Treue ist der Liebe Kern: Die Geschichte einer unvergesslichen Begegnung
Von Eva Anders
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Über dieses E-Book
Durch die persönlichen, aber auch gesellschaftlichen Verhältnisse der Nachkriegszeit bleiben sie sich lange Zeit nur durch Briefe verbunden. Doch immer wieder finden sie Mittel und Wege, sich zu sehen und sich ihrer Liebe zu versichern - obwohl sie weit voneinander entfernt leben.
Eine Liebesgeschichte, die mit all ihren Höhen und Tiefen für die Erfahrungen einer ganzen Generation steht, deutsch-deutsche Geschichte streift, im privaten Familienglück endet und zuletzt einen großen letzten Beweis erbringt, als Eva den schwer erkrankten Andreas pflegt.
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Buchvorschau
Treue ist der Liebe Kern - Eva Anders
wahren.
Der Studentenball
Ich saß im Zug auf dem Weg von Hamburg nach Kiel. Eigentlich hatte ich überhaupt keine Lust, zu dem Studentenball zu gehen, aber fürs Aussteigen war es viel zu spät. Der Familienclan glaubte, mir mit dieser Idee eine Freude zu machen. Mein Bruder war Mitglied einer Studentenverbindung und hatte mich auserkoren, mit seinem besten Freund Dietmar diesen Ball zu besuchen.
Als ich in Kiel ankam, holte er mich vom Bahnhof ab. Langsam wanderten wir zu seiner Studentenbude und gönnten uns erst einmal eine Tasse Tee. Wir redeten so viel, dass ich plötzlich nur noch sehr wenig Zeit hatte, mich für den Ball hübsch zu machen. Zwei Ballkleider hatte ich zur Auswahl mitgenommen. Die Entscheidung zwischen beiden wurde zu einem richtigen inneren Kampf, weil ich mich in keinem der Kleider wohl fühlte. Auch die Meinung meines Bruders half mir nicht. Wie sollte er das als Mann auch beurteilen? Dann setzte sich aber mein Dickkopf durch, und ich zog kurzentschlossen wieder ein ganz normales Alltagskleid an. Es hatte einen Stufenrock, der mit dem darunter getragenen Petticoat sehr hübsch aussah. Die Strümpfe ließ ich weg, trug aber sehr schicke Pumps. Mein langes Haar band ich zu einem Pferdeschwanz. So gefiel ich mir wieder: ganz junges Mädchen und nicht so unnatürlich »aufgedonnert«.
Pünktlich holte mich Dietmar ab. Es war ein für den hohen Norden besonders lauer Abend. Der Kieler Jachtclub lag sehr idyllisch an der Förde, und als ich den großen Festsaal sah, fand ich plötzlich doch Gefallen an dem Gedanken, bald zu tanzen. Als ich mit Dietmar kurz darauf am Tisch saß und meine Blicke über die anwesenden Herren schweifen ließ, fand ich aber keinen auf Anhieb attraktiv. Dann aber fiel mein Blick ins Foyer … und da stand er plötzlich: groß und lebendig, umringt von einigen älteren Herren. Als hätte er meinen Blick gespürt, drehte er sich um und schaute direkt zu mir herüber. Als die Tanzmusik begann, stand er binnen Sekunden vor mir und bat höflich um den ersten Tanz. Alles schien auf einmal wie verzaubert. Wir ließen keinen Tanz aus, es hatte sofort ganz heftig zwischen uns gefunkt. Zu Rock and Roll wirbelten wir bis zum frühen Morgen über die Tanzfläche. Ich wusste nicht viel mehr von ihm als seinen Namen: Andreas. Und doch wusste ich, ahnte ich, dass sich gerade mein Leben veränderte. Ich war wie beseelt.
Andreas war auf seiner Vespa mit einigen Zwischenstopps von Tübingen bis Kiel gefahren, um am Ball teilzunehmen. Nach dem letzten Tanz bot er mir an, mich auf seiner Vespa zu meinem Bruder nach Hause zu fahren. Aber eigentlich wollte er sich noch nicht von mir trennen und schlug vor, ein wenig an der Förde spazieren zu gehen. Nur zu gern willigte ich ein. Alles war mir recht, um den Abschied hinauszuzögern. Am Arm von Andreas über die Promenade zu schlendern, war traumhaft. Die Luft war mild und man konnte sehen, wie sich winzige Wellen auf der Förde kräuselten. Wir vergaßen völlig die Zeit, obwohl mich mein Gewissen drängte, endlich bei meinem Bruder aufzutauchen.
Schließlich fuhren wir los, wegen meines Petticoats musste ich im Damensitz hinter Andreas sitzen. Kurz vor unserem Ziel hielt er sein Gefährt an, stieg ab, nahm mein Gesicht in seine Hände, küsste sanft meine Stirn und sagte: »Du wirst meine Frau, hörst du?!« Seelenruhig stieg er dann wieder auf die Vespa und fuhr weiter. Bei meinem Bruder blieben wir noch ein wenig, bis ich wieder nach Hamburg zurückfahren musste. Wir nahmen Abschied voneinander, allerdings nicht ohne uns fest zu versprechen, in ganz engem Kontakt zu bleiben.
Während der Zugfahrt lief das Erlebte nochmals wie ein Film vor mir ab. Wir kannten uns doch kaum und schon ein Heiratsantrag? Diese Schnelligkeit, mit der Andreas vorging, war für mich neu. Das war sensationell, das überbot alles, was ich zuvor erlebt hatte.
Ich studierte damals Englisch mit dem Ziel, Dolmetscherin zu werden. Es war schwierig gewesen, in Hamburg eine Bleibe zu finden, weil diese Stadt besonders durch die Bombardements der Alliierten gelitten hatte. Nach langem Suchen war ich in einem kümmerlichen Zimmer eines Studentenwohnheims untergekommen. Allerdings musste ich dieses Zimmer noch mit drei anderen Mädchen teilen.
Kaum war ich in meiner Behausung angekommen, wurde ich ins Sekretariat gerufen. Was sollte das? Nur für etwas Dringliches, in Ausnahmefällen wurde man dort hinzitiert. Ich war sprachlos, als ich unversehens Andreas in voller Lebensgröße erblickte. Er war mir tatsächlich mit der Vespa nach Hamburg gefolgt! Wir gingen an die Alster und setzten uns nach einem ausgiebigen Spaziergang auf eine Bank mit besonders schönem Blick auf den Fluss. Wieder war es ein lauer Abend. Plötzlich legte Andreas meine Hand in die seine und machte mir ganz offiziell einen Antrag. Ich war überwältigt vor Glück, sprachlos und auch ein wenig ängstlich. Wir waren doch noch so jung und hatten noch kein »Strickmuster« für unsere Lebensplanung. Das stand einer festen Bindung noch im Weg. Andreas musste sein Studium in Tübingen fortsetzen, promovieren und für mindestens ein halbes Jahr nach Amerika gehen. Ich wollte erst Dolmetscherin werden und noch Einiges mehr vom Leben. So sprachen wir über unsere Pläne und vereinbarten, dass wir erst einmal unsere Ziele verfolgen sollten.
Wir versprachen uns aber ganz fest, uns regelmäßig zu schreiben und uns so bald wie möglich wiederzusehen. Immer wieder umarmten und küssten wir uns, es war ein schwerer Abschied.
Andreas ging wieder nach Tübingen, tausende Kilometer trennten uns. Damals war das fast unerreichbar weit weg, was heute lächerlich klingen mag.