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#2 MondZauber: VERSUCHUNG
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eBook243 Seiten3 Stunden

#2 MondZauber: VERSUCHUNG

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Über dieses E-Book

Das Schicksal nimmt seinen Lauf. Niemand vermag, es aufzuhalten. Nicht einmal die Götter.

MondZauber #2
Nach den verstörenden Ereignissen rund um ihre missglückte Verwandlung flieht Lyra nach Irland. Dort verbringt sie den Sommer unter Werwölfen, erfährt von einer mystischen Prophezeiung und von Cathán, der in Spitzbergen eine Armee untoter Gestaltwandler züchten will. In Venedig soll Lyra ihre Kräfte testen, denn für die magische Welt ist sie die einzige Hoffnung, einen Krieg zu verhindern. Doch die Versuchung ist groß, in der Lagunenstadt einfach das Leben und die Liebe zu genießen, dem Schicksal zu entfliehen, bis REDRUBI auftaucht ...

Ein weiblicher Hybrid in der Gestalt eines Wertieres, geboren aus dem Wasser und dem Feuer, soll im Reich der Luft seine Kräfte messen und dem Reich der Erde endlich Frieden bringen. Lyras Schicksal wurde bereits vor langer Zeit besiegelt. Begleite sie auf ihrem fantastischen Weg, tauche ein in die magische Welt der Mythen und Märchen und löse mit ihr gemeinsam die Geheimnisse, welche nun nicht länger im Verborgenen liegen ...

Die Basisstory REDRUBI ist einzeln erhältlich. Vergiss Rotkäppchen!
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum30. Apr. 2021
ISBN9783753186801
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    Buchvorschau

    #2 MondZauber - Mari März

    Lyra

    Ein weiblicher Hybrid in der Gestalt eines Wertieres, geboren aus dem Wasser und dem Feuer, soll im Reich der Luft seine Kräfte messen und dem Reich der Erde endlich Frieden bringen. Lyras Schicksal wurde bereits vor langer Zeit besiegelt. Begleite sie auf ihrem fantastischen Weg, tauche ein in die magische Welt der Mythen und Märchen und löse mit ihr gemeinsam die Geheimnisse, welche nun nicht länger im Verborgenen liegen ...

    #2MondZauber: Nach den verstörenden Ereignissen rund um ihre missglückte Verwandlung flieht Lyra nach Irland. Dort verbringt sie den Sommer unter Werwölfen, erfährt von einer mystischen Prophezeiung und von Cathán, der in Spitzbergen eine Armee untoter Gestaltwandler züchten will. In Venedig soll Lyra ihre Kräfte testen, denn für die magische Welt ist sie die einzige Hoffnung, einen Krieg zu verhindern. Doch die Versuchung ist groß, in der Lagunenstadt einfach das Leben und die Liebe zu genießen, dem Schicksal zu entfliehen, bis REDRUBI auftaucht ...

    Das Schicksal nimmt seinen Lauf.

    Niemand vermag, es aufzuhalten.

    Nicht einmal die Götter.

    Inhalt

    Lyra

    Was bisher geschah ...

    Das erste Mal

    Die Druidin

    Das Ritual

    Verwandlung

    Hunger

    Der Alpha

    Die Prophezeiung

    Hoffnung

    Wahrheiten

    Redrubi

    Cathán

    Das Versprechen

    Heimweh

    Fressfeinde

    Ians Geheimnis

    Instinkte

    Abschied

    Aufbruch

    Venedig

    La dolce Vita

    Daris & Nina

    Drugs

    Neuigkeiten

    Schwerelos

    Lügen

    Emily

    Entscheidungen

    Freiheit

    Jagd

    Offenbarung

    Wiedersehen

    Heimkehr

    Wie geht es weiter?

    MondZauber #1

    REDRUBI

    MM-Veröffentlichungen

    MM-Hörbücher

    MM-SHOP

    Was bisher geschah ...

    Lyra Hertzberg ist ein fast normaler Teenager. Sie liest gern Comics, trägt Klamotten mit Totenköpfen und Cupcake-Shirts, eine schwarz-blaue Manga-Frisur, schaut gern Fantasy- und Horrorfilme, hat sich mit siebzehn heimlich ein Tattoo stechen lassen und keinen Bock auf ihre Eltern, auf kommerzielle Happenings oder kollektiven Mädchenkram. Weil sie keine Lust hat, Mommy und Daddy an Silvester auf eine blöde Party zu begleiten und auch sonst wenig von der aufgesetzten Dekadenz ihrer Eltern hält, schert sie sich kurzerhand den Schädel kahl.

    Als selbsternannte Außenseiterin hängt sie am liebsten mit ihrer besten und einzigen Freundin Emily ab ... bis zu jenem Tag, als Lyra plötzlich Dinge erlebt, die von normal meilenweit entfernt sind. Ihr Körper verändert sich, was auch Klassenschönling Niklas wahrnimmt, in den Lyra schon ewig unglücklich verknallt ist. Aus der übergewichtigen Emo-Fee wird auf magische Weise ein It-Girl im Mainstream-Look. Je mehr Lyra erkennt, dass sie anders ist, desto öfter versucht sie, dieses Anderssein durch Normalität zu kaschieren.

    Es gelingt ihr nicht.

    Natürlich nicht!

    Denn Lyra ist nicht einfach nur anders, sie ist ein Hybrid, der selbst für die magische Welt eine Seltenheit bedeutet.

    Ihre biedere Familie will dieses Anderssein jedoch verbergen. Großmutter Regina greift zu drastischen Mitteln und sorgt dafür, dass ihre Enkelin in die geschlossene Abteilung der Psychiatrie eingewiesen wird, nachdem Lyra ihren Schulschwarm Niklas fast gekillt hätte.

    Ian, ein gutaussehender Werwolf, eilt ihr zu Hilfe und rettet sie mehrfach aus der Bredouille.

    Aber ist Lyra eigentlich zu retten?

    Lässt sich das Schicksal einfach so ignorieren, unter den gutbürgerlichen Teppich kehren?

    An ihrem achtzehnten Geburtstag soll sich auch Lyra in einen Werwolf verwandeln, doch alles, was sie zustande bringt, ist Chaos, kreischende Mädchen und ein gigantisches Feuer während des Abiballs.

    Die Flucht ist der einzige Ausweg.

    Und was kommt danach ...?

    Das erste Mal

    »Komm, bring es endlich hinter dich! Der Vollmond währt nicht ewig.« Moira zwinkerte ihr aufmunternd zu und griff nach dem Knauf einer riesigen Eichenholztür. Lyra stand vor ebenjenem Portal und verschränkte unschlüssig die Arme.

    Was, wenn es heute wieder schiefgeht?

    Was, wenn ich gar kein Gestaltwandler bin?

    Schließlich hätte sie sich an ihrem achtzehnten Geburtstag verwandeln müssen, also bereits vor zwei Wochen oder aber einer gefühlten Ewigkeit, in einem anderen Universum. Seit sie mit Ian die grüne Insel betreten hatte, war sie in eine komplett andere Welt eingetaucht. Hier, im wunderschönen Süden Irlands, sprach man nicht nur eine andere Sprache, hatte eine andere Mentalität. Nein! Mythen und Legenden gehörten hier zum Alltag wie in Deutschland das Sauerkraut zum Kassler.

    »Jetzt kneif nicht schon wieder, Lyra! Irgendwann ist immer das erste Mal. Das wird schon. Komm!«

    Moira hatte ja recht. Was nutzte es, noch ewig Ausreden zu erfinden und sich zu zieren wie eine Pubertierende. Lyra konnte Ian und seine Schwester nicht enttäuschen. Beide hatten ihr mit viel Geduld und bis ins kleinste Detail erklärt, was passieren würde. Lyra hatte den Erzählungen gelauscht und fand das alles fantastisch. Genau, fantastisch. Doch jetzt mutierte die Fantasy zur Realität.

    Wie sollte sie Moira erklären, dass sie die letzten achtzehn Jahre quasi auf magischer Sparflamme gelebt und noch nie in ihrem Leben etwas gewagt hatte? Wie sollte sie diesem Mädchen, das in der magischen Welt aufgewachsen war, weismachen, dass sie all jene Dinge, die für Moira selbstverständlich waren, nur aus Büchern und Filmen kannte?

    Moira. Allein der Name. Lyra musste zwangsläufig an Doktor Moira Kinross MacTaggert denken – die Expertin für Mutantenforschung in den Marvel-Comics. Passte irgendwie.

    Auf Anhieb hatte sie dieses offenherzige und wunderschöne Mädchen ins Herz geschlossen. Moira war wilder als der Rest des Clans. Und das wollte etwas heißen, schließlich bestand dieser aus knapp fünfzig Werwölfen, die allesamt auf ihren Alpha hörten, den Anführer des Clans, dem Chef der McTires.

    Jeder von ihnen hatte Lyra auf das Herzlichste begrüßt, vor zwei Wochen, bei ihrer Ankunft. Fast jeder. Der beste Freund von Ian, Kenneth, hatte sie auf seltsame Weise taxiert, als sie am ersten Abend zusammengesessen hatten. Irgendetwas in seinem Blick gefiel Lyra ganz und gar nicht. Doch sie konnte nicht einmal ansatzweise vermuten, was es war. Auch ihre magischen Fähigkeiten halfen ihr dabei nicht, zumal die Menschen in ihrem Umfeld davon reichlich besaßen.

    Menschen. Dieses Wort sollte sie zukünftig wohl weniger benutzen. Viel wusste sie noch nicht über Gestaltwandler und Hexen, aber eines ganz gewiss: Sie waren nicht humanen Ursprungs. Jedenfalls nicht so wie Emily oder die Hertzbergs. Bis auf ihre Mutter natürlich. Die war auch irgendwie eine Hexe. Zumindest hatte das ihre Tante Miranda erzählt.

    Das war doch alles irre!

    Und Emily? Wie Lyra ihre beste Freundin vermisste! Mit ihr hatte sie seit Kindertagen alles geteilt: Freud und Leid, Liebeskummer, Eisbecher und Klamotten. Es schien Lyra, als würde diese Zeit schon ewig zurückliegen. Dabei war es gerade einmal ein halbes Jahr her, seit sie die ersten Anzeichen ihrer Verwandlung gespürt hatte. Damals, in der Dachkammer von Regina, die gar nicht ihre leibliche Großmutter war.

    Und nun? Jetzt stand sie vor diesem Portal einer in den Fels gehauenen Höhle, in der die Druidin des Clans auf sie wartete. Genau genommen seit zwei Tagen. Der Mond zeigte in dieser Nacht seine volle Größe. Das Zeitfenster war eng und Lyras Geduld langsam am Ende. Weitere vier Wochen müssten vergehen, bevor sie das Ritual wiederholen könnten.

    Seltsam war das alles. Aber seltsam half ihr nicht weiter. Sie musste jetzt in diese blöde Höhle gehen und mithilfe irgendwelcher heidnischen Zauber versuchen, endlich die Verwandlung abzuschließen. Ian und auch Moira hatten ihr versichert, dass es nicht wehtun würde. Jedenfalls nicht so, wie es in den entsprechenden Filmen immer dargestellt wurde, in denen knackige Kerle zu zotteligen Werwölfen mutierten.

    Lyra hatte da jedoch ihre Zweifel, obwohl sich diese mehr auf das Ergebnis bezogen. Sie dachte an den Abschlussball und an Jenny, die Schulschlampe. Die Erinnerung an die unzähligen Sticheleien während ihrer Zeit auf dem Gymnasium ließ Wut in Lyra aufsteigen. Und noch etwas anderes bahnte sich den Weg durch ihren Geist: Genugtuung. Schließlich war Jenny durchs Abitur gerauscht. Und sie, Lyra Hertzberg, war vom pummligen Mädchen zum schönen Schwan avanciert. Zu einem Schwan mit Superkräften!

    Okay, dann bring ich es eben jetzt hinter mich. Irgendwann ist immer das erste Mal.

    Die Druidin

    Entschlossen nickte sie Moira zu, auf deren Gesicht ein triumphales Lächeln erschien. Sie drehte an dem gusseisernen Knauf und schob das schwere Holzportal auf. Lyra kannte die Intarsien der reichverzierten Tür auswendig. Efeu bedeckte die Hälfte des Eingangs zu dieser naturbelassenen Höhle, die wahrscheinlich schon vor Tausenden von Jahren den Gestaltwandlern als Tempel und mehreren Generationen von Druiden als Arbeitsstätte diente. Lyra war erstaunt gewesen, als sie erfuhr, dass hier tatsächlich eine Frau für die Spiritualität, die Gesundheit und das Bewahren des alten Glaubens zuständig war. Irland schien eben doch anders zu sein als der Rest der Welt. Trotz der massiven Einflüsse der katholischen Kirche wurde hier das Weibliche verehrt und neben der christlichen Religion in den Alltag einbezogen. Was in weiten Teilen der Welt für absurd erklärt wurde, war hier völlig normal.

    Das laute Knarren der Tür riss Lyra aus ihren Gedanken. Jetzt wurde es also ernst.

    In den Fels gehauene Stufen führten hinab in die Höhle. Sie hatte einen modrigen Geruch erwartet, stattdessen strömte ihr der salzige Duft des Meeres entgegen. Und noch etwas anderes kitzelte in ihrer Nase. Sie roch Feuer und das würzige Aroma dampfender Kräuter.

    »Komm!«, flüsterte Moira, die eine lodernde Fackel aus einer Halterung nahm. Gemeinsam stiegen die beiden Mädchen mehrere Stufen hinab, bis sie in eine riesige Grotte gelangten.

    Lyra war immer der Meinung gewesen, dass sie genügend Fantasie besäße, aber was sie hier sah, überstieg ihren kreativen Geist. Ein unterirdischer See glitzerte im Schein des Feuers, das am Fuße der Treppe in einem eigens dafür gehauenen riesigen Steinkreis flackerte. Im Dunkel dahinter konnte sie eine weitere Tür erkennen. Moira hatte ihr erzählt, dass dort die Druidin des Clans wohnte, die Beanna genannt wurde, was so viel wie Krähe bedeutete. Es hieß, dass sie über einhundertfünfzig Jahre alt sei und ihre Haut so weiß wäre wie Schnee, der sich in diesem Teil Irlands genauso selten zeigte wie der Papst.

    Lyra beobachtete Moira, die jetzt in der alten irischen Sprache flüsterte und dabei etwas ins Feuer warf. Natürlich wusste Lyra, was ihre neue Freundin da tat. Die Gestaltwandler hatten ihre ganz eigene Religion, zu der es gehörte, die Druidin des Clans zu verehren und sich dankbar zu zeigen. Da Lyra noch nicht vollends in die Gemeinschaft aufgenommen war und darüber hinaus längst nicht alles wusste, hielt sie sich zurück und betrachtete indes die kunstfertigen Wandmalereien. Ian hatte ihr bereits einige Ornamente in einem alten Buch gezeigt, die sie nun auf der Felswand wiedererkannte. So viel Neues hatte sie erfahren, dass sie bisweilen das Gefühl hatte, ihr Kopf würde platzen. Doch Ian war ein geduldiger Lehrer und lächelte sein hübsches Lächeln, wenn Lyra wieder einmal irritiert darüber war, wie freundlich sie alle behandelten. Sie gehörte doch gar nicht zum Clan, nicht in diese Welt. Sie hatte im Grunde von nichts eine Ahnung und doch schenkte man ihr das Gefühl, als wäre sie eine von ihnen. Für Lyra war das vollkommen neu. Bisher war sie der selbsternannte Outlaw, eine Außenseiterin, die niemand leiden konnte. Und auf einmal sollte sie zu dieser Gemeinschaft gehören?

    »Sei gegrüßt, Lyra! Willkommen in meinem Sídhe!«

    Wie durch ein Wunder verstand Lyra jedes Wort, was die Beanna sprach. In einer ihr fremden Sprache antwortete sie nun, als hätte sie es schon tausend Mal getan: »Sei gegrüßt, Nathair! Es ist mir eine Ehre, dass du die Zeit für mich findest und mich bei meiner Verwandlung begleitest.« Wie ihr Ian und Moira es gezeigt hatten, verbeugte sich Lyra und verharrte in dieser Position. Die Druidin kam ihr entgegen und hob Lyras Gesicht in den Schein des Feuers. »Du hast die Augen deines Vaters. Ich danke den Göttern, dass du endlich den Weg zu uns gefunden hast. Schon lange vor deiner Geburt bist du mir im Traum erschienen. Jetzt soll sich die Prophezeiung also erfüllen.«

    Lyra starrte mit klopfendem Herzen in die weißen Augen der Druidin. Niemand hatte ihr gesagt, dass die Beanna blind war. Alle sprachen von der Seherin, wie hätte sie da auf die Idee kommen sollen …?

    Die Berührung der alten Frau fühlte sich trotz der Hitze des Feuers kühl an. Kühl und trocken, was zu dem Wesen passte, in das sich die Druidin verwandeln konnte. Beanna war keine Wölfin, sondern eine Krähe und stammte vom Volk der Danu. Nur diesen äußerst seltenen Gestaltwandlern war es bestimmt, sich als Druiden ausbilden zu lassen und als ebensolche tätig zu sein. Denn nur sie verfügten über weit mehr magische Fähigkeiten als der Rest ihrer Art. Sanft wie eine Feder strich die Beanna nun über Lyras Gesicht und fragte: »Bist du bereit?«

    Lyra nickte und überlegte im selben Moment, ob ein solches Nicken gegenüber einer Blinden unhöflich sei. Doch die Druidin sah nicht mit ihren Augen, sondern mit ihrem Geist.

    »Dann lass uns keine weitere Zeit verschwenden. Große Herausforderungen liegen vor uns. Es ist auch für mich das erste Mal.«

    Lyra verstand nicht, erhielt aber prompt eine Antwort. »Du bist die erste Hybridin. Nicht einmal ich weiß, welche Fähigkeiten in dir stecken. Deine Angst ist also begründet, zumal es in der Geschichte dieses Clans noch nie vorgekommen ist, dass sich ein Gestaltwandler an seinem achtzehnten Geburtstag nicht verwandelt hat. Aber die Gewissheit ist stärker als die Furcht. Außerdem brauchen wir dich, so sagt es die Prophezeiung. Nimm dir die Zeit, die du brauchst, und dann folge mir zum See.«

    Lyras Herz schlug laut in ihrer Brust. Die Ungewissheit war das eine. Das, was die Alte sagte, machte ihr jedoch weitaus mehr Angst. Welche Prophezeiung? Niemand hatte bisher davon gesprochen. Nervös trat sie von einem Fuß auf den anderen und schaute die steinerne Treppe hinauf. Ab liebsten würde sie jetzt einfach fortlaufen. Doch wohin? Das Schicksal schien genau diesen Weg für sie vorherbestimmt zu haben. Sonst wäre sie wohl nicht hier. Also hieß es jetzt: Augen zu und durch!

    Das Ritual

    Die Beanna ging voraus zum Ufer des unterirdischen Sees. Lyra wusste genau, was sie tun musste, und doch kam sie sich vor wie in einem Traum, in dem sie die Matheklausur vergeigte.

    Eine Hand legte sich sanft auf ihre Schulter. Moira stand neben ihr und zwinkerte Lyra aufmunternd zu. Als die kleine Wölfin ihre Hand in die ihre legte, spürte Lyra die Kraft des Mädchens, welche nun langsam in sie überging.

    Feuer!, schlich ihr ein Gedanke in den Kopf. Was hatte ihre Mutter gesagt? Das Feuer gibt dir Kraft.

    Also schaute Lyra in die Flammen und schloss dann für einen Moment die Augen. Zu Moiras Kraft gesellte sich jetzt etwas weitaus Größeres. Pure Energie schien in Lyra zu strömen. Sie atmete tief den würzigen Duft des Feuers ein und machte sich bereit für das Ritual und die Aufnahme in die magische Welt.

    Warm breitete sich Zuversicht in ihr aus. Ja, jetzt war sie bereit. Sie öffnete die Augen und nickte Moira zu, die immer noch ihre Hand hielt. Dann folgten sie der Druidin, die am Fuße des Sees auf sie wartete.

    Mit erhobenen Armen sang die Alte ein uraltes Lied. Lyra hörte eine Harfe, obwohl sie nirgendwo ein solches Instrument erkennen konnte. Das Wasser zu ihren Füßen schimmerte grün und spiegelte sich im grandiosen Gewölbe der Höhle. Eine magische Anziehungskraft ging von dem See aus – der Quelle, wo die Tore zur Anderswelt zu finden waren. Lyra wusste, dass es nur sehr wenigen vergönnt war, lebend hinabzutauchen und vor allem lebend wieder herauszukommen. Die Iren glaubten wie viele Kelten an verschiedene Reiche, die jenseits der menschlichen Welt lagen. So auch an die Túatha Dé Dannan, das Volk der Danu. Obwohl sie keine Menschen waren, hatten auch die Gestaltwandler nur dann Zutritt, wenn jemand vom Volk der Danu ihnen ebendiesen gewährte. Umso größer war Lyras Angst, dass sie es wieder versauen würde. Doch nun, als sie nach und nach ihre weltlichen Kleider ablegte und dem Gesang der Druidin lauschte, fürchtete sie sich nicht mehr davor, zu versagen. Das hier war keine Abiturprüfung, wenngleich sie die Details des Rituals genauso einstudiert hatte. Zumindest für die Theorie würde sie eine glatte Eins bekommen.

    Als Erstes würde sie alles Irdische ablegen müssen, um äußerlich rein in die Quelle zu tauchen. Das Wasser würde sie reinwaschen. Für einen Augenblick dachte sie an Jenny und die völlig absurde Idee, dass Weihwasser ihr etwas antun könnte. Als Lyra auf ein Zeichen der Druidin in das Wasser des Sees stieg, kam ihr der christliche Glaube mit seinen Götzenbildern und Artefakten seltsam kindlich vor. In keiner Kirche hatte sie jemals diese Form der Spiritualität gespürt. Zugegeben, die Beanna hatte mit ihren weißen Augäpfeln, den zahlreichen Tätowierungen auf der hellen furchigen Haut und dem langen grauen Haar sehr wenig mit Pastor Meier zu tun, der in Lyras Heimatort jeden Sonntag den Gottesdienst abhielt.

    »Bist du bereit, deinen Körper reinzuwaschen?«

    Lyra nickte. War sie es? War sie wirklich bereit, ihr gesamtes

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