Der Silberschatz der Fugger
Von Walter Brendel
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Über dieses E-Book
Schon Ende des 15. Jahrhunderts beschäftigt sich die Augsburger Unternehmerfamilie der Fugger mit dem Bergbau. Mit der Übernahme der Silberbergwerke in Schwaz in Tirol 1522 werden sie zum europaweit führenden Unternehmen in der Montanindustrie. Mit dem Schwazer Silber werden Imperien gekauft und Kriege finanziert. Schwaz ist damals mit rund 20.000 Einwohnern der zweitgrößte Ort im Habsburgerreich. Bis zu 10.000 Knappen suchen und finden hier vor 500 Jahren Silber und Kupfer und machen die Stadt zur größten Bergbaumetropole der Welt. 85% des weltweit geschürften Silbers kamen damals aus dieser Mine. Der Bergbau sorgt auch für zahlreiche wirtschaftliche und technische Innovationen. Das Fugger'sche Imperium schafft neue Handelswege, Schlösser werden erbaut, neue Betriebe zur Verwertung der Bergschätze gegründet und ein neues Bankwesen wird etabliert, das sich auf die katholische Kirche als wesentlichen Grundpfeiler stützt. Aus ganz Europa strömen Menschen in das "Silberreich", um hier Arbeit zu finden.
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Buchvorschau
Der Silberschatz der Fugger - Walter Brendel
Einleitung
Wir begeben uns auf die Spuren des Fugger’schen Imperiums. Der Silberbergbau verändert im Spätmittelalter die Welt. Aus kleinen Dörfern in Tirol entwickelt sich das ‚Silicon Valley‘ der Neuzeit.
Schon Ende des 15. Jahrhunderts beschäftigt sich die Augsburger Unternehmerfamilie der Fugger mit dem Bergbau. Mit der Übernahme der Silberbergwerke in Schwaz in Tirol 1522 werden sie zum europaweit führenden Unternehmen in der Montanindustrie. Mit dem Schwazer Silber werden Imperien gekauft und Kriege finanziert.
Schwaz ist damals mit rund 20.000 Einwohnern der zweitgrößte Ort im Habsburgerreich. Bis zu 10.000 Knappen suchen und finden hier vor 500 Jahren Silber und Kupfer und machen die Stadt zur größten Bergbaumetropole der Welt. 85% des weltweit geschürften Silbers kamen damals aus dieser Mine. Der Bergbau sorgt auch für zahlreiche wirtschaftliche und technische Innovationen. Das Fugger’sche Imperium schafft neue Handelswege, Schlösser werden erbaut, neue Betriebe zur Verwertung der Bergschätze gegründet und ein neues Bankwesen wird etabliert, das sich auf die katholische Kirche als wesentlichen Grundpfeiler stützt.
Aus ganz Europa strömen Menschen in das „Silberreich", um hier Arbeit zu finden. Die Arbeitsbedingungen sind hart. An der technischen Ausstattung im Berg wird gespart, immer wieder kommt es zu Unfällen. Auch die Versorgung der Knappen und ihrer Familien mit Gütern des täglichen Bedarfs stellt eine enorme Herausforderung dar.
Für den Silberabbau werden Wälder gerodet, Wasserleitungen in den Bergen verlegt, hochgelegene Almen für die Tierhaltung genutzt. Immer mehr Menschen strömen nach Schwaz, um hier ihr Glück zu suchen. Sie zu versorgen stellt die Region vor große Herausforderungen.
Die Struktur der Tiroler Silberregion stammt auch heute noch in vielen Bereichen aus der Zeit der Fugger im 16. Jahrhundert - erschlossene Almen, Industrien, die sich aus alten Schmieden und Schmelzbetrieben entwickelten.
Die Bergleute wurden damals gut bezahlt, mussten aber mit schwierigsten Arbeits- und Lebensbedingungen fertig werden. Immer wieder fegten Brände Häuser und Schmelzhütten hinweg.
Im Knappenhaus lebten die Familien auf engstem Raum.
Im ‚Silberreich' kamen die Tiroler Gewerke, die vor den Fuggern den Bergbau dominierten, zunehmend unter Druck. Sie verließen sich zu sehr auf den Metallreichtum im Berg und verabsäumten es, notwendige technische Neuerungen durchzuführen. Gleichzeitig demonstrierten sie ihren Reichtum - etwa mit dem Bau der monumentalen Kirche von Schwaz oder Schloss Tratzberg.
Trotz des Bergreichtums drohte ihnen der wirtschaftliche Niedergang. Ihre Geldgeber, die Fugger, kamen immer mehr in die Lage, den Bergbau selbst zu übernehmen. Gerne wollte keiner der Familie Fugger nach Schwaz. Georg Fugger musste den Weg antreten. Die Bergbauaktivitäten bildeten inzwischen die Basis der Unternehmerdynastie für ihre weltumspannende Handelsmacht. Eine Macht, die auch sehr eng mit der katholischen Kirche verbunden war, beruhte doch ein Teil des Fugger'schen Einflusses auf der Übernahme des Ablasshandels und auf Finanzierungen für die katholische Kirche.
Diese Dokumentation bringt uns das weltumspannende ‚Reich der Fugger‘ näher, dessen Basis im Abbau und Handel von Silber, Kupfer und anderen Bergschätzen lag. Reenactments an Originalschauplätzen zeigen die Lebenswelt der Bergleute und der wirtschaftlichen Entscheidungsträger dieser Epoche.
1. Teil: Jacob der Reiche und der Schatz der Berge
Jakob Fugger „von der Lilie, auch genannt Jakob Fugger „der Reiche
, wurde am 6. März 1459 in Augsburg geboren und war zwischen etwa 1495 und 1525 der bedeutendste Kaufherr, Montanunternehmer und Bankier Europas. Er entstammte der Augsburger Handelsfamilie Fugger. Das Familienunternehmen baute er innerhalb weniger Jahrzehnte zu einem europaweit tätigen Unternehmen aus. Seine Ausbildung hatte er bereits als 14-Jähriger in Venedig begonnen, wo er sich wohl bis gegen 1487 überwiegend aufhielt. Jakob Fugger war zugleich Kleriker und besaß eine Pfründe, hat jedoch nie in einem Kloster gelebt. Die Grundlage des Familienvermögens wurde vorwiegend durch den Baumwollhandel mit Italien geschaffen. Die Familienfirma wuchs rasch, nachdem die Brüder Ulrich, Georg und Jakob Fugger in Bankgeschäfte mit den Habsburgern und der Kurie, parallel dazu zunächst in die Montanwirtschaft in Tirol und ab 1493 in den Abbau von Silber und Kupfer im heutigen Tschechien und der Slowakei einstiegen. Ab 1525 besaßen die Fugger Rechte zum Abbau von Quecksilber und Zinnober in Almadén (Spanien).
Nach 1487 bestimmte de facto Jakob Fugger die Geschäftspolitik, die sich in etwas mehr als einem Jahrzehnt „von einem konventionellen Handelsunternehmen mittlererer Reichweite zu einem europaweit agierenden Konzern mit ausgeprägten Schwerpunkten im Montan- und Banksektor" entwickelte. Das Unternehmen nahm zeitweilig eine monopolartige Stellung auf dem europäischen Kupfermarkt ein. Kupfer aus Oberungarn (heutige Slowakei) wurde über Antwerpen nach Lissabon und von dort weiter nach Indien verschifft. An der ersten und einzigen Handelsfahrt deutscher Kaufleute nach Indien (1505/06) in einer portugiesischen Flotte war Jakob Fugger ebenso beteiligt wie 1525 an einer frühen, allerdings gescheiterten spanischen Handelsexpedition zu den Molukken(indonesische Inselgruppe zwischen Sulawesi und Neuguine).
Porträt des Jakob Fugger, Albrecht Dürer (um 1519)
Jakob Fugger hatte sechs ältere Brüder. Andreas und Hans starben jung in Venedig, ebenso Peter 1473 in Nürnberg. Sein Bruder Markus war Geistlicher, ab 1470 Schreiber in einer päpstlichen Kanzlei in Rom, wo er 1478 verstarb. Die verbleibenden Brüder Ulrich (1441–1510) und Georg (1453–1506), schufen die Grundlagen für den europaweiten Aufstieg der Firma. Sie gründeten um 1470 Faktoreien in den wichtigen Handelszentren Venedig und Nürnberg. Kredite Ulrich Fuggers an den Habsburger Kaiser Friedrich III. sollen die Ursache dafür sein, dass den Fuggern 1473 vom Kaiser das Lilienwappen verliehen wurde.
Bis zum Jahr 2009 waren Historiker davon ausgegangen, dass Jakob Fugger, der als 12-Jähriger die niederen Weihen erhalten hatte, bis 1478 als Kanonikus im mittelfränkischen Stift Herrieden gelebt habe. Ein Dokument aus dem Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien belegt allerdings, dass Jakob Fugger bereits 1473, also im Alter von 14 Jahren, die Fugger in Venedig vertrat. Die neuere Forschung geht davon aus, dass Jakob Fugger von 1473 bis 1487 überwiegend am Fondaco dei Tedeschi, dem Haus der deutschen Kaufleute in Venedig, tätig war. Venedig war nicht nur die Handelsdrehscheibe für den Mittelmeerraum. Die Lagunenstadt ermöglichte Jakob Fugger zudem eine fundierte Ausbildung im Bankwesen und vor allem im Metallgeschäft.
Frühe Geschäfte im Montanwesen tätigte Jakob Fugger bei Salzburg. Den selbstständigen Silbergrubenbesitzern der Salzburger Schieferalpen, die ständigen Kapitalbedarf hatten, lieh er Geld. Dafür ließ er sich jedoch nicht – wie es üblich gewesen wäre – Schuldscheine ausstellen, sondern forderte Kuxe (eine Art von Aktienbeteiligung am Vermögen einer bergrechtlichen Gewerkschaft) und konnte über diese Beteiligung immer mehr Bergbauunternehmer im Raum Gastein und Schladming zwingen, das Silber direkt an die Fugger zu verkaufen, statt es an Zwischenhändler abzugeben.
Jakob Fugger war für die Fugger‘schen Geschäfte auf der Linie Augsburg – Tirol – Venedig – Rom verantwortlich. Um 1485 gründeten die Fugger auch eine Faktorei in Innsbruck (Faktorei ab 1510 in Hall, ab 1539 in Schwaz). Dort kam Jakob Fugger 1485 durch einen kleinen Kredit erstmals mit dem Tiroler Landesherrn Erzherzog Sigmund ins Geschäft. Dieser Habsburger hatte als alleiniger Eigentümer des Tiroler Bergregals Abbaurechte an private Grubenpächter vergeben, die einen Teil der Erträge als Pachtzahlung an Sigmund abzuführen hatten.
Obwohl der Herzog aus diesem Geschäft über Einkünfte verfügte, die ihm den Beinamen „der Münzreiche" eintrugen, war er ständig in Geldnot. Seine verschwenderische Hofhaltung, die Versorgung von zahlreichen unehelichen Kindern und seine umfangreiche Bautätigkeit machten die Aufnahme immer neuer Darlehen notwendig. Als ein Schadensersatz von 100.000 Gulden fällig wurde, der als Kriegsfolge an Venedig zu zahlen war, sprang Jakob Fugger als Geldgeber ein.
1488 beliefen sich die Kreditverbindlichkeiten des Herzogs gegenüber den Fuggern auf über 150.000 Gulden. Jakob Fugger zahlte die Gelder nicht an den Fürsten selbst aus, sondern an die Gläubiger. Hofstaat und Handwerker erhielten ihre Entlohnung direkt und pünktlich von den Fuggern. Den Fuggern stand in der Folge „zeitweilig alles Silber und Kupfer zu. 1517 beschafften die Fugger im Gegenzug zum Beispiel rund die Hälfte des Tiroler Staatshaushaltes. Ein Tiroler Chronist schrieb: „ in diesem Land ist Alles versetzt, was Geld beträgt, die Fugger von Augsburg haben das große Gut zu Schwaz inne und ziehen daraus jährlich 200.000 Gulden
. Bei solchen Klagen wurde freilich übersehen, dass es Maximilian I. war, der (mit wenigen Ausnahmen) „alle einträglichen Herrschaften und Gerichte" verpfändete und daraus Nutzen zog.
Matthäus Schwarz war der Hauptbuchhalter der Fugger-Gesellschaft und Vertrauter der Familie. Nach seiner Kaufmannslehre in Mailand und Venedig, wo er Kenntnisse in Buchhaltung erwarb, bekam er im Jahr 1516 eine Anstellung bei Jakob Fugger.
Die Ausweitung der höchst riskanten, wenn auch äußerst lukrativen geschäftlichen Verbindung der Fugger zu Maximilian I. ist ohne Zweifel auf Jakob zurückzuführen. Auf seiner Einschätzung, das Haus Habsburg sei das für die Zukunft in Deutschland maßgebende Geschlecht, beruhte die Entscheidung, den gleichaltrigen Herrscher finanziell und damit machtpolitisch zu unterstützen. Jakob Fugger begegnete dem jungen römisch-deutschen König zum ersten Mal 1489 auf der Frankfurter Messe. Damals waren seine Pläne hinsichtlich des noch selbständigen Herzogtums Tirol bereits mit des Königs Kanzler Johann Waldner abgesprochen. Als am 16. März 1490 Herzog Sigmund und die Tiroler Landstände zusammenkamen, war nicht zufällig auch König Maximilian anwesend. Auf Druck der Stände, die ihm Misswirtschaft vorwarfen, musste Sigmund zugunsten Maximilians abdanken, der sich verpflichtete, alle Kredite des Vorgängers zurückzuzahlen.
Jacob Fugger (rechts) im Kontor, der „Goldenen Schreibstube", mit seinem Hauptbuchhalter Matthäus Schwarz
Damit wurden die Fugger zu einem der wichtigsten Geldgeber Maximilians, der seit 1486 Mitregent im Heiligen Römischen Reich war. Maximilian wurde 1493 nach dem Tode seines Vaters Friedrich III. allein regierender römisch-deutscher König. Maximilian, „der letzte Ritter, wie er auch genannt wurde, wurde früher als „der schlechteste Haushalter aller Habsburger und verschwenderisch bis an die Grenzen des Wahnsinns
angesehen. Dieses Urteil wird heute differenzierter betrachtet: Trotz aller finanziellen Schwierigkeiten und zahlreicher gescheiterter politischer Projekte wird anerkannt, dass Maximilian I. letztlich seine Pläne verwirklichen konnte.
Am 15. Juli 1507 verkaufte der römisch-deutsche König Maximilian I. an Jakob Fugger die bei Ulm gelegene Grafschaft Kirchberg, die angrenzende Herrschaft Weißenhorn mit der dazugehörigen Stadt sowie die Herrschaften Wullenstetten und Pfaffenhofen an der Roth aus habsburgischem Besitz in Vorderösterreich. Dafür erhielt der Habsburger, der sich 1508 in Trient selbst zum Kaiser proklamierte, 50.000 Gulden. 1508 verkaufte Maximilian I. auch die Hofmark Schmiechen an Jakob Fugger, 1514 die Herrschaft Biberbach. Kaiser Maximilian I. erhob Jakob Fugger 1511 in den Adelsstand und ernannte ihn 1514 zum Reichsgrafen, damit der Augsburger Bürger seine Herrschaft ohne Widerstände aus dem Adel ausüben konnte.
Zum Ende seines Lebens hatte sich Maximilian I. derart stark bei Jakob Fugger verschuldet, dass der Augsburger Bankier wohl gar nicht mehr anders konnte, als die Habsburger weiter zu unterstützen, um so seine Forderungen zu sichern.
Wohl auf Drängen Jakob Fuggers wurde die Firma 1494 in eine der ersten offenen Handelsgesellschaften Europas (der compagnia palese des welschen Rechts) umgewandelt. Gleichzeitig erfolgte die Namensänderung in „Ulrich Fugger und Gebrüder von Augsburg, um die Gleichberechtigung der drei beteiligten Brüder in geschäftlichen Fragen anzuzeigen. An dieser Entwicklung lässt sich der erheblich gestiegene Einfluss Jakobs innerhalb des Unternehmens ablesen. Wohl schon seit den späten 1480er Jahren bestimmte Jakob Fugger mehr und mehr die Firmenpolitik, wenngleich der älteste Bruder Ulrich nach außen stets das Unternehmen leitete. Darauf deutet hin, „dass die Tiroler Quellen fast durchgängig von Jakob Fuggers Gesellschaft sprechen und dass später auch die zentralen Verträge des Ungarischen Handels von ihm geschlossen wurden
.
Das enorme Wachstumspotential im Bergbau und Erzhandel nutzte Jakob Fugger in den folgenden Jahren äußerst gewinnbringend. Als Sicherheit für Darlehen, die er den Habsburgern und auch dem König von Ungarn gegeben hatte, ließ er sich Bergwerkserträge in Tirol (Schwazer Bergbau) und Bergwerksrechte in Oberungarn übertragen. Auf diese Weise erwarb das Montanunternehmen schließlich im Heiligen Römischen Reich eine dominierende Stellung im Handel mit Kupfer.
Mit ihrem Geschäftspartner Hans Thurzó gründeten