Verlaß mich nicht, Angela!: Karin Bucha Classic 68 – Liebesroman
Von Karin Bucha
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Über dieses E-Book
Karin Bucha Classic ist eine spannende, einfühlsame geschilderte Liebesromanserie, die in dieser Art ihresgleichen sucht.
»Hilfe! Hiiiilfe!« Eine Frau kreischt und starrt aus angstgeweinten Augen hinter dem Wagen her, der um die Kurve rast, so daß die Reifen quietschen. Im Nu ist er verschwunden. Zurück auf halber Straßenmitte bleibt eine reglose schlanke Frauengestalt. Der Vorgang hat sich auf einer der Straßen des Außenbezirkes abgespielt. Aber sofort kommen von allen Seiten Neugierige, die in respektvoller Entfernung von der stillen Gestalt stehenbleiben. »Mein Gott, so helfen Sie doch. Rufen Sie die Polizei an!« fordert die Frau, die Zeugin dieses Unfalls war. Ein Mann löst sich aus der Menge und eilt in großen Schritten der nächsten Telefonzelle entgegen. Zehn Minuten später ist die Polizei da und auch der Krankenwagen. Angela Mittenbach weiß nicht, daß sie behutsam auf die Trage gelegt wird, daß der mitgekommene Arzt Erste Hilfe leistet. Sie liegt in tiefer Bewußtlosigkeit. Stunden sind indessen vergangen. Angela schlägt die Augen auf. Wie durch einen Nebelschleier sieht sie ein schmales, gütiges Gesicht unter einer weißen Flügelhaube über sich. »Na endlich, da sind wir ja wieder.« Wie aus weiter Ferne dringt die dunkle Stimme an Angelas Ohr, dann aber schließt sie abermals die Augen. Behutsam tupft die Schwester der Verletzten den Schweiß von der Stirn, benetzt deren Lippen mit etwas Zitrone und nimmt ihren Platz neben dem Bett wieder ein.
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Buchvorschau
Verlaß mich nicht, Angela! - Karin Bucha
Karin Bucha Classic
– 68 –
Verlaß mich nicht, Angela!
Karin Bucha
»Hilfe! Hiiiilfe!«
Eine Frau kreischt und starrt aus angstgeweinten Augen hinter dem Wagen her, der um die Kurve rast, so daß die Reifen quietschen. Im Nu ist er verschwunden. Zurück auf halber Straßenmitte bleibt eine reglose schlanke Frauengestalt.
Der Vorgang hat sich auf einer der Straßen des Außenbezirkes abgespielt. Aber sofort kommen von allen Seiten Neugierige, die in respektvoller Entfernung von der stillen Gestalt stehenbleiben.
»Mein Gott, so helfen Sie doch. Rufen Sie die Polizei an!« fordert die Frau, die Zeugin dieses Unfalls war. Ein Mann löst sich aus der Menge und eilt in großen Schritten der nächsten Telefonzelle entgegen.
Zehn Minuten später ist die Polizei da und auch der Krankenwagen.
Angela Mittenbach weiß nicht, daß sie behutsam auf die Trage gelegt wird, daß der mitgekommene Arzt Erste Hilfe leistet. Sie liegt in tiefer Bewußtlosigkeit.
Stunden sind indessen vergangen. Angela schlägt die Augen auf. Wie durch einen Nebelschleier sieht sie ein schmales, gütiges Gesicht unter einer weißen Flügelhaube über sich.
»Na endlich, da sind wir ja wieder.«
Wie aus weiter Ferne dringt die dunkle Stimme an Angelas Ohr, dann aber schließt sie abermals die Augen. Behutsam tupft die Schwester der Verletzten den Schweiß von der Stirn, benetzt deren Lippen mit etwas Zitrone und nimmt ihren Platz neben dem Bett wieder ein.
Angela Mittenbach schläft nicht. Mit aller Gewalt versucht sie sich zu konzentrieren. Was ist mit ihr geschehen? Mühsam zwingt sie sich, die Augen zu öffnen. Wo befindet sie sich? Sie versucht den Kopf zu drehen. Vergebens! Dasselbe versucht sie mit den Händen. Ihre linke Hand kann sie bewegen, die rechte liegt in Gips. So nach und nach wird ihr klar, daß sie in straffen Verbänden liegt.
Und jetzt weiß sie auch, wo sie sich befindet und warum sie hier im Bett bleiben muß.
Sie wollte die Straße überqueren, eine breite, nicht einmal sehr belebte Straße. Plötzlich kam ein Wagen angerast, und noch ehe sie zurückspringen konnte, bekam sie einen heftigen Schlag, und dann war tiefe Nacht um sie.
Angela seufzt. Mit einem langen Atemzug schließt sie die Lider und sinkt wieder in ihren Dämmerzustand zurück.
*
Einige Tage später geht es Angela Mittenbach etwas besser, wenngleich sie immer noch von Schmerzen geplagt wird. Wenigstens klar zu denken vermag sie wieder. Der Polizei hat sie jedoch nur wenig Auskunft geben können.
»Was es für ein Auto war, weiß ich nicht. Das alles ging so rasend schnell. Der Wagen kam angerast. Ich war noch nicht auf der Mitte der Fahrbahn, da bekam ich einen Stoß, der mir einen heftigen Schmerz durch den Körper jagte – dann verlor ich das Bewußtsein.«
An mehr vermag Angela sich nicht zu erinnern. Sie erfährt bei dieser Gelegenheit, daß sie einem gewissenlosen Fahrer, der auch noch Fahrerflucht begangen hat, zum Opfer gefallen ist.
Angela ist tief beunruhigt über ihr weiteres Schicksal, ja, sie befindet sich in einer Erregung, die einer Panik gleichkommt. Nach der Lungenentzündung, die sie lange Zeit ans Bett gefesselt und sie ihre Stellung gekostet hat, steht es nun noch schlimmer um sie als vor ein paar Monaten.
Wie war das eigentlich gewesen, grübelt Angela vor sich hin.
Der Hunger hatte sie aus ihrem kleinen, bescheidenen Zimmer auf die Straße getrieben. Da sie in ihrer letzten Stellung noch nicht fest angestellt gewesen war, war ihr von dieser Seite nur das zugekommen, was ihr dem Gesetz nach zustand.
Sie hatte alles, bis auf ganz wenig, verbraucht und gönnte sich kein Mittagsmahl mehr. Sie nahm eigentlich nur einmal am Tag eine Mahlzeit ein – und dann noch nicht einmal eine warme. Sie spürte, wie ihr Lebenswandel sie körperlich immer mehr schwächte. Dadurch wurde sie in eine noch größere Hoffnungslosigkeit getrieben, und da sie keinen Ausweg sah aus dieser Not, verlor sie auch ihr seelisches Gleichgewicht.
War sie an sich schon ein ernstes, verschlossenes Mädchen, so wurde sie jetzt fast menschenscheu.
Nächtelang weinte sie. Sie war grenzenlos einsam ohne Vater und Mutter, ohne Verwandte, ohne Freundin. Es gab keinen Menschen auf der Welt, dem Angela einmal ihr Herz hätte ausschütten können.
Dafür verfolgte sie das Schicksal mit grausamen Schlägen. Wann würde sie sich von diesem letzten Schlag erholen?
Angela Mittenbach ist verzweifelt. Leise weint sie vor sich hin, bis sich das gütige Gesicht der Schwester zu ihr herabneigt.
»Haben Sie Schmerzen?« wird sie gefragt. Natürlich hat sie Schmerzen, aber deshalb hat sie bisher nicht geweint, sondern sie tapfer ertragen. Wahrheitsgemäß schüttelt sie den Kopf.
Die Schwester tupft ihr ein paar Tränen von den Wangen. »Sie dürfen sich nicht aufregen, Kindchen. Es gibt auch nichts Wichtigeres für Sie, als daß Sie recht bald gesund werden.«
Aus großen Augen sieht Angela die Schwester an und nickt. Sie hat verstanden. Dann schließt sie die Augen wieder und läßt ihre Gedanken wieder zurückwandern.
Sie sieht sich durch die Straßen laufen, gemächlich, denn sie hat keine Eile, viel zuviel Zeit, da sie ja keiner erwartet. So betritt sie den Park und wandert mit hungrigem Magen umher.
Plötzlich sieht sie eine alte Frau aus einem Steinweg kommen, die vor ihr weitergeht. Und dann fällt aus der Tasche der Fremden etwas zu Boden, ohne daß diese es bemerkt hat.
Angela Mittenbach, der vor Hunger richtig schlecht ist, will vorbeigehen, doch der Gegenstand, der am Boden liegt, läßt ihren Fuß jäh stocken.
Es ist eine Geldtasche, eine schon abgegriffene, bescheidene Geldtasche. Angela hebt sie auf und durchstöbert sie. Es ist ein Geldbetrag in der Börse, der sie ganz schwindlig werden läßt.
Sie sieht sich nach der alten Dame um. Nirgends ist sie zu sehen. Angela Mittenbach läuft hin und her. Die Frau bleibt verschwunden.
Auf der nächsten Bank läßt Angela sich nieder und weint, denn durch ihr Zögern ist die alte Dame nun nicht mehr aufzufinden. Sie ist ratlos und hat ein schlechtes Gewissen, krampfhaft versucht sie sich die Erscheinung der Frau ins Gedächtnis zurückzurufen.
Nein, wie eine wohlhabende Frau, die eine solche Summe ohne weiteres entbehren kann, hatte sie nicht ausgesehen. Und dann schießt ihr ein Gedanke durch den Kopf. Eine Rentnerin! Natürlich, nur eine Rentnerin. Sie ist ganz verzweifelt. Wie soll sie an die Adresse dieser Frau kommen?
Im selben Moment sieht sie weiter oben aus einem Seitenweg die besagte alte Dame wieder auftauchen.
Mit einem Ruck steht Angela auf und läuft hinter der alten Frau her, die ihren Verlust noch nicht bemerkt zu haben scheint.
Atemlos kommt sie bei der Fremden an und überreicht ihr die Geldbörse.
Die Freude ist groß. Unter tausend Dankesworten verabschiedet sich schließlich die alte Dame und geht hochbeglückt mit ihrem Geld davon.
Angela atmet tief auf. Wie hat sie auch nur eine Sekunde überlegen können, wie es sein würde, wenn dieses Geld ihr gehörte.
Aber dann überkommt sie das eigene Unglück mit doppelter Macht. Sie hat einem Menschen helfen dürfen. Aber wer hilft ihr?
Weinend kehrt sie zu der Bank zurück und sieht sich plötzlich einem hochgewachsenen Mann gegenüber. Sie bleibt genau wie er wie angewurzelt stehen. Er starrt ihr in das tränennasse Gesicht.
Was für Augen, durchfährt es Dr. Andreas Hallbach, was für klare, wunderschöne Veilchenaugen und dazu das volle Haar von der Farbe reifer Kastanien. Wahrhaftig, sie ist ein bildschönes Geschöpf! Und wie wird sie erst aussehen, wenn dieser schöngeschnittene Mund lacht und die Augen strahlen!
Gerade will er zum Sprechen ansetzen, da dreht Angela sich abrupt um. Sie ist sich bewußt geworden, daß sie weint und ihr Gesicht von Tränen naß ist.
Dr. Hallbach empfindet Mitleid mit ihr. Er spürt, daß er eine verzweifelte junge Frau vor sich hat.
Angela Mittenbach zittert an allen Gliedern. Ein Schwächeanfall überkommt sie. Sie sieht die Gestalt des fremden Mannes ins Riesenhafte wachsen. Mit einem kleinen Wehlaut sinkt sie zur Seite. Dr. Hallbach kann sie gerade noch rechtzeitig auffangen, sonst wäre sie mit dem Kopf auf die Bank geschlagen.
Jetzt weiß er, daß er das junge Mädchen auf keinen Fall sich selbst überlassen darf. Sie braucht Hilfe.
Dr. Hallbach ist Rechtsanwalt und Journalist einer der größten Zeitungen und wird von seinen Kollegen wegen seiner lauteren Gesinnung, seiner Zuverlässigkeit und Kameradschaft sehr geschätzt und geachtet.
Ich muß mich des jungen Mädchens annehmen, denkt er, während er Angela Mittenbach im Arm hält. Langsam kommt sie zu sich.
Er lächelt ihr aufmunternd zu, als sie die Augen aufschlägt.
»Na, kleines Mädchen, wer wird denn gleich schlappmachen? Geht es jetzt wieder?«
»Ja«, flüstert Angela noch ganz benommen. Sie muß sich erst besinnen, was geschehen ist. »Bin ich wirklich ohnmächtig geworden?«
»Das sind Sie«, bestätigt er mit seiner warmen, vertrauenerweckenden Stimme. »Aber nun ist es wieder gut, ja? Werden Sie nach Hause gehen können? Oder soll ich Sie mit meinem Wagen heimbringen?«
»Nein, nein!« wehrt sie heftig ab und rückt ein wenig von ihm ab. »Es geht mir ausgezeichnet.«
»Na, na, so überzeugt bin ich nicht davon. Sie sind sehr blaß.«
Kaum hat er es gesagt, schießt ihr die Röte der Verlegenheit in die Wangen.
»Übrigens«, hört sie ihn weitersprechen, »noch nicht einmal vorgestellt habe ich mich Ihnen. Gestatten, Hallbach, Dr. Andreas Hallbach.«
»Ich heiße Angela Mittenbach.«
»Angela«, wiederholt er sanft. »Einen schönen Namen haben Sie.«
Ein Lächeln umspielt seine Lippen.
»Darf ich Ihnen einen Vorschlag machen? Sie machen mir einen ziemlich erschöpften Eindruck. Lassen Sie uns zusammen eine Tasse Kaffee trinken.«
Eine Tasse Kaffee würde mir guttun. Aber kann ich denn mit einem mir völlig fremden Mann mitgehen? Was würde er wohl von mir denken?
Als hätte er ihre Gedanken erraten, so meint er: »Sie denken jetzt bestimmt, ob Sie einem wildfremden Menschen vertrauen können. Ich kann Sie beruhigen, Sie dürfen mir vertrauen.«
»Gut, ich komme mit«, antwortet Angela daraufhin zögernd und erhebt sich. Sie taumelt, und sofort stützt er sie.
»Sehen Sie«, triumphiert er, »Sie fühlen sich doch nicht ganz wohl. Keine Bange, ich helfe Ihnen.«
Gehorsam läßt sich Angela zu seinem Auto bringen. Dr. Hallbach setzt sich neben sie und lenkt den Wagen behutsam stadtauswärts. Er plaudert dabei völlig unbefangen, so daß Angela ihre anfängliche Verlegenheit rasch überwindet.
Wie lange hat sie nicht mehr in einem Auto gesessen! Seit dem Tod des Vaters. Und nachdem auch ihre Mutter gestorben war, hat sie