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Stefanie Sargnagel: Autorin. Burschenschaftlerin. Matriarchin. Rotkäppchen.
Stefanie Sargnagel: Autorin. Burschenschaftlerin. Matriarchin. Rotkäppchen.
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eBook131 Seiten1 Stunde

Stefanie Sargnagel: Autorin. Burschenschaftlerin. Matriarchin. Rotkäppchen.

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Über dieses E-Book

Über Stefanie Sargnagel wisse doch jeder alles, im Internet mache sie sich ja quasi nackt, sagen Kritiker der umstrittenen Künstlerin. Sie selbst sieht das ganz anders. Wie, davon hat Stefanie Sargnagel Antonia Thiele erzählt, backstage, während 300 Zuhörer auf ihre Lesung warteten, und bei einer Melange in ihrem Wiener Wohnbezirk.
Am Ende war klar: Sargnagel hat so viel erreicht, dass sie das Wort "Arbeit" ab jetzt zu Recht ohne Ironie verwenden will.
SpracheDeutsch
Herausgeberkurz&bündig
Erscheinungsdatum30. März 2019
ISBN9783907126196
Stefanie Sargnagel: Autorin. Burschenschaftlerin. Matriarchin. Rotkäppchen.

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    Buchvorschau

    Stefanie Sargnagel - Antonia Thiele

    Basel

    Zum Buch

    Stefanie Sargnagel. Autorin. Burschenschafterin. Matriarchin. Rotkäppchen.

    Über Stefanie Sargnagel wisse doch jeder alles, im Internet mache sie sich ja quasi nackt, sagen Kritiker der umstrittenen Künstlerin. Sie selbst sieht das ganz anders. Wie, davon hat Stefanie Sargnagel Antonia Thiele erzählt, backstage, während 300 Zuhörer auf ihre Lesung warteten, und bei einer Melange in ihrem Wiener Wohnbezirk. Am Ende war klar: Sargnagel hat so viel erreicht, dass sie das Wort »Arbeit« ab jetzt zu Recht ohne Ironie verwenden will.

    Zur Autorin: Antonia Thiele

    Antonia Thiele ist Journalistin und mag Menschen, von denen sie Neues lernt. Von Stefanie Sargnagel weiß sie zum Beispiel, dass es möglich ist, innerhalb eines Monats 243 Facebook-Posts abzusetzen. Ihr eigenes Profil hat sie trotzdem seit eineinhalb Jahren nicht aktualisiert.

    1 – Im Café Semmerl & Co I: Stimme einer Generation oder Krawallmacherin?

    In Stefanie Sargnagels Selbstporträt erscheint alles einfach, eindeutig. Die Nase: ein senkrechter Strich. Die Augenlider: zwei waagerechte Striche über der Mitte der Pupille. Die Baskenmütze: ein Halbkreis und etwas rote Farbe. In ihrer eigenen Wahrnehmung ist sie damit scheinbar fertig: Stefanie Sargnagel, Wiener Autorin, veröffentlicht ihre Statusmeldungen erst auf Facebook, dann in Büchern. Würde man jedoch versuchen, ein Bild aus all den herumgeisternden Meinungen über Stefanie Sargnagel zu zeichnen, dann sähe das anders aus. Es hätte viele Schichten, Farben, Stile. Es zeigte eine kompromisslose Feministin, eine Humoristin, eine Provokateurin, eine politisch versierte Linke, eine Künstlerin und ein Arbeiterkind aus dem Wiener Gemeindebau. Natürlich: Vielschichtig ist in gewisser Weise jeder Mensch. Aber es gibt nur wenige Persönlichkeiten, die so viele Leute so verbissen kategorisieren wollen wie Stefanie Sargnagel. Um eine Schublade für sie zu finden und sie dort hineinzuquetschen – ob sie hin­einpasst oder nicht, ob sie es will oder nicht. Von Pablo Picasso ist das Zitat überliefert: »Wenn es nur eine einzige Wahrheit gäbe, könnte man nicht hundert Bilder über dasselbe Thema malen.« Von Stefanie Sargnagel gibt es sicher hundert Bilder, die in noch mehr Köpfen existieren. Nicht alle diese Bilder zeigen die Wahrheit, aber noch weniger ist nur eines allein wahr.

    Und so sollte man besser nicht in die Versuchung geraten, alles, was sie tut und sagt, sofort einzuordnen. Aber natürlich ist das nicht so einfach, vielleicht sogar unmöglich. Man tut es doch und fängt so an, sein eigenes Bild von der 32-Jährigen zu formen, das beste, das möglich ist.

    Stefanie Sargnagel hat als Treffpunkt das Café Semmerl & Co in Margareten vorgeschlagen, dem fünften Wiener Bezirk. Auf den ersten Blick erschließt sich der Grund dafür nicht unbedingt, denn Semmerl & Co ist ein Biocafé, das mit selbstgemachten Marmeladen und regionalen Produkten aus der Steiermark wirbt. Dort geht es – so zumindest der erste Anschein – um das Gefühl von Gesundheit und Heimat. Rote Wangen und gesundes Lächeln. Stefanie Sargnagel ist eher bekannt für eingefallene Wangen und Ketterauchen. Zu ihr würde eher das Café Weidinger im 16. Bezirk passen. Dort wird geraucht und getrunken, und der Kellner ist kurzangebunden. Also kein touristisches Aushängeschild, aber einer Subkultur absolut angemessen.

    Stefanie Sargnagel schreibt und zeichnet Cartoons, erst im Internet, dann veröffentlicht sie die Posts in Büchern. Dabei geht es um verrückte Gespräche, die sie als Telefonistin im Callcenter geführt hat, um ihre Zeit als Studentin an der Akademie der bildenden Künste Wien, um Körperausscheidungen und um Politik. Es gibt viele Charakteristika, mit denen Fans, Gegner und Medien versuchen, die 1986 geborene Künstlerin zu beschreiben, aber meistens geht es im Grunde um ihre Einstellung. Was sie eigentlich von Beruf ist, weiß niemand so genau, denn das Genre, in dem Sargnagel sich bewegt, ist erst mit ihr entstanden; vorher gab es das eigentlich nicht.

    Alles fing damit an, dass Stefanie Sargnagel als 15-Jährige auf einem Blog im Internet ihre Gedanken formulierte. Inzwischen hat sie Tausende Posts auf Facebook und Twitter veröffentlicht. Diese Statusmeldungen trägt sie auf Lesereisen durch den deutschsprachigen Raum vor.

    Dabei inszeniert sie sich auch immer selbst. Auch das macht es schwer, Stefanie Sargnagel zu begreifen. Was viele umso mehr anzustacheln scheint, genau das zu versuchen. Wer sie nicht mag, will ihr einen Stempel aufdrücken. Wer sie bewundert, will das auch. Und sich selbst noch dazu. Texte oder Filme über die Autorin geraten immer mal wieder auch zu Selbstdarstellungen derer hinter der Kamera oder dem Rechner.

    Stefanie Sargnagel ist dies und jenes, heißt es oft in Artikeln über sie. Sie ist Feministin, Linke, Krawallmacherin. Und irgendwie ist sie das alles auch. Aber solche Charakterisierungen sind nicht geeignet, ihre Persönlichkeit zu beschreiben. Stefanie Sargnagel ist schnell, denkt um die Ecke. Man weiß nie, womit man rechnen muss, aber meistens ist das, was sie von sich gibt, originell. Und die Interviewer wollen da gern mithalten.

    Sargnagel selbst, die eigentlich Stefanie Sprengnagel heißt, gibt gern das Enfant terrible, das immer zu spät, verpeilt und vom Leben überfordert ist. Das in kein System passt, sei es Schule oder Kunstakademie oder die Leistungsgesellschaft an sich. Eigentlich müsste für die Wienerin ein neues Genre gefunden werden. Es gibt kein Vorbild. Manchmal wird sie Bloggerin genannt, aber das trifft eigentlich nicht wirklich zu, denn sie veröffentlicht ihre Texte vor allem in den sozialen Medien. Die Bezeichnung »Face­book-Schriftstellerin«, die ab und zu für sie verwendet wird, reicht dagegen nicht aus, denn natürlich tut sie mehr, als auf Facebook zu schreiben. Und mittlerweile ist klar: Sargnagel wird nicht verschwinden, nur weil vielleicht Face­book irgendwann verschwindet. Sie hat ihre Posts inzwischen in mehreren Büchern veröffentlicht. Die ersten hatten kleine Auflagen, aber für ihr neuestes Buch »Statusmeldungen«, das 2017 erschienen ist, hat sie einen Vertrag mit dem deutschen Traditionsverlag Rowohlt unterschrieben.

    Wer Stefanie Sargnagel nicht durch ihre Texte kennt, hat spätestens 2017 von ihr gehört. Damals inszenierte die Wiener Boulevardpresse einen Shitstorm gegen sie, also eine Welle von Hasskommentaren im Internet. Sie wurde beschimpft, bedroht, angefeindet. Es war zwar nicht das erste Mal, dass sie für heftige Reaktionen gesorgt hatte. Dieses Mal allerdings traten zum Hass im Internet auch noch Ermittlungen des Verfassungsschutzes. Dass Sargnagel diese Angriffe verdiene, davon scheinen viele ihrer Gegner auch Monate später noch überzeugt zu sein. Sie sind leidenschaftlich gegen sie – so wie diejenigen, die sie und ihre Arbeit verteidigen und Sargnagel, wie die österreichische Ausgabe des kanadischen Jugendmagazins Vice, als die »wichtigste österreichische Schriftstellerin des 21. Jahrhunderts« bezeichnen, glühend auf ihrer Seite stehen. Sie scheint also neben allem anderen auch eine hervorragende Projektionsfläche abzugeben.

    Aber zurück zum Café Semmerl & Co. Es scheint auf den ersten Blick nicht besonders gut zu Stefanie Sargnagel zu passen, aber die innere Einstellung ist doch ähnlich: un­angepasst und Erwartungen gegenüber gleichgültig. An einem eisigen Tag Mitte Februar, draußen herrscht nasskaltes Schneegestöber, ist der rot-weiße Langnese-Sonnenschirm ohne ersichtlichen Grund im Café-Raum selbst aufgespannt, auf den groben Holztischen liegen Plastikunterlagen mit Rentieren und Weihnachtsschlitten. Die Bewohner der umliegenden Gemeindebauten ziehen an den Fenstern vorbei, die mit aus Salzteig gebrannten Brotarrangements dekoriert sind. Und viele gehen dann doch lieber in das gegenüberliegende Beisl, wie die Kneipen in Österreich genannt werden; es hat auch um elf Uhr vormittags schon geöffnet. Dem Mitarbeiter des Café Semmerl scheint das ganz recht zu sein. Mit Daunenjacke und Schal bekleidet sitzt er an einem Tisch vor einer als »Kinderspielplatzerl« beschrifteten roten Plastikrutsche und guckt sich sein Gesicht in seiner Handykamera an. Wahrscheinlich gehört dieser junge Mann eher nicht zu denjenigen, die Sargnagel verehren; gut möglich, dass er sie gar nicht kennt. Gleichzeitig würde es auch nicht überraschen, wenn er die Autorin begeistert begrüßen würde – oder ablehnend. Seit die Arbeit der Schriftstellerin mehr öffentliche Aufmerksamkeit bekommt, ist ihr Publikum schwer einzuschätzen.

    »Wenn es nur eine einzige Wahrheit gäbe, könnte man

    nicht hundert Bilder über dasselbe Thema malen.«

    (Pablo Picasso)

    Auf Google hat das Café Semmerl eine einzige Rezension mit einem Stern, was schon fast sensationell schlecht ist. Möglicherweise hat da jemand das Konzept nicht verstanden. Das passiert Stefanie Sargnagel auch oft. Viele ihrer Texte sind satirisch gemeint, das begreift allerdings längst nicht jeder. Sie selbst hatte auch das Café, das sie als Treffpunkt vorgeschlagen hat, anfangs nicht so richtig verstanden. »Hier gibt es halt sonst fast nur so kleine Saufhütten, wer soll da in so ein Café gehen«, stellt die Autorin zusammenfassend fest, ohne dass die Frage gestellt wurde. Sie selbst wohnt nur wenige Minuten zu Fuß entfernt. Als das Café neu war, ging sie direkt mal hinein. Der Laden und sein Besitzer konnten sie aber nicht so recht überzeugen, obwohl Letzterer

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