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#1 MondZauber: VERWANDLUNG: urbane Fantasy + nordische Mythologie
#1 MondZauber: VERWANDLUNG: urbane Fantasy + nordische Mythologie
#1 MondZauber: VERWANDLUNG: urbane Fantasy + nordische Mythologie
eBook255 Seiten3 Stunden

#1 MondZauber: VERWANDLUNG: urbane Fantasy + nordische Mythologie

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Über dieses E-Book

Ein weiblicher Hybrid in der Gestalt eines Wertieres, geboren aus dem Wasser und dem Feuer, soll im Reich der Luft seine Kräfte messen und dem Reich der Erde endlich Frieden bringen. Lyras Schicksal wurde bereits vor langer Zeit besiegelt. Begleite sie auf ihrem fantastischen Weg, tauche ein in die magische Welt der Mythen und Märchen und löse mit ihr gemeinsam die Geheimnisse, welche nun nicht länger im Verborgenen liegen ...
#1MondZauber: Lyra wohnt in einer kleinen Stadt am Rande Berlins und führt ein stinknormales Leben. In 191 Tagen ist ihr 18. Geburtstag und schon jetzt ist sie fest davon überzeugt, dass ab diesem Tag alles anders wird. Aber wie definiert man anders?
Seltsame Dinge geschehen, die in Lyra ein Gefühl der Einsamkeit und Angst hinterlassen. Hilflos strebt sie ihrem Schicksal entgegen. Von ihrer Familie kann sie keine Unterstützung erwarten, sie alle sind wahre Meister der Verhüllung. Doch dann trifft Lyra auf magische Wesen, die von stinknormal meilenweit entfernt sind.

REDRUBI - die Rotkäppchen-Adaption und Basisstory der MondZauber-Tetralogie jetzt einzeln erhältlich.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum26. Jan. 2021
ISBN9783752932508
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    Buchvorschau

    #1 MondZauber - Mari März

    Lyra

    Ein weiblicher Hybrid in der Gestalt eines Wertieres, geboren aus dem Wasser und dem Feuer, soll im Reich der Luft seine Kräfte messen und dem Reich der Erde endlich Frieden bringen. Lyras Schicksal wurde bereits vor langer Zeit besiegelt. Begleite sie auf ihrem fantastischen Weg, tauche ein in die magische Welt der Mythen und Märchen und löse mit ihr gemeinsam die Geheimnisse, welche nun nicht länger im Verborgenen liegen ...

    #1MondZauber: Lyra wohnt in einer kleinen Stadt am Rande Berlins und führt ein stinknormales Leben. In 191 Tagen ist ihr 18. Geburtstag und schon jetzt ist sie fest davon überzeugt, dass ab diesem Tag alles anders wird. Aber wie definiert man anders?

    Seltsame Dinge geschehen, die in Lyra ein Gefühl der Einsamkeit und Angst hinterlassen. Hilflos strebt sie ihrem Schicksal entgegen. Von ihrer Familie kann sie keine Unterstützung erwarten, sie alle sind wahre Meister der Verhüllung. Doch dann trifft Lyra auf magische Wesen, die von stinknormal meilenweit entfernt sind.

    Stellen wir uns dem, was wir sind … in all seiner Schönheit – auch wenn diese dunkel ist wie der sternenlose Himmel einer klaren Neumondnacht.

    Lyra

    Neujahrsblues

    Fantasy & Feminismus

    Die Familie

    Lästerecke

    Die Erkenntnis

    Der Riss

    Niklas

    Die Drohung

    Wut

    Erinnerungen

    Das Versteck

    Kopfschmerzen

    Das Rätsel der Liebe

    Verschlossen

    Herzklopfen

    Fluchtversuch

    Wahre Freundschaft

    Das Geständnis

    Abschied

    Die Party

    Reise ins Ungewisse

    Wie geht es weiter?

    REDRUBI

    Backstage

    DIE IDEE

    DIE AUTORIN

    Zur Autorin

    MM-Veröffentlichungen

    MM-Hörbücher

    MM-SHOP

    Neujahrsblues

    Der schrecklichste Tag im Jahr ist in jedem Fall der 1. Januar. Neujahr! Zeit der Ernüchterung, der Katerstimmung und der guten Vorsätze. Jetzt rennen wieder alle ins Fitnessstudio und machen Diät.

    Das ist doch Bullshit!

    Schlecht gelaunt lehnte sich Lyra ans Waschbecken und begutachtete einen Pickel, der sich über den Jahreswechsel gebildet hatte. Dann streckte sie ihrem Spiegelbild energisch die Zunge heraus. Sie war siebzehn, zu klein, zu dick, zu hässlich und ihre Eltern gingen ihr tierisch auf die Nerven.

    Eigentlich hätte sie gestern mit Mommy and Daddy auf diese bescheuerte Firmenfeier gehen sollen. Mit Glitzerkleid und Hochsteckfrisur! Natürlich hatte es einen Riesenkrach gegeben, als Lyra in ihrer schlabbrigen Jogginghose verkündete, dass sie keine Lust auf solchen Mainstreamscheiß hätte und am sauteuren Buffet dieses kommerziellen Happenings gar nicht so viel essen könne, wie sie angesichts der angepassten Spießer kotzen müsse.

    Ein Lächeln huschte nun über ihre Lippen, während sie an das knallrote Gesicht ihres Vaters dachte, der nach ihrer gestrigen Ansprache gepumpt hatte wie ein Maikäfer. Der Herr Chefarzt verlor tatsächlich für den Bruchteil einer Sekunde seine Fasson. Und seine holde Gattin verschluckte sich am Champagner, den sie sich zur Auflockerung gönnte. Als wenn das bei ihr etwas nützen würde. Miriam war so locker wie Wolframstahl. Lyra hatte ihre Mutter noch nie etwas Unüberlegtes tun sehen. Im Gegenteil! Immer brav nicken und machen, was von ihr erwartet wird. Dabei bestand sie ihr Medizinexamen mit summa cum laude und war in der Familie Hertzberg mit Abstand die Intelligenteste – wenn auch nur angeheiratet. Ihr Vater hingegen präsentierte sich stets als Gockel, der in seiner Klinik und von seiner Mama zum Tyrannen erzogen wurde. Ein Tyrann, der nicht etwa brüllte oder polterte, sondern sich eiskalt im Griff hatte, normgerecht in die Gesellschaft passte und diese Tugend selbstredend von all seinen Mitmenschen abverlangte.

    Umso mehr bereitete es Lyra immer wieder einen Höllenspaß, ihre Eltern aus der Reserve zu locken. Schließlich war es die einzige Möglichkeit, so etwas wie Aufmerksamkeit von ihnen zu erhalten. Gestern durfte Lyra sich nun mit der geschwollenen Halsschlagader ihres Vaters und dem Hustenanfall ihrer Mutter zufriedengeben. Mehr war nach ihrem Statement über die verachtenswerte Dekadenz der weißen Kittelträger nicht drin gewesen. Okay, es folgte natürlich ein Vortrag ihres Vaters über die Wichtigkeit dieses Berufes, weil ebenjener es schließlich ermögliche, dass Lyra ein Leben ohne Entbehrungen genießen könne. Eine Ohrfeige hätte ihr besser gefallen, wäre damit doch wenigstens ein winziger Millimeter des Eispalastes gebröckelt, in dem sie sich gefangen fühlte. Deshalb hatte es auch gestern wenig Sinn gehabt, den beiden zu erklären, dass ihr all das scheißegal sei und sie einfach keine Lust hätte auf dicke Hose und gute Laune, nur weil es Papa verlangte, Mutti es schön finden würde und es vor allem am Silvesterabend einfach so Usus sei.

    Usus! Wie Lyra dieses Wort und die dazugehörigen eingetretenen Pfade verabscheute. Nur weil man etwas schon immer so gemacht hat, heißt das ja noch lange nicht, dass es auch so bleiben muss. Doch ihre Eltern sahen das komplett anders. Ganze zwölf Minuten brauchten die beiden, bis sie sich am gestrigen Abend wieder im Griff hatten. Aufgebrezelt, eine schwere Parfumwolke hinterlassend, waren sie gegangen … ohne die abtrünnige Tochter.

    Während Lyra nun darüber sinnierte, warum die Menschen an Silvester regelmäßig ausflippten und ausgerechnet an diesem einen Abend im Jahr unbedingt in Partylaune verfielen, musterte sie sich weiter im Spiegel. Ihre Mutter lag ihr schon seit Wochen in den Ohren, dass sie diese Frisur ganz furchtbar fände. Dabei hatte Lyra ihr gesamtes Taschengeld einem namhaften Frisör in den Rachen geworfen, der ihr die langen und von Natur aus goldbraunen Haare rabenschwarz und an den Spitzen knallblau färbte. Er war jeden Cent wert. Zumindest glaubte Lyra das und natürlich ihre beste Freundin Emily.

    Streng genommen ihre einzige Freundin.

    Für kichernde Mädelsabende und kollektives Fußnägellackieren hatte Lyra nämlich nichts übrig. Sie war ein selbsternannter Outlaw und hörte lieber Marylin Manson oder Muse, las dabei Mangas und verschlang alles, was mit Fantasy und Horror zu tun hatte. Obwohl das mit den Comics tatsächlich aufhören sollte, schließlich würde sie in diesem Jahr volljährig werden und ihr Abi machen. Bei diesem Gedanken durchzuckte sie eine Idee.

    Aufgeregt schaute sich Lyra im Badezimmer um, durchwühlte ein paar Schubladen und hielt schließlich eine Schere in der Hand. Nicht nur die Comics sollten ab sofort der Vergangenheit angehören, es musste sich grundlegend etwas ändern. Mit funkelnden Augen drehte Lyra das silberne Werkzeug zwischen den Fingern, griff dann mit der linken Hand die Spitze und ließ die Schere pendeln … wie ein Damoklesschwert. Nicht für den Höfling nach Cicero, sondern für den Tyrannen. Das Sinnbild der Gefahr in einer scheinbar komfortablen Welt.

    »Euch werde ich es zeigen!«, murmelte sie zynisch, als der kalte Stahl durch die erste Strähne glitt. Radikal trennte die Schere (das Damoklesschwert) die Gegenwart von der Zukunft. Schnitt für Schnitt fielen Frust und Enttäuschung von ihr ab. Grinsend schaute sie dabei zu, wie ihre Vergangenheit nach und nach, Strähne für Strähne zu Boden fiel.

    »Es wird sich etwas ändern, und zwar gewaltig!« Zufrieden bewunderte Lyra dreißig Minuten später ihr emanzipatorisches Werk. Kein einziges Haar schmückte mehr ihren Kopf. Für das Finish hatte Pappis Rasierapparat gesorgt.

    »Vielleicht fällt so irgendjemandem mal auf, dass ich kein Püppchen bin, das man beliebig ankleiden, frisieren und zurück ins Regal stellen kann.«

    Das süße Gefühl der Freiheit durchströmte sie wie der Geruch nach frischgebackenem Apfelkuchen. Lyra freute sich schon auf die verdatterte Miene ihrer Mutter und die verspannte Reaktion ihres Vaters ...

    Der beste Tag im Jahr ist in jedem Fall der 1. Januar.

    Zeit der Veränderung und des Neubeginns.

    Fantasy & Feminismus

    »Weißt du, was mich echt nervt?«

    Emily stöhnte gereizt und vertiefte sich wieder in ihr Popcorn. »Dich nervt doch alle fünf Minuten was anderes. Was ist es denn diesmal?«

    Lyra blieb stehen, stemmte ihre Fäuste in die Hüften und sah Emily entrüstet an. Diese blickte gerade traurig in ihre leere Popcorntüte, zerknüllte das bunte Papier und steckte es in die Tasche ihrer viel zu engen Jacke.

    Warum muss sie eigentlich immer so viel essen?, dachte Lyra heimlich und bekam im selben Augenblick ein schlechtes Gewissen. Nicht nur, weil Emily ihre beste Freundin war. Auch Lyra hatte einige Pfunde zu viel auf den Rippen. Genau wie Emily war es ihr zu Beginn der Pubertät irgendwie nicht gelungen, das richtige Maß zu finden. Regina, ihre Oma väterlicherseits, lag Lyra seither in den Ohren, dass man mit zunehmendem Alter nicht mehr alles sinnlos in sich hineinstopfen könne, ohne dabei zu einem Walross zu mutieren. Insgeheim gab Lyra ihrer Oma sogar recht, dieser blöden Kuh. Jedoch würde sie es niemals zugeben. Sie konnte dieses keifende alte Ding einfach nicht ausstehen.

    Wenn meine Klamotten an mir genauso beschissen aussehen wie an Emily, dann …

    »Was geht dir denn nun auf die Nerven?«

    Lyra schreckte aus ihren Gedanken und fand sich auf der Straße vor dem alten Kino wieder, aus dem sie gerade mit ihrer besten Freundin gekommen war. Sie hatten sich einen uralten Horrorstreifen angesehen. Aus den Siebzigern oder so. Noch komplett ohne Computerbearbeitung, mit langen Dialogen und schräger Kameraführung. Sie standen beide auf diese Old-School-Movies.

    »Hallo? Jemand zu Hause? WAS! GEHT! DIR! AUF! DIE! NERVEN?«

    Emily ballte nun ihrerseits die kleinen Hände zu Fäusten, stemmte sie in die plumpen Hüften und funkelte ihre Freundin aus blauen Augen an. Eine kleine Falte auf ihrer Stirn verriet Lyra, dass jetzt Gefahr im Verzug war und sie schleunigst antworten sollte.

    »Sorry, ich war in Gedanken. Weißt du, was mich echt nervt?«

    »Herrgott noch mal, nun sag’s doch endlich!!!«

    »Haha, ich weiß. Aber was mich wirklich richtig nervt, ist …« Lyra machte eine weitere Pause, nur um Emily zu ärgern. Ihre Freundin stöhnte und lief ein Stück voraus.

    »… dass es keine weiblichen Werwölfe gibt.«

    Abrupt blieb Emily stehen und blickte interessiert über die Schulter. Die kleine Falte auf ihrer Stirn vertiefte sich. »Was zum Geier meinst du?«

    Grinsend verschränkte Lyra die Hände auf dem Rücken und begann zu referieren: »Na, es gibt nur Kerle, die sich verwandeln. Keine Mädels. Was soll das?« Emily schüttelte entgeistert den Kopf, ließ ihre Freundin aber weiter lamentieren.

    »Okay, im 18. Jahrhundert oder wann immer diese Stories um Werwölfe, Gestaltwandler und so entwickelt wurden, da kannte man noch keinen Feminismus, kein Gleichbehandlungsgesetz und vor allem keine Frauenquote. Aber genau deshalb könnte sich doch mal jemand finden, der diese Ungerechtigkeit aus dem Weg räumt. Wenigstens auf dem Papier. In der Twilight-Saga hat es doch auch geklappt, die alten Geschichten in die Neuzeit zu verlagern. Auch wenn man sich durch drei Bücher lesen musste, bevor Bella dann endlich zum Vampir wurde. Mir hat ja Rosalie und vor allem Victoria viel besser gefallen, als dieses ewige Gejammer um Schuld und so. Ich verstehe bis heute nicht, warum Bella ewig darauf warten musste, bis dieser versnobte Edward seine beschissenen Gewissensbisse im wahrsten Sinne überwunden hat. Dieser Schleimer!«

    Emily verdrehte belustigt die Augen. »Du schweifst vom Thema ab, Lyra! Außerdem warst du selber ganz verknallt in Robert Pattinson.«

    »Da war ich fünfzehn! Das ist doch ewig her. Aber du hast recht. Wir waren ja gerade bei der chauvinistischen Tatsache, dass es keine Werwölfinnen gibt. Okay in den neueren Büchern und Filmen gibt es schon ein paar Mädels, die sich gnädigerweise in pelzige Ungeheuer verwandeln dürfen. Aber allein schon die germanische Vorsilbe Wer deutet auf die rein maskuline Bedeutung hin. Im Althochdeutschen wurden die Lykantrophen auch Mannwolf genannt. Tja, da gibt es kaum Spielraum für die Gleichberechtigung der Geschlechter. Ich staune, dass da noch keine Emanze drauf gekommen ist. Vielleicht heißt es aber zukünftig auch Werwolf*innen. Haha! Fantasy und Feminismus.«

    Emily kramte in ihrer Tasche auf der Suche nach etwas Essbarem. Sie kannte die philosophischen Ausflüge ihrer Freundin. Das dauerte erfahrungsgemäß länger und machte sie immer hungrig. Dennoch hörte sie Lyra aufmerksam zu. Schließlich war auch sie ein großer Fan des Fantasy-Genres und fand den Denkansatz durchaus faszinierend. Deshalb ließ sie von ihrer Tasche ab und nickte zustimmend: »Genau, Lyra. Richtig! Und was soll eigentlich diese zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit, dass Vampire ausnahmslos superschön und wahnsinnig klug sind, während Werwölfe lediglich die stinkenden Köter sein dürfen?«

    Beide Mädchen sahen sich an und begannen zu kichern. Sie kannten sich seit dem Kindergarten. Wenn jemand wusste, wie Lyra tickte, dann war es ebendieses Mädchen, das sie nun wissend anlächelte und in gespielter britischer Steifheit konstatierte: »Das ist tatsächlich eine unerhörte Angelegenheit. Was gedenken Sie zu tun, Miss Holmes?«

    Theatralisch stolzierte Lyra die Straße entlang, die eine Hand hinter dem Rücken und den gekrümmten Zeigefinger der anderen unter ihrem Kinn: »Ich habe noch keine Ahnung, Fräulein Watson. Warten wir es ab. Meistens entwickeln sich die Dinge vielleicht nicht so, wie man es gern hätte. Aber manchmal geschieht ein Wunder … irgendetwas liegt da in der Luft. Das spüre ich ganz deutlich.«

    Die Familie

    »Kind, wie du wieder aussiehst? Kannst du nicht mal was Vernünftiges anziehen als immer nur dieses langweilige Schwarz? Und dein Gesicht, herrjemine? Ich habe dir doch einen Gutschein für die Kosmetikerin geschenkt. Hast du den immer noch nicht eingelöst? Miriam, du musst dich mal besser um deine Tochter kümmern! So geht das nicht. Das Mädchen sieht ja total verwahrlost aus. Und diese Brille! Kann man dem Kind nicht endlich mal Kontaktlinsen besorgen? Oh, und dann diese Figur! Also, ich in deinem Alter war rank und schlank. Das macht bestimmt dieses Fastfood. Das gab es ja zu meiner Zeit nicht. Ein Irrsinn ist das heutzutage.«

    Lyra schlich an ihrer Großmutter vorbei, zog ihre Schuhe aus und stellte sie ordentlich in das kleine Regal im Flur der alten Villa. Wie immer roch es nach einer Mischung aus Möbelpolitur und irgendeinem scharfen Reinigungsmittel. Bei Regina war alles blitzblank und akkurat im rechten Winkel ausgerichtet. Deshalb achtete Lyra peinlich darauf, ihre klobigen Motorradstiefel auch besonders ordentlich neben die karierten Filzpantoffel ihres Großvaters zu stellen. Ihre Mutter tat es ihr gleich und grinste dabei verschwörerisch.

    Genau wie es sich Lyra vorgestellt hatte, erklang in diesem Moment die keifende Stimme ihrer Großmutter.

    »Und was ist das eigentlich für eine Mütze, Lyra? Eine Dame darf einen Hut im Haus tragen, aber niemals einen solchen Lumpen. Nimm das sofort ab!«

    Obwohl Lyra sich diese Szene in den letzten Tagen mehrfach und bis ins kleinste Detail ausgemalt hatte, machte sich nun doch Unsicherheit breit.

    Jetzt platzt gleich die Bombe.

    Regina stand immer noch im Türrahmen und hatte diesen Regentinnenblick. Lyra war sich im Klaren darüber, dass ihre Großmutter auch ohne ihre Überraschung gleich ausflippen würde. Das war schließlich immer so. Wenn nicht sofort das gemacht wurde, was die Herrscherin befahl, wurde diese ungeduldig. Dennoch oder vielleicht gerade deshalb ließ Lyra sich Zeit und kostete jede Sekunde aus – auch wenn ihr Herz aufgeregt gegen ihre Eingeweide hämmerte.

    »Junge Dame! Wird’s bald?« Jetzt war das Fass kurz vor dem Überlaufen … und der absolut richtige Zeitpunkt. Also ließ Lyra die Mütze ganz langsam über ihren kahlgeschorenen Schädel gleiten. Sie spürte, wie Wollfasern an den mittlerweile schon wieder nachgewachsenen Haarstoppeln hängenblieben. Und noch etwas anderes haftete wie ein Laserstrahl auf ihrem Haupt.

    »Was … was … ist … das für eine gottverfluchte Scheiße?« Hatte ihre Oma gerade wirklich dieses Wort in den Mund genommen? Regina sah aus, als würde sie tatsächlich gleich platzen. Noch nie hatte Lyra diese Frau so wütend gesehen – geschweige denn in ketzerischer Fäkalsprache fluchtend. Herrlich! Am liebsten hätte sie lauthals gelacht. Der Anblick ihrer ansonsten so aufgeräumten und unerschütterlichen Großmutter war das Beste, was sie seit langem erlebt hatte. Andererseits wusste Lyra, dass ihre geschorene Birne nunmehr die nächste Eiszeit im Hause der Hertzbergs einläuten würde.

    Bemüht, eine schuldbewusste Miene zu machen, knüllte sie die Mütze in ihre Jackentasche. Im Augenwinkel konnte sie ihre Mutter sehen, die ebenfalls um Fassung rang. Selbstverständlich hatte es auf dem Weg zur lieben Omi so einige Überlegungen gegeben, wie sie diesem »Problem« am besten begegnen könnten. Für Lyra war klar, dass Regina in Ohnmacht fallen würde. Warum bestand sie auch auf diesen bescheuerten Besuch? Sie war selber schuld.

    Der Schatten, der sich nun bedrohlich über sie legte, war allerdings nicht unbedingt das, was Lyra sich ausgemalt hatte. Eine vom Schreck weggetretene alte Dame, der man mit Riechsalz theatralisch wieder ins Diesseits verhalf, war ihre ungefähre Vorstellung gewesen. Nun aber baute sich Regina vor ihr auf wie Godzilla. Ihre Augen waren eiskalt, die Wangen wechselten gerade die Farbe von knallrot in einen undefinierbaren Grauton.

    Lyra konnte ihren Herzschlag hören.

    Was?

    Moment mal!

    Das geht doch gar nicht.

    Was …?

    Lyra konnte tatsächlich das Herz ihrer Großmutter HÖREN. Es schlug schnell. Verdammt schnell!

    »Bist du von allen guten Geistern verlassen? Was hast du dir dabei gedacht? Deine fürchterlichen Outfits sind schon eine Schande für die Familie, aber das setzt nun allem die Krone auf. Was glaubst du kleiner Bastard eigentlich, was du uns noch alles antun kannst? Dein Vater hat das nicht verdient. Ich habe das nicht verdient. Bei allem, was wir für dich und deine Mutter getan haben. Wir sind Stadtgespräch. Unser guter Ruf ist für alle Zeit ruiniert. Ich … ich brauche einen Cognac. Miriam, hol mir sofort einen Cognac!«

    Lyra hatte bereits auf Durchzug geschaltet. Auch wenn sie einen solchen Wutausbruch bei ihrer Großmutter noch nie erlebt hatte, kannte sie doch all die stets wiederholten Argumente. So richtig verstand sie die Keiferei nicht, aber sie hatte sich auch längst abgewöhnt, den Beschimpfungen dieser alten Schreckschraube zu folgen. Irgendetwas war schließlich immer. Lyra hatte es sich abgewöhnt, nach dem Grund zu fragen, warum ihre Großmutter sie zunehmend mit diesem angewiderten Naserümpfen betrachtete.

    Als Lyra klein war, fand ihre Oma sie noch süß, kniff ihr bei den wöchentlichen Besuchen in die Wange und sagte jedes Mal denselben Satz: Was bist du doch groß geworden, mein liebes Kind. Gewiss nicht das Gelbe der Banane, aber immer noch besser als dieses ewige Gezeter, das ihre Großmutter von sich gab, seit Lyra aus dem Hello-Kitty-Alter herausgewachsen war. Regina! Diese dämliche alte Fregatte, die alle weiblichen Verwandten neben sich kaum wahrnahm – geschweige denn ertragen konnte.

    Regina war eine narzisstische Perfektionistin in Reinkultur und die selbstgerechteste Person, die Lyra kannte. Alle übrigen Mitglieder der Familie – inklusive ihres Ehegatten Matthias – waren in Reginas Augen Versager. Bis auf Malthe natürlich,

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