Trost in schweren Stunden: Mami Bestseller 72 – Familienroman
Von Yvonne Bolten
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Über dieses E-Book
Mami ist als Familienroman-Reihe erfolgreich wie keine andere! Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt!
»Papa, ich kann jetzt aber wirklich nicht mehr weitergehen. Wann machen wir denn endlich einmal eine Rast?« fragte Thomas und seufzte aus tiefster Seele auf. Fritz Vonheiden blickte seinen siebenjährigen Sohn mißbilligend an. »Thomas, du mußt dich auch einmal ein bißchen anstrengen. Sieh dir doch einmal deinen Bruder an. Nimm dir ein Beispiel an ihm. Hanno ist schon gleich auf dem Berg dort oben. Dem macht solch eine kleine Wanderung überhaupt nichts aus. Also komm jetzt endlich, Junge.« »Aber ich bin wirklich schrecklich müde«, murmelte Thomas und ließ die Schultern noch weiter sinken. Seine Mutter strich ihm über die blonden Lockenhaare. »Wenn wir auf dem Hügel dort oben sind, ruhen wir uns alle aus, Thomas. Gib mir deine Hand, Schatz. Ich zieh dich ein wenig wie ein Pferdchen den Wagen.« Fritz runzelte zornig die Brauen. »Es ist wirklich kein Wunder, wenn das Kind jede Anstrengung scheut. Du unterstützt ihn ja ständig in seiner Bequemlichkeit, Annalena!« Weder Annalena noch Thomas gaben eine Antwort.
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Buchvorschau
Trost in schweren Stunden - Yvonne Bolten
Mami Bestseller
– 72 –
Trost in schweren Stunden
Wir wollen einander immer zur Seite stehen
Yvonne Bolten
»Papa, ich kann jetzt aber wirklich nicht mehr weitergehen. Wann machen wir denn endlich einmal eine Rast?« fragte Thomas und seufzte aus tiefster Seele auf.
Fritz Vonheiden blickte seinen siebenjährigen Sohn mißbilligend an. »Thomas, du mußt dich auch einmal ein bißchen anstrengen. Sieh dir doch einmal deinen Bruder an. Nimm dir ein Beispiel an ihm. Hanno ist schon gleich auf dem Berg dort oben. Dem macht solch eine kleine Wanderung überhaupt nichts aus. Also komm jetzt endlich, Junge.«
»Aber ich bin wirklich schrecklich müde«, murmelte Thomas und ließ die Schultern noch weiter sinken.
Seine Mutter strich ihm über die blonden Lockenhaare. »Wenn wir auf dem Hügel dort oben sind, ruhen wir uns alle aus, Thomas. Gib mir deine Hand, Schatz. Ich zieh dich ein wenig wie ein Pferdchen den Wagen.«
Fritz runzelte zornig die Brauen. »Es ist wirklich kein Wunder, wenn das Kind jede Anstrengung scheut. Du unterstützt ihn ja ständig in seiner Bequemlichkeit, Annalena!«
Weder Annalena noch Thomas gaben eine Antwort. Eine Kluft schien sich zwischen ihnen aufzutun.
Annalena umfaßte Thomas’ schmale Hand fester. Sie wußte, wie Thomas litt, wenn sein Vater mit ihm schimpfte. Thomas nahm sich alles immer viel mehr zu Herzen als sein robuster Zwillingsbruder. Hanno machte es überhaupt nichts aus, wenn sein Vater ihm einmal zürnte. Er warf dann den Kopf in den Nacken, schob die Unterlippe ein wenig vor und tat dann doch, was er wollte.
Annalena gestand sich ein – und wie immer schämte sie sich deshalb ein wenig –, daß sie sich dem schwächeren Thomas noch inniger verbunden fühlte als Hanno, der ihrer Hilfe fast nie bedurft hatte.
Hanno war als pausbäckiges Baby auf die Welt gekommen, rund und rosig und ganz bezaubernd. Um Thomas hatten sie wochenlang gebangt, ob er überhaupt am Leben bleiben würde, so schwach war er gewesen.
Er war ein überzartes Pflänzchen gewesen, das seine Mutter mit unendlicher Geduld aufgezogen, gehegt und gepflegt hatte. Während Hanno sich am liebsten im Freien aufhielt, verließ Thomas nur sehr selten die schützende Nähe seiner Mutter. Er suchte sich keine Freunde. Alles, was er brauchte, waren seine Mutter und seine geliebten Bilderbücher.
Thomas war immer sehr blaß und zart gewesen. Jahrelang hatte Annalena deshalb Ärzte konsultiert, aber alle hatten ihr bestätigt, daß das Kind völlig gesund sei.
Mit ihrem Mann wagte Annalena schon bald gar nicht mehr über Thomas’ übergroße Zartheit zu sprechen. Er war davon überzeugt, daß dieser Sohn einfach bequem sei. Würde er sich mehr in frischer Luft bewegen, mit anderen Kindern herumtollen und nicht am Schürzenbändel der Mutter hängen, dann wäre er nicht blaß, sondern braungebrannt und gesund wie sein Bruder.
Wie oft war es vorgekommen, daß Fritz Thomas zum Spielen aus dem Haus geschickt hatte. Thomas war dann zum Waldrand gegangen, hatte sich dort hingesetzt und sich Geschichten ausgedacht, die er später seiner Mutter erzählte. Es waren phantastische, abenteuerliche buntfarbige Geschichten gewesen, die Annalena entzückten.
Um Thomas abzuhärten und ein wenig auf Trapp zu bringen, wie Fritz sich ausdrückte, hatte er bestimmt, daß die Sonn- und Feiertage für die ganze Familie zu Wandertagen wurden.
Stundenlang wanderten sie durch den Schwarzwald. Hanno immer voller Begeisterung vornweg… Thomas mit Annalena hinterher. Fritz irgendwo dazwischen, zornig über die ewigen Nachzügler.
Thomas keuchte plötzlich, als der Berghang steiler wurde. Er schien noch bleicher zu werden.
»Wenn du ein wenig trainieren und nicht immer in der Wohnung hocken würdest, dann müßtest du jetzt auch nicht so keuchen!« rief Fritz aufgebracht.
Thomas traten die Tränen in die Augen, die er mit seiner freien Hand rasch fortwischte.
Endlich erreichten sie die Kuppe des Hügels. Annalena deutete auf den Waldrand und sagte mit liebevollem Blick auf ihr Söhnchen: »Dort ist es schön schattig, Thomas.«
Hanno kam herangelaufen. Seine braunen Augen sprühten, sein braunes Haar, das sich über der Stirn wie das seines Vaters kräuselte, war völlig verwuschelt. Er war ein Sinnbild der Lebensfreude und Gesundheit.
»Papa, Mama, ich hab vier Bussarde gesehen. Thomas, soll ich dir mal den Baum zeigen, auf dem die Bussarde ihren Horst haben?«
»Ich möchte mich erst ausruhen…«
Thomas schluckte und senkte den Blick.
»Jetzt reicht es mir aber« rief Fritz. »Was soll denn aus dir werden, Thomas? Du gehst jetzt mit Hanno und bewegst dich. Ich habe jetzt keine Geduld mehr mit dir! Das wird ja immer schlimmer.«
Thomas ließ die Hand seiner Mutter los, und ohne seine Eltern anzusehen, folgte er seinem Bruder, der bereits über die Wiese mit den vielen Blumen stürmte.
»Warum läßt du das Kind nicht so sein, wie es ist? Er ist nun einmal anders als du, Fritz. Erkennst du denn nicht, daß du ihn nur unglücklich machst mit deinen ständigen Forderungen?« rief Annalena aufgebracht.
Fritz warf seinen Kopf mit dem üppigen kastanienbraunen Haar in den Nacken. Über seinen braunen Augen lag ein kalter Glanz.
»Ich will keinen Versager zum Sohn haben. Wenn er nicht gesund wäre, gut, dann würde ich ja alles noch einsehen. Aber er ist gesund. Mehr als zehn Ärzte haben dir das bestätigt. Er ist nur faul… ein Stubenhocker und Bücherwurm. Und dagegen muß man etwas tun. Sieh ihn dir doch nur an, wie er Hanno hinterherläuft…« Fritz stockte mitten im Satz.
Annalena öffnete ihren Mund, als wolle sie schreien. Dann stürzte sie zusammen mit ihrem Mann den Hügel hinunter.
Thomas hatte sich zusammengekrümmt. Er stieß mit beiden zu Fäusten geballten Händen in die Luft, brach dann zusammen. Das Gras war an der Stelle so hoch gewachsen, daß er darin verschwand.
Fritz erreichte Thomas zuerst. Er hob das zarte Kind, das nach Atem rang, auf seine Arme.
»Thomas… mein Liebling… mein kleiner lieber Liebling…«, rief Annalena. Verzweifelt strich sie ihrem Sohn, der am Ersticken zu sein schien, das feuchte Haar zurück. Sie bedeckte sein schmales Gesicht, das eine bläuliche Farbe angenommen hatte, mit kleinen Küssen. Annalena wußte nicht, daß Tränen über ihre Wangen strömten.
Fritz hatte sich niedergekniet, seine rechte Hand unter das Baumwollhemd seines Sohnes geschoben und versuchte, sein Herz zu massieren. Das Kind röchelte, stieß spitze Laute aus, die sich anhörten wie die Angstrufe eines kleinen Vogels. Dann wieder rollte er sich ganz in sich zusammen, sog die Luft ein, blieb schließlich kraftlos liegen.
»Vielleicht hat er sich verschluckt, Papa« rief Hanno, der mit weit aufgerissenen Augen neben seinen Eltern stand.
Annalena hielt Thomas’ Kopf in ihren Armen. Seine Lippen waten dunkelblau, auf seinen geschlossenen Augenlidern zeigte sich ein bläuliches Netzwerk feiner Äderchen.
Sie sog tief die Luft ein, als könne sie damit ihren Atem in die Lungen ihres Kindes pressen.
Plötzlich entspannte sich Thomas. Sein schmaler Kopf rutschte zur Seite, die Arme fielen kraftlos herunter. Er konnte wieder atmen.
Annalena wurde von einem Weinkrampf erfaßt. Sie versuchte unter Aufbietung aller Kräfte sich zu beherrschen, ruhig und gelassen zu erscheinen. Aber es wollte ihr nicht gelingen.
Sie hielt ihr Kind an ihre Brust gepreßt, während ihr ganzer Körper von Schluchzen geschüttelt wurde.
»Annalena… ich bitte dich«, sagte Fritz und legte ihr begütigend eine Hand auf ihr weiches, hellblondes Haar. Hanno wischte mit seiner erdverkrusteten Jungenhand über das Gesicht seiner Mutter. Seine Lippen zuckten.
»Mama…«, hauchte Thomas.
»Sei ruhig, mein Liebling, sei ganz ruhig…«, bat Annalena unter Schluchzen und wischte mit dem Handrücken ihre Tränen fort. Sogleich strömten aber neue nach.
»Jetzt ist alles wieder gut. Ich… ich hab nur keine Luft mehr bekommen«, flüsterte Thomas.
Sein Blick glitt zu seinem Vater hinüber. Angst tauchte darin auf. Würde sein Vater ihn wegen seiner Schwäche wieder ausschimpfen?
Aber diesmal schimpfte er nicht. »Du bist jetzt ein kleiner Affe, ein Klammeräffchen, und hältst dich an meinem Hals fest«, sagte Fritz. »Ich trag dich den Berg hinunter. Was, das werden wir beide doch wohl schaffen, Thomas?«
»Ich heb Tommy auf deinen Rücken rauf, Papa!« rief Hanno, froh darum, etwas tun zu können.
Wie ein ganz kleiner Junge lag Thomas dann auf dem Rücken seines Vaters. Fritz ging absichtlich vorgebeugt, damit Thomas sich nicht zu sehr anstrengen mußte, wenn er sich an ihm festklammerte.
Annalena ging hinter ihrem Mann und ihrem Sohn her. Hanno kam zu ihr, und zum ersten Mal seit länger Zeit schob er seine Hand in die seiner Mutter.
»Geht es Tommy sehr schlecht? Muß er jetzt vielleicht ins Krankenhaus?« fragte er leiser als sonst.
»Ich weiß es nicht, Hanno. Ich weiß es wirklich nicht…« Annalenas Stimme schwankte.
»Ich habe dich schrecklich lieb, Mama«, fuhr Hanno fort.
»Ich dich auch, Hanno. Du und Thomas… ihr seid das Liebste, was ich auf der Welt habe.«
Hanno schwieg einen kleinen Augenblick, dann fragte er zögernd: »Und Papa?«
Annalena spürte, wie Röte in ihr Gesicht stieg. »Papa natürlich auch, Hanno«, beeilte sie sich zu sagen.
*
Vom Parkplatz aus waren sie direkt zum nächstgelegenen Krankenhaus gefahren. Annalena hatte darauf bestanden, während Fritz meinte, dem Kind gehe es jetzt ja schon wieder sehr gut und es genüge, wenn sie am folgenden Tag einen Arzt aufsuchen würden, um ihm den Asthmaanfall, den Thomas auf dem Bergrücken erlitten hatte, zu schildern.
Das Krankenhaus war erst wenige