Liebe auf den zweiten Blick: Wie mir Karlsruhe zur Heimat wurde
Von Doris Lott
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Über dieses E-Book
Die Bücher der bekannten Autorin gehören zu den Karlsruher "Bestsellern", weil es ihr immer wieder gelingt, die Menschen und die Stadt mit den Augen der Liebe zu betrachten.
"Ich bin zutiefst berührt. Die Geschichten von Doris Lott, einer waschechten Karlsruherin, die Begegnungen mit 22 Nichtkarlsruhern schildern, bringen den Leser zum Mitempfinden, zum Lächeln stimmen ihn aber gleichzeitig ein wenig wehmütig. Sie stellen Persönlichkeiten unserer Stadt vor, die beschlossen haben, hier zu leben, hier alt zu werden und Karlsruhe, wo sie nie hinwollten, als ihre Heimat anzunehmen. Der Titel eines erfolgreichen Buches der Autorin hieß: "Vom Glück in Karlsruhe zu leben". Ich wandle ihn ab: Vom Glück in Karlsruhe eine Autorin wie Doris Lott zu haben." Vera Maria Wieland, Geb. Freiin von Reischach Scheffel
Mit Geschichten von Alfons Bechtold, Annette Bernards, Roberto Borella, Birgit Bücker, Günther und Georg, Liesel Hermes, Hartmut Höll, Victoria Kahnes, Günter Knappe, Sebastian Kreutz, Franziska Lee, Jutta und Horst Leyendecker, Frank Mentrup, Klaus Nagorni, Peter Paepcke, Matthias Reinschmidt, Flavio Salamanka, Ewald Schrade, Heike Sieber, Elisabeth Spitzbarth, Robert Walter, Reinhold Würth, Gabriele Zeeck
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Rezensionen für Liebe auf den zweiten Blick
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Buchvorschau
Liebe auf den zweiten Blick - Doris Lott
Doris Lott
Liebe auf den
zweiten Blick
Wie mir Karlsruhe zur Heimat wurde
28734.pngFür Reni
Doris Lott Die Autorin wurde im Jahr 1940 in Karlsruhe geboren. Sie liebt ihre Heimatstadt und lebte zwei Jahre in Chartres und Nancy, wo sie als erste Deutsche für ihre Verdienste um die deutsch-französische Freundschaft mit der Goldmedaille der Stadt ausgezeichnet wurde. Die Schriftstellerin, die mit der „Liebe auf den zweiten Blick" ihr zehntes Buch vorlegt, studierte Deutsch und Französisch und unterrichtete an der Realschule. Die Stadt Karlsruhe zeichnete sie für ihre Verdienste um die Partnerschaft Nancy–Karlsruhe aus. Doris Lott war Mitarbeiterin des Rundfunks, für den sie viele literarische Funkfeuilletons schrieb, und arbeitete viele Jahre als freie Mitarbeiterin der Badischen Neuesten Nachrichten, dpa und anderer Zeitungen. Zwei Kinder und vier Enkel binden sie zusätzlich an Karlsruhe.
„Ich lasse mir mein Karlsruhe
nicht mehr abkaufen."
Johann Peter Hebel
Vorwort
„Ich lasse mir Karlsruhe
nicht mehr abkaufen"
„Ich lasse mir Karlsruhe nicht mehr abkaufen. Das ist lange her, dass der berühmte Johann Peter Hebel, der mit seinen Kalendergeschichten und alemannischen Gedichten selbst Johann Wolfgang Goethe bezauberte, diesen Ausspruch tat. „Karlsruhe ist nicht so schlimm als man es verschreit. Ich lasse mir Karlsruhe nicht mehr abkaufen
! Als armer Schwarzwälder Bub aus dem Wiesental, in Holzschuhen und mit einem Herzen voller Heimweh, kam er in die „Residenz und blieb dort für immer. Ja, war denn Karlsruhe „verschrien
?
Ein wenig schon, denn im 19. Jahrhundert war die Hauptstadt Badens eine verträumte oder soll ich sagen „verschlafene Beamtenstadt. Ein Ruf übrigens, den Karlsruhe lange Zeit nicht loswurde, obwohl Heinrich von Kleist von einer Stadt geschwärmt hatte, die „klar und lichtvoll wie eine Regel
ist. Inzwischen hat sich ja vieles geändert in der Stadt mit den Riesenbaustellen. Vorurteile gibt es immer noch. Karlsruhe ist zwar längst nicht mehr so „klar und lichtvoll wie es einst der Dichter beschrieb. Die Stadt ist aber lebendiger denn je, eine der führenden Technologieregionen Deutschlands und gesegnet mit einem reichen Kulturangebot. Ich bin ein Karlsruher Kind, das seine Stadt liebt und vielleicht ein bisschen durch die rosarote Brille sieht. Ja, ich schwärme vom „Glück in Karlsruhe zu leben
und habe viele Menschen getroffen, denen es nach anfänglicher Zurückhaltung ähnlich ergeht wie damals Hebel, der in meiner Stadt erst nach vielen Jahren glücklich wurde.
Ob ich nicht übertreibe mit meiner Liebe zu Karlsruhe? Ich wollte es wissen und habe 22 Nicht-Karlsruher, „Zugroiste, befragt, die nach langer Zurückhaltung zu der Feststellung kamen, dass sie nicht mehr von Karlsruhe weggehen wollen. „Immer in Karlsruhe bleiben und hier alt werden
, das ist ihr Traum. Warum?
Die Antwort auf diese Frage findet der Leser in diesem Buch, zu dem mich übrigens der Geschichtenerzähler Manfred Bögle und der verstorbene Rechtsanwalt, der unvergessene Peter Paepcke, inspiriert haben. In dem Buch „Vom Glück in Karlsruhe zu leben fand ich Paepckes Geschichte mit dem Titel „Karlsruhe – Liebe auf den zweiten Blick
, die ich unbedingt in dieses Buch aufnehmen wollte, weil sie ein Stück Zeitgeschichte ist, die auch unsere Kinder und Enkel nie vergessen dürfen. Ich danke Reni Schneider, Andreas Maske, Yann Guepet, Constanze Lindemann vom Verlag, Alexandra Laible und meinen Freunden, die immer wieder viel Geduld mit mir haben.
Doris Lott
Die Südstadt, wo ist das?
Alfons Bechtold
„Die Südstadt, wo ist das eigentlich, hat ihn einmal, als er noch Pfarrer „Unserer Lieben Frau
in der Südstadt war, einer seiner Amtsbrüder gefragt. Nachdem Alfons Bechtold ihm seine Gemeinde beschrieben hatte, meinte der Kollege: „Jetzt weiß ich wo das ist. Da habe ich einmal in einem Lokal ein Bier getrunken. Der Wirt war Ausländer und die Gäste auch. Und Pfarrer Bechtold, der ein Leben lang Reisen in ferne Länder liebte und überall Freunde hatte, die er einmal in seinem gastlichen, für alle offenstehenden Pfarrhaus verwöhnt hatte, erklärt ihm schmunzelnd: „Ja, typisch Südstadt! Ausländer gibt es da überall, die Südstadt war schon immer ein Vorreiter der Integration.
Die Südstadt ist dem Pfarrer, der jetzt schon seit über zehn Jahren im Ruhestand lebt, Heimat geworden: „Ein Ort, wo mich die Menschen verstehen und viele Aufgaben auf mich warteten. Auch das ist ja so eine Art Kraftquelle, die das Gefühl von Heimat und Geborgenheit schafft. Die eigentliche Heimat, da wo das Elternhaus steht, in Rinschheim, die trage ich immer in meinem Herzen, und ich weiß auch: Dorthin darf ich immer wieder zurückkehren. Das ist der Ort, wo meine Geschwister und ihre Familien leben und wo auf dem Berg meine geliebte Kapelle zu Ehren der „Jungfrau der Armen" steht.
Der Anfang in der Karlsruher Gemeinde war kein leichter Weg. Aber mit den Jahren wuchs die Vertrautheit und das Gefühl von Heimat und Geborgenheit. Ob er sich denn da nachts alleine auf die Straße getraue, möchte sein Gegenüber wissen. „Ich habe mich nie unsicher gefühlt, im Gegenteil, eher geborgen, sagt Alfons Bechtold. Selbst im Ruhestand wollte er sich nicht von Karlsruhe trennen, wo er doch als junger Priester nie hinwollte. So lebt er heute mit zwei anderen Priestern und einem afrikanischen und polnischen Ehepaar in Grünwinkel, im ehemaligen Schwesternhaus der Franziskanerinnen. „Aber hier fehlt mir schon ein wenig die Stadt
, gesteht er, „in der Südstadt war ich mittendrin im Leben. Wenn ich aus dem Haus kam, hat mich gleich jemand gegrüßt und mir die Hand geschüttelt."
Und doch war diese Südstadt in den ersten zehn Jahren eine harte Nuss für den Priester, der aus Weinheim gekommen war, wo er 17 Jahre lang als Pfarrer wirkte und erleben durfte, dass zwei junge Männer aus seiner Gemeinde Herz Jesu den Weg zum Diakonat und zwei seiner jungen Freunde den Weg zum Priestertum fanden.
„An Karlsruhe bin ich immer nur vorbeigefahren auf dem Weg nach Freiburg, wo einer meiner sechs Brüder, Otto, viele Jahre als Generalvikar tätig war. Auch der Weg ins geliebte Rinschheim im Odenwald, wo er als einer von sieben Geschwistern geboren wurde, führte über Karlsruhe, die fremde Stadt, an der er immer ohne anzuhalten vorbeifuhr. Als junger Priester waren Mannheim und Kehl seine Stationen, Orte, an die man ihn geschickt hatte. „Ja, Mannheim-Gartenstadt war meine erste große Liebe. Man sagt, man geht schwer nach Mannheim, aber man geht noch schwerer fort. Da ist was Wahres dran
, meint Pfarrer Bechtold. Bei seiner Priesterweihe im Freiburger Münster hatte er Gehorsam gelobt. Nie hatte er sich um eine Stelle beworben. Dorthin, wo ihn der Bischof schickte, wollte er seinen Dienst an Gott und den Menschen verrichten. Das war die Herausforderung seines Lebens. Als ihm das Ordinariat in Freiburg den Auftrag gab, nach Karlsruhe, in die Südstadt, zu gehen, hätte er gerne anderen den Vortritt gelassen, die sich für Karlsruhe beworben hatten. „Ich gestehe, ich wäre lieber wieder nach Mannheim gegangen, ich mochte den offenen Menschenschlag der Kurpfälzer. Ja Mannheim, das war so ein Ort, wo ich auf Zeit Heimat und Zuhause hatte. Karlsruhe war nicht meine Wahl, das haben andere entschieden, meine Vorgesetzten. Und das war auch gut so."
50 Jahre alt war Alfons Bechtold, als ihn sein Weg in eine badische Großstadt führte, wo sein silbernes Priesterjubiläum die Investitur war. „Der Name der Gemeinde ,Unserer Lieben Frau‘ hat mir geholfen, ja zu sagen zur Entscheidung des Bischofs. 22 Jahre wurden daraus, bis ich 2005 mit 73 Jahren in den Ruhestand ging."
Seiner Südstadt ist der Pfarrer treu geblieben, und so sitzt er dort manchmal auch am Sonntag als einfacher Gottesdienstbesucher in den Reihen der Gläubigen. „Auch das muss man lernen, das Zurücknehmen, das Loslassen. Und sich mitfreuen, wenn es gut weitergeht."
Alfons Bechtold erzählt vom schweren Neubeginn im fremden Karlsruhe. „Es wurden mir ,Engel‘ zur Seite gestellt. Was hätte ich zum Beispiel ohne meinen tatkräftigen Pfarrgemeinderats-Vorsitzenden Kurt Wilhelm getan, dessen absolute Loyalität mir den Rücken stärkte? Heute noch sind wir Freunde. Was hätte ich gemacht ohne Schwester Augustina? Sie hat mich eingeführt in die Sorgen und Nöte der Gemeinde. Nachts ging ich manchmal mit ihr durch die Straßen und sie blieb vor einzelnen Häusern stehen, zeigte mir, wo ihre Sorgenkinder wohnen, worauf ich achten müsse, wie man da helfen könne. Ein echter ,Kreuzweg‘ war das. Die Schwester verschaffte mir Zugang zu den Kranken, baute eine richtige Telefon-Seelsorge auf. Ja, sie hat mich zum ,Südstädtler‘ werden lassen nach dem Wort des Paulus: Ich bin allen alles geworden. Sie hat mir ihre Liebe zur Gemeinde als Geschenk hinterlassen. Einmal hat sie zu mir gesagt: Ist das eigentlich ein richtiger Gedanke, Herr Pfarrer, dass ich ganz fest daran glaube, dass in der Südstadt keine Seele verloren gehen kann? Und als ich die Schwester fragte, warum, antwortete sie mir: „Wir beten doch im Rosenkranzgebet immer für den nächsten, der aus unserer Pfarrgemeinde abberufen wird.
„Und heute ist das immer noch so", sagt Pfarrer Bechthold.
In Freud und Leid zu den Menschen stehen, das gibt auch ein Gefühl von Heimat. Ich ging zu den Leuten nach Hause, anstatt sie in mein Büro kommen zu lassen. Das wäre viel zu förmlich gewesen. So gewann ich ihr Vertrauen. Über 1.200 Beerdigungen habe ich gehalten, Gespräche mit Menschen geführt, die nicht mehr zur Kirche kamen. Ich war ihr Gast, sah wie sie wohnten und lebten, wie sie feierten und wie sie trauerten.
Die Menschen in der Südstadt sprechen noch heute davon. Immer war das rote Pfarrhaus offen und die Haushälterin Maria Berg war die Seele des Hauses, die alle gastfreundlich aufnahm, bekochte und beherbergte. Auch das trug dazu bei, dass das Pfarrhaus in der Südstadt und sein menschenfreundlicher Seelsorger Kontakte zur halben Welt hatten: nach Kanada, nach Russland, nach Indonesien, Sibirien und Polen.
„Wo bleibt unser polnischer Kaplan", wollten die Südstädtler wissen, wenn der Gast, ein junger Theologieprofessor aus Siedlce, der über viele Jahre regelmäßig in den Sommerferien die Gemeinde betreute, einmal ausblieb.
„ Wir haben in der Südstadt die Integration vorgelebt. Von Anfang an habe ich eine Brücke zur italienischen Gemeinde geschlagen und muslimische Kinder besuchten unsere Kindergärten. Einer muslimischen Frau, die ins Gremium der Elternvertreter gewählt wurde, habe ich gesagt: Sie tragen jetzt eine doppelte Verantwortung für deutsche und muslimische Kinder. Und sie war stolz darauf. Die Südstadt hat gezeigt, wie ein Miteinander verschiedener Nationen aussehen kann.
Dankbar bin ich, dass ich immer noch heimkommen kann an den Ort, wo ich mit meinen sechs Geschwistern aufgewachsen bin und wo mein Vater viele Jahre lang Bürgermeister war, nach dem Krieg Heimatvertriebene aufnahm und sie in die Dorfgemeinschaft integrierte. Er konnte doch nachfühlen, was sie erlebt hatten. Er war ja selbst im 3. Reich als Gegner der Nazis gefährdet gewesen und stand auf der Liste der Regimegegner, die ins KZ abtransportiert werden sollten.