Mutterhände: Sophienlust Extra 3 – Familienroman
Von Gert Rothberg
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Über dieses E-Book
In der Reihe Sophienlust Extra werden die schönsten Romane dieser wundervollen Erfolgsserie veröffentlicht. Warmherzig, zu Tränen rührend erzählt von der großen Schriftstellerin Patricia Vandenberg.
Der Hund stemmte sich mit seinen vier Füßen kräftig gegen den Boden. Alles an ihm drückte Abwehr aus. Geschickt senkte er seinen schönen Kopf, um dem Strick, der ihn erbarmungslos vorwärtszerrte, zu entkommen. Trauer und Verzweiflung spiegelten sich in den ausdrucksvollen dunklen Augen des Tieres, als dies misslang. Dominik von Wellentin-Schoenecker beobachtete mit zusammengezogenen Brauen die Szene. Finster war sein Blick auf den Mann gerichtet, der den bedauernswerten Hund aus dem Auto stieß und dann hinter sich herzog. »Ist hier das Tierheim Waldi?«, fragte der Fremde mürrisch. Der Junge mit dem blauschwarzen Haar und den schönen dunklen Augen wies mit einer knappen Bewegung des Kopfes auf das breite Tor, über dem groß und deutlich ein breites Schild mit der Aufschrift prangte: »Waldi & Co. – Das Heim der glücklichen Tiere«. »Na, dann nimm mir endlich den Köter hier ab!« Der kleine dicke Mann wandte all seine Kraft auf, um den störrischen Hund über die Straße zu zerren. Er keuchte und schwitzte. Sein massiges Gesicht war rot angelaufen. Zornig blitzten seine kleinen Äuglein. Dominik, der von seinen Freunden stets nur Nick gerufen wurde, war sonst ein freundlicher, gefälliger Junge. Doch er verachtete Leute, die so gefühllos mit Tieren umgingen, wie es dieser Mann tat. Deshalb rührte er sich nicht, sondern blieb stumm bei seinem Fahrrad stehen. »Hörst du nicht?«, prustete der Dicke.
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Buchvorschau
Mutterhände - Gert Rothberg
Sophienlust Extra
– 3 –
Mutterhände
Evely sehnt sich so sehr nach Geborgenheit!
Gert Rothberg
Der Hund stemmte sich mit seinen vier Füßen kräftig gegen den Boden. Alles an ihm drückte Abwehr aus. Geschickt senkte er seinen schönen Kopf, um dem Strick, der ihn erbarmungslos vorwärtszerrte, zu entkommen. Trauer und Verzweiflung spiegelten sich in den ausdrucksvollen dunklen Augen des Tieres, als dies misslang.
Dominik von Wellentin-Schoenecker beobachtete mit zusammengezogenen Brauen die Szene. Finster war sein Blick auf den Mann gerichtet, der den bedauernswerten Hund aus dem Auto stieß und dann hinter sich herzog.
»Ist hier das Tierheim Waldi?«, fragte der Fremde mürrisch.
Der Junge mit dem blauschwarzen Haar und den schönen dunklen Augen wies mit einer knappen Bewegung des Kopfes auf das breite Tor, über dem groß und deutlich ein breites Schild mit der Aufschrift prangte: »Waldi & Co. – Das Heim der glücklichen Tiere«.
»Na, dann nimm mir endlich den Köter hier ab!« Der kleine dicke Mann wandte all seine Kraft auf, um den störrischen Hund über die Straße zu zerren. Er keuchte und schwitzte. Sein massiges Gesicht war rot angelaufen. Zornig blitzten seine kleinen Äuglein.
Dominik, der von seinen Freunden stets nur Nick gerufen wurde, war sonst ein freundlicher, gefälliger Junge. Doch er verachtete Leute, die so gefühllos mit Tieren umgingen, wie es dieser Mann tat. Deshalb rührte er sich nicht, sondern blieb stumm bei seinem Fahrrad stehen.
»Hörst du nicht?«, prustete der Dicke. »Du sollst mich von diesem Ungeheuer befreien!« Wütend schaute er auf das Tier, das sich nach Kräften wehrte.
»Ist das denn nicht Ihr Hund?«
»Glaubst du, ich würde mir eine solche Promenadenmischung kaufen?«, höhnte der Dicke. »Zugelaufen ist mir das Vieh! Und ich möchte ganz sicher sein, dass es mir nicht noch einmal begegnet. Deshalb bringe ich es hierher. Ihr müsst es einsperren! An die Kette legen!«
Nick sah sofort, dass der Hund nicht bösartig war. Er knurrte nicht, zeigte nicht die Zähne und versuchte auch nicht, seinen Widersacher anzuspringen. Das Tier war nur ängstlich und verstört. Es wehrte sich gegen den Zwang und fürchtete sich offenbar vor dem Dicken. Jetzt gelang es dem Hund endlich, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Er war frei! Doch er lief nicht weg, wie der Mann befürchtet hatte, sondern flüchtete mit drei langen Sätzen zu Nick.
Einen Moment lang war der Dicke verblüfft. »Na, so was …«, meinte er kopfschüttelnd. Doch dann warf er Nick den Strick vor die Füße. »Hier, binde die Bestie fest!«
»Wollten Sie nicht zu Herrn Dr. von Lehn?«, fragte Nick, als er sah, dass der Fremde wieder zu seinem Wagen ging.
»Wozu? Mir ging’s ja nur darum, das Vieh loszuwerden!« Schon summte der Anlasser, der Motor sprang an, und das Auto fuhr davon.
Jetzt wandte sich Nick dem verängstigten Tier zu, das ihn aus klugen dunklen Augen aufmerksam ansah. Eine Augenweide war die Hündin bestimmt nicht. Sie hatte etwa die Größe eines Setters, doch ihr Fell war kurzhaarig. Es mochte braun sein. Jetzt aber war es schwarzgrau und struppig und strotzte vor Schmutz. »Wer bist du bloß?«, überlegte Nick laut. »Ich hab dich noch nie hier gesehen!«
Eine stumme Bitte um Vergebung war im Blick des Vierbeiners. Zaghaft bewegte sich die Schwanzspitze hin und her. Die Hündin schien sofort zu spüren, dass hier jemand war, der ein Herz für Tiere hatte. Auch dann, wenn sie nicht gerade hübsch aussahen.
»Du meine Güte, ist der schmutzig!« Mit diesen Worten trat ein blondes Mädchen aus dem Haus und schlug erschrocken die Hände zusammen. Die Kleine, die etwa elf Jahre alt sein mochte, trug Blue Jeans und einen Ringelpulli wie ein Junge. Die langen blonden Haare waren am Hinterkopf zu einem Pferdeschwanz zusammengenommen, der bei jeder Bewegung lustig wippte.
»Das ist kein ›Er‹, das ist eine ›Sie‹!«, belehrte Nick seine kleine Freundin. »Außerdem werde ich sie gleich baden. Sonst bekommt Andrea einen Schreck, wenn ich ihr den neuen Gast vorstelle.« Nicks Hand legte sich vorsichtig auf den Kopf der Hündin. Sie ließ es gern geschehen.
»Kannst du das denn?« Die Kleine zog das Näschen mit den vielen Sommersprossen, die ihr den Namen ›Pünktchen‹ eingebracht hatten, kraus.
»Vati sagt immer, man kann alles, wenn man nur will!« Entschlossen presste Nick die Lippen aufeinander. Er kannte zwar die Tierliebe seiner großen Stiefschwester Andrea, die zusammen mit ihrem Mann, dem jungen Tierarzt Dr. von Lehn, dieses Heim gegründet hatte. Doch er war trotzdem nicht ganz sicher, ob ein derart verwahrlostes Tier darin Aufnahme finden würde.
»Du, Nick, soll ich dir helfen?«, fragte Pünktchen, obwohl sie sich vor dem großen Hund ein wenig fürchtete. Doch sie ließ nie eine Gelegenheit aus, Nick ihre Anhänglichkeit zu zeigen und ihm ihren Mut zu beweisen.
Sechs Jahre war es nun schon her, dass Nick die hübsche Kleine gefunden und nach Sophienlust gebracht hatte. Sie hatte einst ihre Eltern bei einem Zirkusbrand verloren und danach viel Schweres erlebt. Doch in Sophienlust, dem Heim der glücklichen Kinder, hatte Pünktchen, die eigentlich Angelina Dommin hieß, eine neue Heimat gefunden. Das vergaß sie keinen Augenblick. Immer würde sie Nick und seiner schönen Mama dankbar sein.
»Wenn du magst«, antwortete der Junge scheinbar gleichgültig. Und doch freute er sich immer wieder über das Interesse und den Eifer seiner kleinen Freundin. Er mochte Pünktchen von Herzen gern, und er hätte sich Sophienlust nicht mehr ohne sie vorstellen können. Wenn ihn die veilchenblauen Augen des Mädchens anstrahlten, wurde ihm ganz eigenartig zumute. Manchmal wurde er sogar richtig verlegen. Malu, das älteste der Sophienluster Kinder, behauptete manchmal, dass er Pünktchen einmal heiraten würde. Doch zu solchen Prognosen zuckte Nick nur die Schultern. Er war noch ein richtiges Kind. Und an solche Dinge mochte er noch gar nicht denken.
»Komm mit, wir gehen in die Waschküche!«, rief Nick.
Wie selbstverständlich folgte der Hund den Kindern. Er sah zu, wie Nick lauwarmes Wasser in eine große Wanne einlaufen ließ und wie er Bürste und Hundeseife richtete.
»Hast du den Mann gekannt, der die Hündin gebracht hat?«
»Keine Ahnung …« Nick prüfte die Temperatur des Wassers.
»Betti meint, es wäre der Apotheker Kopp aus Bachenau gewesen.«
Dominik wusste, dass man den Angaben von Betti, dem Hausmädchen bei dem jungen Ehepaar von Lehn, vertrauen konnte.
»So hab ich mir diesen Geizhals auch vorgestellt«, presste er zwischen den Zähnen hervor. »Wahrscheinlich hat er das arme Tier sogar geschlagen. Sonst wäre es nicht so scheu!« Nick kraulte den Hund am Kopf und führte ihn behutsam zur Wanne. »Komm, wir machen dich ganz sauber. Es ist überhaupt nicht schlimm. Du brauchst nur in der Wanne stehen …«
Das Tier schien jedes Wort zu verstehen. Vertrauensvoll schaute es die Kinder an und stieg dann gehorsam ins Wasser. Ruhig ließ es die Reinigungsprozedur über sich ergehen.
»Sieh nur, wie mager sie ist«, meinte Pünktchen mitleidig. »Man kann jede Rippe sehen! Und wundgelaufene Pfoten hat sie auch. Armes Hundchen …«
Nicks Augenschlitze verengten sich. »Das bedeutet doch, dass sie gar nicht aus der Gegend ist«, überlegte er.
»Man kann eine Anzeige aufgeben. Dann wird sich der Eigentümer bestimmt melden«, schlug Pünktchen vor.
»Ich weiß nicht …« Nick brauste nachdenklich die Hündin ab.
»Jetzt sieht sie schon ganz hübsch aus«, lobte Pünktchen. »Wir müssen einen Namen für sie finden.«
»Sie hat sicher schon einen. Doch wie sollen wir ihn erfahren? Kein Halsband, keine Hundemarke …«
»Ich weiß was! Wir nennen sie Perry! Das ist doch hübsch. Findest du nicht?«
Der Junge nickte zerstreut. Ihn beschäftigte wieder einmal brennend eine Frage: Woher kam dieser Hund? Und weshalb war er in Bachenau aufgekreuzt? Hatte man ihn ausgesetzt? Schlecht behandelt? Oder war er von seinem Herrchen oder Frauchen getrennt worden? Warum?
*
»In Bachenau ist ein Karussell und eine Schießbude«, verkündete Henrik, mit vollem Mund kauend.
Strafend sah Denise von Schoenecker ihren Jüngsten an. Doch ganz ernst bleiben konnte sie angesichts des drolligen Anblicks, den der Siebenjährige bot, nicht. Der kleine Schalk in ihren Augen verriet dann Henrik auch sofort, dass seine Mutti nicht ernstlich böse war. Hastig schluckte er und verkündete dann laut: »Ich weiß es von meinen Freunden in der Schule. Sie gehen heute Nachmittag hin. Darf ich auch, Mutti?« Henriks dunkle Augen bettelten.
»Vielleicht geht Tante Carola mit euch, wenn ihr mit den Schularbeiten fertig seid«, schlug Denise vor. Sie war nicht ängstlich, doch es war ihr lieber, wenn sie die Kleinen unter der Aufsicht einer erfahrenen Betreuerin wusste. Schließlich hatte sie die Verantwortung. Nicht nur für ihre eigenen Kinder, sondern auch für die vielen Buben und Mädchen, die in Sophienlust lebten.
»Prima, Mutti!« Henrik wäre am liebsten aufgesprungen und zu seiner schönen Mama gelaufen. Doch er war ja schon ein großer Junge und wusste, dass er damit warten musste, bis Martha den Tisch abgeräumt hatte. »Ich bin auch ganz schnell fertig«, versicherte er eifrig.
»Seit wann sind dieses Karussell und die Schießbude denn da?«, fragte Nick, der sich heimlich darüber ärgerte, dass Henrik diesmal mehr wusste als er. Normalerweise passierte in der ganzen Umgebung nichts, ohne dass er schnellstens darüber informiert war. Doch gestern hatte er den ganzen Nachmittag im Tierheim verbracht. Und heute in der Schule war er