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Dem Himmel so nah: Dhaulagiri - Weisser Berg
Dem Himmel so nah: Dhaulagiri - Weisser Berg
Dem Himmel so nah: Dhaulagiri - Weisser Berg
eBook346 Seiten4 Stunden

Dem Himmel so nah: Dhaulagiri - Weisser Berg

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Über dieses E-Book

60 Jahre Erstbesteigung
Im Andenken an die Erstbesteigung des Dhaulagiri am 13. Mai 1960

8167 Meter hoch, orkanartige Winde, der Aufstieg lebensgefährlich -
der Dhaulagiri. Ein Berg behaftet mit dramatischen Geschichten.

Am Freitag den 13. Mai 1960 um 13 Uhr gelingt einer 13 köpfigen Schweizer Himalaya-Expedition unter der Leitung von Max Eiselin die Erstbesteigung des Dhaulagiri. Des 13. Achttausenders - des höchsten noch nicht bestiegenen Berges der Erde! Die Bilder dieser Sensation gehen um die Welt: 2 Schweizer, 2 Nepalesen, 1 Deutscher, 1 Österreicher auf dem Gipfel ihres Erfolgs. Die Landung auf 5700 Meter Höhe mit dem Pilatus-Porter PC-6 - getauft auf den Namen «Yeti» ist ihr 2. Höhen-Weltrekord für Gletscherlandungen. 
Ihre historische Expedition ist eine Weltsensation.

Bis dahin jedoch müssen die wagemutigen Männer vielen Widrigkeiten, Eiseskälte und Gefahren trotzen. So auch Unter anderem auch dem gefürchteten Denn da ist auch das gefürchtete Dhaulagiri-Wetter, das einen Gipfelangriff immer wieder verhindert. 

Ein Wunder braucht auch Siriamantha, deren Seilschaft mit Vater und Brüder in eine Gletscherspalte gestürzt ist. Nach 3 Tagen werden sie von den Männern ihres Dorfes für tot erklärt. Doch Siri weigert sich zu glauben, dass eine Rettung hoffnungslos ist. Aufgeben kommt für sie nicht in Frage. Wild entschlossen will sie es auf eigene Faust versuchen.

Ursula Gerber - ROMAN

SpracheDeutsch
HerausgeberXinXii
Erscheinungsdatum23. Nov. 2020
ISBN9783966333443
Dem Himmel so nah: Dhaulagiri - Weisser Berg
Autor

Ursula Gerber

Ursula Gerber ist eine Schweizer Autorin, geb. 1966, Mutter von zwei erwachsenen Kindern. Die Powerfrau wohnt über dem Thunersee im schönen Berner Oberland. Schreiben ist ihr Lebenselixier. Das tut sie, seit sie 13 ist. Jetzt möchte sie jedoch endlich ihre Geschichten als Bücher veröffentlichen, anstatt sie noch länger in der Schublade verstauben zu lassen, und einem breiten Lesepublikum zur Verfügung stellen. Denn es bereitet ihr Vergnügen, Menschen zu erfreuen, zu unterhalten, ihnen fremde oder vergessene Handwerke, Länder und Menschen nahe zu bringen. Sie schreibt auf Hochdeutsch und ebenso in ihrer berndeutschen Muttersprache. Das Weihnachtsbuch „Der viert Chünig“ in Schweizer Dialekt ist ihre erste Zusammenarbeit mit ihrer Mutter, der Mundartautorin Rosmarie Stucki. Ursula Gerber hat sich aber nicht auf ein bestimmtes Genre festgelegt. Sie schreibt über alles, was ihr gefällt und ihr gerade einfällt. So hat sie neben Thrillern, Krimis auch Liebesgeschichten, Abenteuergeschichten, Western und sogar über Erotik geschrieben. Ihr letztes Werk "Nur der Himmel über uns - Dhaulagiri - Weisser Berg" ist ein Roman über die sensationelle Erstbesteigung 1960 des Dhaulagiri I, des letzten höchsten Achttausenders der Erde durch eine Schweizer Expedition. ...Und weitere werden folgen. Sie dürfen gespannt bleiben.

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    Buchvorschau

    Dem Himmel so nah - Ursula Gerber

    (CH)

    Vorwort der Autorin

    Herzliche Gratulation zum 60 Jahre Jubiläum der Dhaulagiri-Erstbesteigung.

    Wow, was für eine Leistung! So genial die Idee mit dem Flugzeug.

    Ich bin fasziniert von diesem Ereignis, seit ich davon gehört habe. Ich bewundere diese Männer, die Kopf und Kragen und ihre Gliedmaßen riskierten, um das Unmögliche zu erreichen, der Schweiz Ruhm und Ehre zu erweisen.

    Pionieren, Helden wie ihnen verdanken wir nicht nur Erfolge, Filme und Geschichten, sondern auch Hoffnung, alles erreichen zu können.

    Diesen tollkühnen Männern gebührt auch heute noch unser Respekt, Stolz und Anerkennung.

    Ihnen widme ich diesen Roman.

    Es ist die Geschichte vom Kampf um einen Berg, der den Bergsteigern günstig gesinnt war. Er hätte sie ebenso gut wie ihre Vorgänger abschütteln können.

    In ewigem Andenken an unsere Helden.

    Prolog

    In den 1950er Jahren entstanden Wettrennen um die höchsten Gipfel der Welt. Der Stolz der Nationen hing davon ab, wer auf den letzten unberührten Orten dieser Erde stehen würde. Die Franzosen hatten mit dem Annapurna l den ersten 8000er geschafft, die Briten mit dem Mount Everest den höchsten, die Schweizer mit dem Lhotse nur den 4.höchsten. Der Dhaulagiri wurde unser zweiter.

    Internationale Koryphäen wie Lionel Terray, Louis Lachenal und Gaston Rébuffat, durch ihre großartigen Erstbesteigungen weltbekannte Bergsteiger und bedeutende Persönlichkeiten in der Geschichte des Alpinismus, hatten sich von diesem Berg geschlagen erklärt und ihn gar als unmöglich qualifiziert. Welcher junge Bergsteiger, der das Glück hatte, in die richtige Zeit der Achttausender-Erstbesteigungen hineingeboren zu werden, hätte da einer solchen Herausforderung widerstehen können. Besonders beim Dhaulagiri, der nach der Erstbesteigung des Lhotse (8516 m) 1956 durch die Schweizer Expedition zum höchsten, noch unbestiegenen Berg der Erde und dadurch erst recht zum begehrten Ziel der Bergsteiger aller Herren Länder avancierte. Konkurrenz ließ da nicht lange auf sich warten. Schon allein um die nepalesische Bewilligung, von denen es nur eine einzige für die geeignete Vormonsunsaison gab, war ein hartes Ringen angesagt. Wegen seiner schwierigen Erreichbarkeit und seines unberechenbaren Wetters galt der Dhaulagiri I als «Berg ohne Gnade».

    Seit den 1950er Jahren reisten Abenteurer aus aller Welt nach Nepal und versuchten, den «Weißen Berg» im Himalayagebirge zu erobern. Die Franzosen unter der Leitung von Maurice Herzog waren die Ersten.

    Sieben Expeditionen scheiterten unter oftmals dramatischen Umständen, 2 Bergsteiger kamen dabei ums Leben. Doch mit jedem Scheitern wuchs das Interesse am Dhaulagiri. Bis heute schafften es über 400, über 70 kamen im abgelegenen Berg ums Leben.

    Im Kampf um die Überlistung der «ersten Schlüsselstelle am Berg» und um sich den weiten Weg zum Wandfuß zu erleichtern, setzte die 4. Schweizer-Expedition erstmals im Himalaya ein Gletscherflugzeug ein. Ein Pilatus-Porter PC-6 - getauft auf den Namen «Yeti» - flog aus der Innerschweiz bis nach Nepal und landete dort auf einer Höhe von 5700 Meter. Das ist bis heute Weltrekord. Ihre historische Expedition war 1960 eine Weltsensation.

    Am Freitag den 13. Mai 1960 um 13 Uhr gelang einer 13 köpfigen Schweizer Himalaya-Expedition unter der Leitung von Max Eiselin die Erstbesteigung des Dhaulagiri. 

    Des 13. Achttausenders - des höchsten noch nicht bestiegenen Berges der Erde!

    Die Bilder dieser Sensation gingen um die Welt: 2 Schweizer, 2 Nepalesen, 1 Deutscher, 1 Österreicher auf dem Gipfel ihres Erfolgs.

    Kapitel 1

    Der Dhaulagiri – ein großer Traum

    Angespannt saß der junge Mann in der vordersten Reihe im Singsaal von Bernau, Luzern. Seine glänzenden Augen folgten aufgeregt dem Geschehen vorne auf der Empore.

    Bernhard Lauterburg, Leiter des Akademischen Alpenclubs Zürich AACZ und der ersten Schweizer Dhaulagiri-Expedition von 1953 war soeben angekündigt worden. Er trat mit einem breiten Lächeln auf dem gebräunten Gesicht und mit offenen Armen unter tosendem Applaus des Publikums hinter dem Vorhang hervor.

    Sein Vorredner drückte ihm das Mikrophon in die Hand.

    Der Singsaal von Bernau war proppenvoll mit Männern, Frauen und Kindern jeden Alters, die alle die sensationelle Geschichte des bekannten Bergsteigers hören wollten. Er hatte mit seiner Expedition den letzten höchsten Berg der Welt erklommen, dessen Gipfel bisher noch nie ein Mensch erreicht hatte.

    Lauterburg wandte sich seinem Publikum zu, während der Ansager hinter dem dicken Vorhang verschwand. „Verehrte Damen und Herren, es freut mich sehr, dass Sie sich heute Abend die Zeit genommen haben, um sich mit mir auf die Reise nach Nepal zu begeben. Es ist - ich glaube, man darf sagen, es war eines der größten Abenteuer unserer jüngeren Schweizergeschichte, das wir erleben durften. Ich darf Ihnen Gott sei Dank noch mit allen Fingern und Zehen davon erzählen. - Vom Versuch der Erstbesteigung des Dhaulagiri."

    Es knisterte in den Lautsprechern, als die Bandspulen sich zu bewegen und drehen anfingen und der Film abzulaufen begann.

    „Vor uns war noch nie ein Mensch auf dem Gipfel. Ihr werdet lachen, noch nicht einmal die Nepalesen selbst. Sie halten ihn für den Sitz der Götter." Lauterburg sah rundum in zutiefst erstaunte Gesichter und war sich der Aufmerksamkeit seiner Zuhörer schon nach den ersten Sätzen sicher.

    „Wir landeten am 13. April 1953 in Pokhara in Nepal, einer kleinen Stadt in der Nähe unseres Berges. Wenn ich sage Nähe, dann sind das immer noch mehrere Tagesmärsche. Wir waren die erste Schweizer Expedition, die zur Nordflanke des Dhaulagiri aufbrach, acht Männer …"

    Es war mucksmäuschenstill im Raum. Man hätte eine Stecknadel zu Boden fallen hören können. Es schien, als hielten all die vielen Menschen den Atem an.

    Mitten unter ihnen Max Eiselin. Im Kampf um die besten Plätze hatte der junge Luzerner zusammen mit seinem älteren Bruder Ruedi einen Platz in der vordersten Reihe ergattert und freute sich wie ein Schneekönig auf den bevorstehenden Film. Seine glänzenden Augen folgten aufgeregt dem Abspann des Films.

    Er zeigte junge Männer vor ihren Zelten, hagere, zähe Naturburschen, die in die Linse der Kamera grinsten. In Farbe flimmerten die Alpinisten über die große Leinwand und versetzten alle Zuschauer in Verzückung, während Lauterburg ihre Namen aufzählte: „Mit von der Partie waren meine Bergsteigerkollegen Peter Braun, Marc Eichelberg, Hannes Huss, Ruedi Pfisterer, André Roch, Ruedi Schatz und Ang Tharkey, unser nepalesischer Führer. Er war der Vermittler zwischen uns Bergsteigern, den Trägern und den Einheimischen. Ah, einen habe ich noch vergessen, den Leiter der Expedition - meine Wenigkeit."

    Ein kurzer Lacher folgte, dann war es wieder still in dem großen Saal. Außer der sonoren Stimme des Redners war nur das Rattern und Summen der Filmspule wahrzunehmen, die die bewegten Bilder auf die Leinwand projizierte.

    „Auch wenn es hier noch nicht so aussieht, es war ein Wettlauf mit der Zeit und gegen das Wetter. Die Schönwetterperiode in der Zeit vor dem Monsun dauert in Nepal nur kurz, danach kommen die Winde und Stürme. Dann ist es bis zum nächsten Jahr nicht wieder möglich, den Berg anzugehen. Wir hatten also gleich mehrere Faktoren, die gegen uns waren."

    Verzückt lauschte Max Lauterburgs Stimme. Der Abend versprach spannend zu werden.

    Als Junior des Schweizerischen Alpenclubs SAC blickte er trotz seinen erst 21 Jahren schon auf viele bergsteigerische Erfahrungen zurück. Etwas zu erfahren von dieser fernen, fremden Welt jenseits aller Grenzen mit den unvorstellbar hohen Bergen, hatte schon längst seine Sehnsucht geweckt. Max wollte an solchen Abenteuern selbst teilhaben. Er wollte bei der Erstbesteigung des Dhaulagiri dabei sein! Er wollte den höchsten Gipfel mit erklimmen.

    Lauterburgs Expeditionsbericht war für ihn ein überdimensionales Ereignis.

    „Im Tal war es drückend heiß und wir schwitzten mit unserem Gepäck auf dem Rücken wie die Bären, fuhr Lauterburg fort, während im Saal unten verhaltenes Grinsen ertönte. „Gleichwohl wussten wir, dass uns ein paar hundert Meter weiter oben eisige Kälte empfangen wird. Wir hatten also schon zuhause abwägen müssen, welche Kleidung wir mitschleppen wollten, um dort oben nicht zu erfrieren. Wir mussten auf alles vorbereitet sein. Folglich war unser Gepäck ziemlich schwer. Lauterburgs Stimme wurde einzig vom monotonen Summen des Projektors begleitet.

    Ab und zu war ein verlegenes Hüsteln oder Räuspern aus den Reihen der Zuschauer zu hören. Bei jedem unnötigen Geräusch gab es böse Blicke vom Vorder- oder Hintermann. Das Interesse am Film und an Lauterburgs Stimme war aber immer größer und zog die Leute wieder in ihren Bann.

    Obwohl der Besteigungsversuch scheiterte, war es nichtsdestotrotz ein Riesenereignis, seinem Clubvortrag beizuwohnen. In dieser Zeit, wo in Amerika Elvis gerade zu rocken begann, Rock’n Roll bei uns noch völlig unbekannt und für die Elterngeneration haarsträubend war, und erst noch unlängst nach dem zweiten Weltkrieg, war jeder Anlass ein besonderes Ereignis.

    Von der Welt war den Menschen bislang noch kaum viel mehr als das Nachbarland bekannt. Geschweige denn die Moden und Stilrichtungen anderer Länder jenseits des Ozeans. Vom Weltgeschehen hörte man nur aus dem Radio. Der Empfang mit den Kurzwellen war so schlecht, dass man zwischen dem lauten Rauschen die einzelnen Worte regelrecht entziffern musste. Wer informiert sein wollte, musste still vor dem Radio sitzen. Keine Rede von Arbeiten oder erfreulicheren Tätigkeiten nebenher. Radiohören war eine ernste und wichtige Angelegenheit.

    In dieser Zeit steckte das Fernsehen noch in den Kinderschuhen und Heimkino konnten sich nur gutbetuchte Familien leisten. Diavorträge und Filmvorführungen in den großen Casinos hatten daher eine unheimliche Anziehungskraft.

    „Der Anmarsch war mühsam, seit wir am 13. April dieses Jahres mit dem Flugzeug in Pokhara gelandet waren und den beschwerlichen Weg zum Gipfel unter unsere Bergschuhe genommen hatten. Seit unserer Ankunft war unsere Expedition teilweise in vollkommen unbekanntem Gebiet unterwegs, das noch nicht einmal die Nepalesen je betreten hatten. Es war heiß und stickig, die Sonne brannte unbarmherzig und trocknete unsere Körper von innen und außen aus."

    Max‘ Augen hingen fasziniert an Lauterburgs Lippen. Sein Geist schwebte auf und davon in die weite Ferne.

    „Wir mussten spuren. Stellenweise mussten uns die Sherpas mit Macheten den Weg durchs Unterholz freihacken, damit überhaupt ein Weiterkommen durch den Dschungel möglich war, berichtete ihnen Lauterburg gerade. „Es gab vielerorts weder Weg noch Steg, nur unsere Karten, die ungenau waren und unser gemeinsames Ziel, den Gipfel des Dhaulagiri als erste zu erreichen.

    Der Film zeigte Etappen ihres Aufstiegs, zuerst durch den Dschungel, später über das ewige Eis. Die Zuschauer konnten die Schönheit von Flora und Fauna bestaunen, die skurrilsten Tiere und Pflanzen sehen und an der Erhabenheit der imposanten Bergwelt teilhaben.

    Lauterburg erläuterte ihnen die verschiedenen Etappen und wo und in welcher Höhe sie sich bei den jeweiligen Standorten im Film befanden.

    Inzwischen sahen die jungen Männer schon ziemlich braungebrannt und ihre Bärte verwildert aus.

    Sie waren in ihrem Unternehmungsgeist und Draufgängertum nicht zu bremsen, den letzten höchsten Berg zu bezwingen, zum Ruhm fürs Heimatland. Den Gipfel als erste zu erreichen kam einer Goldmedaille beim Skifahren gleich. Auch dort mussten sich die Schweizer ständig gegen die starken Österreicher durchsetzen, die ihnen bereits in manchen Wettkämpfen den Rang abgelaufen hatten. Aber dieser hier würde nun ein Schweizersieg werden, ein großer Ruhm für die Heimat.

    Max‘ Herz schlug schnell. Wie gebannt hing sein Blick an der großen Leinwand, wo der Film die Bilder dieser fremden Menschen und Berge wiedergab. Lauterburgs angenehm sonore Stimme lullte ihn ein.

    Max ließ sich in seinen Bann ziehen, von den Bildern mitreißen in eine Höhenlage, die ihm als SAC-Junior von den Hausbergen her schon ziemlich bekannt war. Er hatte die Gross Windgälle und viele andere heimische Berge erklommen, die nicht weniger gefährlich oder todbringend sein konnten als diese fernen Monster, deren Gipfel über den Himmel hinaus reichten. 

    Längst war er der Vorführung in eine Art Scheinwelt entronnen, wo sich alles echt und lebensnah anfühlte. Zwar folgten seine Augen nach wie vor den bewegten Bildern, doch er war mitten unter diesen waghalsigen Alpinisten, schritt mit ihnen bergan, kletterte, stapfte später mit ihnen durch Eis und Schnee. Sein Herz klopfte so laut, dass ihm der Brustkorb zu zerspringen drohte. Die Luft wurde ihm eng, die Kehle schnürte sich ihm zu vor Aufregung mit demselben Gefühl, als würde er in dünner Eisluft einen der hohen Schneegipfel erklimmen.

    Ruedi warf ihm zwischendurch immer wieder einen verstohlenen Seitenblick zu. Max‘ Aufregung war so groß, dass sein Sitzbeinknochen vom ewigen hin und her rutschen am Schluss gewiss wund sein würde. Seine Seele war ihm vorausgeeilt an einen Ort, wohin es ihn bestimmt nach diesem Filmabend ziehen würde. So gut kannte Ruedi seinen kleinen Bruder. Er würde sie beim Schopf packen, sobald sich ihm eine Gelegenheit bot.

    Gleichwohl konnte Ruedi weder sehen noch fühlen, was mit seinem Bruder während dieser Filmvorführung geschah. Er konnte auch nicht spüren, wie dieser Schicksalsberg trotz tausender Kilometer Entfernung sich mit Max verband, wie der Berg ihn mit unwiderstehlicher Macht einfing.

    ***

    Erste Schweizer Dhaulagiri-Expedition 1953

    Start ins Ungewisse

    Von Pokhara aus, der auf 930 Meter über Meer am Phewa-See gelegenen, zweitgrößten Stadt Nepals, hatten 70 Pferde die Traglasten der Schweizer Expedition transportiert.

    Jetzt, drei Tage später mussten die Bergsteiger zusammen mit ihren 120 Trägern die schweren Lasten und Rucksäcke mit ihrer gesamten Ausrüstung wie Kleidung, Steigeisen, Pickel, Schlafsack, Dosen-Esswaren, kiloweise Säcke mit Rupienmünzen und vielem mehr selbst auf dem Rücken tragen, weil es für die Tiere kein Weiterkommen mehr gab.

    Die jungen Männer waren allesamt gut vorbereitet und muskulös. Es war irgendwie schwer vorstellbar, wie die eher filigranen Nepalesen über Tage und Wochen ihre bis zu 40 Kilogramm schweren Lasten die teilweise steilen und glitschigen Hänge hinaufschafften.

    Nepalesen haben ein ähnliches System wie die früheren Alphirten. Es ist eine Art Käseräf, jedoch nicht mit Schulterriemen, sondern einem Band, das sie sich über die Stirn legen. So können sie enorme Lasten tragen.

    Obwohl noch nicht allzu lange unterwegs, waren die Männer in Schweiß gebadet.

    Unter den schweren Lederrucksäcken klebten ihnen die Hemden am Rücken. Dunkle Flecken malten sich ebenfalls unter den Achseln und bei einigen auch auf der Brust.

    Der Weg führte durch unwegsames Gelände. Am Myagdi Khola River entlang war es stellenweise sumpfig. Andernorts war es wieder steil und rutschig.

    Peter Braun streckte sich und bog den Nacken durch, um sich ein wenig zu entlasten. Obwohl gut trainiert, waren die 35 Kilogramm Gewicht nicht zu unterschätzen und es tat gut, ab und zu die Muskeln zu dehnen und sich zu entspannen.

    Hannes Huss blieb leicht schnaufend neben ihm stehen. „Na, schon müde?", feixte er freundschaftlich, während er über beide Backen grinste. Der Schweiß hatte sich in seinem Schnauzbart gesammelt und hing an den borstigen Haaren wie Tautropfen. Aber aus seinen braunen Augen leuchtete der Schalk.

    Braun grinste etwas linkisch zurück und nickte. „Hättest du wohl gern, was? Damit du über mich tratschen kannst. Nein, nein, so leicht bin ich nicht unterzukriegen, Hannes." 

    Dieser zwinkerte ihm vergnügt zu und schob sich an ihm vorbei.

    Sie stiegen dem Fluss entlang nach oben. Das Tal verengte sich immer mehr, je näher sie dem Dorf Muri kamen. Die Hänge waren dicht bewaldet und mit Untergehölz überwuchert, so dass es eigentlich gar keinen richtigen Weg gab.

    Peter Braun fragte sich, wie denn die Nepalesen zwischen den Ortschaften Beni und Muri miteinander verkehrten, wenn die Strecke so mühsam begehbar war? Jedenfalls gab es keinerlei Verbindung mit Wagen oder Pferden. Wenn überhaupt Güter nach Muri gelangten, dann mussten sie alle zu Fuß auf dem Rücken hochgeschleppt werden.

    Braun setzte sich hinter Hannes Huss wieder in Bewegung und versuchte in seinen Tritten zu folgen.

    Immer wieder mussten sie die Hände zu Hilfe nehmen, um in den abschüssigen, von Flechten und Moosen schmierigen Hängen nicht das Gleichgewicht zu verlieren. 

    Hingegen wurden sie von der märchenhaften Vegetation mit ihren in zartesten Farben blühenden Rhododendron-Wäldern und wunderschönen Orchideen, die aus den Feuchtgebietsteppichen herauswuchsen, für ihre Mühsal belohnt.

    Expeditionsleiter Bernhard Lauterburg blickte auf seine Armbanduhr. Sein rotblondes Haar leuchtete wie Kupfer in der Sonne. „Da vorn kommt Muri. Unsere letzte Station, wo wir zivilisiert übernachten können. Danach geht’s nur noch aufwärts. Lasst also noch ein wenig die Seele baumeln, Leute, bevor es hart wird." Seine sonore Stimme klang völlig normal. Er schien keineswegs von dem Aufstieg außer Atem zu sein.

    André Roch warf seinem Teamkollegen Marc Eichelberg einen schiefen Blick zu. „Wir sind ja nicht hier, um es einfach zu haben, oder?, brummte er mit gerunzelter Stirn. „Wir wissen ja, weshalb wir hier sind.

    Eichelberg zuckte gleichgültig die Achseln. Ihn brachte Lauterburg mit solchen Äußerungen nicht aus der Fassung. „Lass gut sein, André. Du weißt ja, wie er es meint. Ist eigentlich nur eine nette Ermahnung."

    „He ja, eigentlich meint er es ja nur gut mit uns", mischte sich Ruedi Pfisterer ein.

    Teamkollege Ruedi Schatz schüttelte nur seufzend den Kopf, warf ihm einen langen Blick zu und stieg dann hinter dem Sherpa Ang Tharkey weiter.

    Tharkey war der Sirdar, der einheimische Trägerführer, der Vermittler war sowohl zwischen den Bergsteigern und den Trägern als auch den Einheimischen.

    Roch runzelte missmutig die Stirn. „Ist ja schon gut, ich habe es kapiert!", knurrte er brummig, während er wütend weiterstapfte. Nach dem kleinen Disput fragte er sich allerdings, warum er sich überhaupt zu Lauterburgs Ermahnung geäußert hatte? Seufzend nahm er sich vor, das nächste Mal etwas vorsichtiger mit seinen Worten umzugehen. Es war nicht gut, schlechte Stimmung zu verbreiten und das wollte er auf gar keinen Fall. Es war halt nicht so leicht, sich zurückzunehmen, wenn man das Herz auf der Zunge trug. 

    Marc Eichelberg legte die Angelegenheit mit einem einzigen Satz ad acta: „Ist okay, André, wir sind alle ein bisschen aufgeregt."

    „Ganz recht. Und wir können es alle nicht erwarten weiterzukommen. Aber eine kurze Verschnaufpause wird uns guttun, denke ich, nickte Ruedi Schatz beipflichtend. „Wenn wir uns dann sputen, können wir Muri trotzdem noch vor dem Einnachten erreichen.

    Muri war der letzte Ort vor der engen Schlucht des Myagdi Khola River. Ein kleiner Weiler mit nicht viel mehr als zwei Dutzend Einwohnern. Trotzdem war es in Anbetracht des weiten Anmarschweges erstaunlich, dass in dieser einsamen Gegend überhaupt noch Leute wohnten.

    *

    Als die Expedition Muri erreichte, ging es erst gegen Nachmittag. Sie waren gut vorangekommen.

    „Haalt! Am Dorfrand hob Lauterburg die Hand und die Kolonne der Kuli hinter ihnen rollte sich allmählich auf. „Ich weiß, es ist noch reichlich früh, aber wir machen trotzdem hier Rast und übernachten. Ein bisschen Erholung vor dem Aufstieg schadet uns nicht. Hier können wir uns nochmal eindecken mit allem, was wir brauchen und uns noch einmal richtig satt essen. Hier ist die letzte Zivilisation, also genießt es heute noch einmal. - Ang, kümmern Sie sich bitte darum, ja? Erkundigen Sie sich bei den Einheimischen, ob sie uns frische Lebensmittel für das Abendessen und für unterwegs verkaufen. Dann könnten wir unsere Dosenrationen sparen für später, wenn wir am Berg sind.

    Der Sirdar nickte dienstbeflissen: „Ja, Sahib. Ich rede mit ihnen", und machte sich davon.

    Von den Einheimischen wurden die fremden Weißen neugierig beäugt. Scheu und halb ängstlich versteckten sich die Kinder hinter den Hosenbeinen ihrer Eltern, versuchten aber trotzdem alles mitzubekommen. Die Erwachsenen bildeten einen kleinen Pulk zwischen ihnen und dem Dorf, als wollten sie die Eindringlinge am Weitergehen hindern.

    Es war deutlich spürbar, dass diese Leute noch nicht oft mit ausländischen Fremden in Kontakt gekommen waren.

    Expeditionsleiter Lauterburg ließ ungeachtet dessen die Lasten am Dorfrand ablegen und von den Kuli ihr kreisförmiges Lager errichten. Argwöhnisch beobachtet, begannen die Schweizer ihre Zelte aufzuschlagen, während Ang Tharkey sich zum Dorfältesten durchfragte. Mit ihm sollte er dann gute Preise für die Wünsche der Schweizer aushandeln.

    Als sie mit ihrer Arbeit fertig und Ang wieder zurück im Camp waren, stellten sich die Kuli wie jeden Tag hinter ihrem Sirdar auf. Der Sirdar, als ihr Chef, fing gelassen an, für jeden Träger 7 Rupien abzuzählen, einen Betrag von umgerechnet 3 Franken 50. Ein fürstliches Tagesgehalt für einen Nepalesen.

    Da die Kuli kein Papiergeld in Form von Banknoten annahmen und jeden Tag Zahltag haben wollten, mussten allein 12 Kuli die je 35 Kilogramm Münzen den Berg hinauftragen. 

    „Ich warte immer noch darauf, dass einer von diesen Trägern plötzlich mitsamt seinem Münzfass abhaut, flüsterte Ruedi Pfisterer Ruedi Schatz zu. „Den würden wir nie mehr wiederfinden.

    Dieser nickte mit einem schwachen Grinsen. „Soweit ich weiß, ist das noch nie passiert."

    „Es hat ja auch noch nicht allzu viele Expeditionen gegeben", erinnerte Pfisterer vielsagend.

    Schatz schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, dass so was passieren wird."

    „Würdest du darauf wetten?"

    Er nickte. „Ja, ich denke schon."

    „Da bin ich ja beruhigt. Stell dir nur mal vor, wie viele Tage da plötzlich fehlen würden ..."

    „Lieber nicht dran denken. Wenn die Expedition nur daran scheitern müsste, das wäre mir verdammt zuwider!"

    „Und mir erst!"

    „Dann zerbrich dir nicht den Kopf. Es wird nichts passieren!"

    Ruedi Schatz sagte es mit so tiefem Ernst, dass Pfisterer unwillkürlich nickte. Ja, es war besser, nichts zu verschreien.

    Doch die Nepalesen waren nicht nur wahnsinnig einsatzbereit und eigentlich fast immer fröhlich, sondern auch sehr ehrlich. Ruedi Pfisterers Furcht, dass sie mit ihren Münzfässern davonlaufen und sie bestehlen könnten, war völlig unbegründet und unnötig.

    Auch die Bewohner von Muri waren trotz ihrer Zurückhaltung bereit, von ihren Lebensmitteln abzugeben. Nach einer Weile wurden ihnen auf einer Art Schubkarre, die von zwei Nepalesen geschoben und gezogen wurde, Kartoffeln sowie weißer Reis, Linsen und Fleisch gebracht. Zum Kochen verkauften sie ihnen Yak-Mist und Holz.

    Die Schweizer machten Feuer, um das Fleisch zu braten und hängten große Töpfe an die Dreibeine, um ihr Abendessen zu garen.

    Später saßen sie um die Feuerstellen herum, tranken Tee mit Milch und sangen Lieder aus der Heimat. Melancholie kam trotzdem keine auf. Die Männer waren voller Vorfreude auf den eigentlichen Aufstieg, auf ihren Berg und die Erklimmung des Gipfels, den sie nun bald bezwingen würden. Der Schweizer Sieg war nah. Frohgemut rollten sie sich später in ihre Schlafsäcke und freuten sich auf den morgigen Weitermarsch.

    ***

    Dieser scheiterte allerdings tags darauf an einem unerwarteten Problem.

    „Los, weiter", kommandierte Expeditionsleiter Bernhard Lauterburg nach dem Frühstück, während er seinen Rucksack schulterte.

    Die Schweizer kamen seinem Drängen nach einem schnellen Aufbruch sofort nach, doch die Träger aus Beni weigerten sich, den Weg fortzusetzen. Untätig blieben sie einfach sitzen. Gelangweilt und in stoischer Ruhe blickten sie zu den Schweizern hinüber, ohne einen Muskel zu bewegen.

    Lauterburg runzelte missmutig die Stirn. „Was soll das? Ein ungutes Gefühl überkam ihn. Das war noch nie dagewesen, dass die Kuli sich auf seinen Ruf hin nicht sofort in Bewegung gesetzt und ihre Lasten aufgenommen hatten. „Los, weiter!, rief er befehlsgewohnt etwas lauter und blickte forschend in die Runde, aber auch diesmal passierte nichts.

    Ruedi Pfisterer lehnte sich zu Hannes Huss hinüber. „Proben die hier den Aufstand, oder was?"

    „Vielleicht wollen sie mehr Lohn", mutmaßte Huss schulterzuckend.

    Auch ihre Kollegen standen mit betretenen Gesichtern da.

    „Hey,

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