin war sie. Oder? War sie vielleicht ein Zwischenweltwesen? Sprach sie deshalb die Monstersprache?

    „Mira, kommst du mit schwimmen?, fragte Yasmin, Mirabellas Adoptivmutter. Das Mädchen sah von ihrem Buch auf, in dem sie nicht las, fragend, bis Yasmin die Frage wiederholte. „Ja, gerne! Mirabella klappte das Buch zu und sah kurz auf ihr Handy. Eine Nachricht von Nikolaos. Morgen Training?

    Ein Lächeln schlich sich in ihr Gesicht. Klar. Fragst du Jupiter?

    Mach ich, bis später!

    Mirabella ging mit guter Laune baden im Indischen Ozean.

    Als sie später erneut ihr Handy zur Hand nahm, bemerkte sie Yasmins kritischen Blick und sah sie fragend an.

    „Meinst du nicht, dass du sehr viel Zeit mit deinem Handy verbringst?", fragte diese vorsichtig.

    Mirabella wollte im ersten Moment reflexartig protestieren, schloss dann ihren Mund jedoch wieder und seufzte. „Du hast recht, Mami, aber ich vermisse meine Freunde. Wir haben eine Chat-Gruppe aufgemacht und es ist einfach nett, weiterhin mit ihnen in Kontakt zu sein."

    Yasmin drückte die Hand des Mädchens. „Ich verstehe dich ja. Ich hab‘ nur das Gefühl, dass wir den Anschluss verlieren, kein Teil davon sind."

    Mirabella schaute etwas unglücklich, sie wollte niemanden ausschließen, schon gar nicht die beiden. Ihre Adoptiveltern hatten letztendlich sehr tolerant und positiv auf die Neuigkeiten reagiert, die sie erst im Laufe des letzten Jahres erfahren hatten. Marcus hatte zwar mehrere Tage nicht darüber reden können, die Existenz der Götter hatte ihn schwer in seinen Grundüberzeugungen getroffen, bis er sie als höher entwickelte Energiewesen zu akzeptieren lernte.

    „Was schreiben sie denn?", fragte Yasmin aufmunternd.

    „Äh, sie sind alle auch im Urlaub. Delphine ist nicht weit von hier, naja, sind fast 1000 km, wie ich feststellen musste, aber sie ist hier auch im Indischen Ozean, auf Mayotte. Sie vermisst ihren Freund Iros, der im Mittelmeer lebt."

    „Er lebt im Mittelmeer?"

    „Er ist ein Meerjunge, also Meermann. So wie die Meerjungfrauen, da gibt es ein ganzes Volk davon, über alle Meere verstreut."

    „Arielle gibt es wirklich?", fragte Yasmin begeistert.

    Mirabella lachte. „DIE Arielle wahrscheinlich nicht, aber Neptun meinte, dass wegen der Geschichte viele rothaarige Meerjungfrauen Arielle genannt werden."

    „Und Nikolaos?"

    „Der ist jetzt zuhause, war davor ja in den Staaten. Er übt viel mit seiner Jazz Band." Ganz wohl war Mirabella dabei nicht. Sie wusste, dass die Sängerin der Band, Céline, in Nikolaos verliebt war. Er hatte behauptet, es nicht zu sein, aber Mirabella hatte dennoch Angst, er könnte mit ihr zusammenkommen, was dazu führen würde, dass er keine Zeit mehr für seine Halbschwester hätte.

    „Treten die auch auf?"

    „Auf einer privaten Hochzeit wollen sie demnächst spielen."

    Mirabella erzählte noch von Leon, dem Sohn des Schmiedegottes Vulcanus, der mit seinen Eltern in Chile unterwegs war. Er stöhnte etwas über die vielen Vulkane, die er besichtigen musste, seine Eltern waren Vulkanologen, schien aber an sich Spaß an den Wanderungen und Besteigungen zu haben. Die Bilder, die er herumschickte, zeigten eine atemberaubende Landschaft. Der Sizilianer Lorenzo, Sohn des Apolls, den sie zuletzt auf der Aufnahmefeier knutschend mit Terra gesehen hatte, war mit einem Freund beim Surfen an der französischen Atlantikküste. Von oder über Terra hatte sie seit der Feier keine Information erhalten, da sie der Chatgruppe nicht angehörte. Terra war die einzige Vollgöttin ihrer Klasse

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