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Port Vila Blues: Ein Wyatt-Roman
Port Vila Blues: Ein Wyatt-Roman
Port Vila Blues: Ein Wyatt-Roman
eBook303 Seiten3 Stunden

Port Vila Blues: Ein Wyatt-Roman

Bewertung: 3.5 von 5 Sternen

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Über dieses E-Book

Wyatt erbeutet bei einem Einbruch in dem Haus einer Politikerin $ 50.000 und ein gesuchtes Schmuckstück und hat bald nicht nur die Polizei, sondern auch dubiose Typen am Hals. Doch in diesem Spiel bestimmt Wyatt die Regeln, und Angriff ist die beste Verteidigung. Fernab der Heimat, auf einem Anwesen an den Klippen des tropischen Südseehafens Port Vila, macht er den Drahtzieher ausfindig.
SpracheDeutsch
HerausgeberPulp Master
Erscheinungsdatum24. Nov. 2013
ISBN9783927734708
Port Vila Blues: Ein Wyatt-Roman

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    Wyatt is a crook. Pulling off the successful heist of a mark, one of the items in the safe, in addition to the cash he had been told about, is a very expensive and eminently traceable Tiffany brooch. That brooch was about to cause some serious problems. A gang of crooked cops had lifted the thing in an earlier heist and now they have reason to believe someone was skimming from the take.

    Add Wyatt to your list of favorite crooks alongside Parker and Nolan.
  • Bewertung: 3 von 5 Sternen
    3/5
    Port Vila Blues by Garry DisherSet in Australia, Port Vila Blues is the fifth in Garry Disher's series featuring a thief named Wyatt, who is as skilled at his chosen career as any legitimate professional. He uses his considerable intelligence to scientifically plan his "jobs." He trusts no one, not even his long-time partner, Jardine, but he nearly succumbs to the charms of a "fence" who is interested in a piece he steals from the empty home of Cassandra Wintergreen, a member of the Australian parliament. Jardine, however, has suffered an injury that resulted in minor brain damage, impairing his thinking and memory, so Wyatt must depend on himself. When he discovers that the Tiffany brooch he stole from MP Wintergreen had been previously stolen in a bank robbery by an elusive gang, Wyatt becomes enmeshed in a situation that threatens to spiral out of control, as it involves police on the take and even a judge who uses his position to amass a fortune in stolen treasures.Even though few of the characters are likeable, they are are real, and Disher maintains the pace of the story. It never lets up as it moves from Australia to Vanuatu and back again. Every character in the novel seems to have a double life, and you never know who is the "good guy" and who the "bad guy," if there is such a thing. The Australian slang adds a fun element to the story for American readers, but the story could be anywhere. It is a roller coaster ride where you aren't sure which thieves to root for. Port Vila Blues is a great "cops and robbers" story that will keep you turning the pages.

Buchvorschau

Port Vila Blues - Garry Disher

Port Vila Blues

Ein Wyatt-Roman

Garry Disher

Inhaltsverzeichnis

Kapitel EINS

Kapitel ZWEI

Kapitel DREI

Kapitel VIER

Kapitel FÜNF

Kapitel SECHS

Kapitel SIEBEN

Kapitel ACHT

Kapitel NEUN

Kapitel ZEHN

Kapitel ELF

Kapitel ZWÖLF

Kapitel DREIZEHN

Kapitel VIERZEHN

Kapitel FÜNFZEHN

Kapitel SECHZEHN

Kapitel SIEBZEHN

Kapitel ACHTZEHN

Kapitel NEUNZEHN

Kapitel ZWANZIG

Kapitel EINUNDZWANZIG

Kapitel ZWEIUNDZWANZIG

Kapitel DREIUNDZWANZIG

Kapitel VIERUNDZWANZIG

Kapitel FÜNFUNDZWANZIG

Kapitel SECHSUNDZWANZIG

Kapitel SIEBENUNDZWANZIG

Kapitel ACHTUNDZWANZIG

Kapitel NEUNUNDZWANZIG

Kapitel DREIßIG

Kapitel EINUNDDREIßIG

Kapitel ZWEIUNDDREIßIG

Kapitel DREIUNDDREIßIG

Kapitel VIERUNDDREIßIG

Kapitel FÜNFUNDDREIßIG

Kapitel SECHSUNDDREIßIG

Kapitel SIEBENUNDDREIßIG

Kapitel ACHTUNDDREIßIG

Kapitel NEUNUNDDREIßIG

Kapitel VIERZIG

Kapitel EINUNDVIERZIG

Kapitel ZWEIUNDVIERZIG

Kapitel DREIUNDVIERZIG

Impressum

Zum Autor

Zu den Übersetzern

Pulpmaster Backlist

EINS

Carlyle Street, Double Bay, sieben Uhr an einem klaren, kühlen Dienstagmorgen. Hinter den verschlossenen Türen der von der Straße weit zurückgesetzten Häuser erwachte das Leben, Leute kochten Kaffee oder standen schlaftrunken unter der Dusche. In Wyatts Vorstellung roch es nach Kaffee und gluckerte Wasser in Abflussrohren.

Anders in der Carlyle Street 29. Nach Jardines Informationen würde das Haus in den nächsten Tagen verwaist sein. Es war der Wohnsitz von Cassandra Wintergreen, ihres Zeichens Mitglied des Parlaments und Labor-Abgeordnete für den Wahlkreis Brighton und momentan auf einer Informationsreise in Dili. Salonmarxistin, zählte früher zu den Nationalisten in der ALP, hatte Jardine noch auf den Zettel gekritzelt. Das sagte Wyatt gar nichts. Er ging nie zur Wahl. Und wenn er überhaupt mal Zeitung las, dann in Hinblick auf einen möglichen Coup und nicht irgendwelcher politischer Querelen wegen. Ihn interessierte die Wintergreen nur insofern, als sie 50.000 Dollar in ihrem Schlafzimmersafe gebunkert hatte: Laut Jardine Schmiergeld von einem dankbaren Bauunternehmer, der sie gebeten hatte, sich in eine Auseinandersetzung einzuschalten, bei der es um die Konzeption des Zugangs zu einer Ladenpassage ging, die er in ihrem Wahlkreis errichten wollte.

Wyatt setzte seine Beobachtung fort. Wenn er ein Objekt ausspionierte, achtete er auf alles, mochte es auch noch so banal sein, wohl wissend, dass etwas, was heute unbedeutend war, morgen bereits entscheidend sein konnte. Auskundschaften mit System: zuerst ein allgemeiner Überblick, dann die genaueren Details. Auskundschaften der Wege und möglicher Hindernisse — eine Abfalltonne oder eine Spalte im Pflaster —, die eine Flucht vereiteln könnten.

Die lange Straßenfront des Grundstückes verfügte über zwei Tore, Wegweiser zu einer Auffahrt, die in einer Biegung hinauf zum Hauseingang verlief und von dort wieder hinunter auf die Straße führte. Büsche und kleine Bäume trennten die Vorderfront des Hauses vom Fußweg und schirmten das Haus von den Nachbargrundstücken ab. Das alles roch nach Geld und Selbstbewusstsein.

Selbstbewusstsein. Wyatt war in engen Seitenstraßen groß geworden. Seine Mutter hatte nie über seinen Vater gesprochen und Wyatt besaß keine Erinnerungen an diesen Mann. Sein starkes Selbstbewusstsein hatte sich Wyatt in jenen engen Straßen erarbeitet. Später hatte er Bücher gelesen, beobachtet, zugehört und selbstständig gehandelt und so seine Überzeugungen und sein Selbstbewusstsein kultiviert.

Jardines Grundrisse von Nr. 29 zeigten einen Flur, rechts und links davon zwei große Vorderzimmer und eine Reihe weiterer Zimmer im rückwärtigen Teil des Hauses und in der ersten Etage. Jardine hatte Wyatts Aufmerksamkeit auf drei mögliche Probleme gelenkt. Erstens wurde das Haus einmal am Tag, gewöhnlich um Mitternacht, von einem Sicherheitsdienst kontrolliert; zweitens war die Alarmanlage mit dem örtlichen Polizeirevier verbunden; drittens hatte Jardine die Codes der Alarmanlage nicht beschaffen können, dafür aber die Kombination für den Safe der Wintergreen, ihr Geburtsdatum: 27.03.48. Jardines Jobs basierten auf Informationen, geliefert von Sachbearbeitern aus den Schadensabteilungen der Versicherungsgesellschaften und von Handwerkern, die Alarmanlagen installierten, oder auf Observationsberichten und Protokollen abgehörter Gespräche, zugespielt von korrupten Privatdetektiven. Oder auf der einen oder anderen Bemerkung aus dem Munde eines Maklers, Chauffeurs, Taxifahrers, Bankangestellten, Croupiers oder großmäuligen Klubmitglieds.

Wyatt observierte weitere fünf Minuten. Es war die Variable in jeder Situation, die ihn stimulierte. Er wusste, ohne die ihm zur Gewohnheit gewordene permanente Wachsamkeit büßte er seinen Vorteil ein und das konnte die tödliche Kugel oder eine Klinge oder zumindest Handschellen bedeuten, die sich um seine Handgelenke schlossen.

Es gab immer Unvorhergesehenes, was Planung und Routine sabotieren konnte, einen Verkehrsstau, die leere Batterie, den leeren Safe. Aber auf derartige Zwischenfälle konnte man nie völlig vorbereitet sein, also hoffte man, dass sie sich nie ereigneten. Ereigneten sie sich dennoch, versuchte man, sie so zu nehmen, wie sie kamen, und hoffte, dass sie einen nicht zu Fall brachten. Unbeteiligte Zuschauer waren oftmals das Schlimmste, was passieren konnte. Egal ob Mann, Frau oder Kind, sie waren immer unberechenbar. Gerieten sie in Panik? Stellten sie sich in die Schusslinie? Versuchten sie, den Helden zu spielen? Wyatt hasste es, wenn jemand verletzt oder getötet wurde — nicht weil es ihm nahe ging, sondern weil es die Leute aufregte, insbesondere die bei der Polizei.

Überzeugt davon, dass das Haus leer war, ging Wyatt hinüber zu Nummer 29, jeder seiner Schritte begleitet von einem energischen Knacken seiner Lederschuhe. In seinem dunklen, zweireihigen Mantel, mit Hemd und Krawatte, eine schwarze Aktentasche schwingend, hätte er der erste Geschäftsmann sein können, der an diesem Morgen auf den Beinen war. Bald schon würden Autos rückwärts aus Auffahrten herausfahren, Auspuffgase in der Luft hängen, aber momentan war Wyatt die einzige Gestalt draußen auf den langen Straßen der Wohlhabenden von Double Bay.

Er blieb an der Auffahrt stehen. Direkt neben ihm, im Rinnstein, lag eine zusammengerollte Zeitung. Wyatt hatte sie dort unbemerkt in den frühen Morgenstunden fallen lassen, doch jetzt könnten Beobachter hinter benachbarten Fenstern sehen, wie er sich bückte, die Zeitung aufhob, dastand und unschlüssig die Auffahrt hinaufblickte, als beschäftige ihn die Frage, ob er die Zeitung mitnehmen oder wieder hinlegen solle, wo sie beschädigt oder gestohlen werden könnte. Man sähe, wie er sich entschied. Man sähe ihn die Auffahrt hochgehen, einen freundlichen Fußgänger, der mit der Zeitung gegen sein Knie klopfte.

Die vorderen Fenster waren weder von der Straße noch von den umliegenden Häusern einsehbar. Wyatt schwang die Aktentasche und schlug das Wohnzimmerfenster ein. Sofort fing das Blaulicht über der Eingangstür an zu blinken und Wyatt wusste, dass im örtlichen Polizeirevier die Alarmglocken schrillten. Ihm blieben einige Minuten, kein Grund, etwas zu überstürzen.

Die Zeitung war eng zusammengerollt und in Plastikfolie eingeschweißt. Sie hatte die Härte und Festigkeit eines kleinen Stocks. Wyatt ließ sie unterhalb des Fensters fallen, ging ohne Eile die Auffahrt hinunter und hinaus auf den Bürgersteig.

Eine Straße weiter entledigte er sich des Mantels und der Krawatte; darunter kam eine marineblaue Wendejacke zum Vorschein, in deren Tasche sich eine Mütze befand. Er setzte sie auf und machte sofort den Eindruck, als gehöre er zu dem kleinen Mazda, der nahe der Ecke geparkt war. Rapido Couriers stand an den Seiten des Mazda, in dunklen Schrägbuchstaben. Den Wagen hatte er die Nacht zuvor aus einem Service-Depot gestohlen. Heutzutage war das Fahrzeug eines Kurierdienstes so selbstverständlich wie früher der Lieferwagen des Milchmannes, also rechnete Wyatt nicht mit Fragen, er rechnete auch nicht damit, dass man in Double Bay nach dem Wagen suchen werde. Er stieg ein und lehnte sich zurück, um zu warten, ein Straßenverzeichnis auf dem Lenkrad — ein alter Trick, der immer funktionierte.

Er stellte den Empfänger auf dem Beifahrersitz gerade noch rechtzeitig auf die Frequenz des Polizeifunks ein, um mitzubekommen, wie der Ruf hinausging. Er hörte, wie der Wachhabende die Adresse langsam buchstabierte und Hinweise auf die Straße gab.

»Hat ein Nachbar angerufen?«, wollte eine Stimme wissen.

»Negativ. Die Alarmanlage in dem Gebäude ist mit dem Revier verbunden.«

»Ein herabfallendes Blatt«, mutmaßte der Cop im Streifenwagen. »Tau. Ein Kurzschluss. Wollen wir wetten?«

Eine andere Stimme mischte sich ein: »Nun fahrt schon hin, ihr beiden.«

Es schien, als habe der Cop im Streifenwagen Haltung angenommen, denn Wyatt hörte den Mann sagen: »Sofort, Sarge«, und kurz darauf sah er im Rückspiegel den Streifenwagen mit aufblitzendem Blaulicht die Carlyle Street entlangfahren.

Der Zahnschmerz schlich sich nicht in Wyatts Bewusstsein, sondern fiel mit schneidender Brutalität über ihn her. Nerven zuckten und Wyatt spürte, wie sein linkes Augenlid flatterte. Den Kopf zu bewegen war unerträglich. Es war die bisher schwerste Attacke, die ihn ohne Vorwarnung traf, zu einem Zeitpunkt, wo der Job seine volle Aufmerksamkeit verlangte. Er tippte gegen die Zähne im linken Oberkiefer und suchte nach dem Übeltäter, als könne ihm sein Aufspüren Erleichterung verschaffen. Tatsächlich, da war er.

Er drückte zwei Paracetamol aus dem Folienstreifen und spülte sie mit einer Flasche Apfelsaft hinunter. Dann nahm er ein Fläschchen Nelkenöl aus der Tasche, gab einen Tropfen auf seinen Finger und rieb ihn in seinen Gaumen und vorsichtig über den Zahn. Er hatte das jetzt fünf Tage lang getan. Er wusste nicht, ob die Schmerztabletten oder das Nelkenöl von Nutzen waren. Zumindest verschlimmerten sie die Sache nicht, das musste man beidem zugute halten.

Wyatt blendete den Schmerz aus und konzentrierte sich auf den Polizeifunk. Es war gut, allein zu arbeiten, der Reiz von Planung und Ausführung — und, wenn er ehrlich war, der Reiz der zu erwartenden und der tatsächlichen Gefahr. Er dachte einen Moment lang über diese Jobs nach, die Jardine für ihn auftat. Vor drei Monaten zum Beispiel hatte ein Millionär sie beide angeheuert, um das Silber zurückzubekommen, das er im Rahmen seiner Scheidung an seine Frau hatte abtreten müssen. In einem anderen Fall hatte eine Finanzierungsgesellschaft dafür bezahlt, dass ein bankrotter Bauunternehmer, der mit zwei Millionen Dollar in der Kreide stand, um zwei nicht deklarierte Nolans und einen Renoir erleichtert wurde.

Das Radio knackte. Der Streifenwagen meldete sich: »Falscher Alarm.«

»Erklären Sie das bitte«, sagte der Wachhabende.

Die Stimme klang, als zitiere sie aus einem offiziellen Bericht. »Constable Wright und ich haben uns dem Gebäude genähert und festgestellt, dass ein Fenster, das zur Straße hinausgeht, eingeschlagen wurde. Nach genauerer Untersuchung haben wir auf dem Boden unterhalb des Fensters eine zusammengerollte Zeitung entdeckt. Constable Wright hat sich durch das zerbrochene Fenster Zutritt zum Gebäude verschafft. Das Gebäude ist möbliert, aber leer und unversehrt. Wir erwarten weitere Instruktionen.«

Der Sergeant meldete sich. »Reden Sie nicht lange drum herum, meinen Sie, dass der Zeitungsjunge etwas rigoros war?«

»Sieht so aus, Sarge.«

»Okay, geht wieder rein, schaltet den Alarm aus und dann ab zum Highway. Dort gibt’s einen Stau.«

»In Ordnung, Sarge.«

»Ich werde inzwischen die Sicherheitsfirma anrufen, damit sie jemanden schicken, der sich um das Fenster kümmert.«

»In Ordnung, Sarge.«

Wyatt wartete. Als er den Streifenwagen die Carlyle Street entlangfahren sah, fuhr er rückwärts in eine Seitengasse, stieg aus und überklebte den Rapido-Schriftzug mit einem HomeSecure-Aufkleber. Anschließend zog er einen Overall an, auf dem der Name HomeSecure mit Hilfe einer Schablone angebracht worden war, und fuhr um die Ecke zu Nr. 29, um mit überzeugend gespielter Eile in die Auffahrt einzubiegen. Er hielt vor der Eingangstür, stieg aus, entfernte mit der behandschuhten Hand die restlichen Glasscherben aus dem Fensterrahmen und kletterte über das Fensterbrett ins Haus.

Er ging direkt in das Schlafzimmer. Es war ein merkwürdig flach möblierter Raum: ein Futonbettgestell samt Futon in Knöchelhöhe, eine niedrige Kommode, in einer Ecke ein ebenso niedriger Rattanstuhl, ein Wandschrank, keine Bilder an den Wänden. Einzig die Vorhänge befanden sich über Taillenhöhe und sorgten dafür, dass das Morgenlicht gedämpft auf das Bett fiel. Es war zudem ein asexueller Raum, als gälte Wintergreens Leidenschaft ausschließlich dem Zustandekommen irgendwelcher Deals, aus denen nicht nur sie Profit schlagen konnte, sondern auch jene, die eines Tages ihrer Karriere förderlich sein könnten.

Der Safe verbarg sich unter einem schweren nepalesischen Läufer am Fußende des Bettes. Wyatt hob das Dielenbrett hoch, gab die Zahlenkombination ein und vernahm ein Summen, als das elektronische Schloss sich öffnete.

Er zog die Tür auf und blickte in einen Innenraum von der Größe eines kleinen Fernsehers. Dort befanden sich Stapel von Papieren und Akten, aber nicht die fünfzig Riesen, die Jardine ihm versprochen hatte. Wyatt räumte den Safe aus und klopfte mit den Knöcheln gegen die Seitenwände und den Boden. Er schnaubte. Es war ein doppelter Boden.

Wyatt stieß probeweise gegen die Ecken. Bei der Arretierung des Bodens handelte es sich um einen einfachen Federmechanismus. Wyatt drückte und klappte die Bodenplatte auf.

Die fünfzig Riesen waren tatsächlich da, gebündelt in Zwanzigern, Fünfzigern und Hundertern. Wyatt stopfte sie in die Reißverschlusstaschen im Innenfutter seines Overalls. Fünfundzwanzig für Jardine, fünfundzwanzig für sich.

Er hielt inne. Da lag noch etwas, eine kleine Tasche aus schwarzem Samt. Wyatt griff danach und holte sie heraus.

Der Gegenstand, der jetzt auf seine Handfläche fiel, funkelte sanft im Licht der Taschenlampe. Es war eine Art-déco-Brosche aus den dreißiger Jahren, ein Schmetterling mit acht Zentimeter Spannweite. In Gold gefasste Diamanten von ungefähr zwei Karat bildeten den Körper. Die Flügel waren ebenfalls aus Gold; Kanalfassungen formten geschwungene Reihen aus Diamanten mit Baguetteschliff, die sich mit Reihen runder Diamanten abwechselten. Der Schriftzug des feinen Prägestempels im Gold lautete: Tiffany & Co.

Wyatt steckte den Schmetterling zu den fünfzigtausend Dollar. Jardine kannte mit Sicherheit jemanden, der wusste, wie man damit verfuhr — entweder das Stück, so wie es war, in Übersee an den Mann bringen oder die Goldfassung einschmelzen und die Steine separat verkaufen. Ein hiesiger Käufer schied aus: Die größeren Steine könnten identifiziert und leicht zurückverfolgt werden — möglicherweise waren sie irgendwo registriert und konnten einer Röntgentopografie oder einer Fotografie zugeordnet werden.

Fünf Minuten nach Betreten des Hauses war er bereits wieder draußen und fuhr langsam die Auffahrt hinunter. Am Tor hielt er kurz an und lenkte den Mazda dann auf die Straße. Jetzt waren mehr Leute unterwegs: Kinder gingen zu den Bushaltestellen, Männer und Frauen fuhren in glänzenden ausländischen Karossen zur Arbeit. Alle sahen adrett und gesund aus, und das war auch schon alles, was Wyatt registrierte.

ZWEI

Als Ansetts erster Frühflug aus Sydney am Mittwochmorgen in Melbourne landete, spielte Wyatts Zahn verrückt. In dem Bewusstsein, dass man am ehesten beim Warten am Gepäckband geschnappt werden konnte, reiste Wyatt stets mit leichtem Gepäck. Er hatte eine Reisetasche bei sich, mit Kleidung zum Wechseln, die er um den Tiffany-Schmuck und die fünfzigtausend Dollar gewickelt hatte. Obwohl er einen falschen Pass benutzte, vermied er nach Möglichkeit, eine Spur von Dokumenten zu hinterlassen; folglich ließ er die Schalter für Mietwagen links liegen und nahm sich ein Taxi.

Dreißig Minuten bis zur Ausfahrt Brunswick Road, und selbst dort standen die Autos Stoßstange an Stoßstange. Er sah auf die Uhr: Es war acht Uhr morgens. In Coburg mussten sie inzwischen wach sein.

Der Taxifahrer bog links in die Brunswick Road ein und fuhr weiter Richtung Osten.

»Ich würde die Sydney Road gern umfahren«, sagte er, »wenn Ihnen das recht ist.« Wyatt nickte. Die Sydney Road führte direkt nach Coburg, doch er wusste, dass sie jetzt, zur Hauptverkehrszeit, durch die Straßenbahnen und Schwertransporte völlig dicht war. Ein paar Querstraßen vor der Sydney Road bog der Fahrer links ab und schlängelte sich nach Coburg hinein — eine Gegend mit überhitzten kleinen Straßen und Wheatherboard-Häusern —, um Wyatt schließlich an der Einmündung zu einer asphaltierten Sackgasse abzusetzen. Die Sackgasse hatte die Länge von zehn Häusern. Wyatt stieg aus, bezahlte, vergewisserte sich, dass niemand ihm gefolgt war, und ging dann zu dem weißen Weatherboard-Haus, in dem Jardines langsames Sterben womöglich bereits begonnen hatte.

Jardines Schwester öffnete die Tür. Sie sah verhärmt aus und dünn, in einer plötzlichen Gefühlsaufwallung verzog sich ihr Mundwinkel nach unten, als ihr klar wurde, dass es Wyatt war, der da vor ihr stand. Ein Gesichtsausdruck, den Wyatt nur zu gut kannte, also sprach er ihren Namen mit Vorsicht aus, sanft, beinahe flüsternd: »Nettie.«

Verbitterung schlug um in Verzweiflung und Nettie sagte: »Warum lässt du uns nicht in Ruhe? Wir kommen zurecht. Du weckst nur schlechte Erinnerungen.«

»Hat er das gesagt?«

Sie blickte trotzig zur Seite. »Es tut ihm nicht gut, dich zu sehen.«

»Lass ihn das entscheiden, Nettie.«

Jardines Schwester biss sich auf die Unterlippe, zuckte die Achseln und schlug Wyatt die Fliegengittertür vor der Nase zu, um anschließend über den düsteren Flur in einem hinteren Zimmer zu verschwinden. Das Haus war renovierungsbedürftig und roch drinnen nach Feuchtigkeit und eingepferchten Menschen. Es war nur gemietet. Tapeten, Teppiche, die elektrischen Anlagen und Kunststoffoberflächen stammten allesamt aus den trostlosen späten fünfziger Jahren, und Wyatt hoffte auf den Tag, an dem er Jardine und seine Schwester hier herausholen und angemessener unterbringen konnte.

Nettie tauchte aus dem Dunkel auf und strich sich einige Strähnen kraftlosen Haars hinter die Ohren. Mit ihren ausgeprägten Wangenknochen, den großen dunklen Augen und dem leidgeprüften Blick hätte sie ebenso gut eine Überlebende der Dürrekatastrophe von Oklahoma sein können. Als sie die Fliegengittertür öffnete, damit Wyatt eintreten konnte, sagte sie: »Du sollst wissen, dass er dich nicht verantwortlich macht, aber wir anderen tun es.«

Wyatt blieb stehen und starrte sie an. Seine Stimme war kalt, sachlich und distanziert, nicht die Spur einer Gemütsregung schwang mit, als er erwiderte: »Nettie, er kannte die Risiken.«

Jardine entstammte einer Familie halbseidener Gebrauchtwarenhändler, die auch schon mal etwas verkauften, ›was vom Lastwagen gefallen war‹. Sie waren stets vorsichtig und hielten sich Ärger vom Leib. Die Schussverletzung am Kopf, die sich Jardine vor sechs Monaten bei einem Job mit Wyatt zugezogen hatte, war ein unvorhersehbares Ereignis, etwas, was jedem hätte passieren können, doch in Jardines Familie war dergleichen zum ersten Male vorgekommen und außer Jardine gaben alle Wyatt die Schuld.

»Er kannte die Risiken«, sagte Wyatt noch einmal.

Niemals hätte Wyatt zugegeben, dass eine gewisse Verantwortung auf ihm lastete — nicht in Bezug auf das Risiko, dem er Jardine ausgesetzt hatte, sondern dafür, was seitdem geschehen war. Das erste Zusammentreffen mit Jardine nach dem Job hatte Wyatt einen regelrechten Schock versetzt, die Veränderung im Wesen des Mannes, mit dem er ein gutes Dutzend Dinger erfolgreich durchgezogen hatte und den er mochte und dem er vertraute — soweit Wyatt überhaupt jemanden mochte und ihm vertraute. Sechs Monate zuvor war Jardine aus dem Ruhestand zurückgekehrt, gesund und munter, stets gut gelaunt, um Wyatt bei dem Überfall auf das Mesic-Lager zu unterstützen. Aber nach dem Mesic-Job waren sie in einen Hinterhalt geraten und Jardine hatte sich einen Kopfschuss eingefangen, einen Streifschuss über dem einen Ohr. Wyatt hatte Jardine seinen Anteil ausbezahlt, ihn zu einem Arzt gebracht, der keine Fragen gestellt hatte, und war anschließend in Tasmanien untergetaucht, einem Ort, wo die Leute, die ihn nicht finden sollten, ihn auch niemals fänden.

Er war davon ausgegangen, dass Jardine sich wieder gemütlich zur Ruhe gesetzt hatte, doch der Jardine, den er ein paar Wochen später in Sydney getroffen hatte, war zum Teil einseitig gelähmt, einige Kilos leichter und um einige IQ-Punkte langsamer und begriffsstutziger. Jardine neigte dazu, Dinge zu vergessen. Mit der Miete war er zwei Monate im Rückstand. Seine beiden Räume im Dorset-Hotel in Newtown waren zugemüllt mit Pizza-Kartons und Kaffeebechern aus Styropor und es war offensichtlich, dass er seit Tagen dieselbe Kleidung trug.

Wyatt hatte seinen alten Partner in eine 24-Stunden-Klinik verfrachtet und dort eine Geschichte aufgetischt, um die Wunde zu rechtfertigen, die immer noch als brutaler Schnitt in Jardines Kopfhaut klaffte. »Schlaganfall«, lautete die Diagnose des Arztes. Vermutlich hervorgerufen durch die Verletzung. Jardine brauchte professionelle Pflege. Ob es jemanden gebe, der sich die nächsten Monate um ihn kümmern könne. Einen Freund? Familie? Oder eine Krankenschwester, die ihn rund um die Uhr betreue, sofern das finanzierbar sei.

Wyatt setzte sich mit der Familie in Melbourne in Verbindung. Zwei Tage lang ließ er sich von ihnen beschimpfen. Schließlich willigte Nettie ein, Jardine zu sich zu nehmen. Wyatt hatte gewusst, dass irgendjemand das tun werde. Er wollte nur, dass sie sich auch entsprechend äußerten. »Die Rechnungen zahle ich«, sagte er ihnen.

Nettie war nie verheiratet gewesen. Sie hatte bei Kodak gearbeitet, den Job aber vor einem Jahr verloren und machte sich keine großen Hoffnungen, einen neuen zu finden. Sie war auf das Haus in Coburg gestoßen — ein Dreckloch mit genug Platz für zwei Erwachsene und einer Miete, die Wyatt nicht an den Bettelstab brachte — und dort mit Jardine eingezogen. Was sie auch brauchten — in medizinischer und in häuslicher Hinsicht —, Wyatt bezahlte alles.

Er wusste, es war nur übergangsweise, und er sehnte den Zeitpunkt herbei, wo der große Coup gelang, um Jardine und Nettie für den Rest ihres Lebens versorgen zu können. Um diese Bürde endlich abwerfen und hinter sich lassen zu können.

»Ich verspreche, ich werde ihn nicht aufregen«, sagte er jetzt zu Nettie.

Nettie hatte ihren Standpunkt dargelegt. Sie ließ Wyatt im Flur stehen und öffnete die Tür zu einem der vorderen Zimmer. Mit einer Kopfbewegung sagte sie: »Er ist hinten.«

Wyatt nahm sie sanft beim Arm und gab

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