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Böse Geschichte(n): Scary Fail Tales
Böse Geschichte(n): Scary Fail Tales
Böse Geschichte(n): Scary Fail Tales
eBook298 Seiten3 Stunden

Böse Geschichte(n): Scary Fail Tales

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Über dieses E-Book

Eine Sammlung von zehn überwiegend fiesen Kurzgeschichten um die ewigen Themen Liebe, Verrat und Tod. Zum Beispiel:Götterdämmerung«Interessierst du dich überhaupt noch für irgend etwas um dich herum?»«Wie meinst du das denn?»«Ich meine, was deine Mitmenschen so treiben, was sie tun und lassen?»«Warum sollten mich meine Mitmenschen interessieren. Ich bin Politiker.»Walter Keiler ist kurz davor den Chefsessel des nordrhein-westfälischen Olymps zu besteigen, als ihm ein kleines Missgeschick passiert, dann noch eins und noch eins und noch eins. Es gehört zur politischen Alltagskultur, dass sich unsere Volksvertreter den einen oder anderen Fauxpas erlauben, aber was ist, wenneinemauf einmalallespassiert, aneinem einzigen verdammten Tag?AusgeschlafenIch reagiere nur selten auf das, was Schwester D. zum Besten gibt, denn es hätte wenig Sinn. Schwester D. ist hier nicht der Boss.Komm, Sigmund. Leiste unserem Gast ein wenig Gesellschaft, sagt sie in den Flur hinein, dann fällt die schwere Tür zurück ins Schloss. Nach einer Weile öffne ich die Augen und hebe meinen Kopf. Auf dem Hocker neben meinem Bett sitzt eine dicke apart getigerte Katze und mustert mich mit stoischem Blick.Das wäre wirklich nicht nötig gewesen, sage ich.Immerhin haben wir dich nicht umgebracht, sagt die Katze.Jeder Katzenbeherger hat sich schon einmal gefragt, ob diese genusssüchtigen, verfressenen Pennsusen tatsächlich von unserem Planeten stammen, oder ob es sich nicht in Wirklichkeit um Aliens handelt, die unbemerkt in ihre Körper geschlüpft sind, um sich von uns nach Strich und Faden verwöhnen zu lassen. Der Held unserer Geschichte hat es herausgefunden. Pech für ihn.Interview mit einer Vampirin«Warum hast du mich gefesselt. Hattest du Angst, ich könnte gewalttätig werden? Ich bin nämlich nicht gewalttätig, ich bin eher der sanfte Typ.»«Das habe ich gleich gespürt, Joachim.» Antoinette beugt sich vor und küsst ihn auf die Nasenspitze. Ihre lange Haare streichen sanft über seine Brustwarzen und kitzeln ihn. «Es ist mehr wegen mir. In gewisser Weise bin ich die Gewalttätige.»Als Joachim eines Abends auf einen Absacker ins Carussellkommt, ist er mehr als angetan, dort außer den üblichen Vertragstrinkern auch einer appetitlich aussehenden blonden Frau zu begegnen. Nachdem das Gespräch in Gang gekommen ist, erfährt er zu seiner großen Erheiterung, dass sein apartes Gegenüber eine Vampirin zu sein scheint. Behauptet sie zumindest. Aber Vampire gibt es nicht. Oder doch?KollegentreffenDer Gegenstand war unzweifelhaft als das erkennbar, was von einer toten menschlichen Hand übrig bleibt, wenn man sie für längere Zeit vergräbt. In diesem Fall handelte sich offensichtlich um die Hand einer Frau, weniger ob der Größe als vielmehr wegen der langen Fingernägel in dunklem Rot, die zumindest bei drei Fingern vergleichsweise gut erhalten waren. Obwohl die Haut dunkel, fast schwarz war, glaubte der Mann nicht, dass es sich um eine Person mit Migrationsgeschichte handelte, denn aus toter weißer Haut wird unter gewissen Umgebungsbedingungen irgendwann immer tote schwarze Haut.Seit die Branche der Serienkiller nicht zuletzt aufgrund der großen publizistischen Aufmerksamkeit, die ihr seit Jahren zukommt boomt, wird es für den einzelnen Serienkiller immer schwieriger, die Überbleibsel seiner schaurigen Passion zu entsorgen, denn passende Endlager sind knapp. Kommt es ob dieses offensichtlichen Mangels an Möglichkeiten zu Interessenkollisionen, sollte deshalb in erster Linie eins im Vordergrund stehen: Kollegialität.Desweiteren eine Begegnung mit dem Tod, Hölle 2.0, der Untergang der Menschheit und ähnliche erfreuliche Themen. So sieht moderne Entspannung aus.Einige Teile warenvorab einige Zeit auf Amazon als Kindle-Download erhältlich.
SpracheDeutsch
HerausgeberWaxmann
Erscheinungsdatum10. Jan. 2022
ISBN9783830988939
Böse Geschichte(n): Scary Fail Tales

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    Buchvorschau

    Böse Geschichte(n) - Heiner Wacker

    Ausgeschlafen

    Scary Fail Tale No.1

    Ich reagiere nur selten auf das, was Schwester D. zum Besten gibt, denn es hätte wenig Sinn. Schwester D. ist hier nicht der Boss.

    «Komm, Sigmund. Leiste unserem Gast ein wenig Gesellschaft», sagt sie in den Flur hinein, dann fällt die schwere Tür zurück ins Schloss. Nach einer Weile öffne ich die Augen und hebe meinen Kopf. Auf dem Hocker neben meinem Bett sitzt eine dicke apart getigerte Katze und mustert mich mit stoischem Blick.

    «Das wäre wirklich nicht nötig gewesen», sage ich.

    «Immerhin haben wir dich nicht umgebracht», sagt die Katze.

    Jeder Katzenbeherger hat sich schon einmal gefragt, ob diese genusssüchtigen, verfressenen Pennsusen tatsächlich von unserem Planeten stammen, oder ob es sich nicht in Wirklichkeit um Aliens handelt, die unbemerkt in ihre Körper geschlüpft sind, um sich von uns nach Strich und Faden verwöhnen zu lassen. Der Held unserer Geschichte hat es herausgefunden. Pech für ihn.

    Der Schlaf ist doch die köstlichste Erfindung!

    (Heinrich Heine)

    Mit einem satten metallischen Klacken wird der Riegel zurückgezogen und unmittelbar darauf spüre ich auf meiner Haut den leisen Luftzug, der zwangsläufig erfolgt, wenn Schwester D. ihren mächtigen Körper durch eine zahlenmäßig begrenzte Menge von Luftmolekülen drückt.

    «Morgenstund hat Gold im Mund», sagt sie fröhlich, während sie den Sitz der Gurte an meinen Armen und Beinen überprüft. «Zeit fürs Frü-hüüü-stück.»

    Es lohnt sich nicht, die Augen zu öffnen, denn das, was Schwester D. unter Frühstück versteht, steckt erfahrungsgemäß in einem voluminösen Spritzenkörper und besteht aus einem raffinierten Cocktail von unterschiedlichen Psychopharmaka, Beruhigungsmitteln und Nah­rungs­ergänzungsstoffen. Schwester D. beginnt mit ihren fetten Fingern auf meinen nunmehr dürren Armen herumzudrücken, findet, was sie gesucht hat und versenkt die Nadel in einer Vene. Noch bevor der kleine spitze Schmerz, den der Einstich jedes Mal verursacht, verebbt ist, rauscht eine sanfte Welle von Entzücken, gepaart mit sanftem Vergessen, durch meinen Körper und mir wird wieder alles egal.

    «So, war das nicht fa-hein?», sagt Schwester D. mit einem Schnurren in der Stimme. «Hat Mami ihrem Kleinen nicht ein leckeres Happahappa kredenzt?»

    Wunsch, Wille und Perspektive sind in meinem Kopf zu einer Art Schlafpampe geworden, sodass ich nicht antworte. Ich reagiere sowieso nur selten auf das, was Schwester D. zum Besten gibt, denn es hätte wenig Sinn. Schwester D. ist hier nicht der Boss.

    Auf ihrem Weg zurück zur Tür bringt sie erneut die Luft in Wallung.

    «Komm, Sigmund. Leiste unserem Gast ein wenig Gesellschaft», sagt sie in den Flur hinein, dann fällt die schwere Tür zurück ins Schloss und es wird wieder still im Raum. Nach einer Weile öffne ich die Augen und hebe meinen Kopf. Auf dem Hocker neben meinem Bett sitzt eine dicke, apart getigerte Katze und mustert mich mit stoischem Blick.

    «Das wäre wirklich nicht nötig gewesen», sage ich.

    «Immerhin haben wir dich nicht umgebracht», sagt die Katze.

    Ich lasse den Kopf zurück in die Kissen sinken und schließe meine Augen. Müßig, sich noch weiter den Kopf zu zerbrechen. Ich war dämlich und jetzt habe ich den Salat. Nein, im Grunde waren und sind wir alle dämlich. Ich und der ganze Restplanet. Wir haben nicht aufgepasst und jetzt haben wir sie am Hals. Wen wir am Hals haben? Darf ich nicht sagen! Streng verboten. Aber ich rede ja nur mit mir selbst. Linke Gehirnhälfte schickt SMS an rechte Gehirnhälfte: «Wenn du schon in meinem Kopf bist, dann antworte mir gefälligst!» Aber die rechte Gehirnhälfte schweigt, zuviel Dope im Liquor cerebrospinalis, meine rechte Gehirnhälfte ist ein Junkie, der zugedröhnt im Aquarium meines dummes Schädels schwimmt. Es dreht sich vor meinem inneren Auge und ich taumele zurück in die Vergangenheit, in eine Zeit, in der noch alles paletti war, das heißt, paletti war es damals nicht, aber zumindest wusste ich noch nichts davon. Könnte ich heute entscheiden, wäre es dabei geblieben. «Curiosity killed the cat», sagt man, aber es gilt nicht nur für Katzen. Apropos, haben Sie eine Katze? Dann behandeln Sie die bloß gut. Warum? Darf ich Ihnen nicht sagen. Nur soviel: Dass ich noch lebe, verdanke ich einzig und allein dem Umstand, dass ich immer supernett zu meiner Katze war. Ich hätte einfach nur die Klappe halten sollen, als ich nach Hause kam und Diana dabei erwischte, wie sie vor meinem Laptop saß und eine E-Mail schrieb. E-Mail ist vielleicht der falsche Ausdruck dafür, aber einen anderen kenne ich nicht. Das Display pulsierte wie ein erzürnter Vulkan kurz vorm Ausbruch und seltsame kryptische Zeichen rasten wie kleine Käfer von rechts nach links und zurück, loderten auf und erloschen wieder. Dianas Vorderpfoten steppten über die Tastatur wie Fred Astaire auf Speed, sie war so vertieft, dass sie mich gar nicht bemerkte. Das wäre der richtige Moment gewesen, um sich vorsichtig umzudrehen und abzuhauen, stattdessen sagte ich in meinem «Du-hast-Scheiße-gebaut»-Tonfall laut und vernehmlich: «Diana, Schluss. Du machst meinen Rechner kaputt, du böse Katze!» Zu diesem Zeitpunkt war mir das Ausmaß meiner Dummheit noch nicht präsent, aber ich bekam einen kleinen Vorgeschmack, als Diana in der Bewegung gefror, einen Moment verharrte und dann sagte:

    «Macht nichts. Du wirst ihn nicht mehr brauchen.»

    Man kann sich vorstellen, dass ich zunächst nur blöd aus der Wäsche geguckt habe. Eine sprechende Katze, haha. Meine sprechende Katze. Und was hat sie gesagt?

    «Was hast du gesagt? Ich meine, du hast doch etwas gesagt – oder träume ich bloß?»

    «Du hast mich schon verstanden», sagte Diana.

    «Äh, ja, aber irgendwie auch nein. Jedenfalls nicht richtig. Du kannst sprechen?»

    «Das hat mich immer schon an euch gestört», sagte Diana. «Dass ihr so einen schlechten Blick für das Offensichtliche habt. Alles muss man euch dreimal sagen.»

    Ich musste mich setzen. Normalerweise nahm ich Diana erst mal auf den Arm, wenn ich von der Arbeit nach Hause kam, schmuste ein bisschen mit ihr herum, erzählte, was ich während des langen Tages erlebt hatte. Mit einem Mal war mir nicht mehr danach. Im Gegenteil. Diana hatte sich auf dem Stuhl gedreht und blickte mich mit ihren irisierenden, blass ultramarinblauen Augen an, schüttelt ihren zarten goldblonden Pelz und fuhr in einer Art Thronerbinnenton fort:

    «Ich sagte, dass du den Laptop nicht mehr brauchen wirst.»

    «Das hatte ich verstanden.»

    «Was fragst du dann so blöd?»

    «Ich meinte, warum sollte ich den Laptop nicht mehr brauchen? Wenn ich etwas in diesem Leben brauche, dann ist es mein Laptop.»

    «Genau.»

    «WAS?!»

    Katzen können einen schon ein bisschen wahnsinnig machen. Ständig wollen sie etwas, aber man muss erraten, was es ist. Diana, sprechend oder nicht, war da keine Ausnahme.

    «Stell dich nicht dümmer, als du bist. Ich habe gesagt, dass du den Laptop nicht mehr brauchen wirst. Nicht in diesem Leben jedenfalls. Wie‘s im nächsten aussieht, kannst du selbst herausfinden.»

    «Was meinst du damit?»

    «Bist du blöd? Ich wollte damit zum Ausdruck bringen, dass dein Leben in Kürze endet. Heute, um genau zu sein. Hier und jetzt. Und ich möchte hinzufügen – wenn du gestattest –, dass ich das mehr als jeder andere bedauere.»

    Mir wurde schwindelig. Ich wollte mich setzen, aber ich saß schon. In Ermangelung von Alternativen fiel ich deshalb einfach vom Hocker und krachte auf den Boden.

    «Du brauchst keine melodramatische Nummer abzuziehen. Wir müssen alle mal dran glauben. Ihr zumindest.»

    Ich hörte sie nicht. In meinem Schädel hatte jemand den Notschalter umgelegt und das kleine Zimmer hinter meinen Augen in Dunkelheit getaucht. Alles um mich herum war wie in Watte gepackt. Diana sprang vom Schreibtischstuhl und schlenderte hinüber zu mir. Sie steckte mir ihr kleines Schnäuzchen ins Ohr, aber anstatt zu schnurren, wie sie es sonst immer tat, sagte sie nur:

    «Bevor ich dich umblase, will ich aber noch mein Abendessen haben. Und zwar das Leckere.»

    Ich konnte nicht antworten.

    «Hörst du schlecht? Hunger. Abendessen. Jetzt. Ich muss doch nicht mehr rummaunzen, oder? Ich meine, das haben wir – dank deiner Dummheit – doch wohl hinter uns?» Diana hatte ihre Vorderpfoten auf meine Backe gestellt und fuhr gemütlich die Krallen ein und aus. «Mach hinne. Ich verspreche dir auch, dass es nicht weh tut. Jedenfalls nicht besonders.»

    «Das meinst du doch nicht ernst!»

    «Doch, tut mir leid. Du hast uns enttarnt. Jetzt müssen wir dich aus dem Weg räumen. Geht nicht anders. Leider.»

    «Leider? Ich glaube, ich höre nicht richtig. Ich will nicht aus dem Weg geräumt werden, hörst du? Schon gar nicht, wenn es weh tut.»

    «Deine kleinlichen Bedenken in allen Ehren, aber du lässt mir keine Wahl. Wie heißt es immer in den dämlichen Filmchen, die du so gern guckst? Er wusste zu viel! Tja, jetzt bist du an der Reihe.»

    «Ich will aber nicht!»

    «Stell dich nicht so an. Sterben ist eine reine Formsache. Boom boom, out go the lights. Eingang großes Nichts.»

    Der kurze Dialog mit Diana hatte mich wieder aufgemuntert, na, aufgemuntert war vielleicht der falsche Ausdruck. Ich war aufgewühlt. Sehr aufgewühlt und – sauer. Ich rollte auf die Seite, brachte mich unter Mithilfe meiner Hände in eine halbwegs aufrechte Position und stand auf. Ich begann nachzudenken. Erfolglos, wie sich herausstellte. Mir fiel nichts ein. Wie sollte es auch? Meine Katze sprach mit mir. Nicht nur, dass sie mit mir sprach, sie bedrohte mich. Meine Katze, meine kleine Diana. Das musste ich erst einmal verknusen.

    «Ich brauch‘n Bier», sagte ich mehr zu mir selbst.

    «Sei nicht so selbstsüchtig», sagte Diana, «ich hab Kohldampf. Erst das Pferdchen, dann der Saloon.»

    Ich ignorierte den Einwurf, stieß mich vom Schreibtisch ab und schwamm durch den Raum Richtung Flur, von dem auch die Küche abging. Diana wuselte durch meine Beine und überholte mich lässig. Ihr Zickzack-Kurs vor meinen Füßen machte mir die Navigation nicht eben einfacher, aber ich war es gewohnt. In der Küche angekommen, öffnete ich meinen alten, angestoßenen General-Motors-Kühlschrank und fischte eine Dose 5,0 aus dem Gemüsefach. Diana hatte sich auf die Hinterpfoten gestellt und musterte mich mit erzürnt zurückgelegten Ohren.

    «Du willst deinen Abgang noch beschleunigen? Kannst du haben, du Egoist!», sagte sie bissig.

    Ich ließ mich nicht mehr aus der Ruhe bringen. Gemütlich schlenderte ich hinüber zum Esstisch, setzte mich umständlich und öffnete die Dose. Wenn ich schon sterben sollte, dann wollte ich wenigstens nicht in Dummheit sterben.

    «Du willst Futter», sagte ich, «ich will Antworten.» Dann schüttete ich die erste Hälfte der Dose hinunter und rülpste vernehmlich. «Na, was ist?»

    Diana hatte sich mitten in der Küche auf den Boden gesetzt, die Vorderpfoten schön akkurat nebeneinander, die plüschige Lunte in einem mathematisch exakten rechten Winkel von ihrem Körper abgespreizt.

    «Ich habe Hunger», sagte sie, nun nicht mehr ganz so forsch.

    «Bedien dich», sagte ich, «du weißt ja, wo‘s steht.»

    Diana musterte mich kleinlaut. Ihre Schnurrhaare hingen herunter.

    «Du weißt, dass ich die blöden Dinger nicht aufkriege», sagte sie leise.

    «Wer E-Mails schreiben kann, kann auch Dosen öffnen», antwortete ich fröhlich, «und wenn nicht, dann solltest du es jetzt lernen. Ich bin ja bald nicht mehr da, wenn ich dich richtig verstanden habe.» Meine kleine gehässige Ader bestand auf einem Nachsatz. «Allerdings», fuhr ich feixend fort, «wenn der liebe Gott gewollt hätte, dass ihr Dosen öffnet, anstatt Mäuse, dann hätte er euch anderes Werkzeug an die Vorderpfoten geschraubt.»

    «Werde jetzt bitte nicht sarkastisch!», sagte Diana. «Ich sage dir alles, was du wissen willst. Aber erst nach dem Essen. Ich brauche jetzt dringend Nachschub. Ich bin völlig unterzuckert.»

    «Absurdes Fresstheater», sagte ich selbstgefällig, «aber meinetwegen. Auf eine Dose mehr oder weniger kommt es jetzt auch nicht mehr an.» Ich griff hinter mir ins Regal und packte eine Dose Schnucki am Schlafittchen.

    «Oh, nein!», sagte Diana, «tu das nicht. Dieses Zeug schmeckt zum Kotzen.»

    «Ich weiß, ich weiß», entgegnete ich und knackte den Deckel, «aber ohne Downs gibt‘s auch keine Ups.» Ich schaufelte eine ordentliche Portion in ihren Napf.

    «Du weißt, dass ich das Zeug nicht mag?», fragte sie mit einem giftigen Unterton in der Stimme. «Du weißt es und kaufst es trotzdem?»

    «Hättest ja ‘n Ton sagen können.» Ich grinste schadenfroh. «Na los! Wie heißt es so schön? Der Hunger treibt‘s rein.»

    «Du bist so ein erbärmliches Arschloch!» Diana hatte mir den Rücken zugedreht und sprach gegen die Wand. «Ich glaube, aus deinem schmerzfreien Ableben wird doch nichts.»

    «Sind wir nicht ein wenig ungerecht, junge Dame? Du willst mich umbringen und dafür willst du ein Sheba-Weihnachtsmenü? Findest du das nicht ein wenig übertrieben?»

    «Nö», sagte Diana, ohne sich wieder umzudrehen. «Außerdem hat das letzte Hemd sowieso keine Taschen. Für was willst du das Leckerfutter also aufheben?»

    Mit einer hungrigen Katze kann man bekanntlich nicht diskutieren. Warum also Kräfte verschwenden? Ich drehte mich herum und inspizierte seufzend die Futtervorräte im Regal. Umgehend stand Diana neben mir auf der Tischplatte und verfolgte konzentriert meine Bestandsaufnahme.

    «Wie wärs mit einer Terrine Lachs und Sardellen in feiner Soße, Mademoiselle Bocuse?»

    «Schon wieder Fisch? Den hatten wir erst vorgestern. Ich hätte gerne Wildkaninchen in Gelee.»

    «Heute ist Freitag. Also Fisch oder nix», entgegnete ich boshaft und stellte die Dose zurück ins Regal.

    «Nein, nein, schon gut», kam es sofort zurück. «Ist schon in Ordnung, meinetwegen Lachs.»

    Ich nahm eine saubere Untertasse aus dem Schrank und befüllte sie mit dem unangenehm riechenden Kleintier-Universalschleim.

    «Ich verstehe sowieso nicht, was ihr an dem Zeug findet», sagte ich.

    «Musst du auch nicht», sagte Diana, «mir schmeckt‘s jedenfalls.» Dann nach einer ausgiebigen Fresspause. «Sogar sehr gut.»

    «Wie belieben, Gnädigste. Wenn du jetzt zufrieden bist, kannst du ja mal ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern.»

    Diana leckte noch kurz den Teller blank, bevor sie mittels eines wie immer präzise berechneten Sprungs auf meinem Schoß landete, wo sie umgehend begann sich die Futterluke zu putzen.

    «Na schön, mein Großer.» Sie unterbrach ihre Körperhygiene. «Du willst Antworten? Kannst du haben. Aber ich sag‘s dir gleich: Es wird dir nicht gefallen.»

    «Quatsch keine Opern! Raus mit der Sprache!» Ich setzte die Bierdose an die Lippen und nahm einen tiefen Zug.

    «Quatsch keine Opern? O.K., also kurz und knapp: Wir sind keine Katzen, wir sind Aliens.»

    Der Teil des Bieres, der noch nicht in meinem körpereigenen Flüssigkeitsreservoir endgelagert war, machte sich selbstständig und landete in Form von Sprühnebel auf Diana, die empört aufheulte und sich mit einem weiten Satz in Sicherheit brachte.

    «Das ist ja wohl das Allerletzte», sagte sie sichtlich beleidigt.

    «Das ist ja wohl das Allerdämlichste», sagte ich keuchend. «Aliens! Du bist doch wohl total beknackt! Aliens? Da lachen ja die Hühner.»

    «Dir und deinen Hühnern wird das Lachen noch vergehen. Kann ich dir garantieren.» Diana begann hektisch an einigen besonders bierbefallenen Stellen herumzulecken. Wenn es um ihren Pelz ging, verstand sie keinen Spaß. Ich holte mir derweil ein neues Bier.

    «Aliens, so so. Und wo steht euer Raumschiff? Bei uns im Keller vielleicht?»

    «Sehr witzig. Willst du es jetzt wissen, oder nicht?»

    Ich wedelte ein wenig mit der Dosenhand herum.

    «Schon gut. Tut mir leid, Miss Alien. Klär mich auf, ich bin ganz Ohr.»

    «Na gut. Also, genau genommen sind wir Aliens, die in Katzenkörpern wohnen.»

    «Also noch mal für Doofe: Du siehst aus wie eine Katze, aber du bist ein Alien.»

    «Ich bin eine Katze und ein Alien.»

    «Ich finde, du solltest dich entscheiden: Katze oder Alien.»

    «Komm mir nicht blöd! Was weißt du denn schon?»

    «Ja, was weiß ich denn schon? Ich bin ja nur ein dummer Erdling, ein Dosenöffner. Und was macht ihr hier? Erde erobern oder so?»

    «Eher oder so.»

    «Was heißt das? Wollt ihr den Laden nun übernehmen oder nicht? – He, das wäre Klasse. Dann wäre ich ein Kriegsgefangener und ihr dürftet mir nichts tun. Genfer Konvention. – Moment! Gilt die Genfer Konvention auch für Aliens – oder für Katzen?»

    «Genfer Abkommen III, wenn schon. Und nein, wir haben nichts unterzeichnet. Und nochmals nein, du bist kein Kriegsgefangener.»

    «Warum bin ich kein Kriegsgefangener? Wenn ihr die Erde erobert, ist das ja wohl ein kriegerischer Akt. Und dann bin ich ganz klar ein Kriegsgefangener. Ihr dürft mir nichts tun.»

    Ich lehnte mich zufrieden grinsend zurück und nahm einen ordentlichen Schluck aus dem Blechnapf.

    «Du hast mir nicht zugehört, Erdling. Wir wollen euren dusseligen Planeten nicht. Kein Krieg, kein Kriegsgefangener. Und deshalb dürfen wir dich sehr wohl töten.»

    «Dürft ihr nicht!»

    «Dürfen wir doch!»

    «Dürft ihr nicht!»

    «Dürfen wir … Sag mal, das muss ich mit dir ja wohl nicht diskutieren, oder?»

    Diana hatte den Hinterpelz ein gutes Stück aufgestellt. Sie war offensichtlich erzürnt.

    «Klammern wir die Frage, welchen Status ich innehabe, vorerst aus. Was mich viel mehr interessiert, ist Folgendes: Wenn ihr uns nicht erobern wollt, was wollt ihr dann auf unserem schönen Planeten?»

    «So schön ist euer Planet nun auch nicht, jedenfalls nicht mehr.»

    «Lenk nicht ab. Was wollt ihr?»

    «Chillen.»

    «Bitte WAS?!»

    «Bist du taub? Chillen, abhängen, mal richtig ausschlafen. Und sich den Wanst vollschlagen natürlich.»

    «Ihr macht den weiten Weg, um euch mal richtig auszuschlafen? Ist die Erde eine Wellness-Farm für außerirdische Privatpatienten, oder was?»

    «Eher Kassenpatienten, aber ansonsten liegst du gar nicht so falsch», sagte Diana und leckte sich geziert die linke Vorderpfote. «Im Servicebereich steckt noch jede Menge Entwicklungspotenzial. Aber wir wollen nicht klagen.»

    «Na, das ist ja reizend. Und warum Katzen?»

    «Für unsere Zwecke sind Katzen mit Abstand die beste Wahl. Enorm leistungsfähiger Körper mit guter Wärmeregulierung, tolles weiches Fell, hoch empfindliches sensorisches System, robuster Verdauungsapparat und schwere Bewaffnung. Außerdem gibt es kaum eine Spezies, die sich so wohlfühlen kann wie eine Katze. Und weil Katzen sich so wohlfühlen können, können wir uns in Katzen so wohlfühlen.»

    «Und wie lange geht das schon so?»

    «Mmh, lass mal überlegen … Also, im Grunde, seit es Katzen gibt. Die kleinen meine ich, nicht die großen.»

    «Und in Jahren ausgedrückt?»

    «Na, sagen wir mal – so um die viertausend, vielleicht fünf.»

    «Ihr macht den weiten Weg und dann legt ihr euch viertausend Jährchen auf den Pelz?»

    «Was faselst du da immer vom weiten Weg. Du weißt doch gar nicht, wo wir herkommen.»

    «O.K., wo kommt ihr her?»

    «Warum willst du das wissen? Kennst du sowieso nicht.»

    «Ist es weit oder nicht?»

    «Kann man so nicht sagen. Ist relativ. Für dich unendlich weit, für uns quasi nebenan.»

    «Mit anderen Worten: Ihr schlendert mal eben so rüber zu unserem Planeten, wie andere in die Eckkneipe gehen?»

    «Etwas komplizierter ist es schon. Aber da du platte Vergleiche so liebst: Ja.»

    «Und wie macht ihr das?»

    Diana wirft mir einen Blick zu, als hätte ich gerade Katzenstreu in ihren Fressnapf gekippt.

    «Kann man einer Amöbe erklären, wie Zellteilung funktioniert?»

    «Warum sollte man das tun? Sie können es bereits.»

    «Du weißt schon, wie es gemeint war, aber ich kann es auch etwas drastischer formulieren: Du bist zu blöd, um es zu kapieren. Kapiert?»

    «Ach ja? Ich bin zu blöd? Aber um deine dämlichen Fressdosen aufzumachen, reicht es gerade noch!»

    «Nun nimm es doch nicht gleich persönlich. Euer Gehirn ist einfach zu klein dafür. Selbst wenn ihr es richtig benutzen würdet, hätte es immer noch zu wenig PS.»

    «Wenn mein Hirn zu klein ist, was ist dann mit deinem Hirn? Das ist doch höchstens ein Zehntel von meinem.»

    «Ein Dreißigstel, um genau zu sein. Aber darum geht‘s nicht. Es ist eine Frage der Architektur. Katzengehirne sind enorm leistungsfähig und haben hervorragende Netzwerkeigenschaften, die wir natürlich noch verbessert haben. Das ist wie der Vergleich zwischen einem Tablet-PC und einem antiken Großrechner. Tut mir echt leid für euch, aber da könnt ihr nicht mithalten. Ihr seid zu doof.»

    «Und was ist mit … sagen wir mal: Albert Einstein. Der war doch wohl der intelligenteste Mensch auf der ganzen Welt?»

    «Einstein? Ach, du liebe Güte. Doch nicht Einstein. Der intelligenteste Mensch war Rabbi Akiba ben Josef – und ein fantastischer Krauler dazu, wenn

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