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Wassertreten
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eBook198 Seiten2 Stunden

Wassertreten

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Über dieses E-Book

Nouvelle Vague, Steppenwolf, Paul Celan, Eric Rohmer, Tocotronic, Serge Gainsbourg, Tarot, I Ging, Bauhaus, Aleister Crowley, Magischer Realismus, Kubismus, Dekonstruktion der Moderne. Ausprobiert, angesehen, gelesen, gehört, drüber nachgedacht. Wohin hat es mich gebracht?

Es ist heiß. Stickig. Drückend. Ich schwitze. Mein Ruf hallt in die Nacht hinaus, aber es kommt keine Antwort zurück. Hallo, ist da jemand? Noch nicht einmal ein Echo. Auch nicht ganz leise, wenn ich still bin und versuche fast geräuschlos zu atmen.

Mein Name ist Marc Victor. Ich bin ein Primat. Aber ich fühle mich wie ein gestrandeter Wal. Gefangen im Bermudadreieck zwischen St. Pauli-Hafenstraße, Timmendorfer Strand und einer uninspiriert möblierten 1-Zimmer-Wohnung in Barmbek-Nord. Armselig nach Luft japsend. Fehl am Platz. Auf der Suche. Günstig in gute Hände abzugeben. Triefend vor Selbstmitleid. Kann ich gut. Es dämmert mir, dass ich mein Schicksal selber in die Hand nehmen muss.

Dies ist die Geschichte des Sommers, in dem sich alles ändert.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum13. Dez. 2016
ISBN9783739623634
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    Buchvorschau

    Wassertreten - Till Jan Hentschel

    Titel

    Wassertreten

    Roman

    von

    Till Jan Hentschel

    Text Copyright (C) 2015 Till Jan Hentschel

    Cover: Volker Emm

    Lektorat: Sigrid Limbach

    Alle Rechte vorbehalten

    Prolog

    Der Tropfen verharrte eine Zeit auf der Stelle, während er langsam aber stetig an Volumen zunahm. Ebenso wie das Volumen, so vergrößerte sich auch der Drang in ihm seinen momentanen Aufenthaltsort zu verlassen. Die Neugier trieb ihn um, dass es irgendwo da draußen mehr geben musste. Etwas, das sich zu entdecken lohnte. So setzte er sich schließlich langsam und mit einer fast würdevollen Trägheit in Bewegung. Erst durchquerte er ein wahres Dickicht von Haaren mit fast dschungelähnlichen Ausmaßen. Dann kämpfte er sich durch eine kleine Senke dicht am rechten Auge vorbei, ehe er mit der Wange eine größere Freifläche vor sich hatte, auf der nur kurze Haarstoppeln seinen Weg kaum merkbar bremsten. Am Kinn hielt er kurz inne und überlegte, ob er den direkten ungeschützten Weg des Fluges hinab wählen oder weiter im Schutze des Körpers langsam hinabgleiten sollte. Er entschied sich nach kurzer Abwägung der Risiken für Zweiteres. Ein Moment des Bangens, dann war die schwierige Etappe vom Kinn bis zum Hals gemeistert und es ging wieder zügiger abwärts. Unter sich spürte er jetzt das sanfte Pulsieren der Halsschlagader, das ihn weiter trieb, bis die Wölbung der Schulter die Geschwindigkeit erneut verminderte. Einen Moment verharrte der Tropfen dort, betrachtete das Panorama der Umgebung, die er, als sie sich in ihm spiegelte, komplett in sich aufnahm. Doch nicht nur er war in Bewegung, sondern auch der Körper, der ihn trug und so führte diese Dynamik dazu, dass er sich langsam wieder in Bewegung setzte. Anfangs führte der Weg ihn seitwärts, ehe er kurz hinter der Achsel wieder die Richtung nach unten einschlug, und schließlich in der leichten Vertiefung, die sich am Oberarm zwischen Tri- und Bizeps fand, weiterreiste. Die Energie des vor- und zurückschwingenden Armes lenkte ihn dann langsam in Richtung Armbeuge. Nach einer unerwartet ruckartigen Armbewegung landete er nun unverhofft auf der Oberseite des Unterarms, wo wieder eine ganze Reihe von feinen Haaren sein Fortkommen verlangsamte. Der Zeitraum, bis er sich schließlich im Adergewirr auf dem Handrücken wiederfand schien dem Tropfen fast unendlich. Dafür traf er dort auf eine Reihe von gleichgesinnten Freunden, die es ebenfalls an diesen Ort verschlagen hatte und die sich nun sammelten, um ein rauschendes Wiedersehensfest zu feiern. Eine plötzliche Aufwärtsbewegung hätte fast den endgültigen Absturz ins Ungewisse zur Folge gehabt, aber geistesgegenwärtig klammerte sich der Tropfen an ein einzelnes, sehr dünnes Haar und ließ sich emportragen, bis der Handrücken kurz die Stirn berührte und den Tropfen wieder an den Ausgangspunkt seiner Reise zurückbrachte. Gestrandet wieder da, wo sein Abenteuer begonnen hatte, aber dafür doch um eine ganze Reihe von Eindrücken reicher.

    1. Aus Vic wird Marc

    Ich wischte mir mit dem Handrücken die Schweißperlen von der Stirn. Wahrscheinlich war Wegwischen in diesem Fall ein sachlich falscher Begriff und ich verteilte sie damit nur ein wenig gleichmäßiger, aber das war momentan eine minderwichtige Sorge. Ich war draußen und ging die Straße entlang auf dem Weg zum Einkaufen. Das dünnste T-Shirt, das sich in meinem Kleiderschrank hatte finden lassen, klebte mir am Oberkörper. Meine Shorts klebten mir an den Beinen. Bei jedem Schritt produzierten meine nackten Füße in den Leinenschuhen ein schmatzendes Geräusch. Das Licht der Sonne hatte eine schmerzhafte Helligkeit und es schien mir, als würden die grellen Sonnenstrahlen satanische Verse in mein Hirn sengen und dort, wo sie auftrafen eine Schneise der Verwüstung hinterlassen. Verbrannte Erde statt blühender Landschaften. Endzeitmetaphorik.

    An der Straße, die ich zu überqueren hatte, war vor kurzem ein kleines Stück ausgebessert worden. Der Geruch nach Teer und Schwefel schien noch immer in der Luft zu hängen. Ich setzte meinen linken Fuß vorsichtig auf den Asphalt. Er fühlte sich weich und nachgiebig an, so als müsste man in ihm wie in Treibsand versinken, wenn man sein volles Gewicht darauf verlagerte.

    Es war noch nicht einmal Mitte Juni und wir hatten bereits eine vierwöchige Hitzeperiode hinter uns, innerhalb derer die Temperaturen selbst nachts kaum mal unter die 30 Grad fielen. Die Hitze ließ mich das Zeitgefühl verlieren und lähmte mich. Mein Tag bestand darin irgendwie die Zeit zwischen Aufstehen und Schlafen gehen zu Überbrücken.

    Und aus Warten. Warten auf etwas, von dem ich noch nicht einmal wusste, was es war. Im schlimmsten Fall wartete ich vergeblich. Unschön.

    Auf der kleinen Rasenfläche hinter dem Mietshaus, in dem ich wohnte, wanden sich verbrannte Halme qualvoll in der Sonne. Risse durchzogen die trockene Erde. Im Haus nebenan war vor drei Tagen eine allein lebende alte Frau aufgefunden worden, die dort wohl schon zwei Wochen tot in ihrer Wohnung zugebracht hatte. Die Nachbarn hatten sich bereits über den unangenehmen fauligen Geruch im Treppenhaus aufgeregt. Ich war froh, dass ich kein Hausmeister war. Beschissener Job.

    Wenn man den Zeitungen Glauben schenken konnte, so gab es momentan eine starke Zunahme von Schlägereien und Vergewaltigungen. Ich fragte mich, woher man bei dieser Hitze die Energie für eine Vergewaltigung nahm. Und warum waren trotz der Hitze, die man schon im Schatten kaum ertragen konnte, die Strände voll. Warum reihten sich an der Nord- und Ostsee die verbrennenden Körper wie die Sardinen in der Dose einer an den Nächsten? Den Zeitungen nach hatten wir einen Jahrhundertfrühling hinter uns mit dem Potential in einen Jahrtausendsommer überzugehen. Für die 'Bild' waren es 'geile heiße Tage' und die 'taz' spekulierte über einen Zusammenhang der Hitzewelle mit dem Treibhauseffekt. Ich fand es in erster Linie ungerecht, dass ich mit meinen Beiträgen für die Krankenversicherung irgendwann die ganzen Hautkrebsspätfolgen bezahlen musste. Und scheiße. Aus Prinzip.

    Mein Name ist Marc-Victor. Eigentlich nur Marc. Früher hieß ich mal Vic, aber ist war unendlich lange her. Marc war ich seit 1987. Da war ich noch in der Schule und es war auch Sommer gewesen. Ein Sommer, wie man ihn als dreizehnjähriger Junge erlebt. Meist war ich früher im Sommer mit meinen Eltern in den Süden geflogen. Nicht die ganzen sechs Wochen, aber zumindest für die Hälfte der Zeit. In diesem Jahr war es anders gewesen. Im Frühjahr war mein Vater arbeitslos geworden. Nach zwanzig Jahren in der gleichen Firma. 1987 war so etwas noch eine Tragödie. Es gab damals noch die Deutschland AG und seinen Job hatte man, um daraus irgendwann in Rente zu gehen und nicht, um alle drei Jahre den Arbeitgeber zu wechseln, weil es im Lebenslauf besser aussah. Damals war alles noch besser gewesen.

    Er kam eines abends nach Hause, stellte seine Aktentasche wie üblich neben die Garderobe und sagte: „die Schweine haben mich gefeuert."

    Er sagte es nicht etwa zornig, nicht verzweifelt oder mit vor Enttäuschung bebender Stimme. Er sagte es fast völlig ohne Emotion mit nur einem sehr untergründigen Unterton von Unverständnis. Es war stimmig so. Mein Vater war kein Mensch, der sein Herz auf der Zunge trug. Er war auch nicht in strengem Sinne verschlossen, denn wenn man ihn nach persönlichen Dingen fragte, so erzählte er bereitwillig und legte auch gerne die Beweggründe offen, die für dieses oder jenes Handeln bei ihm verantwortlich waren, aber er wollte gefragt werden. Oder er fand einfach, dass es doch alles ohnehin für sich sprach und ein jeder erkennen konnte, weshalb er etwas tat. Vielleicht sollte ich ihn irgendwann einmal danach fragen, was er damals bei seinem Jobverlust wirklich empfunden hatte. So lange ich noch die Möglichkeit dazu hatte. Man nahm Eltern immer als etwas selbstverständliches wahr. Sie gaben einem Sicherheit, waren da, wenn man Probleme hatte und bildeten den sicheren Hafen im stürmischen Leben. Bis man irgendwann feststellte, dass sie alt wurden und man langsam aber sicher die Rollen tauschte. 1987 war mein Vater noch alles andere als alt. Eher in der Blüte seiner Jahre.

    Nach diesem kurzen Ausbruch ging er zum Kühlschrank, nahm sich ein Bier, setzte sich ins Wohnzimmer an den Couchtisch, öffnete die Flasche und leerte sie in einem Zug. Ich schaute herein, blieb im Türrahmen stehen und wusste nicht so recht, wie ich mit der Situation umgehen sollte. Er saß einfach nur da, schüttelte den Kopf und starrte in die Gegend. Dann erhob er sich, ging mich ignorierend wieder in die Küche und holte sich ein weiteres Bier. Der Vorgang wiederholte sich noch so einige Male an diesem Abend. Meine Mutter war währenddessen in der Küche zu Gange und kochte Essen.

    Am nächsten Tag hatte er sich wieder gefangen. Die folgenden drei Monate, die er zu Hause verbrachte, bis er wieder einen Job hatte, waren nicht schlecht. Es war das erste Mal, dass ich meinen Vater wirklich im Alltag erlebte und ich weiß bis heute nicht, ob ihn die Situation wirklich nicht mitnahm oder ob er ein begnadeter Schauspieler war und es sich nicht anmerken ließ. Für mich war es klasse. Zum ersten Mal konnte ich dem Einkaufen gehen etwas abgewinnen, weil wir bei Allkauf lange Zwischenstopps in der Elektronikabteilung einlegten. Meine Englischnoten verbesserten sich nachhaltig, weil wir uns eine Zeitlang nur auf Englisch unterhielten. Nachmittags, als es wärmer wurde, fuhren wir häufig an den Elbstrand, schauten uns leicht bekleidete Frauen an und unterhielten uns über Männersachen. Das Einzige, was für mich als unerfreuliche Konsequenz merkbar war, war eben die Reise in den Sommerferien, die in diesem Jahr ausfiel.

    Es war also 1987 und Sommer und statt im Süden frühpubertierend jungen Mädchen nachzustellen, saß ich zu Hause. Glücklicherweise war auch Jo da. Das war sogar fast besser als Malle. Und Jo war nicht nur auch da, er hatte sogar gerade als Erster von meinen Freunden einen eigenen Videorekorder bekommen und wir erlebten verwundert die neue Freiheit unabhängig vom Fernsehprogramm zu kucken was und wann man wollte. Jo hatte 'La Boum' aufgenommen als er zum ersten Mal im Fernsehen lief. Ich war 13 und ich verliebte mich auf der Stelle in Sophie Marceau. Mein Engel. Ich träumte von ihr. Ich schrieb ihr sogar mal mit meinem Schulfranzösisch einen Liebesbrief, aber er wurde nie beantwortet. Vielleicht fehlte es mir nach einem Jahr Sprachunterricht noch an der nötigen rhetorischen Brillianz. Es wäre ansonsten womöglich alles ganz anders gekommen.

    Ihr Gesicht hatte ich vor Augen, als ich meinen ersten feuchten Traum hatte. Meine ersten Wichserfahrungen sammelte ich mit einem Bravo-Poster von ihr. Sophie war das letzte Mädchen, bei dem es reichte ihren Kopf zu sehen um zu kommen. Nicht einmal Spritzspuren konnten ihrem perfekten milchweißen Teint etwas anhaben. Damals als dem Akt der Masturbation noch etwas ganz besonderes anhaftete. Ein achtes Weltwunder, das ich selbst entdeckt hatte und nur für mich alleine besaß. Noch nicht in dem Bewusstsein dieses Gefühl beliebig reproduzieren zu können.

    Den bewussten Brief, den ich ihr geschickt hatte, hätte ich unmöglich mit ‚Vic’ unterschreiben können, schließlich hieß sie ja im Film genauso und so wurde ich Marc. Es war einfacher als ich dachte. Später fand ich raus, dass sie in einem späteren Film mit ihrem Filmvater aus 'La Boum' verheiratet war. Das war fast inzestuös, ein Skandal sozusagen. Es traf mich in dem Moment bis ins Mark und warf einen nachhaltigen Schatten auf unsere Beziehung. Ich verzichtete aber darauf mich wieder umzubenennen, da ich mich mittlerweile an den neuen Namen gewöhnt hatte.

    In der Schule war ich ein guter aber unauffälliger Schüler. Unauffällig war ich in meinem ganzen Leben gewesen. Ein bisschen kritisch, ein bisschen rebellisch, ein bisschen anders aber nie in einem Maße, dass ich wirklich herausstach. Ich kokettierte manchmal ein wenig mit meiner Unauffälligkeit, aber selbst darin blieb ich blass und einfallslos. Ich war nicht der Erste, der ein Mädchen küsste, aber auch nicht der Letzte. Meine erste Freundin hieß Simone, ging in die Klasse unter uns und wir knutschten ab und zu etwas miteinander rum. Meinen ersten Vollrausch hatte ich mit 16 auf einer Skireise. Da hatte ich dann auch das erste Mal Sex, konnte mich aber wegen des Vollrausches weder daran erinnern mit wem genau noch wie es war. Angesichts der Begleitumstände war es wohl trotzdem vergleichsweise unspektakulär gewesen. Jo behauptete, ich wäre mit der dicken Lisa, die schon Anfang Zwanzig war in der Kiste gewesen, aber er verarschte mich damit bestimmt. Blöd, dass ich diesen Filmriss hatte und am nächsten Morgen nur das benutzte Kondom und der unverkennbare Geruch meiner Hand als Indizien geblieben waren.

    Nach der Schule hatte ich erst meinen Zivildienst absolviert und dann unauffälligerweise – so wie alle - angefangen Betriebswirtschaftslehre zu studieren. Die Planung bestand darin, zügig als Diplom Kaufmann abzuschließen, einen soliden Job zu finden, ein bisschen Karriere zu machen und dann vielleicht ein bisschen eine Familie zu gründen und so weiter. Es war alles super. Meine Eltern hatten mir nach dem Abi ein Auto geschenkt, besorgten mir nach dem Zivildienst eine kleine Wohnung in Barmbek und ich genoss die ersten Tage in meiner neuen Freiheit. Und trotz der ganzen Unauffälligkeitskacke war ich natürlich irgendwie der Ansicht, die Welt würde nur auf mich warten und ich wäre der absolute Held. Das Undercovergenie, das im rechten Moment aus dem Schatten tritt mit der Lösung aller Probleme unserer Zivilisation. Das Geheimrezept gegen Krebs, Aids und für den Weltfrieden und die Lösung der Hungersnöte in Afrika im Handgepäck. Derjenige, der die Blinden sehen, die Tauben hören und die Lahmen wieder Höchstleistungen beim Marathon erbringen lässt. Und das Ganze ohne Anflug eigenen Antriebs. Einfach so. Lässig aus der Hüfte. Geil. Postpubertäre Allmachtsfantasien. Gedanken, die ich vorzugsweise nachts vor dem Einschlafen hatte und die mir ein überlegenes Lächeln auf die Lippen zauberten.

    Und dann der Realitätsaufprall. Vorher war ich unauffällig im Mikrokosmos meiner Altersstufe an der Schule mitgeschwommen. Es war eine bunte Ansammlung von Individualisten gewesen. Jetzt fand ich mich in einem Meer der Konformisten wieder und drohte zu ertrinken. Wo waren plötzlich die Ausreißer, die Nonkonformisten, die das Leben interessant machten? Die Ruhestörer und Randalierer, die gegen den Strom schwammen? Stattdessen traf ich auf gesichts- und geschmacklosen Akademikernachwuchs von der Stange. Versammelte junge Männer und Frauen ohne Eigenschaften. Stupide Buchseiten-auswendig-lern-Roboter, die mich in meiner Paradedisziplin, dem unauffälligen in der Masse Untergehen völlig deklassierten und mir im Wettbewerb um den Titel des Oberkonformisten keine Chance ließen. Ich blieb nicht nur blass, ich blieb auch lässig weiter im Schatten. Es ödete mich tödlich an. Wo waren die kritischen Köpfe? Die Guten? Wie sollte die Zukunft unserer Welt angesichts dieses Trauerspiels aussehen? Es wurde von Tag zu Tag, von Woche zu Woche schlimmer und die Betriebswirtschaftslehre bildete erst den Anfang meiner akademischen Odyssee. Ich zog die Notbremse und wechselte den Studiengang. Politik und Germanistik auf Lehramt. Politik hatte ich eigentlich von Beginn

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