Kalte Pracht – doch keine Liebe: Fürstenkinder 44 – Adelsroman
Von Regine König
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Über dieses E-Book
Ihre Lebensschicksale gehen zu Herzen, ihre erstaunliche Jugend, ihre erste Liebe – ein Leben in Reichtum, in Saus und Braus, aber oft auch in großer, verletzender Einsamkeit.
Große Gefühle, zauberhafte Prinzessinnen, edle Prinzen begeistern die Leserinnen dieser einzigartigen Romane und ziehen sie in ihren Bann.
»Hoch, hoch, immer höher fliegen! – Bis in den Himmel hinein fliegen wir, Lilofee!« Das Mädchen mit den langen goldblonden Lokken, die bei den Schaukelbewegungen wie ein Sonnengespinst um Gesicht und Schultern wehten, drückte die Puppe fest an sich. Das süße Gesichtchen der Dreizehnjährigen, die die Kinderschuhe noch nicht abgestreift, die Mädchenschuhe aber noch nicht angezogen hatte, glühte. Die großen, veilchenblauen, dichtbewimperten Augen strahlten. »Ja, bis in den Himmel hinein fliegen wir, in den Liebeshimmel, Lilofee! Weißt du, in Reginas Himmel. Sie verlobt sich in vierzehn Tagen öffentlich. Auf einem märchenhaften Fest!« Die kleine Prinzeß Angela strapazierte die Schaukel immer mehr. »Ach, es muß etwas Herrliches sein, geliebt zu werden und sich zu verloben.« Angela dachte an die soviel ältere Schwester mit dem gleichmäßigen, aber sehr kühlen Antlitz und dem schwarzbraunen Haar, das sie in einem Knoten tief im Nacken trug, meist von einem goldschimmernden Netz umsponnen. »Hast du mich verstanden?« Angela beugte sich wieder zu ihrer Puppe Lilofee hinab. Mochten Regina und auch die Mama sagen, eine Puppe schicke sich nicht mehr für eine Dreizehnjährige – Angela liebte trotzdem ihre Lilofee mit dem pastellfarbenen Wachsgesicht und den altmodischen zarten Porzellanhändchen wie so manche kleine Prinzeß aus dem Haus Rappenweyler auf Schloß Blumenau vor ihr. Angelas kindliches Gesicht glühte, während die Schaukel tatsächlich bis in den Himmel zu fliegen schien. »Hörst du, Lilofee, heute wird er kommen, der Fürst Boris! Mama sagt, er wird Regina den Verlobungsring anstecken. Das ist ein ganz einfacher, schmaler Ring. Aber, weißt du, Lilofee, er bedeutet Treue fürs ganze Leben.«
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Fürstenkinder
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Rezensionen für Kalte Pracht – doch keine Liebe
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Buchvorschau
Kalte Pracht – doch keine Liebe - Regine König
Fürstenkinder
– 44 –
Kalte Pracht – doch keine Liebe
Lange Jahre mußte Fürst Boris auf sein Glück warten
Regine König
»Hoch, hoch, immer höher fliegen! – Bis in den Himmel hinein fliegen wir, Lilofee!« Das Mädchen mit den langen goldblonden Lokken, die bei den Schaukelbewegungen wie ein Sonnengespinst um Gesicht und Schultern wehten, drückte die Puppe fest an sich. Das süße Gesichtchen der Dreizehnjährigen, die die Kinderschuhe noch nicht abgestreift, die Mädchenschuhe aber noch nicht angezogen hatte, glühte. Die großen, veilchenblauen, dichtbewimperten Augen strahlten. »Ja, bis in den Himmel hinein fliegen wir, in den Liebeshimmel, Lilofee! Weißt du, in Reginas Himmel. Sie verlobt sich in vierzehn Tagen öffentlich. Auf einem märchenhaften Fest!« Die kleine Prinzeß Angela strapazierte die Schaukel immer mehr. »Ach, es muß etwas Herrliches sein, geliebt zu werden und sich zu verloben.«
Angela dachte an die soviel ältere Schwester mit dem gleichmäßigen, aber sehr kühlen Antlitz und dem schwarzbraunen Haar, das sie in einem Knoten tief im Nacken trug, meist von einem goldschimmernden Netz umsponnen. »Hast du mich verstanden?« Angela beugte sich wieder zu ihrer Puppe Lilofee hinab.
Mochten Regina und auch die Mama sagen, eine Puppe schicke sich nicht mehr für eine Dreizehnjährige – Angela liebte trotzdem ihre Lilofee mit dem pastellfarbenen Wachsgesicht und den altmodischen zarten Porzellanhändchen wie so manche kleine Prinzeß aus dem Haus Rappenweyler auf Schloß Blumenau vor ihr.
Angelas kindliches Gesicht glühte, während die Schaukel tatsächlich bis in den Himmel zu fliegen schien.
»Hörst du, Lilofee, heute wird er kommen, der Fürst Boris! Mama sagt, er wird Regina den Verlobungsring anstecken. Das ist ein ganz einfacher, schmaler Ring. Aber, weißt du, Lilofee, er bedeutet Treue fürs ganze Leben.«
Die Puppe antwortete nicht, weil sie keine menschliche Stimme besaß.
Sonst hätte sie die junge liebevolle Mama gewiß gemahnt, nicht immer noch höher zu schaukeln.
Die Schaukel hing zwischen zwei hohen Kastanien, deren Laub sich jetzt zum frühen Herbst bereits bunt zu färben begannen.
»Wie findest du ihn, den Fürsten Boris, Lilofee?« erkundigte sich die kleine Prinzeß Angela. Sie sann ihrer eigenen Frage nach.
Sie hatte ihn etliche Male gesehen. Er war schlank und groß gewachsen.
Sein Gesicht zeigte die hochstehenden Backenknochen seiner slawischen Mutter, einer russischen Prinzessin.
»Er ist so schön wie Regina, Lilofee!« behauptete Angela, während die Schaukel noch höher flog.
Plötzlich ertönte ein Schuß. Ihm folgte ein zweiter.
Angela erschrak. Sie gab nicht mehr acht auf die Schaukel.
Woher kamen diese Schüsse? Wahrscheinlich aus dem entfernt liegenden Schilf. Dort stoben jetzt Enten auf.
Das Schilf gehörte nicht mehr zum Besitz der Fürsten Rappenweyler auf Blumenau. Im Schilf bei den Seen zog sich die Grenze zum Besitz der Fürsten Wittgenstock auf Wolfshausen hin.
Da – ein dritter Schuß!
Die kleine Prinzeß Angela bemerkte zu spät, daß ihre Schaukel zwar nicht bis in den Himmel geflogen war, wohl aber in den Wipfeln einer der hochgewachsenen Kastanien. Die Halteseile hatten sich im Geäst verwirrt.
Angela hing zwischen Himmel und Erde.
»Lilofee!« flüsterte sie angstvoll.
Dann aber schrie ihre Kinderstimme verzweifelt, weil die Schaukel sich nicht wieder in Bewegung setzen ließ: »Hilfe, Hilfe!«
Immer durchdringender erklang der Ruf, denn Angela hatte jetzt erkannt, daß sie sich durch eigene Kraft niemals aus dem Geäst der Kastanie befreien konnte.
Ach, und die Seile der Schaukel…
Des Mädchens Augen suchten angstvoll im Gewirr der Äste.
Gab’s nicht schadhafte Stellen an den Seilen? Alt waren sie, uralt. Das wußte sie genau.
»Hilfe, zu Hilfe!«
Die Kinderstimme überschlug sich schrill in ihrer Angst.
*
»Hol’s der Teufel!« fluchte der Mann im grünen Jägerwams und den hohen Stiefeln. »Dies Geschrei vertreibt mir noch die Beute!«
Boris Fürst Wittgenstock fluchte noch einmal. Sein männlich schönes und interessantes Gesicht färbte sich zornig dunkelrot.
Nun erklang dieser dünne verzweifelte Hilfeschrei erneut.
Da trauerte der Mann nicht mehr dem aufstiebenden Entenschwarm nach.
Er legte die Büchse über die Schulter, um dann jener zu Tode erschrockenen Stimme nachzugehen.
Er brach aus dem Schilf hervor und nahm den schmalen Pfad aus dem Gebiet der sumpfigen Seen, die jetzt zur Herbstzeit wie betupft waren mit golden-robinrotem Laub, das langsam auf dem sonst so klaren Wasser schwamm.
»He, ich komme!« rief Fürst Boris. »Aber wo…, wo ist denn etwas geschehen?«
»Hier, hier!« antwortete jetzt die so zarte Mädchenstimme. »In der Kastanie.«
Es gab viele Kastanien in den weiten Parkanlagen der Fürsten Rappenweyler.
Fürst Boris aber, der in dieser Gegend aufgewachsen war, wußte nun genau, woher der Hilferuf kam. Natürlich von der Schaukel!
»Hol’s der Teufel!« fluchte er noch einmal, während er schon die Grenze zwischen Wolfshausen und Blumenau überschritten hatte.
Ja, hol’s der Teufel! Natürlich wieder die Rappenweyler! Diese verflixten Rappenweyler!
Einen Augenblick noch verhielt der junge Fürst den Schritt.
Er erinnerte sich. Ja, heute sollte er dort drüben auf Schloß Blumenau der Prinzessin Regina einen Heiratsantrag machen.
Dabei kannte er sie kaum. Die Eltern hatten diese Ehe beschlossen, wie so viele fürstliche Eltern es taten.
So war es gestern, vorgestern geschehen.
Durch Generationen hindurch bestimmten die Eltern die Ehen ihrer Söhne und Töchter.
Aber nicht meine! begehrte der Mann auf, der aus dem Sumpfgebiet des Schilfes sich den Hilfeschreien immer mehr näherte. Wir leben in einer modernen Zeit! Und ich bin ein moderner Mann, der Jura studiert hat. Ich kenne die neue Zeit, die mein Vater Hans-Casimir von Wittgenstock immer noch verneint. Und ich…
Der Mann konnte seine Gedanken nicht weiterspinnen. Der Hilferuf klang immer verzweifelter.
Da schaltete er jeden anderen Gedanken ab, folgte nur der immer jämmerlicher werdenden Stimme, die jetzt schon in Weinen überging.
»Ich komme! Aushalten, nur aushalten!«
Als er jetzt aufschaute, mitten hinein in das Gewirr der Kastanienäste mit ihrem schon herbstlichen Laub, erkannte er endlich die Hilfesuchende.
»Ja, Angela!« rief er überrascht. »Was treibst du denn dort oben?«
Boris sah das kleine Mädchen, Reginas einzige Schwester, hoch oben im Wipfel.
Ängstlich klammerten sich die noch so mageren Kinderhände an die Schaukelseile.
»Na, nun paß auf!«
Des Mannes dunkle warme Stimme die aber auch drohend und leidenschaftlich temperamentvoll klingen konnte, drang an Angelas Ohr. »Rühr dich nicht! Ich komme zu dir hinauf.«
Schon schickte Fürst Boris sich an, in die Kastanie hinaufzusteigen.
Er war aber noch nicht bis zur halben Höhe, da hörte er es über sich krachen. Ein schon herbstdürrer Zweig brach.
»Hilfe!« gellte des Mädchens Stimme.
Boris sprang mit einem einzigen Satz wieder zur Erde.
Da sah er, wie bereits das Schaukelbrett sich aus der Höhe löste.
Die alten, morschen Seile mußten durchgerissen sein.
»Spring!« schrie er. »Spring!«
Mit gegrätschten Beinen stand er unter der Kastanie und breitete beide Arme aus.
»Los, spring! Brauchst keine Angst zu haben, nur spring! Sonst kommen die Seile, das Brett und der Haken mit dir zusammen herunter. Und was dann geschieht…«
Noch ehe der Mann ausgesprochen hatte, hielt er schon das Kind an seiner Brust.
»Engele, ruhig, ruhig!«
Seine nervigen Hände streichelten die verwehten Locken, die wie ein Goldgespinst auf seinem Jagdwams glitzerten.
Engele!
Ja, sie wirkte wirklich wie ein vom Himmel herabgestürztes Engelchen, die kleine Angela.
Ganz still, wie ein scheues Tier, ruhte sie mit laut pochendem Herzen in des Mannes Armen.
Sie wagte kein Wort. Der Schrecken und die ausgestandene Angst waren allzu groß gewesen.