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Fesselnde Nächte
Fesselnde Nächte
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eBook230 Seiten3 Stunden

Fesselnde Nächte

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Über dieses E-Book

Blicken Sie einmal durch das Schlüsselloch der Leidenschaft und begleiten Sie ein Zimmermädchen auf leisen Sohlen, oder erleben Sie, was nach einer intensiven Massage ihrer Füße geschieht.

Erleben Sie, was "Er ist ein Gentleman" bedeutet, wenn es in Dingen der Lust sinnlich gehaucht wird und lassen Sie sich fallen in seine starken Arme.

Kerstin Dirks verbindet Lust und Leidenschaft zu wunderschönen Geschichten, die ihnen Fesselnde Nächte bescheren werden.
SpracheDeutsch
HerausgeberSALAX
Erscheinungsdatum16. Sept. 2019
ISBN9783944154039
Fesselnde Nächte

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    Buchvorschau

    Fesselnde Nächte - Kerstin Dirks

    Sonderangebot

    Der Restaurantkritiker

    Je nny atmete auf, als sie das Krankenzimmer betrat. Endlich ging es ihrem Vater besser. Er spürte seine Beine wieder. Nach dem Sturz im Skiurlaub hatte es zunächst nicht danach ausgesehen, als würde er wieder vollständig genesen. Doch die Ärzte hatten ihm jetzt Hoffnung gemacht. Er würde noch eine Weile im Krankenhaus bleiben und anschließend eine Reha machen. Das bedeutete, er würde viele Wochen nicht im Einsatz sein. Aber nichtsdestotrotz waren es gute Nachrichten.

    Jenny stellte ihrem Vater einen Strauß Blumen in die Vase und hauchte einen Kuss auf seine Wange. Beide Beine sowie der Schultergürtel waren eingegipst.

    «Es sieht schlimmer aus, als es ist», versicherte Anthony Benner, doch bei jeder noch so kleinen Bewegung, verzog er das Gesicht vor Schmerz. Ihr Vater war schon immer ein schlechter Lügner gewesen.

    «Ruh dich aus, Dad. Mehr kannst du im Augenblick nicht tun.»

    «Ich will aber nicht in die Reha. Was soll ich da? Ich muss zurück ins La Cuisine Bella! Wer soll dort kochen, wenn nicht ich?»

    Jenny hatte genau diese Reaktion von ihrem Vater erwartet. Er war ein Arbeitstier, lebte für sein Restaurant, das drei Sterne­ sein eigen nannte. Eine entsprechende Küche erwarteten die Gäste, wenn sie das Haus betraten. Und das zurecht. Wer mit drei Sternen warb, musste auch drei Sterne bieten.

    «Ich werde kochen, das habe ich dir doch schon mal erklärt.»

    Es blieb Jenny gar nichts anderes übrig, als die Leitung der Küche zu übernehmen, denn wo sollte sie sonst so schnell einen Ersatz für ihren Vater auftreiben, der auch noch zu ­bezahlen war? Zwar war sie eigentlich nur Beiköchin, doch von ihrem Vater hatte sie einiges gelernt. Niemand kannte seine Geheimrezepte außer ihr.

    «Ich weiß das zu würdigen, Jennifer, aber die Leute werden den Unterschied merken. Sie werden es schmecken. Und was passiert dann?»

    «Wie willst du denn mit deinem kaputten Arm kochen? Wie willst du am Herd stehen? Das geht doch gar nicht.»

    «Kochen kann ich vielleicht nicht selbst, aber ich kann dich anleiten, dir sagen, was du tun musst. Ich kann herausschmecken, ob ein Gewürz fehlt oder zu viel enthalten ist.»

    «Aber ich habe doch deine Rezepte, Dad. Und wie du weißt, kann ich auch lesen. Ich werde mich genau an die Anweisungen halten. Mach dir nicht so viele Sorgen. Ich werde das Schiff schon schaukeln.»

    Am Gesichtsausdruck ihres Vaters erkannte Jenny, dass er arge Zweifel an ihrer Aussage hegte. Aber sie hatten ohnehin keine andere Wahl. Es sei denn, sie würden das La Cuisine Bella für die nächsten sechs Wochen zumachen, was jedoch einen enormen finanziellen Verlust bedeutete.

    «Ich weiß, wie wichtig dir die Küche deines Restaurants ist, Dad. Und das verstehe ich völlig. Du hast viele gute Kritiken in den renommiertesten Blättern bekommen, und das nicht ohne Grund! Aber bitte gib mir diese Chance. Ich weiß, dass ich dich würdig vertreten kann. Ich habe viel von dir gelernt, dich beobachtet. Ich bin eine gute Köchin. Vertrau mir.»

    Ein Lächeln zeichnete sich auf Anthony Benners paus­bäckigem Gesicht ab und er lachte laut. «Du bist wirklich eine Benner, so ein Sturkopf. Na schön. Versuche dein Glück. Ich werde aber zurückkehren, so schnell es geht.»

    Sie ergriff seine Hand und schüttelte den Kopf. «Darum geht es doch gerade. Das sollst du ja eben nicht. Es ist wichtig, dass du tust, was die Ärzte dir sagen. Versprich mir, dass du dich an ihre Anweisungen hältst.»

    Das Lächeln auf seinem Gesicht verwandelte sich in ein Grinsen. «Also gut, du sollst deinen Willen haben. Ich weiß, das La Cuisine ist bei dir in guten Händen. Außerdem haben wir uns etabliert, sind für die Restaurantkritiker uninteressant geworden.»

    «Weil es bei uns eben nichts zu bemängeln gibt und die Qualität für sich spricht.» Jenny zwinkerte ihrem Vater zu, warf dann einen Blick auf die Uhr. «Ich muss zurück, das La Cuisine macht ja schon in zwei Stunden auf. Ich werde dir später berichten, wie es gelaufen ist.»

    Ein Edelrestaurant wie das ihre öffnete seine Pforten nicht zur Mittagsstunde, sondern erst am frühen Abend.

    «Ich bin gespannt. Und bring mir doch etwas für morgen zum Mittag mit. Die Krankenhausküche ist ungenießbar.»

    *

    Jenny hatte sich übernommen, aber das wollte sie sich nicht eingestehen. Schon gar nicht vor ihrem Vater, wenn sie ihn morgen wieder besuchte. Im La Cuisine Bella war die Hölle los. Ausgerechnet heute Abend hatten sich gleich zwei Clubs angemeldet, um ihre Vereinsfeste zu feiern. Entsprechend häufte sich die ­Arbeit in der Küche an. Und entsprechend sah diese schon nach wenigen Stunden aus.

    «Noch zwei Krabbencocktails», rief der Ober ihr durch das kleine Fenster zu, das den Gästesaal mit der Küche verband.

    «Zwei Mal Hummer in Weißweinsauce, ein Mal Austern mit Pumpernickel und ein Mal Forelle nach Müllerin Art», sagte ein anderer Kellner und drückte ihr den Zettel in die Hand, auf dem er sich die Bestellungen notiert hatte.

    «Wie soll ich das alles schaffen?», fragte Jenny völlig erschöpft, doch die Küchenhilfen zuckten lediglich hilflos mit den Schultern. Natürlich hatten sie auch kein Patentrezept parat. Allen war klar, der Chefkoch fehlte. Und wie! Ohne ihn würde das La Cuisine in kurzer Zeit den Bach runtergehen. Nicht nur, dass Jenny ihre eigenen Kochkünste maßlos überschätzt hatte, sie musste auch einsehen, dass ihr Küchen­management zu wünschen übrig ließ.

    «Tisch zwei fragt jetzt schon zum dritten Mal nach den Kaviarschnitten.»

    «Ich mach doch schon, so schnell ich nur kann!»

    Und das tat sie. Fast schien es, als würden ihr zwei weitere Arme wachsen. Die zusätzlichen Hände schnitten und rührten, hackten und zerteilten. Verbissen rührte sie ein Trüffelomelett zusammen, gab es in die Pfanne.

    Drei Stunden später schloss das La Cuisine und Jenny sank keuchend zu Boden, war aber zufrieden und glücklich, weil irgendwie doch noch alles geklappt hatte.

    «Waren die Gäste einigermaßen zufrieden?», fragte sie den Ober, der gerade in die Küche kam.

    «Ich habe keine weiteren Klagen gehört», sagte er und verabschiedete sich in den Feierabend wie auch die Küchenhilfen. Lediglich Pepe, der junge Kellner, blieb noch, um ihr beim Aufräumen zu helfen.

    «Du hast dich gut geschlagen, ehrlich», sagte er aufmunternd.

    «Ich weiß nicht, ich kam mir vor wie ein Tölpel. Aber so lange sich die Leute nicht beschweren, will ich nichts gesagt haben.»

    «Noch ein paar Tage und du wirst den Laden im Griff haben», sagte Pepe überzeugt.

    Jenny lachte. «Meinst du?»

    «Aber ja. Aller Anfang ist schwer. Doch Übung macht den Meister.»

    «Kannst du auch etwas sagen, das nicht wie aus einem Sprichwörter-Lexikon klingt?»

    «Das habe ich doch schon. Du hast deine Sache gut gemacht.»

    Jenny nickte zufrieden. Wahrscheinlich hatte Pepe recht. Für das erste Mal als Küchenchefin hatte sie sich doch verhältnismäßig gut geschlagen.

    Plötzlich klingelte ihr Handy. «Ich geh mal kurz ran, sorry», entschuldigte sie sich bei Pepe, der gerade die Stühle hochstellte.

    Ihr fiel auf, dass er sie die ganze Zeit über verträumt ansah, was Jenny sehr unangenehm war. Hoffentlich hatte sich Pepe nicht in sie verliebt. Ein anstrengender Verehrer würde ihr jetzt gerade noch fehlen, wo doch sowieso schon überall um sie herum das Chaos wütete.

    «Kein Problem, nur zu», sagte Pepe und konzentrierte sich auf seine Arbeit.

    William, ein alter Freund der Familie, der lange Zeit mit ihrem Vater das La Cuisine geleitet hatte, meldete sich auf der anderen Seite der Leitung. Jenny war erstaunt, woher er überhaupt ihre Nummer hatte, doch das Mysterium klärte sich sogleich auf. Dad hatte sie ihm gegeben.

    «Tut mir leid, wenn ich dich jetzt noch störe, Jennifer, aber die Sache duldet keinen Aufschub», erklärte William ernst.

    «Worum geht es denn?»

    «Um Edward Bloom natürlich.»

    Edward Bloom? Musste man diesen Mann kennen? Es machte ganz den Anschein. «Edward Bloom?», wiederholte Jenny und hoffte, dass William sie aufklärte.

    «Richtig», sagte der aber nur.

    «Wer ist Edward Bloom?»

    «Machst du Witze? Du hast noch nie von ihm gehört?»

    «Nein, sollte ich?»

    «Als Tochter deines Vaters lautet die Antwort eindeutig: Ja!»

    Jenny stand ziemlich auf dem Schlauch, und das war ihr ausgesprochen peinlich. «Klär mich doch bitte auf, William, sei so gut, ja?»

    «Sagt dir das Magazin Gaumenfreuden etwas?»

    «Sicher, das ist die bekannteste Zeitschrift von, mit und über Gastronomen der gehobenen Klasse.»

    «Richtig. Und einer ihrer schärfsten Kritiker, und damit meine ich nicht Kritiker des Magazins, sondern Kritiker, die für das Magazin arbeiten, ist genannter Edward Bloom.»

    «Er ist Restaurantkritiker?»

    Ihr schwante Schlimmes!

    «Bingo. Das allein ist aber nicht die Katastrophe.»

    «Lass mich raten, Edward Bloom will eine Kritik über das La Cuisine schreiben?»

    «Ganz recht. Ich habe es zufällig über einen Dritten erfahren. Bloom kündigt sich in der Regel nicht an, er besucht ein Restaurant, speist dort und schreibt nach nur einem einzigen Mahl eine Kritik. Meistens sind es vernichtende Worte. Deswegen wollte ich deinen Vater vorwarnen. Ich ahnte ja nicht, dass er krankheitsbedingt ausgefallen ist. Umso größer ist nun die Verantwortung für dich.»

    Wunderbar! Noch mehr Verantwortung konnte sie brauchen. Immer her damit.

    «Du musst Bloom ein Essen servieren, das er niemals vergessen wird.»

    Sie dachte an die heutigen Probleme zurück. Die Gäste hatten zwar nach den ersten Startschwierigkeiten zum Glück keinen Ärger gemacht, aber es war auch kein Lob von ihnen gekommen. Möglicherweise waren sie auch einfach nur zu höflich gewesen, um Beschwerde einzulegen.

    «Offiziell ist dein Vater nicht krank. Bloom wird also glauben, dass er das Essen zubereitet. Folglich muss dieses Essen ein Meisterwerk sein. Grandios! Ein Gaumenschmaus, den er nie vergessen wird.»

    Jenny sank auf den Boden. Was William verlangte, war unmöglich! Sie war nun einmal nicht ihr Vater.

    «Ich … weiß nicht … ob ich das kann.»

    «Du musst, Jenny.»

    Andernfalls, und das wog in ihren Augen sogar schlimmer als eine mögliche schlechte Kritik, würde sich ihr Vater trotz kaputter Schulter und gebrochenen Beinen persönlich in die Küche setzen und das Essen zubereiten. Das durfte sie auf keinen Fall zulassen. Es hatte oberste Priorität, dass er sich ausruhte.

    «Bist du noch dran, Jenny?»

    «Ja … ich bin da … alles klar.» Sie musste dringend ihre Gedanken ordnen. «Woran erkenne ich Bloom? Hast du ihn schon mal gesehen, kannst du ihn mir beschreiben? Oder ­finde ich etwas über ihn im Internet? Oder im Gaumen­freuden-Magazin?»

    «Bloom achtet sehr darauf, dass man ihn nicht erkennt. Er will verhindern, dass die Köche ihm anderes Essen servieren als den anderen Gästen, um so den Kritiker zu beeinflussen. Folglich wirst du nirgends ein Bild von ihm finden. Allerdings hat er schon einmal im La Cuisine gespeist, damals, als ich auch noch für den Laden gearbeitet habe.»

    «Und du hast ihn erkannt?»

    «Ich bin ziemlich sicher, dass er es war. Groß, elegant gekleidet, natürlich im Anzug. Dunkle Haare, strenge Miene.»

    Das waren ja zumindest schon mal ein paar Anhaltspunkte, mit denen sie arbeiten konnte. «Weiß du, wann er kommen möchte?»

    «Das lässt sich eingrenzen, denn der Redaktionsschluss für Gaumenfreuden ist Ende nächster Woche. Innerhalb dieses Zeitraums kannst du mit seinem Besuch rechnen.»

    «Danke, du hast mir sehr geholfen.»

    «Gern, das bin ich der La Cuisine schuldig. Viel Glück, ­Jenny.»

    «Das werde ich brauchen, bye bye William.» Sie drückte auf die rote Taste und steckte das Handy weg.

    «Gibt es Schwierigkeiten?», fragte Pepe und schaute besorgt auf sie runter. Der Kellner hatte inzwischen alle Stühle hochgestellt und hielt nun den Besen in der Hand, um den Raum auszufegen.

    «Das kann man wohl sagen. Ich bin am Ende mit den ­Nerven.»

    «So schlimm?»

    «Der Ruf des La Cuisine steht auf dem Spiel und mein Vater ist nicht hier. Sagt das nicht alles?»

    «Es fasst die Lage präzise zusammen», gab er ihr recht, hockte­ sich dann zu ihr und legte ihr eine Hand auf die Schulter. «Auch wenn dein Vater nicht hier ist, bist du dennoch nicht allein. Wir stehen hinter dir und werden dich unterstützen», versprach er.

    Das zu hören, tat Jenny unendlich gut. Sie legte ihre Hand auf seine und drückte diese sanft. «Dann kann ja nichts mehr schief gehen.»

    *

    Jeden Abend rechnete Jenny mit der Ankunft des Restaurantkritikers, aber der ließ sich nicht blicken. Erst am Sonntagabend betrat eine Gestalt das La Cuisine, auf welche Williams Beschreibung einigermaßen passte. Groß, breitschultrig. Ein Mann mittleren Alters. Schwarzes Haar, das voll, aber streng gekämmt war. Ein dunkler, übel gelaunter Blick, der verriet, dass sich dieser Mann erhaben über allen anderen fühlte.

    «Ist er das?», fragte auch Pepe, als er die Person im dunklen Anzug bemerkte.

    «Keine Begleitung, ein Tisch für eine Person in einer der hinteren Ecken, mürrisches Gesicht. Ich denke, das könnte unser Kritiker sein», sagte Jenny leise und zog sich in die Küche zurück, während Pepe die Bestellung des Gastes aufnahm.

    Kurz darauf reichte er ihr den Zettel mit der notierten Bestellung. «Er will nur ein Rumpsteak Medium», sagte Pepe verwirrt.

    «Das ist sein Trick», mutmaßte Jenny. «Er wird denken, wenn der Chefkoch kein Rumpsteak hinbekommt, dann ist es um die anderen Speisen nicht besser bestellt.»

    «Raffiniert!»

    «Soll er sein Rumpsteak Medium bekommen. Es wird ihm schmecken», da war sich Jenny sicher und machte sich sogleich an die Arbeit.

    Als das Gericht endlich fertig war und Pepe ihr den Teller abnehmen wollte, um diesen zum Kritiker zu bringen, schüttelte Jenny den Kopf. «Das möchte ich gern selbst übernehmen.»

    Bei der Gelegenheit würde sie auch einen Blick auf die Notizen werfen, die sich der Kritiker zweifellos machte, während er hier war. Einen Salat und ein Glas Weißwein hatte er bereits zu sich genommen.

    «Ihre Bestellung, mein Herr», sagte Jenny höflich und stellte den Teller auf den Tisch.

    Edward Bloom hob den Kopf, musterte sie von oben bis unten und plötzlich trat ein Lächeln auf sein Gesicht. Er wirkte mit einem Mal nicht mehr abweisend, schon gar nicht grimmig. Im Gegenteil, in diesem kurzen Moment wirkte der Kritiker­ ausgesprochen attraktiv. Die Feststellung verwirrte Jenny und raubte ihr ihre Schlagfertigkeit.

    «Ich danke Ihnen», sagte der Kritiker und seine Stimme klang tief und samtig, bereitete ihr eine Gänsehaut an allen möglichen und unmöglichen Stellen ihres Körpers.

    «Guten … Appetit», sagte Jenny und eilte zurück zur Küche.

    Sie war verwirrt. Eigentlich hatte sie vorgehabt, Bloom zu hassen, weil er doch ein scharfer Hund war, der schon das eine oder andere Restaurant in den Ruin getrieben hatte. Aber gerade eben hatte er wie kein übler Kerl gewirkt. Vielleicht handelte es sich um eine brillante Taktik? Er wollte sie in Sicherheit wiegen, um dem La Cuisine dann den Todesstoß mit einem reißerischen Artikel zu versetzen.

    Jenny fiel es schwer, sich auf die restlichen Gerichte zu konzentrieren. Immer wieder musste sie durch die Durchreiche spähen, um das Gesicht des Kritikers zu mustern, aber dieses war die meiste Zeit über sehr neutral. Nichts deutete darauf hin, dass er besonderes Gefallen an ihrem Essen fand oder ob genau das Gegenteil der Fall war.

    «Er hat aufgegessen, ich räume dann mal ab», sagte Pepe, der plötzlich durch die Durchreiche zu ihr reinschaute.

    «Gut, und frag ihn bitte auch, wie es ihm geschmeckt hat.»

    «Wird gemacht.» Pepe salutierte zum Spaß und eilte zum Tisch des Kritikers. Kurz darauf kam er zu Jenny zurück, die heruntergezogenen Mundwinkel ließen nichts Gutes erahnen.

    «Jetzt sag schon, was hat er gesagt?»

    «Er war nicht zufrieden.»

    «Wirklich nicht? Aber es war doch nur ein einfaches Gericht, wie kann er da nicht zufrieden sein?»

    «Es war ihm zu roh. Und die Beilagen waren auch nicht nach seinem Geschmack. Tut mir sehr leid.»

    Die Gedanken überschlugen sich in Jennys Kopf. Sie sah in diesem kurzen Moment eine düstere Zukunft für das La Cuisine und auch für ihren Vater, dessen Lebenswerk in sich zusammenfiel. Und wessen Schuld war das alles?

    Jenny hatte versagt! Doch sie wollte ihren Dad auf keinen Fall enttäuschen. Sie wusste doch, wie sehr ihm das Feinkost-Restaurant am Herzen lag. Sie musste etwas unternehmen. Dringend. Sie band die Schürze ab, warf sie auf einen Hocker und eilte hinaus in den Gästeraum, hin zu Edward Blooms Tisch.

    Der Mann blickte überrascht zu ihr hoch, aber Jenny setzte sich sofort, sodass sie sich auf Augenhöhe befanden. «Ich will es aus Ihrem Mund hören», bat sie aufgeregt.

    «Wovon sprechen Sie denn?»

    «Ich will hören, dass Ihnen mein… ich meine natürlich das Essen meines Vaters nicht gemundet hat.»

    «Oh, darum geht es also. Nun ich will nicht meckern. Man hört ja hier und da, dass Ihr Vater ein ganz hervorragender Koch ist. Aber das Gericht war nicht ganz mein Fall. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich fand es auch nicht schlecht.»

    Selbst ein mittelmäßiges Urteil konnte den Ruin des La Cuisine bedeuten. Jenny musste einsehen, dass sie bei Weitem­ keine so gute Köchin

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