Zirpende Weihnacht: Ein literarischer Adventskalender von Christine Klinger und Brinja Goltz
Von Christine Klinger und Brinja Goltz
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erzählen 24 Geschichten rund ums Weihnachtsfest in Deutschland und der Schweiz.
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Buchvorschau
Zirpende Weihnacht - Christine Klinger
1
Politik in der Backstube
Es war mal eine Eins,
die wollte lieber keins
von diesen Brunsli* braun,
die über Nachbars Zaun
hinüberschauten süss
mit ihren braunen Füss'.
Die Eins wollt' ihre Ruh
und macht' die Türe zu.
Was soll das in der Weihnachtszeit?
Gewalt und Elend weit und breit! Die Eins wollt' lieber all's vergessen,
in Ruh und Frieden Weissbrot essen.
Ein Gritibenz**, ganz selbst gemacht,
geformt hatt' sie ihn letzte Nacht;
im Ofen lag er auch schon lange
mit Fitze***, Schal und gold'ger Wange.
Doch weil die Brunsli sie gestört,
hat sie's vergessen. Unerhört! Und als sie in die Küch' gerannt,
da war ihr Weissbrot schon verbrannt.
*Das Brunsli ist ein Schweizer Weihnachtskeks aus Gewürzen, gebranntem Kirschwasser, Eiweiss, Mandeln, Mehl und Schokolade. Es stammt ursprünglich aus der Region Basel. Sein Name rührt von der braunen Farbe, die es der dunklen Schokolade verdankt.
**Der Gritibenz ist ein Adventsgebäck aus süssem Hefeteig in der Form eines stilisierten Mannes. Die Gebäckfigur stellte ursprünglich einen Bischof mit einem tönernen Bischofsstab dar. Das Gebäck ist auch in anderen europäischen Ländern anzutreffen, etwa als Stutenkerl, Weck(en)mann, Klausenmann, Grättimaa, Dambedei oder Krampus.
***Die Fitze ist die Rute des St. Nikolaus.
2
Die 2 und Weihnachten
Heute ist der 2. Dezember, und die Zwei ist eine sehr wichtige Zahl in der Weihnachtszeit.
In zwei plus zwei Tagen kommt der Nikolaus und in zweiundzwanzig Tagen ist sogar Weihnachten!
Relativ unbekannt ist die Tatsache, dass die Heiligen Drei Könige erst mal nur zwei waren. Zwei Könige waren quasi Nachbarn, und als sie den Stern am Himmel sahen, rief der eine von seinem Fenster dem anderen König quer über die Straße zu (sie waren wirklich enge Nachbarn): «Lass uns dem Stern folgen. Hol du ein paar Goldmünzen aus dem Keller, ich nehme eine Handvoll vom Geschmeide meiner Frau. Irgendwas sagt mir, dass wir nicht ohne Geschenke losgehen sollten. Und auf dem Weg dahin nehmen wir noch den dritten König mit, der hat immer ein paar witzige Geschichten auf Lager, da wird uns die Zeit nicht lang!»
Ja, so kam es, dass die Heiligen Zwei Könige sich auf den Weg zur Krippe machten und erst unterwegs den dritten König aufgabelten.
Aber das wird in den Geschichten interessanterweise nie erwähnt…
Und ist eigentlich nur mir aufgefallen, wieviel Zweien sich in unseren Weihnachtsliedern tummeln?
In der Weihnachtsbäckerei gibt's von allem immer zwei. Zwischen Mehl und Milch macht so mancher Knilch zwei leck're Sorten Krümelei. In der Weihnachtsbäckerei, in der Weihnachtsbäckerei.
Oder: Lasst uns froh und munter sein und dann gleich zwei Stiefel hinstell'n. Lustig, lustig, tralalalala…
Nicht zu vergessen ein kleines Gedicht: Advent, Advent, ein Lichtlein brennt, erst eins, dann zwei, vergesst den Rest, genießt nur die Zeit bis zum großen Fest.
Eine ganz wichtige Zwei in der Weihnachtszeit ist dieses Pärchen: Weihnachtsmann und Christkind. Sie teilen sich die Arbeit am Heiligen Abend, das wäre ja sonst auch gar nicht zu schaffen. Man hat aber auch schon von Familien gehört, zu denen beide kommen. Ob es dann doppelt so viele Geschenke gibt am ZweimalZwölften, also dem 24.? Das will ich jetzt nicht glauben…
Ich wünsche jedenfalls noch wunderschöne 22 Tage Weihnachtszeit und viel Spaß beim Öffnen der verbliebenen 22 Kalenderseiten! Und wer mag, gönnt sich für die Lektüre einen Keks und einen Punsch – oder auch zwei!
3
Die guten Dinge
Aller guten Dinge sind…
Geschenke einpacken
mit einer Freundin Tee trinken
zu ABBA durch die Küche tanzen
mit dem Stiefel das Eis von zugefrorenen Pfützen aufbrechen
auf einem Berggipfel stehen, den man aus eigener Kraft bestiegen hat
morgens nach dem Aufwachen wohlig in die Matratze furzen
den Brief von einer Freundin im Briefkasten finden
auf dem Schlitten einen Berg hinuntersausen
stricken
in 36° C warmes Badewasser eintauchen
Eiszapfen abbrechen und lutschen
Kerzen anzünden
auf dem Fahrrad laut singen
die Teigschüssel auslecken
im Schnee mit Armen und Beinen den Engel machen
mit dem Flugzeug abheben
die Käsekruste vom Grund der Fonduepfanne kratzen
dem Geschirrspüler bei der Arbeit zuhören
Geschenke auspacken
… viel mehr als drei
4
Der Professor hat einen Plan
Konrad Lavenstein war ein neugieriger Mensch. Im positiven Sinne. Er wollte hinter die Dinge sehen, sie ergründen und im besten Fall begreifen. Und er war interessiert an seinen Mitmenschen. Als Germanistikprofessor an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen hatte er bis zu seiner Emeritierung diese Vorlieben erfolgreich vereinen können. Verschiedene seiner Forschungsarbeiten waren weit über die universitäre Welt hinaus bekannt geworden. Und seine Studenten hatten ihn stets geschätzt, da er sich offen und ernsthaft mit ihren Ideen auseinandergesetzt hatte. Er galt als unbestechlich, aber auch als gütig und interessiert.
Im Ruhestand fehlte Lavenstein jetzt der intensive Austausch mit Jung und Alt, und so kam er eines Abends im Dezember auf eine ziemlich verrückte Idee.
Als er kurz vor Mitternacht noch einen Spaziergang in der Innenstadt machte, um sich nach einer größeren Aufräumaktion in seinem Arbeitszimmer ein wenig durchpusten zu lassen, führte ihn sein Weg die stille Fußgängerzone hinunter zum Schlossplatz, wo die Buden der Erlanger Waldweihnacht vor kurzem geschlossen hatten. Der Duft nach Glühwein und Bratwürsten, nach Tannenzweigen und gebrannten Mandeln hing noch immer in der Luft. Lavenstein atmete genüsslich ein und sah vom Schloss hinüber zum Palais Stutterheim, in dem seit ein paar Jahren die örtliche Stadtbibliothek untergebracht war. Ein wunderschöner Barockbau, der innen behutsam und gelungen modernisiert worden war. Lavenstein hielt