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Tobinos Insel
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eBook155 Seiten2 Stunden

Tobinos Insel

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Über dieses E-Book

Stell Dir mal vor, dir würde das Geld nie ausgehen, du würdest in einem riesigen Schloss wohnen, du könntest dir deine eigene Welt bauen, wie beispielsweise eine künstliche Insel im Meer. Ein beinahe unvorstellbares Leben, doch Tobino hat all diese Sachen und noch viel mehr. Wie kann es also sein, dass dieser Junge nicht glücklich ist? Ihm ist langweilig und immerzu ist er launisch. Alles ändert sich jedoch, als Tobino Herr Spirito als Hausleherer bekommt. Von ihm lernt Tobino, dass es noch so viele andere und wichtigere Dinge als Geld gibt, und er realisiert, wieviel ihm bisher gefehlt hat. -
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum26. Sept. 2017
ISBN9788711754405
Tobinos Insel

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    Buchvorschau

    Tobinos Insel - Eva Rechlin

    www.egmont.com

    Ein Schloß hinter Gittern

    Der junge Herr Spirito ging den langen Weg zum Schloß Vivato zu Fuß. Was er besaß, trug er in einem abgewetzten Köfferchen bei sich. Er war lang und dünn, seine Kleider saßen nicht recht ordentlich an ihm, und auf dem rötlichen Haarschopf trug er einen gelben Strohhut. Auch blickte er durch eine Brille in die Welt.

    Die Straße, die von der Stadt zum Schloß führte, war die eigenartigste im Land Tunari: glatt und blank wie aus geschliffenen Marmorplatten, links und rechts standen abwechselnd hellgrüne Trauerweiden und steile dunkle Wacholderbüsche. Diese Allee hatte der vielfache Millionär Vivato anlegen lassen, damit seine Gedanken sich an ihrem Anblick beruhigten, wenn er von seinen Geschäften in der Stadt nach Hause in sein Schloß fuhr. Herrn Spirito dagegen beunruhigte diese Straße, die ihn auf blankpolierten Platten dem Schloß entgegenführte. Zwei Tage zuvor hatte er in der Zeitung gelesen, daß der schwerreiche Herr Vivato einen neuen Erzieher für seinen einzigen zehnjährigen Sohn suchte. Über diesen Sohn gingen im ganzen Land Tunari die schlimmsten Gerüchte um. Es hieß, er sei das eingebildetste und unerzogenste Kind der Gegend. Aber Herr Spirito, der gerade eine neue Stelle als Lehrer suchte, hatte sich gesagt: Ich will es versuchen!

    Er hatte sich mit Herrn Vivato in Verbindung gesetzt, ihn allerdings nur telefonisch erreicht, das heißt: nicht ihn selbst, sondern einen seiner Sekretäre, und selbst das war schon ein Erfolg. Man hatte ihn sofort angestellt und gebeten, sich schnellstens ins Schloß Vivato zu begeben.

    Herrn Spiritos Freude war allerdings durch ein paar Worte seiner Zimmerwirtin erheblich gedämpft worden: »Der Sohn des Millionärs Vivato«, hatte sie gesagt, »ist ein abstoßend launisches Kind. Außer Ihnen hat sich vermutlich niemand um diese Stelle beworben. Zu viele wurden enttäuscht. So was spricht sich herum. Und Sie sind eigentlich zu schade, um sich mit solchem Jungen herumzuärgern, lieber Herr Spirito!«

    Aber Spirito war ein hartnäckiger Mann, und weil er nun einmal gesagt hatte: Ich will es versuchen! – blieb er bei seinem Entschluß.

    Die lange Allee zum Schloß Vivato, auf der er nun voran marschierte, machte ihn nachdenklich. Gerade kam ihm der Vergleich mit einem Friedhofsgang, da sah er weit vorn ein seltsames Fahrzeug langsam auf sich zukommen. Das Vorderteil glich einem breiten Auto, der hintere Aufbau einer Lokomotive. Links, rechts und unter ihm drehten sich weiche Besenwalzen, über die aus breiten Schlitzen des kesselartigen Aufbaus unablässig Wasser rann. Noch nie hatte Spirito so eine Straßenreinigungsmaschine gesehen. Verwundert trat er zur Seite unter eine der Trauerweiden und ließ das Ungetüm herankommen. Die Motoren summten wie Bienenschwärme, das Wasser plätscherte aus den Schlitzen und die großen Besen schlabberten zischend über das glatte Marmorgestein. Vor Herrn Spirito hielt das Ding an. Aus der Fahrerkabine sprang ein Mann in marmorheller Uniform mit blitzenden Schnallen und Reißverschlüssen. Er trat auf Herrn Spirito zu und sagte streng: »Diese Straße ist nicht für Fußgänger. Wenn Sie sie schmutzig machen, wird man mich entlassen!«

    »Entschuldigen Sie«, antwortete Spirito. »Vorn auf dem Schild stand nur: Befahren verboten! Ich werde also ab hier neben der Straße weitergehen, obwohl ich ohne Schmutz und Ungeziefer bin, nicht zu spucken pflege und meine Schuhe erst vorige Woche geputzt habe.«

    »Überhaupt«, sagte der Mann, »ist die Straße nur für Bewohner und angemeldete Gäste von Schloß Vivato da!«

    Herr Spirito nickte: »Ich will ja zum Schloß. Ich bin der neue Erzieher des Kindes dort.«

    Der Straßenreiniger pfiff durch die Zähne. Sein Gesicht bekam einen völlig anderen Ausdruck. Tröstend legte er seine Hand auf Spiritos Schulter und sagte viel freundlicher, »Junger Mann, wenn es so steht, will ich Ihnen nicht auch noch Scherereien machen. Kommen Sie zu mir, wenn Sie entlassen werden. Ich fahre Sie in meiner Maschine zurück zur Stadt, damit Sie nicht so kurz hintereinander zweimal neben der Straße gehen müssen.«

    Spirito nickte unsicher und dachte: Ich will es trotzdem versuchen.

    Als könnte er nicht schnell genug in sein Unglück rennen, eilte er neben der Straße weiter. Nach der nächsten Biegung lag das Schloß vor ihm. Es war fast ganz aus Glas, mit schmalen Pfeilern zwischen riesigen, vermutlich kugelsicheren Fensterscheiben. Es kam Herrn Spirito vor wie eine gewaltige stufenförmige Käseglocke mit einem gläsernen Ballon als Gipfel. Um das breite flache Erdgeschoß liefen Terrassen mit schwarzweißen Marmorböden. Über dem Erdgeschoß erhob sich etwas kleiner das erste Stockwerk und darauf, wiederum kleiner, das zweite, das dritte und vierte und fünfte. Ganz oben wölbte sich wie bei einer Sternwarte eine gläserne Kuppel, von der Herr Spirito später erfahren sollte, daß sie drehbar war wie ein Karussell und daß in ihr das Spielzimmer des Millionärssohnes lag. Vor dem Schloß blinkte mitten im grünen Rasen ein künstlicher Teich, umsäumt von sprudelnden Springbrunnen. In der Mitte des Teiches stand eine nachgebaute schwere Hansekogge mit geschwellten Segeln, die Herr Vivato sich wohl statt eines Pavillons hatte errichten lassen, denn ein schmaler Steg verband sie mit dem Ufer.

    Es gab vieles zu sehen. Aber Spirito beachtete es nicht weiter. Ihn fesselten mannshohe bunte Blumenstauden, die das gesamte Anwesen umzäunten. Er wußte, daß sich darin elektrisch geladene Stacheldrähte versteckten. In den Zeitungen hatte Spirito mehrmals farbige Abbildungen des Schlosses gesehen, doch die Wirklichkeit übertraf sie. Wie betäubt ging er das letzte Stück neben der Allee auf einen hohen Torbogen aus üppigen Rosen zu.

    Da wuchs blitzschnell aus einem kaum sichtbaren Schlitz im Boden ein Gittertor hoch und versperrte ihm den Weg. Erschrocken wich Spirito einen Schritt zurück. Rechts von dem Tor, versteckt in den Blumenstauden, bemerkte er ein Panzertürmchen, aus dem ihm ein bewaffneter Pförtner entgegentrat.

    »Halt! Bleiben Sie stehen!« rief der ihm zu, »versuchen Sie nicht, die Hecke zu durchdringen! Sie ist von giftigen Stachelranken durchflochten, die jeden Eindringling bewußtlos stechen!«

    Er sagte sein Sprüchlein auf wie ein Fremdenführer, während er, in jeder Hand eine Pistole, langsam auf Spirito zukam. »Und überhaupt«, fuhr er fort, »stehen am Anfang der Allee nicht genug Schilder, daß Bittsteller hier unerwünscht sind?«

    »Gewiß«, sagte Herr Spirito, »die habe ich gelesen. Stecken Sie bitte Ihre albernen Pistolen ein!«

    »Und? Was wollen Sie nun hier? Was haben Sie da in dem verdächtigen Gepäckstück?« Der Pförtner deutete mit einer Pistole auf Spiritos abgewetztes Köfferchen. Sein Blick war mißtrauisch und verächtlich.

    Das ärgerte Herrn Spirito, aber zugleich kam ihm ein lustiger Einfall. Er hob den Koffer hoch, in dem außer Wäsche und Büchern auch seine Weckeruhr lag, hielt ihn dem Pförtner entgegen und sagte: »Ich habe eine Höllenmaschine im Gepäck. Hören Sie, wie sie tickt?«

    Der Pförtner beugte den Kopf vor und lauschte. Ganz deutlich machte Spiritos altertümlicher Wecker »tick-tack, ticktack«.

    Jetzt war es der Pförtner, der erschrocken einen Schritt zurückwich. »Was haben Sie vor?« stammelte er.

    Spirito mußte lachen. Aber dann zuckte er zusammen, denn der Pförtner brüllte plötzlich los: »Verdrückt euch! Schnell! Eine Höllenmaschine vor dem Tor!« Da wurde es links und rechts in der Blumenhecke lebendig. Sechs, sieben, acht bewaffnete Männer stürzten aus ihren Verstecken, rannten davon und warfen sich hinter einem Busch in Deckung. Der Pförtner selbst raste in sein Panzertürmchen und schlug die Tür hinter sich zu.

    Spirito lehnte sich gegen das Eisengitter und blickte sich um. Das Gitter war wenig höher als er selbst, er hätte es leicht übersteigen können, aber daran lag ihm jetzt nichts. Wie immer, wenn er in Verlegenheit geriet, nahm er seine Brille ab und putzte sie, obwohl kein Staubkörnchen ihre Gläser trübte. Am Schloßtor war es jetzt so still, daß er seinen alten großen Wecker durch die Kofferwände ticken, daß er Bienen und Hummeln in den Blumen summen und eine Amsel singen hörte. Er blickte nachdenklich auf die Allee zurück, die er gekommen war. Hinter einem Wacholderbusch sah er den Kopf eines geflüchteten Wächters. »Armer Herr Vivato«, murmelte er und putzte seine Brille heftiger. Es kam ihm vor, als sähe er den mächtigen, berühmten Vivato ahnungslos, von allen seinen Helfern verlassen, auf einer Höllenmaschine sitzen. »Was hat er nur für Wächter, die schon vor einem alten Wecker reißaus nehmen?«

    Schließlich setzte Spirito seine Brille wieder auf, ging zu dem Panzertürmchen und pochte mit der Faust an die Stahltür. »Kommen Sie raus! Die Höllenmaschine ist nur ein alter Wecker. Und ich bin der neue Erzieher für den Sohn!«

    »Wenn das stimmt«, antwortete der Pförtner und wagte sich wieder aus seinem Panzertürmchen, »öffnen Sie den Koffer und zeigen Sie mir den Wecker!«

    Und als der Pförtner erkennen mußte, vor welchem Gegenstand er sich gefürchtet hatte, packte ihn der Zorn. »Mann!« schrie er Spirito an, »Sie haben sich einen schlechten Scherz erlaubt! Wenn das Vivato erfährt – nicht auszudenken!«

    »Wenn Vivato erfährt«, sagte Spirito, »daß seine Wächter vor einem Wecker geflohen sind, was wird er dann wohl mit seinen Wächtern tun?«

    Der Pförtner wurde bleich und starrte Spirito an. Er ließ die Arme sinken, die Pistolen fielen aus seinen Händen. Zum zweiten Mal an diesem Vormittag nahm Spirito seine Brille ab, um sie mit fahrigen Fingern zu putzen.

    »Aber lassen Sie nur«, sagte er verlegen, »machen Sie sich keine Sorgen um Ihre Stellen. Von mir aus braucht niemand etwas von der ganzen Geschichte zu erfahren. Und jetzt öffnen Sie endlich das Gitter und lassen Sie mich ein.«

    »Sie wollen mich wirklich nicht verraten?« stieß der Pförtner argwöhnisch hervor.

    »Mein Wort.«

    Der Pförtner atmete auf. Plötzlich nestelte er an seiner Rocktasche und sagte schnell: »Von meinem letzten Lohn ist zwar nicht mehr viel übrig, aber vielleicht genügt Ihnen der Rest für Ihr Schweigen? Hier, es sind hundertachtzig Mark. Nehmen Sie! Bitte!«

    Spirito wich zurück. »Was soll ich? Wollen Sie sich meine Verschwiegenheit etwa kaufen?«

    »Aber das ist doch nur natürlich, mein Herr! Mit Geld kann man alles. Was glauben Sie denn …«

    »Hören Sie auf!« fuhr Spirito ihn an, »und stecken Sie Ihr Geld wieder ein!«

    Er wandte sich ab und ging schnellen Schritts zum Schloß.

    Ein frostiger Empfang

    Als Spirito die Marmorterrasse des Schlosses erreichte, kam ihm ein so auffallend elegant gekleideter Mann entgegen, daß er dachte, von dem berühmten Herrn Vivato persönlich empfangen zu werden. Dieser Irrtum klärte sich allerdings rasch auf: Der Mann im goldfarbenen Seidenanzug war sein Vorgänger Dr. Kasimir, der Spirito in das neue Amt einführen sollte. Kasimir führte den Ankömmling in einen Salon des Schlosses und ließ ihn durch einen Diener mit Tee und Törtchen bewirten.

    »Ich habe noch eine Stunde Zeit«, sagte er, während er sich in einen Sessel sinken ließ und eine bleistiftlange Zigarette anzündete. »Ich denke, das genügt, um Sie vorzubereiten. Können Sie sich vorstellen, was Sie hier erwartet?«

    »Nun ja«, antwortete Spirito, »die Vivatos sind nicht unbekannt. In

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