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Nur der Satan isst mit links: Ich war undercover in einer Islamistenschule
Nur der Satan isst mit links: Ich war undercover in einer Islamistenschule
Nur der Satan isst mit links: Ich war undercover in einer Islamistenschule
eBook157 Seiten2 Stunden

Nur der Satan isst mit links: Ich war undercover in einer Islamistenschule

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Über dieses E-Book

"›Wo kommst du noch mal her?‹, fragt Salih schließlich. ›Aus Deutschland, nicht?‹ Als ich nicke, sagt er: ›Hitler wird seine Gründe gehabt haben.‹" Eine unglaubliche Geschichte: Undercover begibt sich der Journalist Fritz Schaap in eine Sprachschule in Alexandria. Er gerät dort in Kontakt mit einer heranwachsenden Generation von Islamisten, vor allem aus westlichen Ländern. Was er erzählt, bietet Einblick in eine Welt, die ebenso erschreckend ist wie skurril.
SpracheDeutsch
HerausgeberVerlag Herder
Erscheinungsdatum19. Sept. 2012
ISBN9783451346354
Nur der Satan isst mit links: Ich war undercover in einer Islamistenschule

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    Buchvorschau

    Nur der Satan isst mit links - Fritz Schaap

    Fritz Schaap

    Nur der Satan isst mit links

    Ich war undercover

    in einer Islamistenschule

    Impressum

    © Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2012

    Alle Rechte vorbehalten

    www.herder.de

    Umschlaggestaltung: Verlag Herder

    Umschlagmotiv: ©dpa Picture-Alliance / Horst Ossinger

    ISBN (E-Book): 978-3-451-34635-4

    ISBN (Buch): 978-3-451-30534-4

    Alle Namen geändert

    Blaue Schatten ziehen an den Fenstern vorbei. Morgen. Afrika. Erinnerungen schälen sich aus dem Sonnenaufgang. Vergangenheiten ziehen an mir vorbei, während ich müde in dem kleinen Minivan sitze, der das Nildelta Richtung Norden durchquert. Bis zur Unkenntlichkeit verzerrt klingen Koransuren aus den alten Boxen. Der halbe Bus schläft, die andere Hälfte schaut zu, wie die träge afrikanische Sonne zur Rechten über die Dattelpalmenhaine steigt, während der Fahrer den üblichen Slalom auf der Autobahn vollführt. Ich höre eine alte Tom-Waits-Platte, lehne den Kopf an die vibrierende Scheibe und wickele mir ein altes Pali-Tuch um den Hals. Unaufhörlich bläst die Klimaanlage eiskalte Luft in den Bus, und jeder Versuch, ein Fenster zu öffnen, wird von den Mitreisenden mit bösen Blicken kommentiert. Es ist fast auf den Monat genau ein Jahr her, dass ich dieselbe Strecke mit demselben Ziel fuhr. Alexandria. Qortoba Language Institut. Damals als Student, heute als Journalist. Es war das erste Mal gewesen, dass ich Ägypten außerhalb des Sinai bereiste, und während wir an einem auf dem Dach liegenden alten Peugeot vorbeifahren, fällt mir eine Begebenheit wieder ein, die sich an jenem Morgen vor einem Jahr kurz nach Sonnenaufgang zutrug und die viel Symbolcharakter hatte, damals, für mich, für Ägypten.

    Der Fahrer unseres Wagens hatte gerade einen Bus überholt, wie den, in dem ich nun sitze, als dieser in einem tollkühnen Manöver hinter uns ausscherte, um zum Gegenüberhohlmanöver anzusetzen. Während er sich kurz auf einer Höhe mit uns befand, begann zwischen den beiden Fahrern ein mit großen Gesten unterlegtes Wortgefecht. Ich verstand kein Wort. Nicht weiter tragisch, dachte ich, der Minivan zog vorbei und scherte vor uns wieder ein, bremste allerdings sofort ohne ersichtlichen Grund von 100 auf 30 runter, was wiederum unseren Fahrer zu einem Ausweichmanöver veranlasste, das uns einen Lkw nur hauchdünn verfehlen ließ. In den darauffolgenden zehn Minuten begann ein teils lebensgefährliches Spiel aus Überholversuchen und Ausbremsmanövern, darin gipfelnd, dass der Minivan uns abdrängte und beide Wagen im Staub neben der Straße zu stehen kamen, zehn Männer aus dem Minivan sprangen und auf unseren Fahrer losgingen und es für mich an ein Wunder grenzte, dass es zu keiner Schlägerei kam. Um was es ging, hatte ich immer noch nicht verstanden und sollte es auch nicht mehr verstehen.

    Nun war ich wieder hier. Auf dem Weg in die Sprachschule, in die es mich vor einem Jahr zufällig verschlagen hatte. Auf dem Weg in eine Welt, in der man öfter an die Grenzen des Verständnisses gebracht wird.

    Die Schule ist nicht irgendeine Schule. Es ist eine salafitische Schule, eine Schule, die als Ausbildungsstätte für Islamisten der westlichen Welt gilt. Daniel Schneider, Mitglied der Sauerland-Gruppe, inzwischen zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt, weil er Anschläge auf Flughäfen und Diskotheken in Deutschland plante, hat das Qortoba Institute for Arabic Studies besucht. Eric Breininger hatte laut Bundesanwaltschaft vor, hier Unterricht zu nehmen. Er starb zuvor als Gotteskämpfer in Pakistan, vermutlich im April 2010. Ich habe mich dort eingeschrieben, um einige der Schüler kennenzulernen, denn wenn Journalisten über junge Männer aus dem Westen berichten, die Terroristen wurden, dann recherchieren sie oft in ihrem Umfeld. Mit ihnen sprechen können sie nicht mehr. Weil die jungen Männer im Gefängnis sind oder tot.

    Nach drei Stunden Fahrt von Kairo und drei Beinahe-Unfällen bei Tempo 110 fährt der Minibus durch die apokalyptisch anmutenden petrochemischen Anlagen, die vor Alexandria die Straße flankieren. Endlose Rohre und Tanks erstrecken sich kilometerlang vor den Toren der Stadt. Die Reste des großen Salzsees mit seinen rosa changierenden Ufern ziehen an den getönten Fenstern vorbei, und sein muffiger Geruch hängt noch immer im Bus, als dieser in das Chaos des alexandrinischen Straßenverkehrs einfährt. Während man sich im Bus streitet, wo gehalten werden soll, bitte ich den Fahrer, mich an der Corniche rauszulassen. Jener Küstenstraße, einstmals Prunkstraße, die heute mehr Autobahn als alles andere ist.

    Ich stehe am Meer, hole die Marlboros aus der Tasche und rauche. Hinter mir rauscht der Verkehr, und ich ziehe langsam an der Zigarette. Rauchen werde ich die nächsten vier Wochen nicht können. Rauchen ist verboten, wie so vieles andere auch. So sehen es die Salafiten. Ein wenig nervös mache ich mich, den Seesack auf dem Rücken, auf den Weg zur Schule. Winke mir ein Taxi und fahre nach Miami, dem Stadtteil, in dem die Schule liegt. Miami ist ein belebter Stadtteil im Osten Alexandrias. An der Hauptstraße reihen sich Bademodeläden an Schuhläden an Kleidungsläden. Man kann Bier kaufen und Negligés, die der Phantasie nur wenig Spielraum lassen. Die Strände sind überfüllt, und in den Schischa-Cafés an der Corniche sind selten Plätze zu finden. Es herrscht lebensfrohes Treiben auf den Straßen.

    Ich steige am Automobilclub aus, der herrschaftlich auf einer kleinen Landzunge liegt, und wandere vom Meer weg durch die engen Häuserschluchten, hin zur Schule. Ein staubbedeckter kleiner Baum steht vor dem Hochhaus, in dessen beiden unteren Stockwerken die Schule untergebracht ist. Daneben, wie letztes Jahr, der kleine Lebensmittelladen. Ich hatte mein Kommen für vier Uhr angekündigt. Es ist kurz vor vier, und die Schule ist geschlossen. Spätestens jetzt bin ich wieder in Ägypten angekommen. Spätestens jetzt will ich wieder rauchen, aber die Kippen hatte ich, in einem kleinen melodramatischen Akt, an der letzten Ecke weggeworfen. Ich klopfe mehrmals. Vergeblich. Der Hausmeister des Hauses, den ich schlafend in einem kleinen Kabuff im Treppenhaus finde, weiß auch nichts Genaues. Bittet mich zu warten. Telefoniert. Kommt zurück. Weiß noch immer nichts. Ich rufe in der Schule an und höre drinnen dem Telefon beim Klingeln zu. Ein paar kleine Kinder laufen vorbei, den obligatorischen Gruß auf den Lippen: „Hello, Mister, what’s your name? Welcome to Egypt." Ohne eine Antwort abzuwarten, laufen sie lachend davon.

    Mit Flug, Umsteigen, weiterem Flug, Ankunft in Kairo, Fahrt nach Alexandria bin ich nun gute 24 Stunden auf den Beinen. Mein Verlangen nach einer weiteren Odyssee hält sich in Grenzen. Hatte man die Schule geschlossen? Dass der ägyptische Geheimdienst ein Auge auf die Schule hat, erzählte man sich schon im letzen Jahr. Mubarak, damals noch an der Macht, investierte viel, um die Muslimbrüder möglichst klein zu halten, die Salafiten schätzte das Regime noch viel weniger. Unter der aufmerksamen Beobachtung diverser Nachbarn an ihren Fenstern versuche ich, durch die schmutzigen Scheiben einen Blick in die Schule zu werfen. So weit sieht alles normal aus. Eine Tafel, ein paar Tische, Stühle. Sollte die Schule geschlossen worden sein, hat man seitdem keinen Handschlag getan. Nicht dass mich das besonders verwundern würde, für wahrscheinlich halte ich es aber nicht.

    Ich gehe eine Schachtel Zigaretten kaufen und suche ein Internetcafé, in der Hoffnung, auf der Seite der Schule eine Mobilfunknummer zu finden. Internetcafés gibt es mittlerweile in der gleichen Häufung wie Lebensmittelläden. Ich nehme das erstbeste und lasse mich zwischen einer Horde kleiner Jungs nieder, die damit beschäftigt sind, einander in die Luft zu jagen. Mit dem Klang virtueller Maschinengewehre im Hintergrund telefoniere ich diverse Nummern ab. Niemand hebt ab. Nirgendwo. Ratlos sitze ich da und rauche. „Schieß! Schieß! Schieß!, kreischt es neben mir. „Scheiße, Scheiße, Scheiße!, denke ich. Ich rauche. Dass Verabredungen hier nicht unbedingt von großer Bedeutung sind, ist nichts Neues, und jeder, der sich hier über verpasste Termine aufregt, schaufelt seinen Nerven ein frühes Grab. Dass die Schule jetzt aber geschlossen ist, dass niemand zu erreichen ist und meine ganze Recherche beendet scheint, bevor sie begonnen hat, geht mir furchtbar auf die Nerven. Willkommen in Ägypten, denke ich mir.

    Ich beschließe, eine Nacht drüber zu schlafen und morgen zu entscheiden, was zu tun ist. Ich laufe die Hauptstraße entlang, die ein wenig landeinwärts, parallel zur Corniche, verläuft. Dessousläden, Haushaltswarenläden, eine beeindruckend große Menge Schuhläden. In den Rinnsteinen türmt sich Müll, darauf Heere an Fliegen, es riecht nach Abgasen, Kaffee, Gebratenem und Abfall. Bei dem Zeitungshändler, der wie letztes Jahr stolz die arabischen Mein-Kampf-Ausgaben in erster Reihe liegen hat, biege ich wieder ab, Richtung Meer, winke mir, auf ein Neues, ein Taxi und lasse mich zum Maidan Saad Zaghloul fahren.

    Der Taxifahrer ist Anfang zwanzig, ägyptische Popmusik plärrt aus den Boxen.

    „Where are you from, Mister?"

    „Germany."

    „Ah, Germany!"

    Ich erkenne schon an der Tonlage, was jetzt kommt. Ich habe dieses Gespräch schon Hunderte Male geführt. Ich habe keine Lust. Die Müdigkeit drückt, die Realität verwischt an den Rändern, draußen fliegt die Bucht von Alexandria vorbei. Zwei graue Kriegsschiffe heben und senken sich, in mattem Gold liegt die Abendsonne auf den im Wind gebeugten Palmen.

    „Very good country."

    „Ah."

    „Very strong people, like the Egyptians."

    „Ah."

    „Yes, you had Hitler, very strong man. He cleaned all the dirt."

    „No, he didn’t."

    Ich stecke mir die Kopfhörer in die Ohren. Es bringt nichts, das Thema hier zu diskutieren. Nicht mit Taxifahrern. Man kommt zu keinem Punkt. Es gibt in Marsa Matruh, einem Kaff westlich von Alexandria, einen Rommel Beach, ein Rommel House, ein Rommel Hotel. Man kommt rational nicht dagegen an. Ich habe mir den Mund fusselig geredet, unzählige Male. Der Fahrer schaut ein wenig enttäuscht. Ich schaue aufs Meer. Am Saad-Zaghloul-Platz steige ich aus. Das altehrwürdige Hotel Cecile strahlt weiß in der Abendsonne. Ich gehe daran vorbei, zwei Blocks, biege in eine kleine Seitenstraße und steige die drei Stufen hinein, in das Treppenhaus des alten Kolonialbaus, in dem ich einst wohnte und das im zweiten Stock das kleine Hotel Crillon beheimatet. Ein Treppenhaus mit weitgeschwungenem Aufgang, ein stiller Zeuge einer größeren, einer mondäneren Zeit, die diese Stadt einst sah.

    Auf dem Balkon des Zimmers stehend rauche ich dem Sonnenuntergang entgegen, telefoniere ein weiteres Mal alle Nummern ab, die ich zur Schule fand, und beschließe, mich an die Bar des Cecil zu setzen. Einen Whisky auf die alten Zeiten. Der Muezzin ruft zum Abendgebet, als ich in die Lobby trete, in der einstmals Churchill seine Zigarren rauchte, und die rote Treppe in den ersten Stock gehe. Wie damals Durell, denke ich und bestelle einen überteuerten Whisky. Nach dem zweiten klingelt mein Telefon. Tausend Entschuldigungen, man habe vergessen, dass ich heute kommen wollte, heute war unterrichtsfrei, ich solle doch morgen im Laufe des Vormittags kommen. Draußen steht ein orangefarbener Vollmond über dem Gummibaum vorm Fenster. Ich trinke einen letzten Whisky, den letzten für vier Wochen, denke ich.

    Vom Whisky und der Müdigkeit in milden Rausch versetzt, stehe ich später an der kleinen Steinmauer vorm Meer. Unten schimmert heller Müll im Wasser, weiter draußen die Lichter der Fischerboote. Der Wind trägt Salz vom Meer, der Geruch von gegrilltem Mais weht von den Bauchläden der Verkäufer herüber. Ich trinke noch einen Tee in einem der Cafés an der Corniche und gehe zurück zum Hotel. Alexandria ist eine seltsame Stadt. Man spürt an jeder Ecke, was sie einst war, und an jeder Ecke ist man traurig zu sehen, was sie heute ist.

    Am nächsten Morgen fahre ich zur Schule. Ein paar Schüler in Galabia und mit je nach Alter ausgeprägten Bärten sitzen im Eingangsraum. Zwei Stockwerke, fünf Klassenräume, zwei Aufenthaltsräume, so sieht die Schule aus. Es hat sich nichts verändert seit dem letzten Mal. Die Goldfische schwimmen noch immer ohne Licht im nur halb gefüllten Aquarium. Die Gelder aus den saudischen Stiftungen, die die Schule unterstützen und ärmere Schüler mit Stipendien ausstatten, scheinen für die Fische nicht zu reichen. Die Schüler der Schule können in schuleigenen WGs wohnen. Was ich letztes Jahr um jeden Preis verhindert hatte – ich hatte mich in einer maßlos überteuerten Dachgeschosswohnung am Meer eingemietet –, ist dieses Jahr unabdingbarer Teil der Recherche. In einer dieser WGs werde ich die nächsten Wochen wohnen. Doppelstockbetten, denke ich, viele junge Männer in einem Raum, Tage aus Beten und Lernen, permanente Kontrolle, denke ich, und harre dessen, was da kommen soll.

    Vor einem Jahr hat es mich eher zufällig an diese Schule verschlagen. Mein Professor hatte mir auf die Frage, ob er eine Schule in Alexandria empfehlen könne, diese genannt. Ein wenig religiös seien sie dort, hatte er gesagt. Ich wusste damals noch nicht, dass Teile der Sauerland-Gruppe, die sich 2007 daranmachte, amerikanische Einrichtungen in Deutschland in die Luft zu jagen, hier lernten, auf ihrem Weg in den Fundamentalismus. Ich wusste

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