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Morphium, Cannabis und Cocain: Medizin und Rezepte des Kaiserhauses
Morphium, Cannabis und Cocain: Medizin und Rezepte des Kaiserhauses
Morphium, Cannabis und Cocain: Medizin und Rezepte des Kaiserhauses
eBook259 Seiten2 Stunden

Morphium, Cannabis und Cocain: Medizin und Rezepte des Kaiserhauses

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Über dieses E-Book

Ein enthüllender Bericht über "geheime Krankheiten." Eine packende Sozialgeschichte aus neuer Sicht.
Neueste wissenschaftliche Dokumente sowie Analysen historischer Rezepte werfen erstmals ein Licht auf den Umgang mit den Volksseuchen Syphilis, Gonorrhoe und Tuberkulose im 19. Jahrhundert. Das Kaiserhaus in Wien war davon ebenso betroffen wie das aufstrebende Bürgertum, der einfache Soldat oder die Prostituierte. Während die Mitglieder des Wiener Hofes auf exklusive Arzneimittel, die Morphium, Codein, Cocain und Cannabis enthielten, zurückgreifen konnten, blieb der Unterschicht meist nur der Gang zu Kurpfuschern, die in Zeitungsinseraten diskrete Heilung versprachen. So begünstigten Prüderie und falsch verstandene Scham unseriöse Heilmethoden.

Legende und Wahrheit über die Drogensucht Kronprinz Rudolfs sowie weiterer Mitglieder des Kaiserhauses
Spannende Einblicke in die Heilmethoden und Arzneimittel des 19. Jahrhunderts
Gesellschaftliche Hintergründe
Aufarbeitung neuer Quellen und Archive
Erstmalige Analyse der Rezepturen für Kaiserhaus, Adel, Bürgertum und Arbeiterklasse
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum17. Juni 2013
ISBN9783902862358
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    Buchvorschau

    Morphium, Cannabis und Cocain - Sabine Fellner

    Geheime Krankheiten der Habsburger –

    Ein Sittenbild der Gesellschaft um 1900

    »Und im Stillen schleichen die

    Krankheiten herum, von denen man um

    Gottes willen nicht reden darf«

    Liest man in den Rezeptbüchern des Wiener Hofes, so erschließen sich aus den Rezepten nicht nur die Kranken-, sondern auch die Lebensgeschichten der Habsburger.

    Auffallend ist dabei, dass es sich um Rezepturen handelt, die eine Vielzahl von heute als Suchtgift eingestuften Substanzen enthalten. Die Frage, wogegen die Rezepturen eingesetzt wurden, lässt aufhorchen – neben Präparaten wie Hustenpulver, Zahnschmerztinkturen und Abführzäpfchen fallen vor allem jene gegen Syphilis (auch Lues oder Lupus) und Gonorrhö (Tripper) auf. Diese gehörten zu den so genannten »geheimen Krankheiten«, die, wie der Name schon sagt, unbedingt geheim bleiben mussten.

    Doch Geschlechtskrankheiten betrafen nicht nur das Kaiserhaus. Blättert man in alten Tageszeitungen, etwa im »Illustrierten Extrablatt«, im »Neuen Wiener Tagblatt« oder in der »Neuen Freien Presse«, so fallen einem im Anzeigenteil auf einer Seite bis zu zwanzig Inserate von Fachärzten auf, die diskrete Heilung versprechen, sollte man in die unangenehme Lage geraten, sich mit einer venerischen Krankheit zu infizieren.

    Wie allgegenwärtig die Gefahr einer derartigen Infektion war, beschrieb Stefan Zweig in seinen Lebenserinnerungen: »Denn außer der gesellschaftlichen Bedrückung, die ständig zur Vorsicht und Verheimlichung zwang, überschattete damals noch ein anderes Element die Seele nach und selbst in den zärtlichsten Augenblicken: die Angst vor der Infektion.«¹ Um 1900 fielen nach damaliger Schätzung 20 % der Zwanzig- bis Dreißigjährigen derartigen Infektionen zum Opfer und selbst das Straßenbild war von den bedrohlichen Krankheiten geprägt: »Wenn man in Wien durch die Straßen ging, konnte man an jedem sechsten oder siebenten Haus die Tafel ›Spezialarzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten‹ lesen.«²

    Eine weitere Geißel des 19. Jahrhunderts war die »Wiener Krankheit« genannte Tuberkulose. War sie salonfähiger als die allgegenwärtige Geschlechtskrankheit und betraf sie nicht ebenso alle Gesellschaftsschichten vom Kaiserhaus bis zur Prostituierten?

    Unser Buch widmet sich der Frage nach den gesellschaftlichen Hintergründen dieser Krankheiten, dem Umgang mit dieser Bedrohung, den Behandlungsmethoden, die damals zur Verfügung standen und der für heutige Begriffe erstaunlichen Verwendung von Opiaten wie Morphin sowie Cannabis und Cocain in der Heilkunst. Wie reagierte man im Kaiserhaus auf eine venerische Infektion, was unternahm der ehrbare Bürger, um sich vor einer Ansteckung zu schützen, und wo konnte er Heilung finden, wenn ihn »Amors giftiger Pfeil« getroffen hatte? Welche Möglichkeiten hatten Dienstmädchen, Bäcker, Fabrikarbeiter oder Prostituierte, sich ärztlich behandeln zu lassen?

    Die Rezeptbücher der Hofapotheke und anderer Wiener Apotheken, aber auch ärztliche Protokolle, Tageszeitungen, Lebenserinnerungen und Lebensbeichten, Briefwechsel sowie ärztliche Ratgeber halfen uns, diese Fragen zu beantworten.

    Inserate von Ärzten für Rezepte gegen »geheime Krankheiten«, Neues Wiener Tagblatt (2. 8. 1885)

    Moral und Krankheit

    Wien war um 1900 die Hauptstadt einer Vielvölkermonarchie mit mehr als fünfzig Millionen Einwohnern. Weniger als die Hälfte der in Wien Lebenden war hier geboren, die Stadt wurde durch Migranten zur Metropole und wuchs enorm schnell.

    Im Laufe des 19. Jahrhunderts vollzog sich ein entscheidender Wandel in der Gesellschaft, denn die mittleren und oberen Schichten des Bürgertums nahmen an Zahl, Reichtum und politischem Gewicht zu.

    Das Riesenprojekt Wiener Ringstraße veränderte nicht nur das Aussehen der Stadt entscheidend, sondern auch die Struktur der Wiener Gesellschaft. War bis dahin der hohe Adel mit seinen prächtigen Barockpalästen verantwortlich für das repräsentative Erscheinungsbild der Stadt, so drängte nun eine viel breitere Schicht des vermögenden Bürgertums in den Vordergrund. Im Zuge des Ausbaus der Wiener Ringstraße gab sie nun mit ihren prachtvollen Stadtpalais, im Volksmund abschätzig »Palazzi prozzi« genannt, der Stadt ihr neues imperiales Gepräge. Die so genannte Ringstraßengesellschaft setzte sich aus reich gewordenen Handwerkerfamilien, die sich die neuen technischen Entwicklungen, die Industrialisierung und den rasanten Aufschwung des Bauwesens zunutze zu machen verstanden hatten, und reichen jüdischen Bankleuten, Industriellen und Händlern zusammen. 1860 war das Grunderwerbsverbot für Juden gefallen, um den mangels finanzkräftiger Investoren ins Stocken geratenen Ringstraßenausbau wieder anzukurbeln. Zwecks Erlangung des entsprechenden sozialen Status akzeptierte das Bürgertum die horrenden Grundstückspreise an der Ringstraße, um sich Repräsentationsbauten zu errichten, die seiner neuen Stellung in der Wiener Gesellschaft nachdrücklich Ausdruck verleihen sollten. Mit den neuen Architekturprojekten erlebten auch die schönen Künste einen gewaltigen Aufschwung und es entstand ein neuer Kreis einflussreicher Mäzene.

    Noble Bürger

    Doch Reichtum alleine bedeutete noch nicht einen hohen gesellschaftlichen Status. Höchstes Ziel bürgerlicher Kreise war eine Erhebung in den Adelsstand. Hochbegehrtes Prestigeobjekt war der »Orden der eisernen Krone«, dessen unterste Klasse bereits zum Führen eines Adelsprädikates berechtigte und dessen zweite Klasse eine Erhebung in den Freiherrenstand ermöglichte. Der Hochadel beobachtete diese Entwicklung mit größtem Missvergnügen und verlieh dem Kaiser ob seiner großzügigen Nobilitierungspolitik den Spitznamen »Sehadler« in Anspielung darauf, dass der Kaiser jeden, den er sah, in den Adelsstand erhob.

    Umso vehementer versuchte sich der Hochadel von dem so geadelten »Proletariat« abzugrenzen, und dem reichen Bürgertum wiederum war nichts zu aufwändig, um den neuen Status zu unterstreichen. »Und das kommt alles daher, weil die Bürger nicht wissen, wohin sie gehören. So wie sie ihre Wohnungen in allen Stilen der Welt modern einrichten, nur nicht mit den Möbeln, die sie von Eltern und Großeltern geerbt haben, so leihen sie sich von überall Grundsätze, Formen und Manieren aus, als ob Formen vom Inhalt loszulösen wären. Sie sind solide Kaufleute und wollen nicht, daß man ihnen das ansieht; sie erziehen ihre Kinder zu Aristokraten, sind aber dann erstaunt, wenn die Kinder das Geschäft nicht freut und wenn sie als vollendet erzogene Aristokraten in der bürgerlichen Ratlosigkeit des Elternhauses unglücklich sind. Wenn ihnen dann die Kinder die Wahrheit über den Unsinn dieses ausgeborgten, dilettantischen Lebensstils sagen, sind sie unglücklich.«³

    Arthur Schnitzler beschreibt in seinem Roman »Der Weg ins Freie« am Beispiel der Familie Ehrenberg anschaulich diesen Generationenkonflikt. Der Vater, einer der neuen Millionäre, wird sowohl von seiner Frau als auch von seinem Sohn ob seiner mangelnden Eleganz und Vornehmheit verachtet: »… Georg mußte noch heute lächeln, wenn er sich erinnerte, wie der Fünfzehnjährige eines Tages im lichtgrauen Schlußrock, mit weißen, schwarz-tamburierten Handschuhen und einem Monokel im Aug, auf der Promenade erschienen war. Frau Ehrenberg war damals vierunddreißig Jahre alt, hoheitsvoll, von übergroßer Gestalt, dabei noch schön, hatte verschleierte Augen und war meistens sehr müde. Es blieb unvergesslich für Georg, wie eines Tages ihr Gemahl, der millionenschwere Patronenfabrikant, die Seinen überrascht und einfach durch sein Erscheinen der ganzen Ehrenbergschen Vornehmheit ein rasches Ende bereitet hatte. Georg sah ihn noch vor sich, so wie er während des Frühstücks auf der Hotelterrasse aufgetaucht war; ein kleiner magerer Herr mit graumeliertem Vollbart und japanischen Augen, in weißem, schlecht gebügeltem Flanellanzug, einen dunklen Strohhut mit rotweiß gestreiftem Band auf dem runden Kopf, und mit schwarzen bestaubten Schuhen. Er redete sehr gedehnt, immer wie höhnisch, selbst bei den gleichgültigsten Dingen; und so oft er den Mund auftat, lag es unter dem Schein der Ruhe wie eine geheime Angst auf dem Antlitz der Gattin. Sie versuchte sich zu rächen, indem sie ihn mit Spott behandelte; aber gegen seine Rücksichtslosigkeiten kam sie nicht auf. Oskar benahm sich, wenn es irgend möglich war, als gehöre er nicht dazu. In seinen Zügen spielte eine etwas unsichere Verachtung für den seiner nicht ganz würdigen Erzeuger, und Verständnis suchend lächelte er zu den jungen Baronen hinüber.«

    Das von Verachtung des Sohnes gegenüber der Herkunft des Vaters geprägte Verhältnis kulminiert in einer öffentlichen Szene vor der Michaelerkirche, in der der Vater den Sohn ohrfeigt – der Sohn begeht in der Folge zutiefst gedemütigt einen Selbstmordversuch.

    Es gab aber auch reich gewordene Bürger, die durchaus Selbstbewusstsein entwickelten und keinen Wert auf eine Nobilitierung legten, sondern ihren Status als respektable Bürger behaupteten. So etwa Ludwig Bösendorfer, der sich »bürgerlicher Klaviermacher« nannte und dennoch Eingang in die höchsten Kreise fand. Oder Ludwig Lobmeyer, bei dessen Abendveranstaltungen in der von Theophil Hansen eingerichteten Wohnung Minister, Geheimräte, Künstler und Universitätsprofessoren verkehrten – und der eine Erhebung in den Adelsstand mit den Worten »Ich bin lieber der erste Bürger als der letzte Ritter« ablehnte.

    Neben dem Besitzbürgertum etablierte sich das Bildungsbürgertum, das seine soziale Stellung nicht aufgrund von materiellen Mitteln errungen hatte, sondern durch den Erwerb von Bildung. Rechtsanwälte, Ärzte, Beamte, Architekten, Künstler eroberten sich ihren Platz in der Gesellschaft, den sie vom Kleinbürgertum deutlich abgegrenzt wissen wollten.

    Elend und Wohnungsnot

    Die unteren Schichten wurden im Zuge der Industrialisierung zahlenmäßig größer, aber ihre gesellschaftliche und finanzielle Situation besserte sich nicht. Durch den Zuzug von Arbeitskräften aus den Kronländern Böhmen, Mähren und Schlesien nach Wien wurden die Wohnverhältnisse immer drückender. Eine Wohnung hatte im Schnitt zwei Räume, eine Küche und ein Zimmer, in denen sich oft bis zu zehn Personen aufhalten mussten. Die hygienischen Verhältnisse waren katastrophal, Wasser war ein Luxus, denn die Versorgung mit Fließwasser begann erst langsam in den 1870er Jahren mit dem Ausbau der Wiener Hochquellwasserleitung. Trotz des Substandards dieser Elendsquartiere war ihr Preis horrend. Musste vergleichsweise die bürgerliche Oberschicht lediglich 10 % ihres Jahreseinkommens für Mietkosten aufwenden, so hatten Arbeiter oft bis zu 40 % ihres Jahreseinkommens für die Miete zu bezahlen. Man darf bei all dem Reichtum, der im engsten Umfeld der Wiener Ringstraße zur Schau gestellt wurde, nicht außer Acht lassen, dass 70 % der Bevölkerung über ein Jahreseinkommen von 250 Gulden nicht hinauskam. Im Vergleich dazu verdiente ein Universitätsprofessor 2000 Gulden im Jahr und ein Küchenchef am Wiener Hof 1200 Gulden. Um die hohen Mietkosten abdecken zu können, waren die Arbeiter gezwungen, trotz der äußerst beengten Wohnsituation noch so genannte Bettgeher aufzunehmen, die nur über Nacht zum Schlafen blieben. Dass es angesichts dieser Zustände oft zu unerwünschten Übergriffen kam, liegt auf der Hand.

    Adelheid Popp, die sozialdemokratische Frauenführerin, beschrieb, wie man sich die damalige Situation, selbst in einer eigenen kleinen Wohnung, vorzustellen hat: »Zum Glück war meine Mutter mißtrauisch, und wir mieteten ein Kabinett, das wir für uns allein hatten. Auch mein jüngerer Bruder kam wieder zu uns und brachte einen Kollegen mit, mit dem er das Bett teilte. So waren wir vier Personen in einem kleinen Raum, der nicht einmal ein Fenster hatte, sondern das Licht nur durch die Fensterscheiben erhielt, die sich in der Tür befanden. Als einmal ein bekanntes Dienstmädchen stellenlos wurde, kam sie auch zu uns, sie schlief bei meiner Mutter im Bett, und ich mußte zu ihren Füßen liegen und meine eigenen Füße auf einen angeschobenen Stuhl lehnen.«

    »Den hohen Aristokratinnen ist jede Freiheit erlaubt«

    Unter den Wiener Aristokraten war es Mode, mit kleinen Skandalen auf sich aufmerksam zu machen und mit entsprechender Exaltiertheit auf den hohen Stand, der einem alles erlaubte, hinzuweisen. Felix Salten schrieb 1884 in seiner Publikation über den Wiener Adel: »Junge Aristokraten, die den Popularitäts-Ehrgeiz hatten, dachten es sei das Einfachste, in übermütigen Streichen zu paradieren, um bekannt zu werden. Und bei den Bürgerlichen bildete sich der Glaube, man müßte, um nobel zu sein, Schabernack treiben und exzentrische Dinge begehen.«

    Berühmt berüchtigt waren vor allem die »Scherze« des Grafen Sandor, darunter jener, als er einmal auf einem Kostümfest mit sechs gefesselten Sklaven als Großtürke verkleidet erschien. Die armen Burschen, die er »gemietet« hatte, band er mitten im Saal an einen Pfeiler, nachdem er vorher ihren Wein mit Abführmittel versetzt hatte. Dann verschwand der Graf, während die angebundenen »Sklaven« sich in Krämpfen wanden und alle Vorübergehenden mit der Frage anhielten: »Ham’s kan Türken g’seh’n?«. Solche Späße fand man witzig, man erwartete sie sogar, und jeder, der einen Kavalier spielen wollte, war darauf aus, mit derartigen Streichen seine Vornehmheit zu betonen. Dies galt nicht nur für Herren – auch adelige Damen trachteten danach aufzufallen: »Den hohen Aristokratinnen ist jede Freiheit erlaubt: Sie dürfen so schäbig oder so kühn angezogen sein, wie sie wollen, sie dürfen sich laut schreiend unterhalten, die Füße übereinanderschlagen, daß man die halben Waden sieht, sich schminken, Verhältnisse haben. Wenn eine bürgerliche Frau solche Dinge tut, ist sie unmöglich und ist eine ›Person‹. Die Leute, die etwas auf sich halten, verkehren nicht mit ihr und die Lieferanten nehmen sich Vertraulichkeiten heraus.«

    Makellos in die Ehe

    Weniger nonchalant beurteilte man sexuelle Kontakte vor der Ehe. Während es selbstverständlich war, dass junge adelige Herren vor ihrer Verheiratung Erfahrungen sammelten – meist wurden sie von Dienstmädchen »in die Liebe eingeführt«–, wurden Töchter streng unter Verschluss gehalten. War ein Mädchen auch nur in den Verdacht gekommen, nähere Bekanntschaft mit einem Mann zu unterhalten, galt sie als nicht mehr heiratsfähig. Waren Frauen jedoch erst einmal verheiratet, hatten sie beinahe die gleichen Freiheiten wie Männer, denen man Liebschaften und Affären durchaus zubilligte. Sie gehörten sogar zum guten Ton, und eine schöne, reich beschenkte Geliebte galt als Statussymbol. Die meisten Frauen machten sich keinerlei Illusionen über die Treue ihrer Männer – besonders dann, wenn sie attraktiv und beliebt waren. So schilderte Nora Fugger in ihren Memoiren anlässlich der Verlobung mit ihrem Cousin Karl Fürst Fugger: »Mein Vetter war der Mann meiner Wahl, wir waren über beide Ohren ineinander verliebt, er war von gutem, altem Adel … Nur eines ging mir schon damals durch den Kopf: ich sollte einen ausnehmend hübschen und lebensfrohen Mann heiraten; den würde ich wohl mit anderen teilen müssen. Doch ich fand mich mit dem Gedanken ab und zog ihn einem weniger hübschen vor, den ich wahrscheinlich ganz für mich gehalten hätte.«

    Nora Fuggers Erinnerungen zum Skandal um den Kronprinzen Rudolf, der 1889 gemeinsam mit seiner letzten Geliebten, der jungen Baronesse Mary Vetsera in den Tod gegangen war, dokumentieren auch, wie wichtig es war, »makellos« in die Ehe zu gehen. Marys Mutter Helene wurden schwerste Vorwürfe gemacht und man unterstellte ihr, sie hätte das Verhältnis des Kronprinzen mit ihrer Tochter gefördert: »Es ist ihr (Helene Vetsera) dadurch ein großes Unrecht geschehen. Ich habe sie gut gekannt. Sie war eine gescheite Frau und liebte ihre Tochter Mary abgöttisch, zog sie ihren anderen Kindern vor und hatte nur den einen Traum, sie in der ersten Gesellschaft Wiens gut zu verheiraten. Dazu hätte sie wohl jedes Mittel angewendet. Als mein nachmaliger Mann in der Welt erschien, gelang es ihr, diesen hübschen jungen Gardeleutnant zu einem häufigen Besucher ihres Salons zu machen. Es entspann sich bald ein Flirt, den sie auf alle mögliche Art zu fördern verstand. Sie wußte es so einzurichten, daß er mit Mary oft allein blieb. Beinahe wäre mein

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