Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Der Schattenmörder: Perigord / Ein neuer Fall für Kriminalkommissar Moretti
Der Schattenmörder: Perigord / Ein neuer Fall für Kriminalkommissar Moretti
Der Schattenmörder: Perigord / Ein neuer Fall für Kriminalkommissar Moretti
eBook253 Seiten3 Stunden

Der Schattenmörder: Perigord / Ein neuer Fall für Kriminalkommissar Moretti

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Was ist los im Faulenseewald? Junge Menschen verschwinden und tauchen kilometerweit entfernt ohne Erinnerung wieder auf. Die Polizei geht von psychischen Problemen aus, weil Sandra verlassen wurde und Sahin dem autoritären Vater weglaufen wollte. Der Fall wird zu den Akten gelegt. Bis ein Trüffelsucher mit seinem Hund verschwindet und die Polizei auf einen grausigen Mord stößt. Besteht zwischen den Ereignissen ein Zusammenhang? Ist hier wieder ein satanischer Mörder am Werk, der gerade erst anfängt zu töten?

Atemlos schrie sie um Hilfe. Sie wusste, dass sie um ihr Leben rannte. Sie warf einen angstvollen Blick über die Schulter, aber da war er schon dicht hinter ihr.
Der Angreifer streckte die Hand nach ihr aus. Er war viel kräftiger als sie. Er riss sie zu Boden und fiel über sie her.
Sie versuchte zu schreien, aber da er ihr den Mund zuhielt, gelang es ihr nicht. Wahrscheinlich hätte es ihr auch nicht viel geholfen; scheinbar befanden sie sich mutterseelenallein in diesem verdammten Wald!
Hämisch grinsend presste er sein Kinn gegen ihr Schlüsselbein. Sein stoppeliges Gesicht scheuerte an ihrer Wange, als er zufrieden nickte. „Ja, Baby! Das gefällt dir, was?“ Er wartete jedoch ihre Antwort oder Kopfschütteln gar nicht erst ab. „Mir auch. - Dreh dich um!“, kommandierte er selbstgefällig.

Ein neuer Fall für Kriminalkommissar Paolo Moretti und sein Team.
SpracheDeutsch
HerausgeberXinXii
Erscheinungsdatum31. März 2021
ISBN9783969312155
Der Schattenmörder: Perigord / Ein neuer Fall für Kriminalkommissar Moretti
Autor

Ursula Gerber

Ursula Gerber ist eine Schweizer Autorin, geb. 1966, Mutter von zwei erwachsenen Kindern. Die Powerfrau wohnt über dem Thunersee im schönen Berner Oberland. Schreiben ist ihr Lebenselixier. Das tut sie, seit sie 13 ist. Jetzt möchte sie jedoch endlich ihre Geschichten als Bücher veröffentlichen, anstatt sie noch länger in der Schublade verstauben zu lassen, und einem breiten Lesepublikum zur Verfügung stellen. Denn es bereitet ihr Vergnügen, Menschen zu erfreuen, zu unterhalten, ihnen fremde oder vergessene Handwerke, Länder und Menschen nahe zu bringen. Sie schreibt auf Hochdeutsch und ebenso in ihrer berndeutschen Muttersprache. Das Weihnachtsbuch „Der viert Chünig“ in Schweizer Dialekt ist ihre erste Zusammenarbeit mit ihrer Mutter, der Mundartautorin Rosmarie Stucki. Ursula Gerber hat sich aber nicht auf ein bestimmtes Genre festgelegt. Sie schreibt über alles, was ihr gefällt und ihr gerade einfällt. So hat sie neben Thrillern, Krimis auch Liebesgeschichten, Abenteuergeschichten, Western und sogar über Erotik geschrieben. Ihr letztes Werk "Nur der Himmel über uns - Dhaulagiri - Weisser Berg" ist ein Roman über die sensationelle Erstbesteigung 1960 des Dhaulagiri I, des letzten höchsten Achttausenders der Erde durch eine Schweizer Expedition. ...Und weitere werden folgen. Sie dürfen gespannt bleiben.

Mehr von Ursula Gerber lesen

Ähnlich wie Der Schattenmörder

Ähnliche E-Books

Polizeiverfahren für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Der Schattenmörder

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Der Schattenmörder - Ursula Gerber

    Atemlos schrie sie um Hilfe. Sie wusste, dass sie um ihr Leben rannte. Sie warf einen angstvollen Blick über die Schulter, aber da war er schon dicht hinter ihr.

    Der Angreifer streckte die Hand nach ihr aus. Er war viel kräftiger als sie. Er riss sie zu Boden und fiel über sie her.

    Sie versuchte zu schreien, aber da er ihr den Mund zuhielt, gelang es ihr nicht. Wahrscheinlich hätte es auch nicht viel geholfen - scheinbar befanden sie sich mutterseelenallein in diesem Wald!

    Hämisch grinsend presste er sein Kinn gegen ihr Schlüsselbein. Sein stoppeliges Gesicht scheuerte an ihrer Wange, als er zufrieden nickte. „Ja, Baby! Das gefällt dir, was?"

    Er wartete jedoch ihre Antwort oder Kopfschütteln gar nicht erst ab. „Mir auch. Dreh dich um!", kommandierte er selbstgefällig.

    *

    1 Woche zuvor:

    Nichts war zu hören, außer das sanfte, leise Rascheln der harten Palmblätter im Wind, wenn sie sich aneinander rieben.

    Kriminalkommissar Paolo Moretti, Chef der Spezial Fahndung III der Kriminalpolizei Bern, nippte an seinem Cuba Libre und ließ die Vergangenheit Revue passieren.

    Er stieß einen tiefen Seufzer aus. Die Sonne spiegelte sich auf seiner kleinen Glatze, als er sich in den Liegestuhl zurücksinken ließ. Durch die Wärme des Spätsommers glänzte sein Gesicht etwas speckig vom Schweiß.

    Der kleine Italiener war von den Ereignissen seines letzten Falls gezeichnet. Wenngleich außer seinem Gesicht nichts in Mitleidenschaft gezogen worden war, so zumindest sein Selbstwertgefühl. Und er hatte eine Paranoia auf alles Fremde entwickelt.

    Aber ansonsten hatte er Glück gehabt. Die Kollegen vom Morddezernat hatten ihn gerade noch rechtzeitig in den unterirdischen Katakomben ums Berner Münster gefunden, bevor ihn der Schlächter von Bern ernsthaft verletzen konnte.

    Moretti blickte hinaus übers Meer, das ruhig unter einem fast wolkenlosen Himmel dalag. Er fühlte zwischen seinem geöffneten Hawaii-Hemd die Sonne auf seinen nackten Bauch scheinen und hörte die Wellen sanft ans Ufer plätschern.

    August von Hesse und seine Schwester Christina hatten ihm die Reise an die Côte d’Azur aus Dankbarkeit geschenkt, weil er sie aus den Fängen des Mörders gerettet hatte.

    Entspannt genehmigte er sich einen neuen Schluck, während er sich überlegte, was er heute noch alles erledigen wollte. Auf dem Programm vor dem Abendessen standen noch ein Spaziergang und ein kurzer Abstecher zum Bankomaten.

    Moretti warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Es blieb ihm genug Zeit, um sich die Sonne noch etwas auf den Bauch scheinen zu lassen. 

    *

    In Strand-Bermudas, Hawaii-Hemd und Flip Flops war er eine Stunde später unterwegs zum Bankomaten. Er brauchte noch etwas Spaziergeld, um sich ein paar Drinks und Postkarten zu kaufen. Und morgen wollte er mal mit einem Glasboot raus aufs Meer.

    Er sah die Anzeige des Bankomaten schon von weitem. Sein Blick nach rechts und links vor dem Fußgängerstreifen war zum Glück Gewohnheitssache. Da rasten die Kerle mit ihren Minis auch schon wie die Verrückten an ihm vorbei.

    Er schüttelte über so viel Schwachsinn den Kopf. Diese Kerle nahmen überhaupt keine Rücksicht! Was, wenn an seiner Stelle ein Kind oder eine ältere Person über die Straße gelaufen wäre und sich nicht vorher umgesehen hätte? Die Arschlöcher hätten ja nie im Leben anhalten können!

    Weiter vorne fuchtelte ein älterer Herr tobend hinter den Minifahrzeugen her. Wahrscheinlich war ihm eben dasselbe passiert oder er hatte dasselbe über sie gedacht.

    Sie kamen aus der Rue de Napoleon herausgeschossen und bogen gegen das Zentrum ab.

    Keine fünf Minuten später waren Sirenen zu hören.

    Moretti hatte sein Bankgeschäft erledigt und war schon wieder unterwegs zum Strand. Neugierig machte er sich wieder auf den Rückweg zur Straße, wo diesmal mehrere Polizeifahrzeuge mit Blaulicht wie die Verrückten an ihm und anderen Fußgängern vorüberrasten.

    *

    Am nächsten Morgen stand es schwarz auf weiß in der Zeitung: Eine Bande dreister Bankräuber hatte die Martins Banque de Credit überfallen und fünf Millionen Euro erbeutet.

    Natürlich erfuhr man nichts darüber, wie sie es gemacht hatten. Aber Moretti, und wahrscheinlich den meisten Lesern des Blattes, war klar, dass bei den heutigen Sicherheitsstandards da ein Insider mitgemischt haben musste!

    Er ließ seinen Glasboot-Ausflug sausen. Stattdessen machte er sich, neugierig geworden, auf den Weg zum Polizeirevier. Er glaubte, sich die ersten drei Ziffern des einen Kennzeichens gemerkt zu haben.

    Nur so unter Palmen und Olivenbäumen am Strand zu liegen und zu faulenzen war nicht seins und stinkte ihm inzwischen schon gewaltig. Da konnte etwas Aufregung zwischendurch mal nicht schaden.

    Der Gendarm am Empfang betrachtete den untersetzten Endfünfziger zunächst etwas misstrauisch, als er sein Anliegen vorbrachte.

    Commissaire Luc Molière bot ihm dann eine Tasse Kaffee an, nachdem sich Moretti als Kollege zu erkennen gegeben hatte, und weihte ihn nur zu gern in seine dürften Fakten ein.

    Dieser wiederum war erfreut - zumindest am Rande - an einem Fall beteiligt zu sein. So erfuhr er, dass die Martins Trustbank noch zu den wenigen gehörte, die in Sachen Sicherheit noch weit hinten nachhinkte. Die Pläne hätten zwar bestanden, doch das Geld war von der Generalversammlung noch nicht gesprochen worden. Das hätte alles kommende Woche erst über die Bühne gehen sollen!

    Und wie er, war der Kommissar davon überzeugt, dass es sich wohl um ein Insider-Geschäft gehandelt hatte, das die Verbrecher hier abgezogen hatten!

    *

    Auf dem Revier der Kriminalpolizei Bern, der Abteilung Spezial Fahndung III an der Waisenhausstraße herrschte Feierabendlaune. Zum Glück war nach der Aufregung mit dem Schlächter von Bern wieder Ruhe eingekehrt und die Routine hatte wieder ihren normalen Lauf genommen.

    Im großen Empfangsbüro summten schon die Neonröhren, obwohl es draußen noch heller Tag war. Doch in den hohen Patrizierhäusern hielten die dicken Mauern nicht nur die Wärme, sondern ab einem gewissen Stand der Sonne auch das Tageslicht ab.

    Hinter dem Tresen saßen alle Angestellten an ihren Schreibtischen. Nicht alle waren mit Polizeiarbeit beschäftigt, da es an diesem Abend ruhig zuging.

    Der bullige Martin „Tinu" Seematter löste Kreuzworträtsel und kratzte sich zwischendurch seinen kahl rasierten Hinterkopf, wenn ihm das gesuchte Wort nicht gleich einfiel. Sein bärtiger Kollege Beat Grossenbacher vervollständigte ein Aktendossier. Der schmalbrüstige Krauskopf Samuel Jordi spielte an seinem Bildschirm Karten, während Patrick Berger die Füße mit den Fliegerstiefeln auf den Schreibtisch hochgelegt hatte. Das Abendblatt der größten Boulevardzeitung der Schweiz lag auf seinen Schenkeln, so dass er die Hände zum Blättern frei hatte und gleichzeitig an seinem Kaffee nippen konnte.

    Die letzten paar Minuten vor Feierabend wollte keiner etwas Neues anfangen.

    Der dunkelhaarige Korporal Karl Sutter kehrte mit einer kleinen Espressotasse vom Aufenthaltsraum zurück ins Empfangsbüro.

    Er wartete auf seinen Freund und Vorgesetzten, damit der ihn abholte. Sie waren zu einem Drink verabredet. Zudem befand sich sein Wagen wegen einer Reparatur des Kühlers in der Werkstatt.

    „Was liest du denn da?", zog er den hageren Riesen mit seiner Bubifrisur feixend auf.

    Aber Berger gab keine Antwort. Er schien ganz auf die Artikel in der Zeitung fixiert zu sein.

    Berger war hier nicht gerade der beliebteste Kollege, weil er häufig missmutig und schnell schlecht aufgelegt war, wenn ihm eine Laus über die Leber kroch, wenn ihm etwas nicht passte. Mit seiner launischen Art bekundeten seine Kollegen zwischendurch etwas Mühe. Dafür war er aber ein guter Polizist.

    Kari Sutter wechselte mit seinen Kollegen einen schnellen vielsagenden Blick. Wenn jetzt ein Besucher die Abteilung betreten würde, sähe es nicht sonderlich gut aus, wenn Berger die Füße auf dem Tisch hatte. Dennoch beneidete er ihn ein wenig um seine frivole Art, sich gewisse Freiheiten einfach herauszunehmen.

    Seufzend fuhr er sich mit seinen langgliedrigen Fingern durch sein schwarzes Haar, während er an seinem Espresso nippte.

    Berger saß starr. Seine Tasse verharrte bewegungslos in der Luft über seinem Schenkel und dem Abendblatt.

    Sutter wiederholte seinen Satz. Im Vorübergehen legte er Berger die Hand auf die Schulter und warf einen Blick in die Zeitung.

    Der junge Mann zuckte unter der Berührung zusammen, was ihn in seiner Annahme bestätigte, dass er von den Artikeln einvernommen war.

    Fast, als hätten sie es unter sich abgesprochen, betrat Wachtmeister Franz Scherrer das Büro. Er leitete die Abteilung Leib und Leben unter Kriminalkommissar Paolo Moretti und seinem Stellvertreter Charles Renoir.

    „Na, ihr seht aber tüchtig aus! Was habe ich nur für eine faule Truppe unter mir!", begrüßte er seine Kollegen feixend.

    „Ist ja schon bald Feierabend." Patrick Berger wurde tatsächlich rot. Rasch nahm er die Füße vom Tisch, um sich aufrecht hinsetzen zu können, und klappte die Boulevardzeitung zusammen.

    Der rothaarige Wachtmeister grinste, wohl wissend, dass sich Berger wieder mal ertappt fühlte. Er umrundete den Tresen, um sich zu ihnen zu gesellen.

    „Ist in fünf Minuten ja schon so weit", gab ihm auch Grossenbacher recht.

    Scherrer schüttelte scheltend seinen raspelkurz geschorenen Kopf. „Arbeitszeit ist Arbeitszeit, heijeijei! - Bist du schon so weit, Kari?"

    „Ja, gleich", nickte Sutter.

    Berger sah ihn aufmüpfig an. „Hast du die Zeitung heute schon gelesen?"

    „Nein. Steht überhaupt etwas Schlaues drin?"

    „Wenn man vom Auslandteil absieht, nichts Besonderes. Ansonsten das Übliche, was halt so neben den Promis in der Zeitung steht."

    „Drogen, Gewalt, Raub - und Mord?", erläuterte der Dicke Martin Seematter gelangweilt.

    „Denen geht’s nicht besser als uns", konstatierte Stefan Heim mit raschem Aufblicken von seiner Arbeit. Der sportliche Mittdreißiger sah sich die Videos eines Raubüberfalls in einer Privatvilla an.

    Auf Heims Einwand hob Berger kopfschüttelnd den Finger, um ihnen Einhalt zu gebieten. „Nein, diesmal nicht! Aber das werdet ihr mir nicht glauben!"

    „Was denn?"

    Nach dem kahlköpfigen Martin Seematter unterbrach nun auch Heim seine Arbeit und drehte sich nach Berger um.

    Scherrer hängte seinen Mantel auf und trat zu ihnen.

    Sutter beobachtete über den Rand der Kaffeetasse, wie Berger zunächst geräuschvoll die Luft einsog, ehe er ihnen antwortete: „Ein Bankraub an der Côte d‘Azur." 

    „Das ist ja irre!"

    „Sagte ich doch!", nickte er.

    „Dass es das heutzutage noch gibt?"

    „Sieht so aus. Lies vor!"

    „Wie haben sie es gemacht?"

    „Als die Kollegen mit ihren Köfferchen am Handgelenk aus der Bank traten, machte es: Päng!"

    „Wie: Päng?"

    „Na ja, vielleicht haben sie auch zuerst: Hände hoch! gefordert. Aber natürlich wollten die nicht gleich hören. Ein Wachmann wurde erschossen."

    „So ein Mist!"

    „Ja, armer Kerl. Da war nichts mehr zu machen."

    „Und jetzt?"

    Berger zuckte mit den hageren Schultern. „Nichts. Sind jetzt mit fünf Millionen Euro unterwegs."

    „Wow!"

    „Die haben ganz schön abgesahnt."

    Auf Bergers Miene lag ein breites Grinsen. Mit der freien Hand deutete er auf die aufgeschlagene Zeitung, wo über dem Foto, das einen mit einer Skimütze vermummten Mann in Lederjacke und Fliegerstiefeln zeigte, der reißerische Titel prangte. „Hier steht: Fünf Millionen bei Raub erbeutet! Ein Toter! Die Täter verschwinden mit einer Beute von über fünf Millionen Euro und sind so schnell verschwunden, dass die Polizei sie nicht wiederfindet."

    „Wow, Mann, da hatten die Typen ja unwahrscheinliches Glück, fünf Millionen Euro abzukassieren und zu verschwinden, ohne eine Spur zu hinterlassen!"

    Scherrer fand, dass Grossenbachers Stimme sogar ein klein wenig anerkennend klang. „Das erinnert mich glatt an Der große Eisenbahnraub von 1968 in England. Das war auch eine Riesen Sache."

    Sutter nickte. „Davon habe ich in der Schule gehört."

    „Das gibt’s doch nicht!" Martin Seematter fuhr sich fahrig mit der Hand über seinen nackten, im kalten Schein der Deckenbeleuchtung glänzenden Schädel.

    Berger fuhr aufbrausend hoch, während die Kaffeetasse scheppernd auf dem Schreibtisch landete. Er packte die Zeitung mit beiden Händen und streckte sie ihm ungehalten entgegen. „Kannst es ja hier selbst lesen, wenn du es mir nicht glaubst!", schnaubte er empört. Dabei brachte er auch noch das Kunststück fertig, mit dem Handrücken auf die offene Zeitung zu schlagen. - Als wenn die etwas dafürkönnte.

    Während der bullige Seematter die Zeitung entgegennahm, stand Heim auf, um ihm über die Schulter zu sehen.

    Auch Scherrer näherte sich ihm von der anderen Seite.

    „Nein! Ich wollte sagen, wir hatten ja bei uns vor ein paar Tagen auch zwei solche Überfälle!"

    „Ach ja?"

    „Sicher?"

    „Lest ihr denn keine Zeitung? Seematters Hautfarbe war rot vor Wut über die Dreistigkeit der Diebe. „Und jetzt haben die Dreckskerle auch noch einen Wachmann erschossen, der die Polizei alarmieren wollte!

    „Und fünf Millionen geraubt", sinnierte Scherrer seufzend.

    „So frech!", knurrte Heim in Seematters Rücken, während er über die Unverfrorenheit der Typen den Kopf schüttelte.

    „Das hört sich an wie ein Krimi."

    Der Wachtmeister nickte. Es war zu vermuten, dass das Diebesgut irgendwann auch bei ihnen in der Schweiz in Umlauf gebracht werden würde. Er fragte sich, ob die Scheine wenigstens registriert gewesen waren? Somit würden sie zurückverfolgt werden können.

    Es gehörte schon eine große Portion Mumm dazu, einen solchen Coup zu landen, und ein Riesenglück, wenn er auch noch gelang! Andererseits wunderte er sich aber auch, dass so etwas im Zeitalter der heutigen Sicherheitsvorkehrungen überhaupt noch immer möglich war? Aber vielleicht war es ja auch noch eine Bank mit altväterlichen Sicherheitsmaßnahmen, die heutzutage den Anforderungen nicht mehr genügten?

    „Hoffentlich kriegen sie die Scheißtypen bald!", knurrte Berger verdrossen, der sich insbesondere über den Mord am Wachmann aufregte.

    Scherrer pflichtete ihm nickend bei: „Und das Geld."

    „Fünf Millionen sind ein Haufen Kohle. Dafür lohnt es schon zu töten."

    Der Wachtmeister blickte Seematter an und schüttelte den Kopf. „Geteilt durch mehrere Täter bleibt davon nicht mehr viel übrig. Aber zum Glück schleckt keine Kuh weg, dass sie dieselbe Strafe ereilen wird, ob sie nun fünf oder 50 Millionen gestohlen haben!"

    „Trotzdem finde ich die Sache echt abgefahren, maulte Heim kopfschüttelnd. Mit Daumen und Zeigefinger fuhr er sich streichelnd über seinen Schnauzer „Es gehört schon eine große Portion Selbstvertrauen dazu, sich heutzutage noch an so etwas heranzuwagen.

    „Oder Dummheit! Die französischen Kollegen sind zu bedauern."

    „Vielleicht sollten wir ihnen unsere Hilfe anbieten", spottete Heim gutmütig, während er sich zurück an seinen Platz begab.

    Seine Kollegen blickten ihn mit schockierten Mienen an. „Bist du verrückt?"

    „Habt euch doch nicht so! War ja nur ein Witz!"

    „Darüber kann ich nicht lachen! Ich habe noch vom letzten Mal genug!", knurrte Scherrer ungehalten, der an die Episode mit dem Schlächter von Bern dachte. Dem Mörder wäre es beinahe gelungen, ihren Freund und Vorgesetzten Moretti fast vor ihren Augen abzustechen. Er wurde noch nachträglich blass bei dem Gedanken, dass es ihnen nur dank eines glücklichen Umstands gelungen war, den Schlächter noch rechtzeitig ausfindig und unschädlich zu machen.

    Berger pflichtete ihm seufzend bei: „Ja. Der arme Moretti. Beinahe hätte es unseren Chef erwischt! Nein danke, so etwas brauche ich wirklich nicht noch mal."

    Dein Wort in Gottes Ohr!, dachte Scherrer, während Seematter die Zeitung an Berger zurückreichte.

    „Apropos… Kari Sutter warf seinem Freund einen fragenden Blick zu. „Wie, denkst du wohl, geht es Moretti? Meinst du, er genießt seinen Zwangsurlaub?

    Scherrer zuckte mit den Achseln. „Da überfragst du mich. Ich habe keine neue Nachricht von ihm. Ich weiß nur, dass er gut angekommen ist. Aber das ist immerhin schon eine Woche her. Ich fürchte eher, er denkt jeden Tag an uns und fragt sich, ob wir wohl ohne ihn alles richtig machen!"

    „Vielleicht liest er ja auch gerade die Zeitung?", mutmaßte Berger.

    Danach kehrte auf dem Revier an der Waisenhausstraße 32 für die letzten Minuten Dienst wieder Ruhe ein. Alle freuten sich auf den wohlverdienten Feierabend.

    *

    Es war ein lauer Spätsommerabend. Nicht gerade einer dieser Hitzetage, von denen es in den letzten Jahren entweder zu wenig oder zu viel gegeben hatte, sondern gerade richtig.

    Eigentlich hätte Sandra Brechtbühl jetzt zusammen mit ihrem Freund am See beim Bräteln sitzen sollen, wenn er nicht kurz zuvor mit ihr Schluss gemacht hätte.

    Und das auch noch per sms! Dieser Mistkerl!

    Dabei konnte sie sich beim besten Willen keinen anderen Grund vorstellen, als dass er eine andere gefunden hatte, die ihm wohl besser gefiel. Jedenfalls konnte Sandra sich nicht erinnern, ihm irgendwelchen Anlass dazu gegeben zu haben! Oder war sie doch zu nachgiebig gewesen? Hatte sie ihr Leben zu sehr nach ihm ausgerichtet?

    Für Sandra war in den letzten zwei Stunden eine Welt zusammengebrochen. Selbstzweifel nagten an ihr, was sie falsch gemacht haben könnte?

    Sie knabberte an ihrer Unterlippe, ohne es zu merken. Die freie Hand hatte sie in der Tasche ihrer langen Strickjacke vergraben und spielte mit dem Schlüssel, der sich darin befand.

    Die junge Frau war völlig in Gedanken versunken mit dem Hund ihrer Mutter im Faulenseewald unterwegs.

    Hansi war ein dreijähriger Appenzellermischlingsrüde, noch jung, verspielt und voller Tatendrang. Freudig über den ausgedehnten Spaziergang trabte er an der langen Leine vor und neben ihr her. Dabei wedelte er zufrieden mit dem Schwanz. Ab und zu steckte er seine Nase in irgendein wohl gut riechendes Loch. Manchmal buddelte er kurz, bevor ihm dieser Zeitvertreib zu langweilig wurde und er munter weitertrabte. Sein Geschäft hatte er längst erledigt, aber sein Bewegungsdrang war noch so frisch, als wären sie gerade erst losgelaufen.

    Wie immer trug Sandra ihre Geldbörse und Ausweise auf sich, obwohl sie zu Fuß die knapp zwei Kilometer hierhergekommen war. Es war nicht mal, weil sie daran dachte, etwas anderes zu machen, als sie gerade tat, oder irgendwo anders hinzugehen, als sie

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1