Seewölfe - Piraten der Weltmeere 727: Das Grauen der Nacht
Von Sean Beaufort
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Rezensionen für Seewölfe - Piraten der Weltmeere 727
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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 727 - Sean Beaufort
6
1.
Sungh Ay drehte langsam den Kopf. Die großen, fast schwarzen Augen schienen plötzlich zu leuchten. Aber es waren die Strahlen der Nachmittagssonne, die bernsteinfarben in seine Augäpfel stach. Sunghs bloße Sohlen standen auf der obersten Sprosse der winzigen Bambusplattform, die, unsichtbar von See aus, sich in der Krone eines uralten, mächtigen Teakbaumes versteckte.
Drei kleine Segel konnten Sungh Ays scharfe Augen entdecken. Sie bewegten sich auffallend langsam vor der Nordspitze der Insel auf Nusa Penida zu.
„Faule, arme, stinkende Fischer", sagte er, schlug nach Stechmücken und spuckte zwischen den dicken, dichtbelaubten Ästen hindurch.
Der Baum hatte seine riesigen Wurzeln weit nach allen Seiten ins Erdreich gekrallt. Geradeaus, wo eine Felswand von der schäumenden Brandung umspült wurde, dümpelte die Balor am Anker und zwei Landleinen. Eine lange Planke knarrte zwischen dem Felsen und dem Heckschanzkleid. Die drei schlanken Piahiap-Boote waren halb auf den Sand gezogen. Zwischen den Resten der Feuer schliefen einige der Männer. Sie waren satt und hatten die Vorräte des Palmweins halbiert.
Djongrang kauerte im Bug der Balor und zog einen flachen Stein über die breite Schneide des Haumessers. Ab und zu tauchte er den Stein in das Wasser der Tonschale und schliff die Schneide, die schon scharf wie ein Fluch war, ununterbrochen weiter, mit ruhigen, gleichmäßigen Bewegungen seines muskulösen Armes.
Hin und wieder warf der Kapitän einen langen Blick hinauf zum Ausguck. Sungh Ay kletterte die Bambusleiter wieder hinunter und setzte sich auf die Matten, die über der Plattform aus dicken Bambusstücken lagen. Es blickte auf die See hinaus. Das riesige Gestirn näherte sich dem dunklen Schattenriß der Insel, die vor der westlichen Spitze Komodos lag. Über der Kimm flammten die riesigen, langgezogenen Wolken auf. Langsam verging die Zeit.
Eine halbe Stunde später hörte Sungh Ay die Stimme des Mannes, dem die „Perle der Brandung" gehörte.
„Nichts entdeckt, Ay?"
Der Ausguck beugte sich weit vor, winkte träge und rief zurück: „Nur Fischer! Keine Beute, Djongrang! Nicht heute nacht."
„Warte ab. Auf unserer Seite ist die Zeit. Wir können warten. Die Weißhäutigen haben Eile. Schlaf nicht ein. Ich schicke dir in einer Stunde Batak. Er sieht mehr als du."
Ay lachte und antwortete: „Aber nur im Dunkeln, Kapitän."
Djongrang fuhr fort, seine Waffe zu schärfen, die fast so lang wie sein Arm war.
Die Bucht, in der die Balor und die drei Boote versteckt waren, war winzig. Aber sie stellte einen idealen Schlupfwinkel dar, auch wenn die Besatzung größer gewesen wäre. Mit sechsunddreißig Männern waren sowohl die beiden schnittigen Boote als auch die Balor gerade richtig bemannt. Auch alle Waffen, Werkzeuge und ebenso die Geräte, die man brauchte, um auf See als Fischer zu gelten, wurden richtig geführt. Fünfhundert Schritte landeinwärts hatte eine Dschungelquelle einen winzigen See gebildet, der frisches Süßwasser lieferte. Was man sonst brauchte, Früchte und Wild, gab der Wald her.
Aus dem Inneren der Insel wagte sich niemand in diesen abgeschiedenen Teil. Die wenigsten Bewohner Komodos kannten die Bucht. Manchmal hatte sich ein einzelner Fischer vor dem Sturm hierhergeflüchtet. Als die malaiischen Piraten durch einen Zufall die Bucht im Schatten der hohen Bäume gefunden hatten, entdeckten sie Bootsplanken, Reste von Feuern und Fischgräten, aufgeschlagene Kokosnüsse und verwickelte Leinen in einem Gewirr von Tang.
Sungh Ay blinzelte wieder in dem grellen Licht. Die Fischerboote waren nach rechts weitergezogen. Der riesige Ausschnitt des Meeres lag leer da. Auf den ruhigen Wellen leuchteten die Funken des Sonnenlichts, das sich langsam dunkler zu färben begann. In drei Stunden würde nach einer kurzen, mit riesigen Wolkenbergen aufflammenden Abenddämmerung die Nacht einsetzen.
„Aber heute nacht kann ich ruhig schlafen", murmelte der Ausguck.
Er packte den Wassersack, nahm einen langen Schluck und rieb sich mit ein paar Handvoll Wasser die Stirn und die Augen ab. Er zwinkerte und versuchte, auf der riesigen, fast unerträglich hellen Fläche das zu erkennen, was sie alle sehen wollten und auf das sie warteten.
Beute. Die Schiffe, die sich von den reichen, fernen Molukken-Inseln, von den Goldbuchten und Schatzküsten näherten und mit gefüllten Laderäumen auf dem langen Weg in ihre Heimatländer zurücksegelten. Sungh Ay dachte das gleiche wie der Kapitän der „Perle". Noch ein halbes Dutzend Jagden auf die Fremden, noch zwei oder drei Portugiesen oder Holländer mit vollen Truhen und schweren Säcken – und jeder der lauernden Piraten war in seinem Heimatdorf ein Fürst, dessen Reichtum sprichwörtlich sein würde.
Sunghs Gedanken an Gold und Sklavinnen, die zur Musik tanzten, wurden unterbrochen. Batak kletterte am Stamm und den schmalen Leitern aus Bambus und Lianenknoten aufwärts. Die Plattform schwankte, als die erste Brise des Abendwindes den Baum traf und die Blätter rascheln ließ.
„Ich bin’s, Ay, sagte Batak und zog sich auf die Plattform. Er rückte das zusammengedrehte Tuch, das er über der Stirn trug, zurecht. „Nichts zu sehen?
Ay grinste ihn an. Bataks Arm schlüpfte aus der Schlinge, an der er einen schlanken Krug um die Schulter hängen hatte.
„Nichts. Keine fetten Holländer."
„Einen Schluck? Vom Faß der toten Ungläubigen?"
„Immer. Ich brauche meine Augen nicht mehr offen zu halten, sagte Sungh und trank mit kleinen Schlucken aus dem kühlen Gefäß. „Ich glaube nicht, daß du heute etwas entdeckst. Ich bin hungrig.
„Am Feuer ist genug für zwanzig Hungrige, sagte Batak und nahm ihm den Krug ab. „Alles frisch.
„Ist gut."
Sie nickten einander zu. Sungh Ay warf seinen Wassersack über die Schulter und kletterte hinunter. Als er in den warmen Sand sprang, schaute er sich schweigend um. Außer ihm, dem Kapitän und Batak schienen sich alle anderen Männer in den Schatten verzogen zu haben. Aus verschiedenen Richtungen hörte Ay tiefe Atemzüge und rasselndes Schnarchen.
An die zwölf Bambushocker umstanden, tief in den Sand eingedrückt, die schwärzliche Glut unter dem Kessel. Rechter Hand steckten im nassen Sand, über der Hochwasserlinie, zwei Dutzend große Tonkrüge. Es war der Frischwasservorrat für die Besatzungen. Djongrang führte, was das Lager, die Schiffe und das Segeln betraf, eine strenge Herrschaft. Sonst konnten seine Männer tun und lassen, was sie wollten.
Sungh Ay setzte sich, schöpfte einen Becher voll vom starken Kräutersud aus dem Kessel und trank schweigend. Seine Blicke huschten über den Strand, über die kleinen Wellen der zischend auslaufenden Brandung und über die langen Schatten, die Rümpfe und Masten der Boote über den Strand warfen. Noch immer schliff Djongrang seine Waffe. Das Geräusch schnitt wie ein Messer durch die Stille.
Sungh fand warmen Reis, eine dicke Soße und kaltes Fleisch, gewürzte Stücke Fisch und eine Schale voller zerschnittener Früchte und Markfasern, die er eintunkte und langsam aß. Dann reinigte er die Gefäße im Salzwasser, spülte sie im Süßwasser und hängte sie auf das Bambusgitter, die Öffnungen nach unten.
Er stocherte mit einem Holzspan in den Zähnen und ging langsam über den Steg aufs Deck der Balor. Vor dem Kapitän blieb er stehen und sah zu, wie Djongrang mit einem schmutzigen Fetzen Tuch Kokosöl auf das funkelnde Haumesser verrieb und die Schneide hingebungsvoll polierte.
„Du hast offenbar viel vor, Kapitän?" Sungh grinste und spuckte über Bord.
„Wenn nicht heute nacht, dann morgen oder übermorgen, erwiderte der andere und grinste breit. „Oder glaubst du nicht mehr daran, daß wir Beute haben werden?
„Natürlich glaube ich’s, sagte Ay. „Wir müssen doch etwas dagegen unternehmen, daß die Fremden alle Inseln ausplündern, ohne daß wir es ihnen erlaubt haben.
Sungh wußte es, ohne daß er hinzusehen oder gar den Kopf zu drehen brauchte: vom Bugspriet und der geschnitzten Maske des Vorstevens bis zum Ruder war die „Perle der Brandung" mit größter Sorgfalt aufgeklart. Ein paar Befehle und einige Handgriffe genügten, und die Balor