Octavius - Eine christliche Apologie aus dem 2. Jahrhundert
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Marcus Minucius Felix' Octavius ist eine der ältesten erhaltenen Apologien des Christentums gegen das römische Heidentum. Im 2. Jahrhundert nach Christus verfasst, präsentiert sich das Werk in Form eines Dialogs zwischen zwei gebildeten Männern: einem Heiden und einem Christen. In Dialogform entkräftet und widerlegt der Autor in prägnanter Weise die heidnischen Vorwürfe und Vorurteile gegenüber dem Christentum, welche damals als Vorwand dienten, die christliche Gemeinde innerhalb des Römischen Reiches massiv zu verfolgen.
Marcus Minucius Felix
Marcus Minucius Felix war Anwalt in Rom des 2.Jahrhunderts n.Chr. und führte gemeinsam mit seinem Freund und Kollegen Octavius diverse Prozesse gegen Christen bevor sich beide selbst zum Christentum bekehrten (siehe Kap. XXVIII). Er schrieb darauf zwei apologetische Bücher, von denen uns nur eines erhalten ist: der vorliegende Dialog Octavius. Im Prinzip wissen wir über Minucius Felix heute nur noch das, was er in diesem Buch preisgibt. Er ist damit sein eigener Biograph. Dabei hatte er anderes im Sinne, nämlich die literarische Wiedergabe einer Anekdote, bei der er Augen- und Ohrenzeuge gewesen war: ein anspruchsvolles, aber kurzweiliges Streitgespräch zweier Akademiker über die Religionen und Philosophien ihrer Zeit, das am Ende nicht nur ein Nachruf auf den verstorbenen Freund ist, sondern eine beeindruckende Apologie des frühen Christentums. Minucius Felix wurde damit ein prägender und mehrfach zitierter Apologet der frühen Kirche.
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Schätze der christlichen Literatur
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Buchvorschau
Octavius - Eine christliche Apologie aus dem 2. Jahrhundert - Marcus Minucius Felix
Schätze der christlichen Literatur
Band 10
Einleitung.
WENN das Evangelium in der ersten Zeit verhältnismäßig mehr unter der niederen als unter der höheren Volksklasse der heidnischen Welt Verbreitung fand, so hatte das vornehmlich in zwei Umständen seinen Grund. Einmal ist das Christentum seinem Wesen nach recht eigentlich eine Religion für die Mühseligen und Beladenen, und dann erschien dasselbe ursprünglich nicht in einer äußeren Gestalt, welche den Vornehmen damaliger Zeit leicht gefallen konnte. Die Apostel und Apostelschüler konnten sich, wenn sie auch teilweise nicht unbewandert in der griechischen Literatur waren, keiner feinen klassischen Bildung rühmen. Ihre Reden und Schriften wirkten nicht durch die Anmut der Form und weltliche Gelehrsamkeit, sondern durch die Kraft der göttlichen Wahrheit, die dem innersten Bedürfnis des Menschenherzens entgegenkam. ¹ Nun standen aber die Vornehmen und Gebildeten jener Zeit unter dem bezaubernden Bann, in welchem die hohe Formvollendung der griechischen und römischen Literatur die Geister gefangenhielt. Es ist also nicht zu verwundern, wenn ihr verwöhnter Geschmack an dem allerdings nicht anziehenden Gewand, in welchem sich ihnen das Christentum darstellte, Anstoß nahm und sie häufig schon dadurch von dem genaueren Eingehen auf seine Lehren zurückgeschreckt wurden. ²
Doch die Unschönheit der Form bildet keine wesentliche Eigenschaft der christlichen Religion; dieselbe verträgt sich gar wohl mit allem wahrhaft Schönen, was je der Menschengeist gefunden und geschaffen hat. So kam auch die Zeit, wo hochgebildete Geister, die sich dem Evangelium zugewendet hatten, mit Erfolg eine Vermählung christlichen Wesens mit klassischer Form versuchten und damit zum siegreichen Vordringen des Christentums auch in den höheren Schichten der Gesellschaft nicht unerheblich beitrugen. Eine Schrift, in welcher man eine Verbindung der bezeichneten Art vollzogen sieht, ist der „Octavius" des Minucius Felix, in welchem in kunstvoll gestalteter Rede und mit Hilfe weltlicher Gelehrsamkeit teils das Heidentum bekämpft, teils das Christentum gegen die allgemein verbreiteten Verleumdungen verteidigt wird. Es ist dies aller Wahrscheinlichkeit nach die älteste Apologie des Christentums in lateinischer Sprache, deren Abfassungszeit nicht ganz genau bestimmt werden kann, aber jedenfalls in die letzten Jahrzehnte des zweiten Jahrhunderts fällt. Leider wissen wir von dem Verfasser aus anderen Quellen kaum mehr, als wir aus der Schrift selbst erfahren oder erraten.
Marcus Minucius Felix scheint eine sorgfältige Jugendbildung genossen zu haben; wenigstens zeigt er sich in seiner Schrift als einen genauen Kenner der klassischen Literatur und besonders als einen gelehrigen Schüler Ciceros. Zu seinem Beruf wählte er die praktische Jurisprudenz. Seine Jugend war, wie er selbst andeutet, nicht frei von Verirrungen. Noch in reiferem Alter war er dem Heidentum zugetan; ja er nahm, wie sein Jugendfreund Octavius, sogar tätigen Anteil an der gerichtlichen Verfolgung der Christen. Möglich, daß die Erfahrungen, die sie damals an den von ihnen gefolterten Christen machten, erschütternd auf beide einwirkten und sie dem verfolgten Glauben zuführten. Octavius ging im Übertritt zum Christentum seinem Freund voran. Während sie die Jugend und die früheren Mannesjahre gemeinsam verlebt zu haben scheinen, trennten sich später wenigstens äußerlich ihre Lebenswege. Octavius lebte in einem überseeischen Land, Minucius zu Rom. Er blieb auch als Christ seinem weltlichen Beruf treu und genoß großes Ansehen als Rechtsanwalt. Die dem Andenken seines verewigten Freundes gewidmete Apologie des Christentums verfaßte Minucius, wie es scheint, in seinen späteren Jahren. Er wählte zur Einkleidung nach dem Vorgang hervorragender klassischer Schriftsteller die dialogische Form. Besonders hatte er dabei das ciceronianische Gespräch „de natura deorum" vor Augen, das ihm nicht nur bei der Anlage des Ganzen zum Muster diente, sondern auch im einzelnen von ihm vielfach benutzt wurde. Die in der Einleitung erwähnten persönlichen Verhältnisse und Vorgänge tragen zu sehr das Gepräge des Tatsächlichen, als daß man den Dialog für eine bloße poetische Fiktion halten dürfte. Ohne Zweifel hat einmal ein dem vorliegenden mehr oder weniger ähnliches Gespräch zwischen den drei Freunden Octavius Januarius, Cæcilius Natalis und Minucius Felix stattgefunden; doch versteht es sich von selbst, daß dasselbe später von dem letzteren nach eigenem Ermessen vervollständigt und künstlerisch ausgearbeitet wurde. So dürfen wir also den Inhalt und mehr noch die Form des Gespräches vorwiegend auf die Rechnung des Minucius schreiben. Derselbe erscheint uns darin als ein Mann, der mit der begeisterten Frömmigkeit und der asketischen Sittenstrenge, wie sie den Christen der ersten Jahrhunderte eigen waren, die gediegenste wissenschaftliche und formale Bildung vereinigte. Wenn aber die christliche Gesinnung und die klassische Bildung des Verfassers die Hauptfaktoren waren, welche in der vorliegenden Schrift zusammenwirkten, so macht sich bei genauerer Betrachtung noch ein drittes Moment bemerklich, das auf die Gestaltung des Ganzen nicht ohne Einfluß war. Es ist dies der weltliche Beruf des Minucius. Abgesehen von der den Juristen kennzeichnenden Klarheit und Objektivität, die unverkennbar in der Schrift zutage treten, läßt sich aus dem Einfluß seines praktischen Berufes noch mancher Umstand erklären, der für die Beurteilung des Werkes von Bedeutung ist.
Es muß jedem Leser auffallen, daß in der Schrift, die doch eine Apologie des Christentums sein soll, so wenig von Christus und eigentlich christlichen Verhältnissen gesprochen wird. Die neue Lehre stellt sich uns fast durchweg als ein moralphilosophischer Monotheismus dar. Man würde aber irren, wollte man daraus schließen, Minucius oder gar die damalige Christenheit habe wirklich nur solch einem abstrakten Monotheismus gehuldigt. Daß er selbst über Christus wesentlich dieselben Vorstellungen hatte wie die Apostel und wie noch heute die gläubige Christenheit, läßt sich unschwer aus einer kurzen Bemerkung abnehmen, welche indirekt seine und seiner Genossen Glauben an die göttliche Natur Christi bezeugt. Wie entwickelt aber überhaupt unter der damaligen Christenheit bereits das Dogma über die Person Christi und speziell die Logosidee war, erkennt man aus den griechischen Vorgängern³ des Minucius, aus den griechischen Apologeten des zweiten Jahrhunderts, welche von der Person Christi mehr oder weniger ausführlich handeln. Wie kommt es nun, daß Minucius, der doch sonst in Gedanken und Wendungen eine nahe Verwandtschaft mit den griechischen Apologeten zeigt, in einem so wesentlichen Punkt ihnen nicht folgt? Aber es kommt noch mehr hinzu, was seine Zurückhaltung in dieser Beziehung noch auffallender macht.
Je mehr in jener Zeit die Christen die Person des Heilands in den Vordergrund rückten, um so mehr richteten sich die Angriffe der Heiden gerade gegen ihn. Wir finden auch in unserem Dialog Spuren davon. Recht klar aber zeigt uns diese Erscheinung des Celsus „Wahres Wort, eine gegen das Christentum gerichtete Schrift eines heidnischen Gelehrten aus der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts, welche uns in der Gegenschrift des Origenes teilweise erhalten ist. Dort wird Christi Person, seine Abkunft, sein Charakter und sein Wirken schwer verlästert. Minucius war ein Zeitgenosse dieses Celsus und kannte allem Anschein nach dessen Pamphlet. Sein „Octavius
nimmt,