Habsburgs verschollene Schätze: Das geheime Vermögen des Kaiserhauses
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Über dieses E-Book
In ihrem neuesten Buch begibt sich Katrin Unterreiner auf die Spurensuche nach dem Vermögen der Habsburger und geht unter anderem diesen bis heute immer wieder diskutierten Fragen auf den Grund. Das Buch bietet nicht nur spannende Einblicke in die Vermögensverhältnisse der kaiserlichen Familie, sondern zeigt auch, wofür die Habsburger ihr Geld ausgaben und wie ihr Lebensalltag aussah. Neben privaten Einblicken und spannenden neuen Erkenntnissen kann auch endlich der Krimi um die verschwundenen Kronjuwelen gelöst werden.
Katrin Unterreiner
Mag.a Katrin Unterreiner studierte Kunstgeschichte sowie Geschichte an der Universität Wien und war langjährige wissenschaftliche Leiterin der Schloss Schönbrunn Ges.m.b.H. und Kuratorin des 2004 eröffneten Sisi-Museums in den Kaiserappartements der Wiener Hofburg. Sie ist Autorin zahlreicher Bücher über die Habsburger und die Kulturgeschichte der k.u.k.-Monarchie. Sie ist als Kuratorin zahlreicher Ausstellungen, Vortragende sowie als wissenschaftliche Beraterin historischer Dokumentationen, u. a. für ORF, ZDF und Arte tätig. Katrin Unterreiner lebt und arbeitet in Wien. Bereits bei Ueberreuter erschienen: » Habsburgs verschollene Schätze. Das geheime Vermögen des Kaiserhauses« (2020) & »Sisi - das geheime Leben der Kaiserin« (2023).
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Buchvorschau
Habsburgs verschollene Schätze - Katrin Unterreiner
Ullhofen.
MACHT DURCH GELD – DIE ENTSTEHUNG EINES VERMÖGENS
Die Habsburger regierten 640 Jahre in Österreich und machten aus dem kleinen Herzogtum, das sie von den Babenbergern übernahmen, ein Weltreich mit 52 Millionen Einwohnern, das von der heutigen Ukraine bis nach Spanien und darüber hinaus nach Südamerika reichte. Als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, Könige von Ungarn, Böhmen, Spanien, Lombardo-Venetien, Herzoge der Toskana, Erzherzoge von Österreich und vieles mehr waren die Habsburger über Jahrhunderte eine der mächtigsten Dynastien der Welt. Doch war dies gleichbedeutend mit Reichtum?
Ein Blick zurück auf die Anfänge der Familie macht klar, dass dem nicht so war und sich der Reichtum erst spät einstellte. Denn die Habsburger waren ursprünglich kein vermögendes Geschlecht. Als Rudolf I. 1273 zum röm.-dt. König gewählt wurde und 1282 seine Söhne mit Österreich belehnte – was den Beginn der habsburgischen Herrschaft in Österreich bedeutete –, kam eine Familie an die Macht, die zwar nicht arm, aber keineswegs vermögend war. Im Laufe der Jahrhunderte festigten die Habsburger zwar ihre Macht, zählten aber auch weiterhin nicht zu den begütertsten Dynastien. Die Basis ihrer finanziellen Mittel war also weder privater Reichtum noch Steuereinnahmen, die es damals noch nicht im heutigen Sinn gab. Als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches (ab Friedrich III., der 1452 zum Kaiser gewählt und gekrönt wurde) erhielten die Habsburger zwar sogenannte „Reichsmittel", diese waren jedoch von der Zustimmung der Reichsstände abhängig, wurden unregelmäßig und in unterschiedlicher Höhe bewilligt und waren zudem meist zweckgebunden.¹ Zu den wichtigsten Einnahmen eines Kaisers zählten die Erträge aus dem Berg- und Salzregal, also dem Hoheitsrecht der Salzgewinnung, da sich die bedeutendsten Bergbaureviere und Salzvorkommen Europas in Österreich, Ungarn und Böhmen befanden. Hinzu kamen beträchtliche Einkünfte aus verschiedenen Verkehrsabgaben (Zölle, Wege- und Brückengelder, diverse Gebühren etc.), verliefen doch die wichtigsten Handelsrouten durch die Erbländer. Diese Einnahmen reichten für den immer größeren Verwaltungsapparat, die Hofhaltung, notwendige Modernisierungen und vor allem Kriege jedoch nicht aus. Daher wurden Steuereinnahmen immer wichtiger; die entscheidende Rolle spielten jedoch private Geldgeber, die de facto über Aufstieg und Niedergang einer Dynastie entscheiden konnten.
FINANCIERS IM HINTERGRUND: DIE FUGGER
Die Bedeutung einer Herrscherfamilie hing natürlich von der Ausdehnung ihres Machtbereichs ab, der meist nur mit kriegerischen Mitteln erreicht und gesichert werden konnte. Die Habsburger sind zwar für den eleganteren Weg via clevere – und glückliche – Heiratspolitik bekannt, doch auch Erbansprüche mussten immer wieder auf dem Schlachtfeld verteidigt werden. Speziell wenn man in Kriegszeiten rasch Geld benötigte, waren private Kreditgeber die einzige Möglichkeit. Das wussten auch die Habsburger und suchten daher an einem entscheidenden und kritischen Wendepunkt in ihrer Geschichte einen verlässlichen und vor allem liquiden Partner.
Friedrich III. hatte zwar die Kaiserwürde erlangt, war jedoch völlig verschuldet, sein Hof in Wiener Neustadt war alles andere als glänzend und seine Macht bestand eher auf dem Papier als in der Realität. Daher sah er realistischerweise in einer prestigeträchtigen und vor allem finanziell vorteilhaften Vermählung seines Sohnes Maximilian die einzige Chance für den Weiterbestand seiner Familie als bedeutende Herrscherdynastie. Just zu diesem Zeitpunkt ergab es sich, dass eine der reichsten Erbinnen Europas einen geeigneten Gemahl suchte: Maria von Burgund, Tochter und Erbin Karls des Kühnen, Herzog von Burgund. Doch Friedrich hatte ein Problem: Um die begehrte Erbin buhlte halb Europa und Friedrich hatte – obwohl Kaiser – nicht die besten Karten, denn es fehlten ihm sogar die finanziellen Mittel für eine adäquate Ausstattung einer standesgemäße Brautwerbung seines Sohnes. Von einer guten Partie konnte also keine Rede sein. Friedrich benötigte also dringend und vor allem sofort Geld und wand sich daher Richtung Augsburg.
Die aufstrebende Stadt in Süddeutschland war, nachdem Rudolf von Habsburg sie 1276 zu einer reichsunmittelbaren, „freien Stadt" gemacht hatte, direkt seiner Herrschaft unterstellt. Neben Köln und Nürnberg zählte Augsburg zu den wichtigsten Handelszentren Deutschlands und seine Kaufmannsfamilien – die Welser, Rehlinger und Fugger – waren im ganzen Reich bekannt. Vor allem die Familie Fugger zählte bereits zu den bedeutendsten Familien des Landes. Der erste Fugger, der 1367 in Augsburg ansässig wurde, war Hans Fugger, ein Weber aus dem nahe gelegenen Dorf Graben. Mit ihm begann der beispiellose Aufstieg der Familie, die als Händler und Bankiers mehr als alle anderen das Zeitalter des Frühkapitalismus prägte. Von ihren Finanzoperationen sollten schließlich vom Kaiser abwärts Könige und selbst die Kurie anhängig sein. Schon Mitte des 15. Jahrhunderts waren aus der einfachen Weberfamilie einflussreiche Kaufleute geworden, die mit kostbaren Stoffen und exotischen Gewürzen handelten und Niederlassungen in Nürnberg und Venedig unterhielten.
Zu dieser Zeit leitete Ulrich Fugger, ein Enkel des Augsburger Firmengründers, das Familienunternehmen und erkannte, dass sich eine Investition in die Habsburger langfristig lohnen könnte. Daher beschloss er 1473, Erzherzog Maximilian und seine Entourage nicht nur mit feinsten Stoffen für seine Brautwerbung prächtig auszustatten, sondern überhaupt die ganze Unternehmung zu finanzieren. Als Gegenleistung erhielt er vom Kaiser das Recht, ein Familienwappen zu führen, was für die aufstrebende Familie einen enormen Prestigegewinn bedeutete. Doch Ulrich Fugger hatte langfristig geplant und seine Investition sollte sich lohnen. Denn mit dieser Unterstützung entstand eine Finanzbeziehung, die über zwei Jahrhunderte währen sollte und für beide Seiten äußerst gewinnbringen war – für die Habsburger in machtpolitischer, für die Fugger in finanzieller Hinsicht. Aus kleinen Summen wurden immer größere, wobei die Darlehen nicht verzinst wurden, sondern in Form von Silberlieferungen aus den Gruben des Landesherrn rückerstattet wurden, die die Fugger dann mit Gewinnspannen von bis zu 40 Prozent auf dem freien Markt verkaufen konnten. Mit diesem System finanzierten die Fugger den Aufstieg der Habsburger zur mächtigsten Dynastie Europas, beglichen ihre Schulden, bezahlten Beamte und Kriege. Als Gegenleistung erhielten sie neben Silber zunehmend auch Kupfer, das sie zur Herstellung von Töpfen und Pfannen – ein einträgliches Geschäft in dieser Zeit – sowie für Waffen verwendeten. Als sie genug Edelmetall erhalten hatten, gingen schließlich auch ganze Ländereien in ihren Besitz über.
Der finanzielle Aufstieg der Familie Fugger lässt sich recht anschaulich an ihrer Steuerleistung darstellen, die sich in 24 Jahren verzehnfachte, wobei das keine Rückschlüsse auf ihr wahres Vermögen erlaubt, denn Ulrichs Bruder Jakob, der das Unternehmen mittlerweile leitete, hatte 1516 „vorgesorgt" und mit der Stadt das Privileg ausverhandelt, sein Vermögen nicht mehr angeben zu müssen, sondern nur noch Pauschalbeträge an den Fiskus abzuführen. Unter seiner Führung stieg die Firma zu einem Konzern auf, der von Skandinavien bis Süditalien und von Ungarn bis Spanien mit allem handelte, was Profit verhieß: Metalle und Textilien, Gewürze, Pelze, Juwelen – und Geld. Die Einnahmen aus ihren lukrativen Geschäften reichten allerdings nicht aus, um den enormen Finanzbedarf der Habsburger zu decken. Das heißt, auch die Fugger benötigten und operierten mit Fremdkapital. Ihr Name versprach Erfolg und so veranlagten zahlreiche wohlhabende Familien ihr Vermögen bei den Fuggern.
Einen Großteil ihres Geschäftskapitals bildeten die Einlagen Melchiors von Meckau, der pikanterweise als Fürstbischof von Brixen und später Kardinal über enorme Pfründe verfügte, als Kirchenmann jedoch keine Zinsen kassieren durfte. Fugger garantierte eine diskrete Geschäftsabwicklung, die so lange funktionierte, wie der Kardinal lebte. Bei seinem Tod wurden die Geschäftsbeziehungen jedoch publik und Rom verlangte erbost, das Vermögen umgehend der Kirche zu übergeben. Diese Auszahlung hätte den finanziellen Ruin des Hauses bedeutet. Da traf es sich gut, dass die Fugger „engste Beziehungen" zu den Habsburgern pflegten, sprich deren Abhängigkeit umgehend für ihre Interessen einsetzen konnten: Maximilian intervenierte beim Papst – auch in seinem eigenen Interesse, denn ohne das Geld der Fugger hätte er sich nicht nur seine kostspieligen Feldzüge nicht mehr leisten können, sondern wäre mit diesen gemeinsam pleite gegangen, was auch sein politisches Ende und das Ende der Dynastie Habsburg bedeutet hätte. Dass die Rettung gelang, lag aber vermutlich nicht nur an der Intervention des Kaisers, sondern auch daran, dass auch der Papst selbst immer wieder Geld bei den Fuggern lieh, wobei er die anfallenden Zinsen geschickt als päpstliche Geschenke deklarierte. Dazu kam noch der damals florierende Handel mit Ablasszahlungen, bei denen die Fugger dank ihres verzweigten Bankensystems, das der Vatikan dafür nutzte, mitverdienten.
Diese für die Fugger heikle Situation veranschaulicht jedenfalls nicht nur die Abhängigkeit des Kaisers und des Papstes von den Fuggern, sondern auch die immense Macht, die die Familie innehatte. 1511 wurde Jakob Fugger in den Adelsstand erhoben und spielte einige Jahre später sogar die Schlüsselrolle für die Habsburger bei der Festigung ihrer Macht.
MIT „HANDSALBEN" ZUR KRONE – DIE GEKAUFTE KAISERWÜRDE
Die Ehe Maximilians mit Maria von Burgund hatte tatsächlich die erhoffte Konsolidierung der Habsburger gebracht. Maximilian war zum Kaiser gewählt worden und es war ihm gelungen, seinen Sohn Philipp den Schönen mit der Erbin des Königsreichs Spanien zu verheiraten. Doch als er 1519 starb, war es längst keine ausgemachte Sache, dass wieder ein Habsburger Kaiser des Heiligen Römischen Reiches werden sollte. Im Gegenteil, mit dem englischen König Heinrich VIII. und dem französischen König Franz I. gab es prominente Gegenspieler – Franz I. wurde sogar vom Papst unterstützt. Der habsburgische Kandidat Karl I., ein Enkel Maximilians, war als spanischer König nicht der mächtigste Kandidat, doch er hatte den mächtigsten Unterstützer: Jakob Fugger. Dieser sah vor allem im Ausbau seiner Geschäfte im Königreich Spanien, zu dem ja auch die reichen Kolonien in Südamerika gehörten, eine große Chance und unterstützte daher KarI. Mit enormen Bestechungsgeldern, „Handsalben genannt, war er quasi „Bestbieter
und erkaufte schlicht und einfach die Stimmen der wahlberechtigten Kurfürsten – und Karl wurde zum Kaiser gewählt. Als Karl V. gelang es ihm, aus der Habsburgermonarchie ein Weltreich zu machen, in dem sprichwörtlich die Sonne nie unterging. Als er die Kaiserwürde niederlegte und seinem Bruder Ferdinand übertrug, der mit Anna Jagiello die Erbin der Königreiche Ungarn und Böhmen geheiratet hatte, waren die Habsburger unbestritten zur mächtigste Dynastie Europas aufgestiegen.
Das Geschäft sollte sich für die Fugger lohnen: Unter Anton Fugger, einem Neffen Jakobs, erreichte das Haus ab 1525 den Besitz von halb Südamerika und Anton wurde 1546 zum reichsten Mann der Welt erklärt. Doch gerade am Höhepunkt ihrer Macht erhielten sie einen Gegner, den am Beginn alle unterschätzt hatten: Martin Luther. Luther thematisierte nicht nur die Geschäfte der Kirche und vor allem den Ablasshandel, an dem die Fugger ja kräftig mitverdienten, sondern generell die Auswüchse des Geldhandels auf Kosten der Bauern, Handwerker und Bergleute und nannte das Übel auch beim Namen: „Man müsste wirklich dem Fugger und dergleichen Gesellschaft einen Zaum ins Maul legen."
Der enorme Erfolg der Protestanten und ihr Kampf gegen die „heillosen Ablasskrämer" brachten die Fugger in Bedrängnis. Die Stimmung war bereits 1523 erstmals gekippt, als der Reichsfiskal – der höchste Ankläger des Landes – die Fugger wegen Monopolvergehens verklagte. Die Fugger wandten sich in wohlerprobter Manier umgehend an den Kaiser, der sofort handelte und erreichte, dass die Klage vom Tisch kam, doch die Zeiten wurden zusehends schwieriger. In Böhmen und Tirol gab es erste Aufstände der Bergknappen, im ganzen Land revoltierten die Bauern gegen Leibeigenschaft und Abgabenlast. Als Bankiers des Kaisers und des Papstes verteidigten die Fugger eisern ihren katholischen Glauben und finanzierten die einsetzenden Glaubenskriege. Doch das einst so einträgliche Geschäft lief nicht mehr so geschmiert wie früher. Die Habsburger blieben immer öfter ihre Gegenleistungen schuldig, die gebotenen Sicherheiten stellten sich immer wieder als wertlos heraus. Anton Fugger agierte zunehmend frustriert und verkündete wiederholt, mit dem Gedanken zu spielen, das Geschäft einzustellen. Als Anton Fugger 1560 starb, ging mit ihm die goldene Ära der Familie zu Ende. Die Schwierigkeiten nahmen in der Folge unaufhörlich zu. Die Firma konnte sich zwar über den Dreißigjährigen Krieg hinwegretten, wurde jedoch 1658 aufgelöst. Die Familie existiert jedoch bis heute. Nach wie vor gibt es in Deutschland das Bankhaus Fugger als Privatbank für den gehobenen Mittelstand und die Fugger selbst zählen nach den Hohenzollern, Hohenlohe, Thurn und Taxis, Fürstenberg und Waldburg-Zeil immer noch zu den größten Grundbesitzern Deutschlands.
Die Habsburger hatten zwar mit den Fuggern ihre maßgeblichste Geldquelle verloren, ihr Glück war jedoch, dass dies zu einem Zeitpunkt passierte, als sie ihre Macht bereits konsolidiert hatten und unbestreitbar zur mächtigsten Herrscherfamilie aufgestiegen waren. Dennoch ist der Anteil der Fugger am Erfolg der Dynastie Habsburg beinahe in Vergessenheit geraten, obwohl sie de facto den entscheidenden Grundstein für deren Machtstellung – und damit auch deren späteren Reichtum – gelegt hatten.
VON OPPENHEIMER BIS ROTHSCHILD – DIE BANKIERS DES KAISERS
Doch auch als etablierte Dynastie brauchten die Habsburger weiterhin starke Finanzpartner. Nach dem Niedergang der Fugger avancierte zu Beginn des 18. Jahrhunderts Samuel Oppenheimer zur potentesten Geldquelle. Da sah sogar der sonst Juden gegenüber wenig tolerante Kaiser Leopold I. gnädig über diesen „Makel" hinweg. Seit Beginn ihrer Herrschaft hatten die Habsburger immer wieder mit jüdischem Geld operiert, das in Form einer allgemeinen Judensteuer eingehoben wurde, die Ende des 13. Jahrhunderts eingeführt worden war.² Im Laufe des 17. Jahrhunderts, als die Kaiser für Kriege sowie die immer kostspieligere, da repräsentativere Hofhaltung stetig mehr Geld benötigten, hatten sich zunehmend jüdische Händler als Financiers des Hofes etabliert. Als Warenlieferanten des Kaisers, der nur auf Kredit kaufte, entwickelten sie sich schließlich auch zu Bankiers.
Samuel Oppenheimer war während der Türkenkriege mit Nahrungsmitteln, Munition und Pferden zum größten und unverzichtbaren Armeelieferanten und damit zum wichtigsten Financier der Habsburger geworden. Allein in den ersten zwei Jahren des Spanischen Erbfolgekriegs hatte Oppenheimer die Habsburger bis 1703 mit 3 Millionen Gulden unterstützt.³ Der „Hofjude wurde zum „Hoffaktor
, also zum obersten Financier des Hofes, ernannt und begründete damit eine „Tradition", die bis zum Ende der Monarchie währte.⁴ Die der Hofkammer, der seit 1527 bestehenden obersten Finanzzentralstelle, gewährten Kredite der jüdischen Hoffinanciers von Oppenheimer über dessen Neffen Samson Wertheimer bis zu Lazarus Hirschl beliefen sich von 1698–1739 auf über 78 Millionen Gulden, d. h. knapp 2 Millionen jährlich, was einem Zehntel der gesamten Staatseinnahmen entsprach.⁵
Die jüdischen Financiers blieben über die Jahrhunderte ein wesentlicher Bestandteil des habsburgischen Finanzwesens, bis hin zur Familie Rothschild unter Kaiser Franz Joseph. Doch während Maria Theresia noch alle Nicht-Katholiken verfolgt hatte – von den Protestanten in Steiermark und Kärnten, die enteignet und nach Siebenbürgen deportiert wurden, bis hin zu den Juden, die vor allem in Böhmen zahlreichen Pogromen ausgesetzt waren und mehrmals nur gegen enorme Zahlungen und Sondersteuern wieder zurückkehren „durften –, sollte sich deren gesellschaftlicher Status im 19. Jahrhundert ändern. Im Unterschied zur Barockzeit, die noch vom intoleranten Geist der Gegenreformation geprägt war, sah man das vor allem dank der Aufklärung im 19. Jahrhundert, als sich die k. u. k. Monarchie zu einem Vielvölker- und damit auch einem multikonfessionellen Staat entwickelt hatte, wesentlich entspannter. Jüdische Bankiers hatten sich von „nützlichen Hofjuden
⁶, wie Kaiser Leopold es noch formuliert hatte, weitgehend nicht nur als Geschäftspartner, sondern auch gesellschaftlich etabliert. So zählte Nathaniel „Nathi Rothschild, der sowohl das Bankhaus Rothschild leitete als auch als Hauptaktionär der Creditanstalt die größte Bank Österreichs kontrollierte, zur gesellschaftlichen Oberschicht. Bereits 1817 hatte die Familie Rothschild für ihre Dienste in den napoleonischen Kriegen den Titel „Baron
erhalten, der 1885 als erblicher Titel noch aufgewertet wurde.