Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Das grüne Paradoxon: Plädoyer für eine illusionsfreie Klimapolitik
Das grüne Paradoxon: Plädoyer für eine illusionsfreie Klimapolitik
Das grüne Paradoxon: Plädoyer für eine illusionsfreie Klimapolitik
eBook753 Seiten8 Stunden

Das grüne Paradoxon: Plädoyer für eine illusionsfreie Klimapolitik

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Manche Beiträge zum Klimaschutz sind nicht nur sinnlos, sondern kontraproduktiv, sagt Hans-Werner Sinn. So hat die Beimischung von Biosprit fatale Folgen von globalem Ausmaß: Wenn wir in den Tank stecken, was andere gerne auf dem Teller hätten, pflegen wir unser grünes Gewissen zu Lasten der Menschen in den Schwellen- und Entwicklungsländern.

Die europäische Umweltpolitik unterliegt der Illusion, dass sie durch einseitige Maßnahmen zur Verringerung der Emissionen und damit der Nachfrage nach fossilen Rohstoffen die weltweite Produktion solcher Rohstoffe verringern kann. Doch was, wenn die Herren über die Ressourcen nicht mitspielen? Was, wenn sie aus Angst vor einer Verschlechterung der Marktlage sogar noch mehr fördern? Sie müssen ihr Öl und Gas ja nicht an uns verkaufen, sondern können genauso gut die Nicht-Kioto-Länder bedienen, die 70% des globalen CO2 produzieren. Indem wir mit unserer Sparsamkeit die Energiepreise auf dem Weltmarkt drücken, subventionieren wir den Konsum der Amerikaner und Chinesen, die dann noch mehr Spritschleudern fahren und umweltverschmutzende Fabriken hochziehen.

Mit argumentatorischer Wucht und Weitsicht stellt Hans-Werner Sinn die gefährlichen Irrtümer der Umweltpolitik dar. Wenn wir unser Klima retten wollen, muss der blinde Aktionismus gestoppt und eine globale Strategie zur Verlangsamung des Ressourcenabbaus gefunden werden.
SpracheDeutsch
HerausgeberWeltbuch Verlag
Erscheinungsdatum2. Nov. 2020
ISBN9783906212616
Das grüne Paradoxon: Plädoyer für eine illusionsfreie Klimapolitik

Ähnlich wie Das grüne Paradoxon

Ähnliche E-Books

Business für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Das grüne Paradoxon

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Das grüne Paradoxon - Prof. Hans-Werner Sinn

    heranzuziehen

    KAPITEL 1

    WARUM DIE ERDE IMMER WÄRMER WIRD

    Nur ein klitzekleines bisschen • Der Treibhauseffekt • Warum es auf das Kohlendioxid ankommt • Andere Treibhausgase • Alte Luft • Schon ein Grad mehr • Die letzten 800.000 Jahre • Korrelation und Kausalität: ein lösbares Rätsel • Auf zum Nordpol • Wie warm es wird • Was ist schlimm daran?

    Nur ein klitzekleines bisschen

    Kohlendioxid, CO2, ist ein ungiftiges Gas. Es kommt in jeder Sprudelflasche vor und erfrischt uns mit seinem Prickeln. Aber dennoch macht es uns Angst, weil sich immer mehr davon in der Atmosphäre anreichert und den Treibhauseffekt erzeugt. Ähnlich wie die Glasscheiben eines Treibhauses fängt das Kohlendioxid das Sonnenlicht ein und erwärmt so die Erde.

    Kohlendioxid entsteht bei der Verbrennung von Kohlenstoff, der im Öl, in der Kohle, im Erdgas, im Holz und in anderen organischen Materialien enthalten ist. Kohlendioxid wird auch in unserem Körper und in der Natur gebildet, denn die Fette, Kohlenhydrate und Eiweiße, die Lebewesen chemisch verbrennen, enthalten ebenfalls Kohlenstoff.

    Verblüffend ist, wie wenig Kohlendioxid sich in der Luft befindet. Gerade einmal 0,038%, also knapp vier Hundertstel von einem Prozent, der Atmosphäre bestehen aus diesem Gas. Damit man nicht mit den Nachkommastellen hantieren muss, sagen die Chemiker dazu auch 380 ppm, wobei ppm für Partikel bzw. Moleküle pro Million steht. Das hört sich zwar nach mehr an, ist aber nicht mehr. Vor der Industrialisierung betrug der Wert nur 280 ppm. Übrigens verteilen sich die Gase stets so in der Luft, dass ihre Moleküle gleich weit voneinander entfernt sind. Die Relation von Volumenangaben entspricht deshalb stets der Relation der Anzahl der Moleküle.¹ Wegen des unterschiedlichen Gewichts der Moleküle bedeutet das freilich nicht, dass die Gewichtsrelationen den Volumenrelationen entsprechen. Kohlendioxid ist ein recht schweres Gas, das sich, wenn es durch die Luftbewegungen nicht stets vermischt würde, in Bodennähe konzentrieren würde.

    Fast die gesamte Luft, nämlich 97%, besteht aus Sauerstoff und Stickstoff. Sauerstoff, den wir zum Atmen brauchen, macht 21% und Stickstoff macht 76% aus. Der Rest besteht aus etwa 2,5% Wasserdampf sowie einer Vielzahl von Spurengasen, wovon Kohlendioxid mit seinen 380 ppm für das Klima am wichtigsten ist. Am zweitwichtigsten ist Methan, das bei der Verrottung von Pflanzen unter Ausschluss von Sauerstoff, so zum Beispiel in Rindermägen, entsteht und einen Volumenanteil von 1,8 ppm hat. Treibhausgase im engeren Sinne sind das Kohlendioxid, das Methan, das Lachgas und andere Spurengase, die weiter unten noch näher erläutert werden. Zu den Treibhausgasen im weiteren Sinne rechnet man auch noch den Wasserdampf, was aber nicht heißt, dass er nur eine geringe Bedeutung hat.

    Wasserdampf hat für den Treibhauseffekt im Gegenteil eine sehr große Bedeutung. Er tritt zumeist in völlig gelöster, unsichtbarer Form auf, kann aber auch bei niedrigem Druck oder niedriger Temperatur kondensieren und sich dann als Wolken, Regen und Schnee in der Atmosphäre befinden. Seine Konzentration variiert sehr stark. Der Treibhauseffekt wird nur durch unsichtbaren, nichtkondensierten Wasserdampf hervorgerufen. In der Regel tritt das in der Atmosphäre enthaltene Wasser zu 96% in Form von Wasserdampf auf. Die restlichen 4% sind Wassertröpfchen und Eiskristalle in den Wolken, im Regen und im frisch fallenden Schnee.²

    Die Treibhausgase sind eigentlich kein Problem, sondern ein Segen für die Menschheit. Wie so häufig kommt es nämlich auf die richtige Dosierung an. Gäbe es weder Treibhausgase im engeren Sinne noch Wasser als Dampf oder Wolken in der Luft, bestünde die gesamte Luft ausschließlich aus Stickstoff und Sauerstoff, was sie ja sowieso fast tut, wäre die Erde kaum bewohnbar, weil die durchschnittliche Temperatur der Erdoberfläche bei – 6 °C läge. (Noch viel kälter wäre sie, wenn es zwar Wasser als Wasserdampf und Wolken in der Luft gäbe, aber keine Treibhausgase im engeren Sinne, denn dann wäre die Wolkendecke so dicht, dass kaum ein Sonnenstrahl auf die Erde fiele. Dazu mehr weiter unten.) Heute liegt die Temperatur der Erdoberfläche bei durchschnittlich 14,5 °C, und in vorindustrieller Zeit lag sie bei 13,5 °C. Gut 20 °C der Wärme in unserer Umgebung sind also auf die Treibhausgase einschließlich des Wasserdampfes zurückzuführen.³

    So gesehen muss man wirklich von Glück sagen, dass es die Treibhausgase gibt. Erst diese Gase haben das Leben, wie wir es kennen, möglich gemacht. Eine Temperatur von etwa 14 °C klingt zwar auch nicht gerade gemütlich, sie ist es aber, denn man muss bedenken, dass es dabei um einen Mittelwert geht, der Polkappen und Tropen, Winter und Sommer, Tag und Nacht umschließt. Mit solchen Temperaturen kommen wir Menschen und die Natur gut zurecht, weil die Evolution uns für solche Temperaturen gebaut hat. In der letzten Million Jahre Evolutionsgeschichte, die wir hinter uns haben, lag die Temperatur im Mittel bei etwa 11 °C und wich von diesem Wert in den Warmzeiten um bis zu 4 °C nach oben und in den Eiszeiten um bis zu 2 °C nach unten ab. Veränderungen dieser Größenordnung konnten wir meistern, weil Pflanzen und Tiere sich zwischen den kälteren und wärmeren Regionen hin- und herbewegen und ihre Umgebungstemperatur auf diese Weise stabil halten konnten.

    Auf dem Höhepunkt der letzten Eiszeit, vor 18.000 Jahren, als die Temperatur der Erde im Mittel etwa 5,5 °C niedriger war als heute, wohnte niemand auf dem Gebiet, das jetzt Deutschland ist, weil praktisch das ganze Land mit Eis bedeckt war.⁴ In Deutschland, das heute eine Durchschnittstemperatur von 9 °C hat, herrschten damals Temperaturen in der Gegend von – 4 °C.⁵ In Afrika, Indien und Australien, aber auch im Mittelmeerraum gab es indes angenehm temperierte Gebiete, wo sich unsere Vorfahren aufhielten. Die afrikanischen Tropen, die heute eine Temperatur von durchschnittlich 26 °C haben, lagen damals bei etwa 21 °C, eine Temperatur, die man heute im nördlichen Ägypten, in Texas oder Florida findet. Süditalien hatte eine Temperatur wie heute Deutschland. Die Lufttemperatur lag dort um acht bis zehn Grad unter den heutigen Werten und entsprach damit in etwa den heutigen Werten von Deutschland.⁶

    Aus dem Segen kann aber ein Fluch werden, wenn die Treibhausgase durch Menschenhand vermehrt werden, denn das Klima reagiert außerordentlich sensibel auf die Konzentration dieser Gase. Wenn schon das klitzekleine bisschen von nur 0,038%, das sich in der Luft befindet, zusammen mit dem Wasserdampf einen Temperaturanstieg um 20 °C verursacht, dann könnte eine unkontrollierte Vermehrung leicht zum Fiasko werden. Gott behüte uns vor Verhältnissen wie auf der Venus, deren Atmosphäre im Wesentlichen aus Kohlendioxid und Wasserdampf besteht. Wegen des Treibhauseffekts ist es auf der Venus 525 °C warm. Herrschten auf unserer Erde solche Temperaturen, gäbe es kein Leben und erst recht keine Liebe. Die Erde ist gut so, wie sie ist. Von hier aus kann man die Venus am Abendhimmel betrachten, während man sich an seiner Liebsten erwärmt.

    Der Treibhauseffekt

    Hinter den in der Öffentlichkeit kursierenden Aussagen zum Treibhauseffekt stehen fundierte naturwissenschaftliche Theorien sowie umfangreiche Messreihen und Beobachtungen. Da diese Aussagen von praktisch allen führenden Klimawissenschaftlern geteilt werden, kann es keinerlei Zweifel im Grundsätzlichen mehr geben. Nach den ersten Studien im 19. Jahrhundert gibt es mittlerweile eine kaum mehr überschaubare Flut an wissenschaftlichen Publikationen zu dem Thema.⁷ Als Autorität für die Interpretation der Fakten und die Anwendung der Theorien gilt das Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC, eine von den Vereinten Nationen finanzierte, in Genf angesiedelte Forschungseinrichtung mit 2500 Mitarbeitern, die das Klima beobachtet und regelmäßig aktualisierte Berichte dazu publiziert.⁸ Im Kern geht die Klimaforschung von der Erkenntnis aus, dass Gase, die aus mindestens drei Atomen bestehen, wie Filter wirken. Sie absorbieren bestimmte Wellenlängen aus dem Bereich des infraroten Lichts, erwärmen sich und geben die Wärme dann an die anderen Gase in ihrer Umgebung ab. Dabei geht es insbesondere um die Rückstrahlung von der Erde ins Weltall, die vornehmlich im infraroten Wellenbereich angesiedelt ist. Dreiatomige Treibhausgase sind Kohlendioxid (CO2), Wasserdampf (H2O), Stickoxid (N2O) und Ozon (O3). Methan hat die chemische Formel CH4, besteht also aus fünf Atomen. Die unter dem Sammelnamen FCKW erfassten Gase haben mindestens sechs Atome. So wie ein Farbfilter bestimmte Spektren aus dem Licht absorbiert und dadurch den Farbeindruck erzeugt, absorbieren auch die Treibhausgase bestimmte Spektralfarben. Sauerstoff (O2) und Stickstoff (N2) erzeugen keinen Treibhauseffekt, weil bei ihnen jedes Molekül nur aus zwei Atomen zusammengesetzt ist.

    Das Sonnenlicht besteht aus einem weiten Farbspektrum, das vor allem im blauen, kurzwelligen Bereich viel Energie enthält. Es fällt weitgehend ungehindert auf die Erdoberfläche, erwärmt sie und wandelt sich so in infrarotes Licht um, das wieder von der Erde abgestrahlt wird. Infrarotes Licht kann man zwar nicht sehen, aber als Wärmestrahlung spüren. Dass eine Heizung infrarote Strahlung aussendet, merkt jeder, der davor steht, und wenn man die Kälte im Rücken spürt, so liegt es daran, dass hinter einem eine Wand ist, die nur wenig solches Licht ausstrahlt. Die Polizei macht gerne Fotos mit infrarotem Licht, und man kann solche Fotos auch von seinem Haus machen lassen, um Lücken bei der Gebäudeisolierung aufzuspüren. Erhebliche Teile des infraroten Lichts, das die Erde zurückstrahlt, werden von den Treibhausgasen absorbiert, in Leitungswärme umgewandelt und so daran gehindert, ins Weltall zu entweichen. Das hält unsere Erde warm.

    Es hält sie warm, aber es macht sie nicht immer wärmer. Theoretisch hat die Erde eine stabile Durchschnittstemperatur, deren Höhe freilich von der Konzentration der Treibhausgase und anderen Einflussgrößen abhängig ist. Mit der Aussage, dass die Temperatur stabil ist, meint man nicht, dass sie konstant ist, sondern dass sie nach einer äußeren Störung wie beispielsweise der Änderung der Sonneneinstrahlung oder der Verschiebung der Kontinente und der damit einhergehenden Änderung in der Absorption von Strahlung wieder gegen einen neuen Gleichgewichtswert strebt. Ein Ei, das man in einem Löffel umherträgt, befindet sich in einer stabilen Lage, obwohl es sich leicht hin und her bewegt, denn wenn man stehen bleibt, kommt es zur Ruhe. Ein Ei, das man auf dem Rücken des Löffels zu balancieren versucht, befindet sich in einer instabilen Lage, denn beim kleinsten Zittern fällt es herunter. Da die Temperatur der Erde stabil ist, führt eine geänderte Sonneneinstrahlung nicht zu sich immer weiter verstärkenden, explosionsartigen Änderungen der Temperatur, sondern nur zu leichten Änderungen, die im Laufe der Zeit immer kleiner werden und gegen einen Grenzwert streben. Temperaturabweichungen aufgrund äußerer Störungen schaukeln sich also im Zeitablauf nicht auf. Wäre die Temperatur der Erde nicht stabil in diesem Sinne, dann gäbe es kein Leben auf der Erde, weil es im Verlauf der Erdgeschichte viele solcher Störungen gab und die Erde inzwischen verglüht oder erfroren wäre.

    Die Temperatur ist stabil, weil die Erde umso mehr Energie abstrahlt, je wärmer sie ist. Ist die Erde aufgrund von äußeren Störungen einmal wärmer, als es der stabilen Temperatur entspricht, gibt sie mehr Strahlung ab, als sie erhält, und wird wieder kälter. Ist sie aufgrund solcher Störungen einmal kälter, strahlt sie weniger ab, als von der Sonne ankommt, und sie wird wieder wärmer. Es ist wie bei einer Glühbirne. Der beständig zufließende Strom macht den Glühfaden nicht immer heller, sondern erzeugt eine Helligkeit, die dadurch bestimmt ist, dass die Energiemenge, die über die Strahlung verloren geht, genauso hoch ist wie die Energiemenge, die über die Stromleitung zugeführt wird.

    Der Treibhauseffekt

    ABBILDUNG 1.1

    Im Mittel über alle Gebiete, Winter und Sommer, Tag und Nacht gerechnet, empfängt die Erde mitsamt ihrer Lufthülle pro Quadratmeter Erdoberfläche eine Energieeinstrahlung von 343 Watt. Die Erde muss deswegen gerade so warm sein, dass sie genau diese Energie wieder abstrahlt. Gäbe es nur Sauerstoff und Stickstoff in der Atmosphäre, also keinen Wasserdampf und keine Wolken, kein Kohlendioxid oder irgendwelche anderen Treibhausgase, so würden 55 Watt gleich wieder von der Luft und der Erdoberfläche reflektiert, so dass 288 Watt zur Aufwärmung der Erdoberfläche und der Luft verblieben. Die Temperatur der Erdoberfläche würde sich dann auf einem Niveau stabilisieren, bei dem die Wärmestrahlung, die von der Erde zurück ins Weltall geht, auch gerade eine Energie von 288 Watt pro Quadratmeter hat. Ohne die Treibhausgase im engeren Sinne und ohne Wasserdampf ist das die oben erwähnte Temperatur von – 6 °C.

    Den Wasseranteil in der Luft kann man bei einem Vergleichsszenarium freilich schlecht wegdenken, weil er sich abhängig von der Temperatur durch die Verdunstung der Weltmeere ergibt. Da Wasserdampf in der Luft bei niedrigen Temperaturen zu einer verstärkten Wolkenbildung führt, ist auch noch die Sonneneinstrahlung auf der Erdoberfläche reduziert. Die Durchschnittstemperatur ohne die Treibhausgase im engeren Sinne, aber mit Wasser in der Luft, läge sogar nur bei etwa –18 °C.⁹ Auf der Erde wäre es bei einem solchen Szenarium nicht nur sibirisch kalt, es käme wegen der Wolkendecke auch kaum ein Lichtstrahl an. Menschen gäbe es nicht, obwohl in der Nähe des Äquators vermutlich auch dann noch eisfreie Gebiete vorhanden wären.

    Der Temperaturanstieg von knapp 32 °C, von –18 °C auf +13,5 °C, der die Erde überhaupt erst bewohnbar macht, kommt hauptsächlich dadurch zustande, dass das Kohlendioxid und die anderen Treibhausgase einen Teil der Wärmestrahlung einfangen. Abbildung 1.1 illustriert diese Zusammenhänge in schematisierter Form. Mit dem Temperaturanstieg verdunstet allerdings auch mehr Wasser aus den Weltmeeren, und mit der höheren Wasserdampfkonzentration in der Luft entsteht ein zusätzlicher Treibhauseffekt. Zugleich geht die Wolkenbildung mit der Erwärmung zurück, was die Erwärmung abermals verstärkt. Zwar halten Wolken selbst einen Teil der abgehenden Wärmestrahlung zurück, doch dominiert der Umstand, dass sie von vornherein einen Teil des Sonnenlichts reflektieren. Summa summarum war mit den Treibhausgasen der vorindustriellen Zeit eine Temperatur von +13,5 °C vonnöten, damit genau jene 343 Watt pro Quadratmeter auf dem Wege der Reflexion oder Umwandlung in Wärmestrahlung wieder ins Weltall zurückgestrahlt wurden, die von der Sonne kamen.

    Warum es auf das Kohlendioxid ankommt

    Die verschiedenen Treibhausgase kann man nicht gleichsetzen. Jedes hat seine Eigenarten, und erst wenn man diese Eigenarten verstanden hat, kann man die Bedeutung des Klimaproblems wirklich ermessen.

    Wasserdampf ist das wichtigste Treibhausgas. Zwar trägt er pro Molekül im Vergleich zu einem Molekül Kohlendioxid nur 4% zum Treibhauseffekt bei, doch gibt es von ihm so viel in der Atmosphäre, dass er mehr als die Hälfte des Effekts, etwa 65%, erklärt. Wasserdampf ist mit einem Volumenanteil von ca. 2,5% bzw. 25.000 ppm mit Abstand das am stärksten in der Atmosphäre vertretene klimarelevante Gas.¹⁰

    Da die Konzentration des Wasserdampfes in der Luft auf dem Wege der Verdunstung von Meerwasser durch die Temperatur der Erde selbst gesteuert wird, rechnet man den Wasserdampf allerdings zumeist nicht mit ein, wenn man von den Treibhausgasen spricht. Deshalb die Unterscheidung in Treibhausgase im engeren und im weiteren Sinne, die oben getroffen wurde. Wasserdampf erzeugt zwar einen enorm wichtigen Rückkopplungs- oder Selbstverstärkungseffekt beim Treibhausgeschehen, ist aber keine autonome Einflussgröße, die durch Menschenhand anders als auf dem Wege über die Temperatur selbst verändert werden kann.

    Das ist insofern wichtig, als ja häufig behauptet wird, dass der Einfluss des Kohlendioxids angesichts der überragenden Bedeutung des Wasserdampfes unerheblich für das Klima sei. Statt das Augenmerk auf das Kohlendioxid zu lenken, solle man lieber bedenken, dass sehr viel Wasserdampf aus den Kühltürmen von Kraftwerken entweiche und im Übrigen auch bei der Verbrennung von Kohlenwasserstoffen wie Kohle, Erdgas und Erdöl entstehe. Auch müsse man beim Aufbau der von grüner Seite geforderten Wasserstoffwirtschaft bedenken, dass bei der Verbrennung von Wasserstoff sehr viel Wasserdampf in die Atmosphäre gelange, so dass sich die Erde weiter erwärme. Diese Behauptungen verkennen, dass sich der Anteil des Wasserdampfes an der Atmosphäre durch das Wettergeschehen ständig selbst reguliert. Stets bildet sich über den Meeren neuer Wasserdampf, und stets kondensiert dieser Dampf, regnet binnen kurzer Zeit (acht bis zehn Tage) wieder ab und kehrt über die Flüsse in die Meere zurück.¹¹ Wie viel bei diesem ständigen Wasserkreislauf als Dampf in der Atmosphäre verbleibt und zum Treibhauseffekt beiträgt, hängt von der Temperatur der Luft ab, denn je wärmer die Luft ist, desto mehr Wasserdampf kann sie speichern. Man sieht das jeden Morgen, wenn der Tau bei steigender Lufttemperatur wieder verdunstet. Jedwedes zusätzliche Wasser, das durch menschliche Aktivitäten in die Atmosphäre gebracht wird, regnet aus diesen Gründen schnell wieder ab und kann deshalb nicht zum Treibhauseffekt beitragen.

    Die zentrale Rolle beim Einfluss des Menschen auf das Klimageschehen hat das Kohlendioxid. Kohlendioxid ist zwar aus physikalischer Sicht nach dem Wasserdampf nur das zweitwichtigste Treibhausgas und erklärt etwa 60% des Drittels, das vom Wasserdampf nicht erklärt wird (vgl. Tabelle 1.1). Dennoch ist dieses Gas für die aktuelle Klimafrage unvergleichlich wichtiger als der Wasserdampf, weil sein Anteil an der Luft im Gegensatz zum Wasserdampf vom Menschen selbständig erhöht werden kann und nicht nur durch natürliche Prozesse bestimmt wird.

    Auch das Kohlendioxid ist an Austauschprozessen mit den Meeren beteiligt. Da es in Form von Kohlensäure eine lose Verbindung mit Wasser eingeht, wird es durch den Regen in die Meere ausgewaschen. Von dort wird es indes durch den Wellengang wieder freigegeben, ähnlich wie es sich beim Schütteln einer Sprudelflasche prickelnd vom Wasser löst. Dieser Austauschprozess hat wenig Ähnlichkeit mit dem Wasserkreislauf, denn die Kohlendioxid-Menge, die die Luft aufnehmen kann, ist nicht durch natürliche Kräfte begrenzt, sondern kann durch menschliche Aktivitäten in weiten Bereichen nahezu beliebig gesteigert werden. Begrenzt ist dagegen die Aufnahmefähigkeit des Wassers in den oberen Schichten der Weltmeere, die mit der Luft im Austausch stehen. Mit wachsender Konzentration des Kohlendioxids in diesen Wasserschichten wird immer mehr Kohlendioxid durch den Wellengang freigegeben, so dass immer nur ein Teil der vom Menschen in die Luft emittierten CO2-Menge durch die Meere absorbiert werden kann und sich der Rest in der Luft ansammelt.

    Wasserdampf erzeugt einen Selbstverstärkungseffekt beim Klimageschehen, weil sich bei höheren Temperaturen mehr Wasserdampf bildet und der Treibhauseffekt auf diese Weise verstärkt wird. Auch beim Kohlendioxid gibt es einen Selbstverstärkungseffekt insofern, als höhere Meerestemperaturen die Aufnahmefähigkeit des Meerwassers für Kohlendioxid verringern. Dieses Phänomen ist jedem aus der eigenen Anschauung geläufig, weil sich jeder schon einmal vollgespritzt hat, als er eine warme Sprudelflasche öffnete. Wenn es aufgrund äußerer Einflüsse zu einer Erwärmung der Erde kommt, gibt das Meerwasser mehr CO2 frei, und die Konzentration von CO2 in der Luft erhöht sich, was zu einer zusätzlichen Erwärmung der Erde führt. Die verringerte CO2-Speicherfähigkeit des Meeres bei steigenden Temperaturen ist die wichtigste destabilisierende Kraft im Klimageschehen.

    Destabilisierend ist es auch, wenn steigende Temperaturen die Permafrostgebiete der Erde, die sich vornehmlich in Sibirien und Kanada befinden, zum Auftauen bringen. Tauen die Permafrostgebiete auf, wird der Verrottungsprozess in den Mooren, der während der bisherigen Kälteperiode unterbrochen war, fortgesetzt. Dabei wird CO2 und Methan freigesetzt, was den Treibhauseffekt beschleunigt. Doch zum Glück sind all diese destabilisierenden Kräfte nicht so stark, dass sie die Temperatur der Erde zum Umkippen bringen können. Da die Stabilisierungswirkung der erhöhten Abstrahlung von Wärme nach einer Temperaturerhöhung wesentlich stärker wiegt, ist aufgrund des Treibhauseffekts zwar eine erhebliche Erwärmung auf der Erde, aber keine unkontrollierte, sich aufschaukelnde Temperaturentwicklung zu erwarten.

    Das Kohlendioxid wird nicht nur von den Meeren absorbiert, sondern auch von den Pflanzen. Wenn mehr Kohlendioxid in der Luft ist, dann wachsen einige Pflanzen etwas schneller, weil ein das Wachstum fördernder Nährstoff reichlicher vorhanden ist. Andererseits entsteht durch die Verrottung der Pflanzen anschließend auch wieder mehr CO2. Es wird jedoch mehr CO2 absorbiert als erzeugt, weil sich der Bestand an Biomasse in Form der Pflanzen und Tiere vermehrt. Dies bremst den Temperaturanstieg ab und wirkt insofern stabilisierend auf das Klimageschehen. Die Anreicherung des Kohlendioxids in der Luft kann durch das Pflanzenwachstum allerdings nur verlangsamt werden. Für eine Verhinderung des Temperaturanstiegs ist der Effekt viel zu schwach, zumal hinreichend hohe Temperaturen auch zu einem Absterben der Flora führen können.

    Im Gegensatz zu anderen Treibhausgasen ist Kohlendioxid chemisch außerordentlich stabil. Es reagiert nicht mit anderen Gasen der Luft und zersetzt sich deshalb nicht. Es wird durch die Verbrennung fossiler Kohlenstoffvorräte vielmehr in der Luft akkumuliert und erhöht den schon vorhandenen Bestand immer weiter. Das ist der Hauptgrund für die Sorge um das Klima, die sich mit diesem Gas verbindet. Nur durch eine Reaktion mit Kalksteinen und ein allmähliches Absinken des in die Meere abgeregneten Kohlendioxids in tiefere Wasserschichten kann ein einmal vorhandener CO2-Bestand in der Atmosphäre allmählich wieder etwas verringert werden, aber diese Prozesse verlaufen aus der Perspektive des Menschen viel zu langsam, als dass man hieraus eine Entwarnung in puncto Klimaänderung herleiten könnte. Die durchschnittliche Verweildauer einer heute zusätzlich in die Atmosphäre emittierten CO2-Menge liegt bei etwa 30.000 bis 35.000 Jahren.¹²

    Andere Treibhausgase

    Ein weiteres, sehr wichtiges Treibhausgas ist Methan (CH4) mit 1,8 ppm. Methan ist praktisch Erdgas. Es entweicht zum Beispiel aus seinen natürlichen unterirdischen Lagerstätten. Aber es entsteht vor allem auch ganz neu durch Verrottung von organischen Stoffen in der Natur. Wenn Sauerstoff an der Verrottung beteiligt ist, entsteht CO2. Wenn die Verrottung unter Ausschluss von Sauerstoff stattfindet, entsteht Methan. Das ist vornehmlich in Humusschichten der Fall, kann aber auch durch Fermentierung im Magen der wiederkäuenden Rinder geschehen. Wer den schrecklichen Gestank in der amerikanischen Rinderstadt Laramie erlebt hat, glaubt sofort, dass dies ein wichtiger Effekt ist. Pro Gewichtseinheit absorbiert das Methan 72-mal so viel Strahlung wie Kohlendioxid. Aber zum Glück reagiert es mit Sauerstoff und zerfällt bei einer mittleren Lebenszeit von nur 15 Jahren in Kohlendioxid und Wasser. Es ist dann zwar immer noch schädlich für das Klima, aber nicht mehr so sehr wie vor dem Zerfall. Weil das so ist, ist es üblich geworden, den Beitrag des Methans zur Erderwärmung nicht durch die momentan absorbierte Wärmestrahlung zu messen, sondern durch den Gesamtbeitrag, den ein Kilogramm Methan im Vergleich zu einem Kilogramm Kohlendioxid über eine vorgegebene Zeitspanne zur Erderwärmung beisteuert. So liegt der Treibhauseffekt pro Gewichtseinheit beim Methan über die nächsten zwanzig Jahre gerechnet beim 72-fachen, über die nächsten hundert Jahre beim 25fachen und über die nächsten fünfhundert Jahre beim 8fachen von CO2.¹³ Pro Molekül liegt der Treibhauseffekt allerdings über hundert Jahre gerechnet nur bei einem Neuntel von CO2.

    Die letztgenannte Zahl ist wichtig, um die Konsequenzen einer Verbrennung von Methan zu verstehen. Da aus einem Molekül Methan durch Verbrennung ein Molekül Kohlendioxid und zwei Wassermoleküle werden und zusätzliches Wasser, wie erläutert, ausgeregnet wird, reduziert die Verbrennung den Treibhauseffekt des Methans auf ein Neuntel. Deshalb sollten die Menschen Methan niemals ungenutzt in die Luft entweichen lassen. Es ist zwar ärgerlich, wenn bei der Bohrung auf Ölfeldern das mit austretende Gas abgefackelt statt verwertet wird, aber es ist sicher besser, es abzufackeln, als es einfach nur in die Luft zu blasen. Auch muss man die Bauern loben, wenn sie ihre Bioabfälle wie zum Beispiel die Gülle nicht unkontrolliert verrotten lassen, sondern daraus durch gezielte Vergärung Gas machen und für ihre Heizung verwenden.

    Von gewisser Bedeutung für das Klima sind auch noch das Lachgas (Distickstoffmonoxid, N2O) mit 0,3 ppm, das Ozon (O3) mit 0,015–0,050 ppm und die sogenannten FCKWs mit 0,0009 ppm.¹⁴ Lachgas entsteht hauptsächlich in der Landwirtschaft durch die Nutzung von Düngemitteln. Ozon entsteht auf natürliche Weise in Höhen von 20–40 Kilometern aus Sauerstoff und baut dort eine wichtige Schutzschicht gegen UV-Licht auf. Ozon ist aber auch Hauptbestandteil des Sommersmogs, der in Bodennähe vor allem aus Autoabgasen unter Sonnenlichteinwirkung entsteht und dort gesundheitsschädliche Wirkungen entfaltet. Über hundert Jahre gerechnet liegt der Treibhauseffekt einer Gewichtseinheit Lachgas beim 298fachen und einer Gewichtseinheit Ozon beim bis zu 2000fachen des Kohlendioxids. Wegen der geringen Konzentration tragen diese Treibhausgase aber nur 13% (N2O: 4%, O3: 9%) zum anthropogenen, also von Menschen verursachten Treibhauseffekt bei.

    Etwas wichtiger ist das FCKW. Das Kürzel steht für das beinahe unaussprechliche Wort Fluorchlorkohlenwasserstoff. Es kennzeichnet eine Gruppe von Gasen mit vergleichsweise komplizierten chemischen Formeln, die in der Atmosphäre großen Schaden anrichten, weil sie die Ozonschicht zerstören, die nicht nur am Treibhauseffekt beteiligt ist, sondern die Erde umgekehrt vor den UV-Strahlen der Sonne schützt. FCKWs sind künstliche Gase, die so in der Natur nicht vorkommen. Sie wurden in Spraydosen und Kühlanlagen verwendet und entwichen von dort in die Atmosphäre. Nach dem Produktionsverbot, das mit dem Abkommen von Montreal aus dem Jahr 1987 ausgesprochen wurde, gehen die bereits aufgebauten Bestände dieses Gases in der Atmosphäre allmählich wieder zurück, so dass die Ozonlöcher über den Polen sich allmählich wieder verkleinern. So hatte der Anteil eines dieser Gase, des FCKW-11, im Jahr 1993 seinen Höhepunkt erreicht und nimmt seitdem leicht ab. Für das FCKW-12 ist zwar noch keine Abnahme der Konzentration zu erkennen, aber seit Anfang der 1990er Jahre immerhin eine deutliche Verringerung der Zuwachsrate.¹⁵ Für das Klima sind die FCKW-Gase wichtig, weil sie relativ zu ihrer Größe einen riesengroßen Treibhauseffekt erzeugen, der pro Molekül zwischen 5000- und 10.000-mal und pro Gewichtseinheit bis zu elfmal so stark ist wie beim Kohlendioxid. Während der nächsten hundert Jahre sind die bereits ausgestoßenen FCKW-Bestände für etwa ein Neuntel der Erderwärmung verantwortlich.

    Zusammengenommen haben alle Treibhausgase außer dem Kohlendioxid und dem Wasserdampf derzeit, über eine Zeit von hundert Jahren gerechnet, einen Treibhauseffekt wie etwa 50 bis 70 ppm Kohlendioxid. Deswegen liegt die »CO2-äquivalente« Treibhausgaskonzentration ohne den Wasserdampf heute bei etwa 430 bis 450 ppm.¹⁶ Tabelle 1.1 gibt eine Übersicht über die heutigen Quellen der Treibhausgase.

    Die Treibhausgase*

    TABELLE 1.1

    *außer Wasserdampf

    **FCKW-11, FCKW-12, FCKW-22

    Quellen: C.D. Schönwiese, a.a.O., S.337, und S. Solomon, D. Qin, M. Manning, Z. Chen, M. Marquis, K.B. Averyt, M. Tignor und H.L. Miller, a.a.O., S.212f., sowie L.K. Gohar und K.P. Shine, a.a.O.

    Die erste Spalte der Tabelle beschreibt die Volumenanteile der jeweiligen Gase an der Luft. Die zweite Spalte gibt die mittlere Verweildauer in der Luft an. Die Angaben schwanken zwischen zwei Monaten beim Ozon und 35.000 Jahren beim Kohlendioxid. Die dritte Spalte zeigt, welchen Treibhauseffekt der Ausstoß von einem Kilo des entsprechenden Gases über die nächsten hundert Jahre relativ zu einem Kilogramm CO2 hat. Die vierte Spalte zeigt die Kohlendioxidäquivalente in ppm, also Partikeln pro Millionen, für die jeweiligen Gase in ihrer heutigen Konzentration in der Atmosphäre. Dabei wird der Temperatureffekt über eine Zeitspanne von hundert Jahren zugrunde gelegt. Die letzte Spalte gibt den prozentualen Anteil am Treibhauseffekt aller Gase außer dem Wasserdampf an. Die überragende Bedeutung des CO2 für die Klimapolitik wird an der Tabelle deutlich.

    Alte Luft

    Man weiß ziemlich genau, wie sich der Kohlendioxidanteil in der Atmosphäre seit der Industrialisierung geändert hat, denn zum Glück hat uns die Natur über sehr lange Zeiträume hinweg Luftproben hinterlassen. Man findet solche Proben alter Luft in Luftbläschen, die sich in Gesteinsschichten und im Eis der Gletscher und Polkappen erhalten haben. Je tiefer man dort bohrt, desto älter ist die Luftprobe, auf die man stößt. Abbildung 1.2 zeigt das Ergebnis von Eiskern-Bohrungen in der Antarktis, die bis in das Jahr 1000 zurückreichen, also bis zu einem Zeitpunkt, der zwischen der Regentschaft Ottos I. in Magdeburg und der Eroberung Englands durch die Normannen liegt.

    Man sieht sehr deutlich, welch gewaltigen Sprung die Kohlendioxidkonzentration seit der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert getan hat. Während sie in der vorindustriellen Zeit recht stabil 280 ppm betrug, liegt sie heute bei den schon erwähnten 380 ppm. Die Kohlendioxidmenge in der Luft hat also seit der industriellen Revolution um ein Drittel zugenommen.

    Die Zunahme der Kohlendioxidmenge in der Luft in jüngster Zeit ist eindeutig auf die Industrialisierung zurückzuführen, vornehmlich auf die Verbrennung von fossilen Stoffen, anfangs vor allem Kohle und im 20. Jahrhundert auch Erdöl. Erdgas spielt wegen der bislang noch selteneren Nutzung eine geringere Rolle.

    Von gewisser Bedeutung war auch noch die Zementproduktion, bei der ebenfalls große Mengen Kohlendioxid freigesetzt werden. Durch Erhitzung wird dem als Rohstoff verwendeten Kalkstein das in ihm gebundene Kohlendioxid ausgetrieben. Man nennt diesen Vorgang Kalzinierung. Der Kohlendioxidausstoß durch die Kalzinierung hat nichts mit der Verbrennung von Kohlenstoff zum Zwecke der Erhitzung zu tun, sondern tritt zu dem dabei freiwerdenden Kohlendioxid noch hinzu. Deswegen ist die Zementproduktion enorm klimaschädlich. Da selbst unter optimalen Bedingungen bei der Herstellung 1 Tonne Zement 1,0 bis 1,4 Tonnen CO2 entstehen, wundert es nicht, dass allein die Zementherstellung für 4% des weltweiten anthropogenen CO2-Ausstoßes verantwortlich ist.

    Die Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre: Eiskern-Bohrungen in der Antarktis

    ABBILDUNG 1.2

    Quellen: D.M. Etheridge, L.P. Steele, R.L. Langenfelds, R.J. Francey, J.-M. Barnola und V.I. Morgan, »Historical CO2 Records from the Law Dome DE08, DE08–2, and DSS Ice Cores«, in: Trends: A Compendium of Data on Global Change, Carbon Dioxide Information Analysis Center, Oak Ridge National Laboratory, U.S. Department of Energy, Oak Ridge, Tennessee, USA, 1998. Vgl. D.M. Etheridge, L.P. Steele, R.L. Langenfelds, R.J. Francey, J.-M. Barnola und V.I. Morgan, »Natural and Anthropogenic Changes in Atmospheric CO2 over the Last 1000 Years from Air in Antarctic Ice and Firn«, Journal of Geophysical Research 101, 1996, S.4115–4128; D.M. Etheridge und C.W. Wookey, »Ice Core Drilling at a High Accumulation Area of Law Dome, Antarctica. 1987«, in: C. Rado und D. Beaudoing, Hrsg., Ice Core Drilling: Proceedings of the Third International Workshop on Ice Core Drilling Technology, Grenoble, France, 1989, S.86–96; V.I. Morgan, C.W. Wookey, J. Li, T.D. van Ommen, W. Skinner und M.F. Fitzpatrick, »Site Information and Initial Results from Deep Ice Drilling on Law Dome«, J. Glaciol 43, 1997, S.3-10.

    Hinweis: Die CO2-Werte entstammen drei Eiskernen, die am Law Dome in der östlichen Antarktis zwischen 1987 und 1993 entnommen wurden. Das Law-Dome-Gebiet erfüllt viele Charakteristika, die für die Messung von langfristigen CO2-Zeitreihen notwendig sind.

    Abbildung 1.3 zeigt die Entwicklung der industriellen CO2-Emissionen in die Atmosphäre. Die dargestellte Kurve ist an Dramatik kaum zu überbieten. Allein seit dem Zweiten Weltkrieg hat sich der industrielle Ausstoß an Kohlendioxid verfünffacht, und in der Gegenwart scheint sich die Entwicklung sogar noch beschleunigt zu haben – ein Thema, das in diesem Buch noch intensiv beleuchtet werden wird.

    An der linken Skala der Abbildung werden Gigatonnen Kohlendioxid gemessen und an der rechten die Gigatonnen des in diesem Kohlendioxid enthaltenen Kohlenstoffs. Eine Gigatonne umfasst eine Milliarde Tonnen. Um die Vergleichbarkeit mit den Kohlenstoffbeständen im Boden und über die fossilen Energieträger hinweg zu erleichtern, werden in diesem Buch die Gewichtsangaben zum Kohlendioxid häufig auf den darin enthaltenen Kohlenstoff bezogen. Da beim CO2 an jedem Kohlenstoffatom genau zwei Sauerstoffatome hängen, deren jedes 1,33-mal so schwer wie das Kohlenstoffatom ist, besteht eine einfache proportionale Beziehung zwischen diesen Größen. Man muss die Gewichtsangaben für den im CO2 gebundenen Kohlenstoff nur mit 3,66 multiplizieren, um das entsprechende Gewicht der CO2-Menge selbst zu erhalten. Die Abbildung zeigt, dass im Jahr 2007 durch die Verbrennung fossiler Stoffe und die Zementherstellung auf der ganzen Welt rund 8 Gigatonnen Kohlenstoff (entspricht ca. 30 Gigatonnen Kohlendioxid) ausgestoßen wurden, wovon 1,11 Gigatonnen aus der EU und 0,22 Gigatonnen aus Deutschland stammten.¹⁷

    Bei der Interpretation der Abbildung ist zu beachten, dass der jährliche Ausstoß an Kohlendioxid angegeben wird und nicht etwa der sich dadurch summierende Bestand. Für den Treibhauseffekt ist natürlich nicht das, was jährlich zum vorhandenen Bestand hinzutritt, bedeutsam, sondern der Bestand selbst, also das, was durch die Emissionen der Vergangenheit akkumuliert und nicht von der Natur absorbiert wurde.

    Der jährliche Ausstoß an Kohlendioxid seit der Industrialisierung (Verbrennung fossiler Kohlenstoffe und Zementherstellung)

    ABBILDUNG 1.3

    Quelle: Climate Analysis Indicators Tool (CAIT) Version 8.0, World Resources Institute, Washington D.C., 2011, in Gigatonnen CO2 (GtC) umgerechnet.

    Hinweis: Nicht berücksichtigt sind CO2-Emissionen aus veränderter Landnutzung wie zum Beispiel Waldrodungen, Jahreszahlen von 2005 bis 2007 geschätzt.

    Schon ein Grad mehr

    Die Frage ist nun, welche Auswirkungen die anthropogene Erhöhung der Treibhausgaskonzentration auf die Temperatur der Erdoberfläche hat. Angesichts der großen Temperaturschwankungen im Sinne eines Wechsels zwischen Warmperioden und Eiszeiten, die es schon immer gab, kann man durchaus debattieren, in welchem Maße der Mensch den aktuellen Klimawandel hervorgerufen hat.

    Die früher herrschenden Temperaturen kann die Wissenschaft aus vielen Indizien zum Glück recht präzise rekonstruieren. Dazu werden beispielsweise die Wachstumsringe alter Bäume und die Strukturen von Korallen analysiert. Am wichtigsten ist die Isotopenmethode, mit deren Hilfe Eisschichten untersucht werden können (siehe nächster Abschnitt). Die Forschung ergab zum Beispiel, dass in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts eine kleine Zwischeneiszeit stattfand, welche die Temperaturen in Europa um etwa 0,3 °C gesenkt hat. Und dreihundert Jahre früher war es 0,2 °C wärmer als sonst. Vor 18.000 Jahren, auf dem Höhepunkt der letzten Eiszeit, war die Welt andererseits um 5,5 °C kälter als heute.¹⁸

    Außerdem reagiert die Temperatur nur sehr langsam auf eine verringerte Wärmeabstrahlung des Globus. Das stabile neue Gleichgewicht nach der geänderten Treibhausgaskonzentration, von dem im vorigen Abschnitt die Rede war, wird zwar aus erdgeschichtlicher Perspektive sehr schnell erreicht, doch aus der Sicht des Menschen handelt es sich auch dabei um recht lange Zeiträume. Es dauert viele Jahrzehnte, bis die Anpassung an das neue Gleichgewicht erreicht ist, bis also der größere Teil des Aufwärmprozesses von Luft, Gesteinen und Gewässern stattgefunden hat. Während die Luft in dem Bereich, wo Flugzeuge fliegen (Troposphäre), ihre Temperatur innerhalb weniger Tage ändern kann, dauert es in der Stratosphäre darüber schon Monate. Ganz langsam ändert sich die Temperatur direkt an der Erdoberfläche, weil hier der Einfluss der Weltmeere dominiert, die sehr träge auf den Klimaeffekt reagieren. Es wird geschätzt, dass die seit der vorindustriellen Zeit vermehrt ausgestoßenen Treibhausgase die Erdtemperatur bis zum Ende des Jahrhunderts im Vergleich zu heute selbst dann um ca. ein halbes Grad Celsius erhöhen würden, wenn die Konzentration der Treibhausgase von nun an nicht mehr anstiege.¹⁹

    Trotz dieser Trägheit hat sich die Erde bereits spürbar erwärmt. Dies zeigt Abbildung 1.4, die eine vollständige Reihe der mit dem Thermometer gemessenen globalen Durchschnittstemperatur zeigt, seitdem dieses Instrument erfunden wurde. Wenngleich die Schwankungen erheblich waren, hat die Temperatur von 1855 bis heute bereits um 0,7 °C oder 0,8 °C zugenommen und liegt nun bei 14,48 °C. Komplexere Messungen anhand verschiedener Indikatoren zeigen, dass seit dem Jahr 1800 sogar schon ein Temperaturanstieg von exakt einem Grad Celsius stattgefunden hat. Dieser Anstieg wird auf den Anstieg der Treibhausgase in der Luft zurückgeführt.

    Globale Temperaturänderung seit Erfindung des Thermometers

    ABBILDUNG 1.4

    Quellen: P.D. Jones, D.E. Parker, T.J. Osborn und K.R. Briffa, »Global and Hemispheric Temperature Anomalies – Land and Marine Instrumental Records«, Trends: A Compendium of Data on Global Change, Carbon Dioxide Information Analysis Center, Oak Ridge National Laboratory, U.S. Department of Energy, Oak Ridge, Tennessee, USA, 2006; B.L. Otto-Bliesner, E.C. Brady, G. Clauzet, R. Tomas, S. Levis und Z. Kothavala, »Last Glacial Maximum and Holocene Climate in CCSM3«, Journal of Climate 19, 2006, S.2526–2544; CDIAC, Carbon Dioxide Information Analysis Center, Table - Global Monthly and Annual Temperature Anomalies, 1850-2010.

    Hinweis: Zur Berechnung der globalen Durchschnittstemperatur werden Messungen von 3000 Messstationen herangezogen. Der am linken Bildrand hervorgehobene Punkt bildet das vorindustrielle Temperaturniveau im Jahre 1800 ab, das gemäß Otto-Bliesner et al. 13,52 °C betrug. Der aktuellste Wert der globalen Durchschnittstemperatur beträgt gemäß Jones et al. 14,48 °C. Es handelt sich dabei um den am rechten Bildrand hervorgehobenen Punkt.

    Der Temperaturanstieg war nicht überall gleich, sondern im Binnenland größer als an den Meeren und in der Nähe der Pole größer als am Äquator. In Deutschland, gemessen an einer Station in Potsdam, gab es von 1890 bis heute einen Anstieg von etwa 8,3 °C auf 9,9 °C, also um 1,6 °C.²⁰

    Bemerkenswert ist, dass die wärmsten zehn Jahre seit der Erfindung des Thermometers alle in den letzten elf Jahren vor dem Erscheinen der Erstauflage dieses Buches lagen. Es sind dies, in absteigender Reihe der globalen Mitteltemperatur, die Jahre 1997 bis 1999 und 2001 bis 2007.

    Interessanterweise erkennt man an der Kurve, dass der Temperaturanstieg in zwei Schüben kam, von 1900 bis etwa 1945 und wieder seit 1975. Während der 30 Jahre von 1945 bis 1975 gab es praktisch keinen Anstieg. Das liegt vermutlich am hohen Ausstoß an Schwefeldioxid während der schnellen wirtschaftlichen Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg. Schwefeldioxid entsteht bei der Verbrennung von Kohle und Öl. Es wandelt sich in der Atmosphäre zu Sulfatteilchen um, die das Sonnenlicht abhalten und in Bodennähe zu einer Kühlung der Erde führen. Als zu Beginn der siebziger Jahre weltweit Maßnahmen zur Luftreinhaltung eingeführt wurden, um den Schwefeldioxid-Ausstoß zu senken, entfiel dieser Effekt, und der Treibhauseffekt kam erneut zur Geltung.²¹ Die Unterbrechung der Erderwärmung erklärt, wieso der Treibhauseffekt in jüngster Zeit bei Forschern und in der Öffentlichkeit an Interesse gewonnen hat, doch während der beiden Ölkrisen 1974 und 1982 kein Thema war.

    Ob es tatsächlich eine menschengemachte (anthropogene) Erwärmung des Weltklimas gibt, war in den letzten Jahren heftig umstritten. Einige Skeptiker, unter anderem Scafetta und West²², behaupteten, der Temperaturanstieg rühre einfach nur daher, dass die Sonne seit etwa 1900 stärker scheint als sonst. Diese Argumentation wurde aber von Benestad und Schmidt widerlegt, indem sie zeigten, dass nur etwa 8 Prozent der Erderwärmung im 20. Jahrhundert durch die verstärkte Sonneneinstrahlung erklärt werden können.²³ Lockwood und Fröhlich konnten sogar nachweisen, dass alle Änderungen der Sonnenaktivität, die theoretisch Einfluss auf die Temperatur hätten nehmen können, in den letzten 25 Jahren des 20. Jahrhunderts, während derer die Temperatur besonders stark zugenommen hat, in die »falsche« Richtung gingen, die Erderwärmung also abschwächten, statt sie zu verstärken.²⁴

    Schärfere Geschütze wurden von McIntyre und McKitrick²⁵ aufgefahren. Sie behaupteten gar, bei den Messungen der Erderwärmung seit der industriellen Revolution handele es sich um ein statistisches Artefakt. Dabei bezogen sie sich auf einen Langzeit-Datensatz von Mann, Bradley und Hughes, der in einem Bericht des IPCC präsentiert worden war und große Aufmerksamkeit erregt hatte.²⁶ Die Autoren hatten aus Proxy-Indikatoren, wie beispielsweise dem Durchmesser der Jahresringe von Bäumen, Kalkablagerungen bei Korallen und der Zusammensetzung von Sedimenten, eine Temperaturkurve für die letzten 1000 Jahre rekonstruiert und fanden, dass die Temperatur 900 Jahre lang praktisch konstant geblieben, doch während der letzten 100 Jahre steil nach oben gegangen war. Die Kurve sah aus wie ein am Boden liegender Hockeyschläger, dessen gebogenes Ende nach oben zeigt, weshalb man auch von der Hockeyschläger-Kontroverse sprach. McIntyre und McKitrick argumentierten, der Datensatz von Mann, Bradley und Hughes sei nutzlos, denn die verwendete Methode, nach der aus den Proxy-Daten die Temperaturkurve gewonnen wurde, sei für den Temperaturanstieg verantwortlich und nicht etwa diese Daten selbst. Selbst Zahlen, die von einem Zufallsgenerator ausgewählt wurden, hätten, so ihre Behauptung, bei der von Mann et al. verwendeten Methode einen Hockeyschläger-Verlauf erzeugt.²⁷

    Die Problematik wurde anschließend von einer Vielzahl an Autoren diskutiert und untersucht, und die Ergebnisse wurden in einem 2006 vom National Research Council der USA veröffentlichten Bericht zusammengefasst.²⁸ Die von diesen Autoren verwendeten Daten bezogen sich unter anderem auf Eiskern-Bohrungen, die Veränderung der Gletscher, Jahresringe von Bäumen und verschiedene zusammengesetzte Indikatoren. Fast alle Autoren konnten die Erderwärmung aus Proxy-Daten reproduzieren, und selbst das Ausmaß des von Mann et al. errechneten Temperaturanstiegs wurde von einer überwältigenden Mehrheit bestätigt. Nur bezüglich der von Mann et al. behaupteten Konstanz der Temperatur während der vorangehenden 900 Jahre, also des geraden Schaftes des Hockeyschlägers, bestand Uneinigkeit.

    Die kritisierten Autoren selbst luden ihrerseits Koautoren zur Teilnahme an einem größeren Forschungsprogramm ein, das die Problematik erneut untersuchte. Nach Korrektur der zuvor begangenen Fehler präsentierten sie einen revidierten Datensatz, der im Wesentlichen wieder zur Hockeyschläger-Kurve führte. Auch diese neuen Daten wurden freilich von McIntyre und McKitrick kritisiert, und erneut wurde ihre Kritik von den Originalautoren angefochten. Die Debatte hält an und ist bisher zu keinem abschließenden Ergebnis gekommen.²⁹

    Aber was immer das Resultat der Diskussion sein wird: Sie ist insofern nur von begrenzter Relevanz, als sie sich lediglich auf einen der vielen Datensätze bezieht, die in der wissenschaftlichen Literatur gesammelt und ausgewertet wurden. Die anderen Datensätze, so auch die in diesem Kapitel präsentierten Daten, lassen wenig Raum, an der These der Erderwärmung durch Menschenhand zu zweifeln. Dazu gehört z.B. die in Abbildung 1.4 dargestellte Kurve. Diese Kurve ist nicht Gegenstand der Kritik von McIntyre und McKitrick, und sie enthält auch keine Proxy-Daten. Auch die im folgenden Abschnitt dargestellten Fakten werden von der Kritik nicht berührt.

    Die letzten 800.000 Jahre

    Heute liegt die Temperatur der Erdoberfläche wie erwähnt bei 14,5 °C. Das ist nicht nur die höchste Temperatur der letzten tausend Jahre, sondern der letzten 100.000 Jahre. Nur in der sogenannten Eem-Warmzeit war es auf der Erde noch wärmer. Die Eem-Warmzeit begann vor 128.000 Jahren und dauerte 11.000 Jahre. Sie war die wärmste Periode während der letzten 800.000 Jahre, also der Phase, in der die Evolution des Menschen in ihre Endphase ging und sich der Homo erectus zum Homo sapiens wandelte. Während der Eem-Warmzeit überstieg die Temperatur der Erdoberfläche den Mittelwert dieser 800.000 Jahre, der bei rund 11 °C lag, um bis zu 4 °C, betrug also in der Spitze etwa 15 °C. Mit den 14,5 °C von heute leben wir bereits in einer der wärmsten Perioden der Menschheit. Geologen bezeichnen unsere heutige Zeit deshalb als Neo-Warmzeit. Abbildung 1.5 zeigt dies anhand einer Temperaturkurve, die die letzten 800.000 Jahre umfasst.

    Die Messdaten wurden durch Eiskern-Bohrungen in der Antarktis gewonnen, die im Rahmen des EU-Projekts Epica von einem internationalen Forscherteam durchgeführt wurden. Dem Team gelang es, auf einem der dortigen Eisberge, dem sogenannten Dome C, eine Bohrtiefe von 3270 Metern zu erreichen und 800.000 Jahre in der Erdgeschichte zurückzugehen, was den vorherigen Rekord von 650.000 Jahren deutlich übertraf.³⁰

    Dass man anhand der vom Eis eingeschlossenen Luftbläschen den Kohlendioxidgehalt der Luft messen kann, ist unmittelbar einsichtig. Weniger einsichtig ist es, dass man im Eis Temperaturen messen kann. Dass das dennoch möglich ist, verdankt man der sogenannten Isotopenmethode, einem genialen Verfahren, das von fundamentaler Bedeutung für die Klimaforschung ist. Wasser besteht aus Wasserstoff- und Sauerstoffatomen, aber diese Atome sind nicht homogen, sondern können nach der Zahl der am Sauerstoffatom angelagerten Neutronen, also winziger Kernteilchen, unterschieden werden. Man nennt die Varianten eines Atoms, die durch die Zahl der angelagerten Neutronen unterschieden werden, Isotope. Für die Temperaturmessung kommt es auf die Sauerstoffisotope 16 und 18 an, die zwei unterschiedliche Arten von Wasser definieren, die je nach Temperatur unterschiedlich rasch verdunsten.

    Kohlendioxidgehalt und Temperatur während der letzten 800.000 Jahre

    ABBILDUNG 1.5

    *Durchschnittstemperatur auf der Erdoberfläche

    Quellen: D. Lüthi et al., a.a.O., und J. Jouzel et al., »Orbital and Millenial Antarctic Climate Variability over the last 800,000 Years«, Science 317, 2007, S.793–796; B.L. Otto-Bliesner, E.C. Brady, G. Clauzet, R. Tomas, S. Levis und Z. Kothavala, »Last Glacial Maximum and Holocene Climate in CCSM3«, Journal of Climate 19, 2006, S.2526–2544; eigene Berechnungen

    Hinweis: Die erste der beiden Temperaturskalen zeigt die Abweichung der Antarktis-Temperatur von ihrem Mittelwert während der letzten 1000 Jahre, die zweite Skala zeigt die entsprechende Durchschnittstemperatur der Erde. Es handelt sich um eine aus anderen Messungen ermittelte Skala, die unter Verwendung der folgenden Informationen adjustiert wurde: 1) Der erste Messwert der Temperaturkurve (am rechten Bildrand) zeigt die Antarktis-Temperatur des Jahres 1912. Diese Temperatur liegt genau um 0,88 °C über dem Mittelwert der letzten 1000 Jahre. 2) Der tiefste Messwert der Antarktis-Temperatur auf dem Höhepunkt der letzten Eiszeit (vor etwa 18.000 Jahren) lag um 10,2°C unter dem Mittelwert der letzten 1000 Jahre. 3) Im Jahr 1912 lag die Durchschnittstemperatur der Erde bei 13,6 °C (was ein Zehntel Grad über der »vorindustriellen« Temperatur des Jahres 1800 lag, vgl. Abb.1.4). 4) Gemäß Otto-Bliesner et al. betrug die Durchschnittstemperatur der Erde zum kältesten Zeitpunkt der letzten Eiszeit 8,99 °C.

    Das Isotop 16 kennzeichnet leichteres Wasser, das Isotop 18 schwereres Wasser. Da das leichtere Wasser eher verdunstet als das schwerere Wasser, kann man aus dem Verhältnis der Sauerstoffisotope im Antarktis-Eis präzisen Aufschluss über die Temperaturen während früherer Zeiten gewinnen. Konkret zeigt das Verhältnis der Isotope, welche Temperatur das Meerwasser hatte, das seinerzeit verdunstete, vom Wind über die Antarktis getragen wurde, dort als Schnee herabfiel und sich im Laufe der Zeit zum Antarktis-Eis verdichtete. Der große Vorteil der Isotopenmethode ist, dass sie anhand der gleichen Eiskern-Bohrungen stattfinden kann, die auch für die Bestimmung des Kohlendioxidgehalts der Luftbläschen verwendet werden. Dies ermöglicht es, exakt zeitgleiche Angaben für die Entwicklung des Kohlendioxidgehalts und der Temperatur zu gewinnen, wie sie in der Abbildung 1.5 dargestellt sind.

    Auf die Zeitdimension der Abbildung muss man sich erst gedanklich einstellen, denn die Abstände zwischen den Strichen der Zeitskala umfassen eine Spanne von 50.000 Jahren. Die Zeitskalen zählen rückwärts ab heute. Am rechten Rand der CO2-Kurve kann man den aktuellen Durchschnittswert der Kohlendioxidkonzentration von »heute« im Sinne der letzten fünfhundert Jahre erkennen. Er liegt bei 280 ppm. Das ist der vorindustrielle Wert, der schon erwähnt wurde.

    Die Temperaturgraphik enthält zwei Temperaturskalen. Die linke Skala (schwarz) zeigt die Abweichungen der Temperatur in der Antarktis im Vergleich zum Durchschnitt der letzten tausend Jahre, wobei alle zehn Jahre gemessen wurde. Die rechte Skala (orange) übersetzt diese Temperatur in eine Durchschnittstemperatur der Erde. Dabei entspricht die Null der linken Skala 13,3 °C globaler Durchschnittstemperatur auf der rechten Skala. Gemäß Abbildung 1.4 lag dieser Durchschnitt

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1