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Kossauer Geheimnisse: Inspektor Herdenbein frisst sich durch Band V
Kossauer Geheimnisse: Inspektor Herdenbein frisst sich durch Band V
Kossauer Geheimnisse: Inspektor Herdenbein frisst sich durch Band V
eBook300 Seiten3 Stunden

Kossauer Geheimnisse: Inspektor Herdenbein frisst sich durch Band V

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Über dieses E-Book

Jens Herdenbein muss sich mal wieder mit dem Aktenstudium ungeklärter Kriminalfälle herumschlagen. Im Büro herrscht dann wie üblich Tristesse. In diese Stimmung platzt sein Freund, der Pathologe Dr. Thomas Sammler, denn er berichtet von einem Internisten, welchem nach der Ausstellung eines Totenscheins Bedenken gekommen sind.
Der Tote heißt Wolfram Quandt, gerade 60 alt und seit fünfzehn Jahren Patient des Internisten. Auffällig ist, die beiden letzten Jahre vor seinem Ableben ließ er sich nicht mehr regelmäßig untersuchen. Was aber noch viel merkwürdiger ist: Der Tote hatte "Erscheinungen"!
Kriminalhauptkommissar Jens Herdenbein nimmt sich des Falles an. Als er die Wohnung des Toten in Augenschein nimmt, offenbart sich ihm ein Bild des Schreckens. Abgesehen vom bestialischen Gestank, einer Mischung aus Fäkalien, Urin und Moder, ist die Wohnung total zugemüllt und verwahrlost. Offenbar hat hier ein "Messie" gelebt.
Wie sich jedoch herausstellt war Wolfram Quandt sehr vermögend. Wer ist die mysteriöse Person "D. B.", die alles erben soll?
Jens Herdenbein ist sich sicher, dass hier ein Kapitalverbrechen vorliegt, und zwar eines, das auf eine ganze perfide Art und Weise verübt wurde.
Auch der fünfte "Herdenbein" spart nicht mit zarter Ironie. Die nach außen hin intakt wirkende Dorfidylle, die sich schon bald als großer Trugschluss herausstellt, wird durchleuchtet und bloßgestellt.

SpracheDeutsch
HerausgeberPandion Verlag
Erscheinungsdatum10. Sept. 2015
ISBN9783869115023
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    Buchvorschau

    Kossauer Geheimnisse - Niels Peter

    gewidmet

    Einleitung: Genuss

    Ich rede mit dem Leser. Ich genieße das! Jawohl, ich rede mit Ihnen! Sicherlich eine ungewöhnliche Art der Kommunikation! Aber es wird noch schöner: Sie reden auch mit mir. Sie haben Fragen und Einwände, geben selbst Tipps, äußern Ihre Bedenken an meiner Vorgehensweise und fördern insofern indirekt – oder direkt? – den Fortgang meiner Ermittlungen. Sie schütteln den Kopf? Doch, Sie haben ganz richtig gelesen. Ich stehe gewissermaßen – manchmal, nicht sehr oft! – in einem Dialog mit Ihnen. Das finden Sie ungewöhnlich? Wohl wahr! Sie können sich diese Art eines gedanklichen Austausches überhaupt nicht vorstellen? Gut, wir werden zu einem späteren Zeitpunkt darauf zurückkommen. Und ich denke, Sie werden sich schon daran gewöhnen.

    Wer ich bin?

    Sehen Sie, schon kommt die erste Frage von Ihnen! Das ist genau das, was ich unter miteinander Kommunizieren verstehe. Eben Dialog!

    Mein Name ist Jens Herdenbein.

    Ich bin Kriminalhauptkommissar in Kiel. Die Anrede ‚Inspektor‘, die mir oft zuteil wird – und die ich außerdem gerne höre –, hat sich noch aus jener Zeit erhalten, in der ich als junger Kriminaler meine ersten Erfolge einheimsen durfte. Ich arbeite – wenn im Büro – in der Blumenstraße 2-4 in Kiel, der Landeshauptstadt Schleswig-Holsteins. Dort befindet sich die Bezirkskriminaldirektion in einem furchteinflößenden Bau aus dem letzten Jahrhundert. Ich bin 61 Jahre alt, 170 cm groß und wiege 75 Kilo. Ich habe schütteres Haar und einen Bauchansatz. Das Letztere behauptet zumindest meine Lebensgefährtin Margit Steinwede, Wirtin der ‚Linde‘ in Grebin, die ich dort während eines zurückliegenden Kriminalfalles im Jahr 1995 kennen und lieben gelernt hatte. Ich wohne auch seit einiger Zeit in diesem Dorfkrug. Das klingt beinahe wie eine Täterbeschreibung. Wohl wahr! Gut, lassen wir es dabei.

    Sie wollen noch mehr über mich erfahren?

    Ganz schön neugierig sind Sie – muss ich schon sagen – und das schon zu Beginn unserer Bekanntschaft. Allerdings, warum auch nicht?

    Gut! In einem unbenutzten Raum des Dorfkruges lagert meine wunderschöne und umfangreiche Mineraliensammlung, die, in Ermangelung von geeignetem Platz, unausgepackt ist. Und das ist wirklich schade! Ich beobachte gerne Wasservögel, vor allem ‚Bikse‘. Die kennen Sie nicht? Das macht nichts, eine Aufklärung darüber findet später statt. Ich fahre bei gutem und schlechtem Wetter und zu allen Jahreszeiten gerne über die Dörfer – Umwege sind mir nicht zuwider, genau wie bei der Fahrt zu meiner Arbeitsstelle. Ich lege Wert auf ein gepflegtes Äußeres und kleide mich dementsprechend. Nun, ich sage es gleich, bevor jemand anderes eine despektierliche Bemerkung darüber macht, ich trage Fliegen. Bei gutem wie bei schlechtem Wetter und zu jeder Jahreszeit! Ich habe also eine Sammlung von Mineralien und auch eine von Fliegen: Nicht Hunderte, jedoch weit mehr als fünfzig. Das Tragen von Fliegen gibt mir eine Art Sicherheit, zugleich erheitert es meine Mitmenschen. Mein Vorgesetzter, Jakob Sprenz, er trägt den gespreizten Titel: Erster Kriminalhauptkommissar, nennt mich oft Fliejenbein. Er ist – Sie erraten es – Berliner, den es in den hohen Norden verschlagen hat. Das Tragen von Fliegen macht mich nicht nur unerschütterlicher, sondern bringt mich auch in eine gehobene Stimmung, lässt mich gleichsam abheben und meinen ernsten und vielfach auch unangenehmen Job besser ertragen.

    Ich bin ein Genießer. Ich speise gerne gut – beachten Sie die Wortwahl! –, trinke mit Vorliebe unser herbes norddeutsches Bier; vor allem und nicht zuletzt bin ich ein Freund französischer Rotweine. Allerdings gestehe ich, dass eine lukullische Kurzreise mit meinen Freunden, den Hoteliers von Görnitz, ins herrliche Elsass, zumindest was den Rotwein anging, eine ausgemachte Enttäuschung war. Der ‚Rouge d‘Otrott‘ war ein langweiliger Wein. Das kommt davon, wenn man sich schlecht auf seine Reisen vorbereitet. Die anderen Gaumenfreuden in jenem Teil Frankreichs brachten uns hingegen zum Entzücken.

    Und als Letztes, und dann ist Schluss mit der Selbstspiegelung, ich koche gerne. Für mich, für Margit, für Freunde und für die Hautevolee von Grebin. Da finden ab und an auch winterliche Essen in der ‚Linde‘ statt, in der ich mich als ‚Massenkoch‘ versuche. Durchweg mit Erfolg.

    1. Kossau ist eine Idylle! Oder, Kossau ist keine Idylle?

    Kossau ist eine wahre Idylle! Wollen Sie die Schönheiten dieses schleswigholsteinischen Dorfes – ganz in der Nähe von Plön – richtig erschließen, ergeben sich für Sie, den wandernden und dann wahrlich staunenden Betrachter, zwei beziehungsweise vier Möglichkeiten, denn das ‚Straßennetz‘ entspricht einem liegenden ‚H‘. Es sind dementsprechend zwei Längsverbindungen und die Querverbindung vorhanden und zusätzlich noch ein Appendix an der südlichen ‚Verkehrsader‘. Ich bleibe zuerst einmal bei der nördlichen und komme dann zur südlichen ‚Hauptstraße‘.

    Von Plön – auf der Bundesstraße 430 – kommend, verzweigt sich die erste Zufahrtsstraße zum Dorf Kossau nach ungefähr 300 Metern in Richtung Westen. Sie biegen in einen holprigen Schotterweg ein, der links und rechts von den typischen Knicks eingesäumt ist. Dahinter sind saftige grüne Weiden und ebensolche Maisfelder versteckt. Über allem wölbt sich ein strahlend blauer Sommerhimmel und zusätzlich können Sie hier und da vielfältiges und munteres Vogelgezwitscher vernehmen.

    Nach etwa 500 Metern erreichen Sie eine kleine Kuppe. Von hier aus erblicken Sie an der rechten Straßenseite die ersten Häuser. Schweift Ihr Blick jedoch nach links über die Weiden, können Sie schon den Hauptteil dieses herrlichen Dorfes erkennen. Aber bleiben wir an dieser Straße und bestaunen am Ortseingang die mächtige, alte Eiche. Hier geht der Schotterweg in eine Asphaltierung über und die ersten beiden Häuser sind zu bewundern.

    Wir kommen zur Querverbindung, der Jittbuschtwiete. Der Name unserer ersten Straße verändert sich von ‚Am Brook‘ zu ‚Am Wald‘. Ein neueres Wohnhaus in Klinkerbauweise steht einem niedrigen weißen Bauernhaus gegenüber. Weiden, reetgedeckte Klinkerhäuser und andere Bauten verschiedener Größe und Baujahre wechseln einander in bunter Reihe ab. Ein weiteres reetgedecktes Bauernhaus steht am Ende des Dorfes. Eine gewundene und hügelige Straße führt durch einen düsteren Wald und schließlich zur Verbindungsstraße zwischen Grebin und Lebrade.

    Wollen Sie jedoch das malerische Kossau über die südliche Durchgangsstraße erkunden, werden Sie kurz vor dem Ortsschild durch die Naturverbundenheit der Kossauer in Erstaunen versetzt. Die asphaltierte Zugangsstraße führte einstmals zwischen zwei alten Eichen hindurch. Im Zuge der Verbreiterung der Straße wurde nicht etwa einer dieser uralten Bäume gefällt. Ah, wo denken Sie hin! Die naturverbundenen Kossauer verzweigten hingegen den Zugang zu ihrem geliebten Dorf und führten eine der beiden Straßen um das rechte Prachtexemplar herum. Jawohl, so etwas gibt es!

    Vorbei geht es an einer ehemaligen Kälberwiese, die jetzt als Baugrund ausgewiesen ist. Auf der linken Seite der Dorfstraße – so auch ihr Name – Bauernhäuser, beziehungsweise Höfe, zwei Klinkerbauten und der Dorfteich (Feuerwehrlöschteich). Davor steht eine Bank, die zum Ausruhen einlädt. (Für die Feuerwehrleute? Hoffentlich nicht!) Zusätzlich sehen Sie hier noch ein Hinweisschild, das die Entnahme von Wasser verbietet (Arme Kossauer Feuerwehr!). Danach folgen noch einige Bauernhöfe, dann der Briefkasten des Dorfes und das Haus der Freiwilligen Feuerwehr Kossau. Auf der rechten Seite der Dorfstraße finden wir ein großes Grundstück mit einem neueren und imposanten Klinkerbau. Es schließen sich bis zur Jittbuschtwiete mehrere Einfamilienhäuser mit gefälligen Gärten und einer Bushaltestelle an. Ab jetzt heißt die Dorfstraße Auweg und dieser endet nach ungefähr 500 Metern. Auch führt die Fortsetzung des Auweges wiederum zur Landstraße zwischen Grebin und Lebrade.

    Links des Auweges finden Sie hügeliges Gelände mit Wohnhäusern vor, rechts davon einige Gehöfte und Familienhäuser, teilweise mit hübschen Gärten und verschiedensten Baumarten. Allerdings wird zwischen diesen anmutigen Anwesen auch eine architektonische Wahnsinnstat augenfällig. Oder muss man jenen die Schuld geben, die einstmals eine Baugenehmigung erteilt haben? Ein zweistöckiges Haus, das vollkommen aus der dörflichen Idylle fällt: Keine Klinkerbauweise, kein Reetdach, keine hübschen Fenster, alles nur grau verputzt. Die Fassade ist in einem maroden Zustand: Große Teile des Putzes sind heruntergefallen, die ehemals weiße Farbe der Fensterrahmen ist angegraut und blättert ab. Die Fenster selbst sind beinahe blind. Huch! Wahrscheinlich ist das Haus seit Jahren nicht mehr bewohnt. Da gibt‘s nur eins: Zielschießen der Bundeswehr!

    Die Querverbindung zwischen Auweg und Am Wald ist die Jittbuschtwiete. Gleich links ein sehr großer Hof mit einem Bauerngarten, wie Sie ihn heute nur noch höchst selten bewundern können, und der zudem eine seltene Besonderheit aufweist, nämlich unveredelte Rosen, die herrlich blühen und duften! Mehrere Gehöfte und gepflegte Wohnhäuser folgen, die Letzteren sind dem dörflichen Stil angepasst, teilweise in Fachwerkbauweise. Es schließen sich saftige Weiden und ein kleiner schnuckeliger Teich an. Pferde und Rinder sind zu sehen. Hähne krähen, frei laufende Hühner gackern, Hunde bellen und Katzen streunen samtpfotig umher. Das Ende der Querverbindung bilden zwei Wohnhäuser, das Letzte mit schönem Gebälk in der Eingangsfront.

    Zum Schluss vergessen wir nicht den Appendix von Kossau. Von der Dorfstraße abgehend: Bunsdörp. An der Ecke ein zweistöckiger Klinkerbau, die ehemalige Schule, davor drei riesige Linden sowie eine spärlichere; gegenüber ein großes, hübsch weißgestrichenes Haus. Ein Spielplatz ist vorhanden, dann folgen viele ein- oder zweistöckige Wohnhäuser, meistens in Klinkerbauweise, ein Größeres davon mit herrlichem Reetdach. Der Bunsdörp windet sich aus dem Dorf heraus und steigt dabei hügelig an und zum Schluss werden Sie große Stallungen ausmachen.

    Würde es Sie überraschen, wenn ich zum Schluss dieser Beschreibung sage, dass die Kossauer ihr Dorf und das Flüsschen Kossau lieben und schier verträumt davon erzählen? Würde es Sie in Erstaunen versetzen, wenn ich behaupte, dass für die Kossauer das Dorf der Mittelpunkt der Welt ist und zugleich eine Oase der Ordnung, der Rechtschaffenheit, des Friedens und des gütlichen Miteinanders? Das setzt Sie nicht in Erstaunen? Recht so, denn nicht anders war Kossau bis zum 3. Juli 2000. Aber wir bleiben noch einen Moment bei der Idylle.

    Jetzt werden Sie sich ohne Zweifel und voller Verwunderung fragen: ‚Was, was, was, noch mehr Positives?‘

    In der Tat. Wir, Kommissar Jochen Twiete, die Kommissarin Maren Ketels und ich ‚schoben eine ruhige Kugel‘ in der Bezirkskriminaldirektion in Kiel. Zum größten Entsetzen unseres Vorgesetzten, des Ersten Kriminalhauptkommissars Jakob Sprenz. Der, ein Beamter par excellence, der Meinung ist – unabhängig von Überstunden und absolutem Einsatz –, dass der Dienst um acht Uhr zu beginnen habe. Wir jedoch hatten in den vergangenen Monaten erstklassige Arbeit geleistet, mehrere Kapitalverbrechen aufgeklärt – auch einige sehr ungewöhnliche! – und waren zu der Überzeugung gelangt, dass kurz treten angesagt war. Mit anderen Worten, wir hatten viele Überstunden geschoben und waren jetzt dabei, diese gewissermaßen illegal abzubummeln. Wie gesagt, der Erste war entsetzt, da ich die Order ausgegeben hatte, den Dienst erst nach dem Aufstehen zu beginnen. Wir drei trudelten dementsprechend nach Lust und Laune im Laufe des Vormittags in der Blumenstraße ein.

    Dieser Umstand war auch aus einem anderen Grund weniger gravierend, da wir keine Gewalttat aufzuklären hatten und uns zum wiederholten Male mit dem Studium – dem vergeblichen, dem anödenden, dem entmutigenden! – unaufgeklärter Fälle beschäftigten. Eine Betätigung übrigens, die zudem unergiebig – so lehrte es meine Erfahrung – und demoralisierend ist. Wahrscheinlich hatte es sich in potentiellen Mörderkreisen herumgesprochen, dass Herdenbein und sein Team jegliche Gewaltverbrechen im Land zwischen den Meeren aufklärten. Das Team langweilte sich und sehnte sich nach einem Mord. Das klingt furchtbar in Ihren Ohren? Es ist furchtbar. Doch so war es!

    Aber, ich muss diese harmonische Berichterstattung noch fortsetzen, ihr – sozusagen – noch ein i-Tüpfelchen draufsetzen: Maren Ketels und Jochen (Jooochen!) Twiete hatten sich verlobt. Und zwar in der ‚Linde‘ in Grebin. Unter meinem Schlafzimmer gewissermaßen.

    Twiete, einstmals Polizeimeister in Plön, war so begeistert von einer Ermittlung gewesen, die er mit mir durchführen durfte, dass er alle Hebel in Bewegung gesetzt hatte, um zur Kriminalpolizei zu stoßen. Es war ihm gelungen. Und die böswilligen Machenschaften eines ehemaligen Vorgesetzten – Koczik, sein Name war Programm! –, der mich mit einem jungen Spund ärgern wollte, hatten bewirkt, dass Twiete zu mir gelangt war. Twiete war groß, schlank – seine zu weite Kleidung schlotterte um ihn herum –, blond und langmähnig. Seine Haare bändigte er in Form eines Pferdeschwanzes. Das war zu Beginn unserer Zusammenarbeit sehr gewöhnungsbedürftig für mich! Er war nebenbei PC-Fachmann und katapultierte damit unser Team in die Moderne. Allerdings muss auch erwähnt werden, dass er das unsägliche ‚Mörder-Find-Programm‘ kreiert hat. Er nannte es allerdings ,Crime Evaluation and Priorities Program‘, kurz CEPP. Wie auch immer bezeichnet, es lieferte uns keineswegs die Mörder. Jochen Twiete war in diesem Punkt jedoch gegensätzlicher Auffassung und sprach davon, dass kleine Verbesserungen, eine Vernetzung und anderes mehr – für mich ist das alles ein Buch mit sieben Siegeln! –, dafür sorgen würden, dass es eines Tages ‚wusch‘ klappen würde. Diesen Beweis war er allerdings bis zum heutige Tage schuldig geblieben. Naja, Rom wurde ja auch nicht … Sie wissen schon!

    Kurz nach Twietes Epiphanie kam Maren Ketels zu uns. Kleidungsmäßig das Gegenteil vom salopp gekleideten Jochen. Sie war immer proper bis elegant gekleidet. Das gefiel mir sehr gut, was Sie natürlich verstehen können. Und dann stellte sich heraus, dass die beiden liiert waren. Auch gut!

    Wir waren ein starkes Team und konnten gewohnte und neuere Ermittlungsmethoden gut unter einen Hut bringen. Schließlich überraschten mich Jochen und Maren mit der Mitteilung, dass sie in Grebin ihre Verlobung feiern wollten. Jochen Twiete hat das 28. Lebensjahr erreicht, Maren Ketels ist 26 Jahre alt.

    Die Verlobungsfeier bescherte der ‚Linde‘ ein volles Haus. Ich hätte niemals für möglich gehalten, dass die beiden jungen Leute derart viele Menschen kennen würden, die den Festsaal des Dorfkrugs restlos füllen sollten. Familienmitglieder und Freunde waren natürlich in der Mehrzahl vertreten. Von den Kriminalen aus Kiel waren ein paar jüngere Kollegen dabei. Ich feierte natürlich mit, und auch Jakob Sprenz, unser aller Vorgesetzter, der ‚Erste Kriminalhauptkommissar‘, zusammen mit seiner Gattin. Kriminaloberrat Wölger hatte sich entschuldigt, jedoch zum Ausgleich zusätzliche Urlaubstage genehmigt, so dass das verlobte Paar eine zehntägige – von beiden Elternpaaren gesponserte – Flusskreuzfahrt auf der Donau durchführen konnte. Na, ob das etwas für die jungen Leute war? Das wäre wohl mehr etwas für Margit und mich gewesen. Aber was soll‘s! Mein langjähriger Freund Thomas Sammler, seines Zeichens Pathologe, und seine Frau Karin waren selbstverständlich auch bei diesem Ereignis dabei.

    Und jetzt ist Schluss mit der Idylle, der Harmonie und der Behaglichkeit!

    Das Ende der Beschaulichkeit wird eingeleitet!

    *

    Ich stand in der geöffneten Tür zwischen Gaststube und Flur der ‚Linde‘, unseres Dorfkruges in Grebin. Margit ließ liebevoll ihren leichten Silberblick über mein Äußeres gleiten. Ihre Miene verriet mir, dass sie mit meiner Erscheinung zufrieden war. Ich konnte dementsprechend Haus und Hof verlassen, um mich meinem drögen Alltagsgeschäft zu widmen.

    Sie wissen schon, es war wieder einmal das Aktenstudium ungelöster Gewaltverbrechen angesagt.

    „Herdenbein, du siehst wie immer wunderbar aus", meinte meine herrliche norddeutsche Schönheit zum Abschied. Ich weiß nicht, sollte das etwa eine Verscheißerung sein oder wahre Liebe?

    Es war Montag und neun Uhr, als ich die ländliche Idylle meines Dorfes verließ und mich aufmachte, um in das düstere Gebäude der Bezirkskriminaldirektion in der Blumenstraße in Kiel einzutauchen, zu verschwinden, verschluckt zu werden. Ja, so war meine Stimmung!

    Ich hatte den Kommissaren Ketels und Twiete anheim gestellt, wann sie unseren gemeinsamen Arbeitsplatz aufsuchen wollten. Ich nahm an, dass sie unser kleines Arbeitszimmer schon ‚bevölkerten‘, dass Kaffeedüfte im Raum waberten und dass sie so taten, als täten sie etwas. Wo nix ist, kann auch nix sein. Oder, sind Sie da anderer Ansicht? Ich nahm weiter an, dass der Erste Kriminalhauptkommissar, Jakob Sprenz, sehnsüchtig mein Epiphanieren erwartete und auf Grund meines späten Erscheinens schon eine diesbezügliche Rüge formuliert hatte. Sei‘s drum!

    Ich fuhr – Sie haben‘s richtig geraten! – über die Dörfer. Ich fuhr so gemächlich, dass ich für jeden eiligen Autofahrer ein Hindernis darstellte. Das machte mir jedoch nichts aus! Und ich kam dann doch tatsächlich nach genau einer (!!) Stunde vor dem düsteren Dienstgebäude an. Bevor ich meine Kollegen Maren und Jochen – Sie wissen noch: Jooochen! – erreichte, stürmte mir auf dem kahlen, neonbeleuchteten Gang der ‚Erste‘ entgegen.

    „Mann, Fliejenbein!, rief er in gespielter Empörung aus. Man kennt sich ja schließlich! „Haste noch alle Tassen im Schrank?

    „Ja!"

    „Was soll das heißen?"

    „Dass ich ein normaler Mensch bin, der erst jetzt hier gebraucht wird."

    „Aber, Dienstbeginn ist eher!", rief Sprenz aus.

    „Eher? Preuße, wa?", konterte ich.

    Ein Grinsen – ähnlich wie bei Menschen, die gerade bei irgendeiner Schandtat erwischt wurden – lief über sein Gesicht.

    „Biste beim jeliebten Aktenstudium?", konnte er sich nicht verkneifen festzustellen.

    Ich winkte resigniert ab und begab mich zu unserem ‚Amtszimmer‘. Klein, überbordend und ungemütlich. Allerdings, muss ich einschränkend sagen, als ich die Tür öffnete, roch ich belebenden Kaffeeduft.

    „Moin, Chef!", riefen die beiden Kommissare, als sie meiner ansichtig wurden und Maren beeilte sich, mir den unangenehmen Morgen mit einem süßen und milchigen Kaffee zu verschönern.

    Die beiden unterbrachen ihre zerfetzende, nervenaufreibende Tätigkeit und wir plauderten über die drei Monitore hinweg – jawohl, Sie lesen ganz richtig, mir war auch ein Computer zuteil geworden! – mehr oder weniger Belangloses. Wie Sie ganz richtig feststellen, schoben wir das ‚geliebte‘ Aktenstudium unerledigter Fälle bereitwillig vor uns her. Unser Klönschnack versiegte nach einiger Zeit und wir vertieften uns unwillig in das Unerledigte. Ich, übrigens – PC hin PC her – immer noch mit den ‚echten‘ Akten. Man ist eben ein Gewohnheitstier und ich sowieso!

    Endlich nahte die Zeit, da man schon ans Essen denken konnte – der Höhepunkt des Tages stand gewissermaßen bevor! – und so schickte ich Maren mit dem Auftrag in die Kantine, den lukullischen Abriss des Küchenplans zu ermitteln. Wir Kriminalisten ermitteln sozusagen fortwährend in sämtlichen Bereichen des alltäglichen und verbrecherischen Alltags. Die Gute kehrte nach kürzester Zeit zurück und konnte so sommerliche Genüsse wie: Rinderroulade mit Rotkohl, Dicke Bohnen mit Speck und Wirsingeintopf anpreisen. Spaghetti gab‘s auch. Würden wohl mehr Spadjetti sein: Wissen Sie, so klebrige, mit denen man Mauerlöcher stopfen kann. Nun denn. Wir begaben uns, in Ermangelung anspruchsvollerer Aufgaben, zum kulinarischen Tempel und förderten beim Speisen kräftig unsere Schweißausbrüche.

    Genug der Häme! Herdenbein, du solltest dankbar sein: Du bist satt geworden und das ist in Anbetracht weltweiter Hungersnöte doch auch etwas.

    Nachdem wir das Büro wieder erreicht hatten, schickte ich die beiden Mitarbeiter in einem Anflug von wahrhaftigem und väterlichem Großmut in den Feierabend. Sollte der Erste Kriminalhauptkommissar doch nochmals warnend seinen Zeigefinger erheben. Das tat er jedoch nicht, da er vom frühzeitigen Verschwinden der Kommissare nichts mitbekam. Wahrscheinlich goutierte er gerade die Rinderroulade, die für ihn der Inbegriff einer Gourmet-Mahlzeit darstellte.

    Ich blieb im Amtszimmer und bei den Akten. Das heißt, ich räumte auf, öffnete das Fenster, ließ herrliche Sommerluft herein und meinen Zigarettenrauch heraus. Ich hatte zwar meine Beine nicht auf den Schreibtisch gelegt – ich bin nicht Phillip Marlowe! –, doch ausgestreckt und ließ mir den Kaffee und die Zigarette schmecken. Wenn ich es recht überlege, dachte ich eigentlich an gar nichts, ich ließ mich gleichsam gedanklich treiben.

    Ich wurde durch das Schrillen des Telefons – wir haben noch solche Apparate! – aus meinen Träumen gerissen.

    „Herdenbein!"

    „Ich hoffe, dass ich nicht störe, Fliegenbein?", fragte Thomas, mein langjähriger Freund und zugleich Pathologe des ‚Hauses‘.

    „Nee, antwortete ich, „ich langweilige mich wunderbar beim Aktenstudium.

    „Gut, lachte er, „dann werde ich jetzt deinen langweiligen Alltag unterbrechen.

    „Du hast ‘ne Leiche?", fragte ich interessiert, setzte mich aufrecht und war ganz Ohr.

    „Noch nicht! Aber wie ich dich kenne, mein Lieber, wahrscheinlich bald."

    „Mach‘s nicht so spannend, drängelte ich, „erzähl!

    „Mich hat gerade ein Internist aus Plön angerufen. Ein ehemaliger Kommilitone, weißt du. Der war reichlich verunsichert und ihm ist dann eingefallen, dass wir einstmals zusammen studiert haben und ich jetzt ‚Leichendoktor‘ bin, wie du dich auszudrücken pflegst."

    „Nun komm‘ endlich zu Potte!"

    „Okay! Der

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