Du hast mich doch geliebt!: Der Arzt vom Tegernsee 54 – Arztroman
Von Laura Martens
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Über dieses E-Book
Seine Praxis befindet sich in Deutschlands beliebtestem Reiseland, in Bayern, wo die Herzen der Menschen für die Heimat schlagen.
Der ideale Schauplatz für eine besondere, heimatliches Lokalkolorit vermittelnde Arztromanserie, die ebenso plastisch wie einfühlsam von der beliebten Schriftstellerin Laura Martens erzählt wird.
Patricia Lambrecht saß wie betäubt in dem weichen Sessel, der vor dem Schreibtisch von Ignatius Konrad stand. Sie hatte den Wunderheiler vor drei Wochen zum ersten Mal aufgesucht, weil sie unter ständigen Kopfschmerzen und Schwindelanfällen litt. Seit ihre Mutter vor elf Jahren durch einen ärztlichen Kunstfehler gestorben war, hatte sie jegliches Vertrauen zu Ärzten verloren. Von Ignatius Konrad hatte sie durch eine Kundin erfahren, deren kleine Tochter an schwerer Neurodermitis litt. »Und es ist kein Irrtum möglich?« Die junge Frau wunderte sich, daß sie überhaupt fähig war zu sprechen. Sie hatte mit einem zu hohen Zuckerspiegel, Blutdruck und oder ähnlichem gerechnet, jedoch nicht mit einem Hirntumor. Ignatius Konrad griff in seinen angegrauten Bart. Seine braunen Augen versenkten sich regelrecht im Gesicht der jungen Frau. »Ich wünschte, ich hätte Ihnen nicht diese Diagnose sagen müssen, Patricia«, meinte er. »Bitte, glauben Sie mir, wie oft ich vor der Frage stehe, ob ich den Menschen, die hilfesuchend zu mir kommen, die Wahrheit sagen soll. Meine langjährige Erfahrung hat mir allerdings gezeigt, daß es ein großer Fehler ist, Patienten anzulügen. Die Wahrheit ist besser als Ausflüchte. Würde ich mich nicht strikt an sie halten, wäre ich nicht besser als meine sogenannten Kollegen der ärztlichen Zunft.« Die Lippen des Wunderheilers umspielte ein abwertendes Lächeln. »Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, ihre Patienten im Dunkeln tappen zu lassen. Nicht aus Mitleid, sondern weil es bequemer und einfacher für sie ist.« Die junge Frau wollte etwas sagen, aber ihr Hals war so trocken, daß sie kein Wort herausbekam. Sie griff nach dem Wasserglas, das auf dem Schreibtisch stand, und nahm einen langen Schluck.
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Buchvorschau
Du hast mich doch geliebt! - Laura Martens
Der Arzt vom Tegernsee
– 54 –
Du hast mich doch geliebt!
Laura Martens
Patricia Lambrecht saß wie betäubt in dem weichen Sessel, der vor dem Schreibtisch von Ignatius Konrad stand. Sie hatte den Wunderheiler vor drei Wochen zum ersten Mal aufgesucht, weil sie unter ständigen Kopfschmerzen und Schwindelanfällen litt. Seit ihre Mutter vor elf Jahren durch einen ärztlichen Kunstfehler gestorben war, hatte sie jegliches Vertrauen zu Ärzten verloren. Von Ignatius Konrad hatte sie durch eine Kundin erfahren, deren kleine Tochter an schwerer Neurodermitis litt.
»Und es ist kein Irrtum möglich?« Die junge Frau wunderte sich, daß sie überhaupt fähig war zu sprechen. Sie hatte mit einem zu hohen Zuckerspiegel, Blutdruck und oder ähnlichem gerechnet, jedoch nicht mit einem Hirntumor.
Ignatius Konrad griff in seinen angegrauten Bart. Seine braunen Augen versenkten sich regelrecht im Gesicht der jungen Frau. »Ich wünschte, ich hätte Ihnen nicht diese Diagnose sagen müssen, Patricia«, meinte er. »Bitte, glauben Sie mir, wie oft ich vor der Frage stehe, ob ich den Menschen, die hilfesuchend zu mir kommen, die Wahrheit sagen soll. Meine langjährige Erfahrung hat mir allerdings gezeigt, daß es ein großer Fehler ist, Patienten anzulügen. Die Wahrheit ist besser als Ausflüchte. Würde ich mich nicht strikt an sie halten, wäre ich nicht besser als meine sogenannten Kollegen der ärztlichen Zunft.« Die Lippen des Wunderheilers umspielte ein abwertendes Lächeln. »Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, ihre Patienten im Dunkeln tappen zu lassen. Nicht aus Mitleid, sondern weil es bequemer und einfacher für sie ist.«
Die junge Frau wollte etwas sagen, aber ihr Hals war so trocken, daß sie kein Wort herausbekam. Sie griff nach dem Wasserglas, das auf dem Schreibtisch stand, und nahm einen langen Schluck. »Bitte, seien Sie mir nicht böse, wenn ich das frage. Ist wirklich kein Irrtum möglich?«
Ignatius Konrad stand auf, ging um den Schreibtisch herum und trat zu ihr. »Nein, leider ist kein Irrtum möglich, Patricia.« Fast liebevoll legte er die Hand auf ihre Schulter. »Gleich, als Sie das erste Mal zu mir gekommen sind und mir Ihre Symptome schilderten, hatte ich den Verdacht, daß Sie an einem Hirntumor leiden. Damals hoffte ich noch, daß es sich um einen Tumor handelt, der sich durch Meditation, einer strengen Diät und von mir hergestellten, besonderen Medikamenten günstig beeinflussen lassen würde. Leider habe ich mich in diesem Punkt geirrt. Der Tumor, der sich in Ihrem Kopf wie eine bösartige Spinne eingenistet hat, hat seine Tentakel bereits in sämtliche Windungen Ihres Gehirns eingegraben. Nicht einmal eine Operation könnte ihn noch aus Ihrem Körper vertreiben.« Er griff nach den Händen der jungen Frau und hielt sie fest. »Sie werden sich damit abfinden müssen, nicht mehr allzu lange zu leben.«
Patricia atmete tief durch. »Wieviel Zeit habe ich noch?« Sie wagte nicht, den Wunderheiler anzusehen.
»Sechs, höchstens acht Monate«, erwiderte er und ließ ihre Hände los, um erneut hinter seinem Schreibtisch Platz zu nehmen. »Das ist die günstigste Prognose«, fügte er hinzu. »Vielleicht bleiben Ihnen auch nur zwei oder drei Monate.«
Zwei oder drei Monate, dachte Patricia. Jetzt war Dezember. Im kommenden Mai hatten Raymond und sie heiraten wollen. Langsam hob sie den Kopf. »Vermutlich werde ich vor meinem Tod bettlägerig werden«, sagte sie mit belegter Stimme.
»Ja, damit müssen Sie rechnen, Patricia«, meinte Ignatius Konrad und beugte sich ihr zu. Erneut versicherte er ihr, wie leid ihm das alles tut. »Ich möchte Ihnen keine Angst machen, dennoch wäre es ein Fehler, Ihnen die Wahrheit zu verschweigen«, fügte er hinzu. »Sie müssen damit rechnen, im Laufe der nächsten Monate nach und nach blind und taub zu werden, kurz vor Ihrem Tod werden Sie sich vermutlich auch kaum noch bewegen können.«
»Es wäre besser, schon jetzt zu sterben«, bemerkte die junge Frau verzweifelt.
»Ich kann sehr gut verstehen, daß Sie sich einen schnellen Tod wünschen«, antwortete der Wunderheiler. »Trotzdem sollten Sie nicht vergessen, daß Sie nicht allein sind. Ich werde alles tun, um Ihnen die letzten Wochen und Monate Ihres Lebens so erträglich wie möglich zu machen.« Über Patricias Kopf hinweg schaute er zu dem Heiligenbild an der gegenüberliegenden Wand. Der Schein des Ewigen Lichtes, das vor ihm in einer Halterung brannte, ließ es auf bizarre Art lebendig wirken. »Versuchen Sie nicht, mit Ihrem Schicksal zu hadern, Patricia, wir wissen nicht, weshalb der Herr beschlossen hat, Sie so zu schlagen. Sie sollten Ihr Schicksal annehmen, versuchen, das Beste daraus zu machen.«
»Das Beste daraus zu machen?« Patricia schüttelte den Kopf und spürte im selben Moment, wie sich alles um sie herum zu drehen begann. »Wie soll ich das Beste daraus machen?«
»Es gibt immer einen Weg«, behauptete er. »Ich habe einen guten Freund in der Schweiz. Vor einigen Jahren hat er in den Bergen ein Hospiz gebaut, in dem unheilbar Kranke liebevoll betreut werden. Wenn Sie wollen, werde ich ihn anrufen und ihn bitten, Sie aufzunehmen.«
Diese Klinik wäre ein Zufluchtsort! Patricia war versucht, Ignatius Konrad zu bitten, sofort anzurufen, dennoch tat sie es nicht. »Ich werde darüber nachdenken«, versprach sie.
»Daß ist Ihr gutes Recht«, sagte Ignatius Konrad. Er ging in eine kleine Kammer, die neben seinem gemütlich eingerichteten Sprechzimmer lag, und kam kurz darauf mit einem Karton zurück. »Ich habe einige Medikamente für Sie zusammengestellt. Momentan werden sie Ihnen noch helfen und die schlimmsten Symptome Ihrer Krankheit lindern. Später werde ich Ihnen stärkere Mittel geben.«
Die junge Frau stand auf und griff nach dem Karton. »Wann soll ich wiederkommen?« fragte sie.
»Nächste Woche, sagen wir am Dienstag. Weihnachten werde ich bei meinem Freund Paulus in der Schweiz verbringen. Für alle Fälle gebe ich Ihnen seine Telefonnummer. Sie können sich darauf verlassen, daß ich für Sie da sein werde, Tag und Nacht.« Ignatius Konrad sah sie eindringlich an. »Ich werde für Sie beten«, versprach er.
»Danke«, murmelte Patricia, verabschiedete sich von ihm und verließ die Praxis.
Wie betäubt stieg die junge Frau die Treppe hinunter und trat auf die Straße hinaus. Langsam ging sie am Kölner Dom vorbei zu dem Parkplatz, auf dem sie ihren Wagen abgestellt hatte. Nur noch zwei bis drei Monate… Nur noch zwei bis drei Monate…, ging es ihr unaufhörlich durch den Kopf. Sie schaute zum Himmel hinauf, konnte es nicht fassen, daß sie ihn schon bald nicht sehen sollte.
Bedächtig hob sie die Hand und starrte auf ihre Finger. Sie wirkten so lebendig, so kraftvoll, und dennoch spürte sie in letzter Zeit, wie sie ihre Kraft verloren. Sie waren oft eiskalt, zitterten.
Raymond! Wie sollte sie Raymond beibringen, daß sie nicht mehr lange zu leben hatte? Sie hatten sich ihre Hochzeit in den prächtigsten Farben ausgemalt, hatten sogar schon davon gesprochen, daß sie die Hochzeitsreise nach Kalifornien machen wollten, wo Raymond als Kind bei