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Paar für ein Jahr
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eBook348 Seiten5 Stunden

Paar für ein Jahr

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Über dieses E-Book

Die Fortsetzung des Romans "Vom Tanz der Pierrots".

Leas Glück scheint perfekt. Lilia hat sich tatsächlich für sie entschieden und ist bei ihr eingezogen. Doch wie kann sie mit einer Frau zusammenleben, die gerade erst dabei ist, sich selbst zu finden und die so ganz eigene Vorstellungen von einer Beziehung hat?

Ihr bleibt nur ein Jahr, um das herauszufinden ...
SpracheDeutsch
Herausgeberédition eles
Erscheinungsdatum29. Apr. 2013
ISBN9783956090356
Paar für ein Jahr

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    Buchvorschau

    Paar für ein Jahr - Toni Lucas

    pixelio.de

    Lil war hier! Ich saß mit zurückgelehntem Kopf in der fast leergeräumten Küche meiner verstorbenen Großmutter und blies Rauchkringel in die Luft. Lil, Lil, Lil! Drei kleine Kringel verließen in schönster Harmonie und Wohlgeformtheit meinen Mund, stiegen lautlos nach oben, um dann beschaulich zu zerrinnen. Eine Weile schaute ich ihnen versonnen nach. Ich konnte es immer noch nicht fassen, dass sie es wirklich getan hatte. Wieder sog ich an meinem kubanischen Zigarillo und produzierte eine ganze Armada von Kringeln. So gut schaffte ich das sonst nie. Was ein paar Hormone in Wallung so alles bewirkten!

    Neben mir auf dem Campingtisch stand eine halbvolle Flasche Whisky sowie ein mäßig gefülltes Glas. Ohne die Füße von dem Campingstuhl zu nehmen, der mindestens genauso wacklig erschien wie der, auf dem ich saß, griff ich nach dem Glas und nahm einen Schluck. Ich legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen und genoss das warme Gefühl, die goldgelbe Flüssigkeit langsam in Richtung Magen vordringen zu spüren. Ich fühlte mich behaglich. Nur wenn ich ganz tief in mich hineinhorchte, grummelte dort Unbehagen. Ein weiterer Schluck Whisky aber brachte es zum Schweigen.

    Durch das weit geöffnete Fenster kam warme Sommerluft herein. Die Straßengeräusche des schläfrigen Sonntagabends drangen nur gedämpft herauf.

    Die Küchentür knarrte leise. Ich blinzelte zwischen den Lidern hindurch und erkannte Lil. Sie sah verschlafen aus; Falten zogen sich quer über ihre linke Wange den Hals hinab, ihre dunklen Locken räkelten sich medusenhaft.

    Behutsam schloss sie die Tür, lehnte sich mit dem Rücken dagegen. »Hier bist du also.«

    Ich öffnete die Augen etwas weiter, entgegnete jedoch nichts.

    »Ich hab’ dich schon überall gesucht. Seit wann rauchst du?« Lil klang verwundert. Sie trug nunmehr eines meiner Hemden, die viel zu langen Ärmel waren hochgekrempelt. Seitdem sie am Tag zuvor völlig überraschend hier aufgetaucht war, hatten wir es noch nicht geschafft, ihre Koffer auszupacken. Selbst den Slip, den sie trug, schien sie aus meinem Schrank genommen zu haben.

    Ich wandte ihr den Kopf vollends zu. »Tue ich nicht. Nur wenn ich bei Granny bin. Willst du auch einen Schluck?« Ich deutete auf den Whisky und drückte den Zigarillo aus.

    Sie schüttelte den Kopf. »Ist noch ein bisschen früh dafür. Findest du nicht?«

    Ich zuckte die Schultern. Da trat sie hinter mich und ließ ihre Hände in die weiten, kurzen Ärmel meines Hemdes gleiten. Ihre Berührung ließ mich wohlig erschauern, während ich die sanften Küsse auf meinem Hals genoss. Ihr Haar fiel über mich, und sie flüsterte mir ins Ohr: »Was machst du denn hier unten?«

    Eine Welle warmer Zärtlichkeit deckte mich zu. Zugleich spürte ich sie wieder, diese schmerzhaft ziehende Sehnsucht nach Dauer, nach Beständigkeit. Den Wunsch, Lil nahe zu sein, mich förmlich in ihr aufzulösen. Andererseits war da diese panische Angst, sie zu verlieren.

    Dabei schien alles in schönster Ordnung.

    Nachdem Lil gestern morgen im Laden aufgetaucht war und mir mitgeteilt hatte, erst einmal das nächste Jahr, ja besser noch, wenn es gut lief, das Leben mit mir verbringen zu wollen, hatten wir zunächst ihre Sachen in meine Wohnung geschafft. Meine leichte Verärgerung darüber, dass sie mich einfach so überrumpelt hatte, war schnell euphorischer Freude gewichen. Ich hatte nur noch Augen für sie. Und natürlich Hände, Mund, Haut, kurz meinen ganzen Körper.

    Nach heftigem, von Wiedersehensfreude inspiriertem Sex, hatten wir am späten Abend eine Flasche Wein getrunken und über Vergangenes geplaudert. Wir hatten viel gelacht, doch es sorgsam vermieden, über die Zukunft und damit über mögliche Probleme zu reden.

    Immer wieder hatten wir im Gespräch innegehalten, einander nur stumm angesehen, so, als wären wir verwundert darüber, zu dieser Stunde, an diesem Ort einander so nahe zu sein. Es folgten Berührungen, zarte Versuche zu überprüfen, ob die Existenz der anderen auch real war. Dann waren wir zu Bett gegangen. Auch hier zögerndes Aneinanderherantasten, zärtliche Berührungen, sanftes Streicheln.

    Plötzlich wurde mir der Sinn des biblischen »Und sie erkannten einander« viel klarer. Es war, als müssten wir neu zueinanderfinden und doch schien alles so vertraut. Auf Sanftheit folgte Begierde, dann Mattheit, wieder aufflackernde Lust, müde Sattheit. Wir liebten uns bis in die frühen Morgenstunden, bis wir völlig erschöpft und eins miteinander einschliefen.

    Am späten Vormittag dann hatte ich es genossen, Lil beim Aufwachen zuzusehen und dabei in einem Gefühl purer Glückseligkeit zu schweben. Auch sie hatte keinerlei Zweifel daran aufkommen lassen, dass das, wozu sie sich entschlossen hatte, richtig war.

    Nach einem ausgiebigen Frühstück hatte ich ihr meine Stadt gezeigt. Wir stromerten stundenlang durch die Straßen, Gassen und Winkel, die ich so gut kannte. Ich zeigte ihr, wo ich als Kind herumgestrolcht war, welche Ecken ich besonders mochte. Lil, noch immer im hellen Sommerkleid, in dem sie angekommen war, mit einem roten Band im Haar und auf hohen Absätzen, schien die Führung sichtlich zu genießen. Wir alberten herum wie Zwölfjährige. Ich wusste kaum, wohin mit all meinen Gefühlen, hätte aller Welt zurufen mögen: »Schaut her! Diese Frau gehört zu mir! Ist sie nicht umwerfend, einzigartig, wunderbar?«

    Zum ersten Mal seit wir uns kannten, und das waren nun immerhin schon zwei Jahre, verhielten wir uns völlig unbefangen. Wir konnten einander berühren, umarmen, ja sogar küssen, ohne Angst vor Entdeckung und negativen Folgen. Es war einfach großartig. Wir waren wie von einer schweren Bürde befreit. Eine Welle unbeschwerter Freude trug uns durch die Stadt und spülte uns schließlich am frühen Nachmittag in den Garten eines kleinen Restaurants. Nicht, dass ich Hunger gehabt hätte, zu viele Glückshormone vermutlich. Doch Lil klagte über ihre schmerzenden Füße, und ich zog sie einmal mehr mit ihrem Hang zu Stöckelschuhen auf.

    Nach einem leichten Mahl aus Fisch, Salat und Wein verspürten wir jene Mattigkeit, die ein gutes Essen in angenehmer Gesellschaft mit sich brachte. Wir schlenderten nach Hause, Lil barfuß, die Schuhe in den Händen und ihren Arm fest bei mir eingehakt.

    Zu Hause ließ sie sich auf die Couch fallen und verweigerte jede weitere Bewegung. Ich fühlte mich viel zu aufgewühlt, um auch nur an Schlafen denken zu können. Also wartete ich, bis sie eingeschlummert war, und schlich mich dann nach unten in Grannys Küche. Und nun saß ich hier. Eigentlich war also alles in Ordnung. Trotzdem. Ich flüsterte in die dunklen Kaskaden ihres Haars hinein: »Meine Welt ist aus den Fugen!«

    Lil richtete sich auf und zog dabei ihre Hände zurück. Dann trat sie vor mich hin und betrachtete mich forschend. »Schmach und Gram, dass du zur Welt, sie einzurichten, kamst? Meine liebe Princess Hamlet, jetzt wirst du aber melodramatisch. Erstens ist das mein Satz, wenn ich mich richtig erinnere, und zweitens wolltest du doch immer, dass ich zu dir ziehe. Nun bin ich hier, und du verfällst in Trübsal. Hab’ ich irgendwas verpasst?« Sie hob meine Füße vom Stuhl, zog ihn zu sich und setzte sich so, dass sich unsere Knie ineinander verschränkten und ich durch den Stoff meiner Shorts ihre weiche Lebendigkeit spüren konnte. »Liebchen, was ist los mit dir?«

    »Bist du sicher, dass du dir gut überlegt hast, zu mir zu ziehen? Denkst du etwa, du kannst im Zweifelsfall einfach wieder zurück in dein altes Leben, so ganz ohne Schrammen und Getuschel? Glaubst du, du wirst es leicht haben, wenn du an die Schule zurückkehrst? Was hast du denen eigentlich gesagt?«

    Lil schaute mich verblüfft an und beantwortete nur meine letzte Frage, in einem hoheitsvollen Ton. »Ich habe offiziell verkündet, dass ich nach mehr als fünfzehn Jahren Schuldienst ein Jahr Pause brauche, dass ich mich nach dem unbestrittenen Erfolg meiner Ausstellungen neu orientieren möchte. Dazu käme auch die nicht zu übersehende Krise in meiner Ehe, von der ja inzwischen alle wüssten. Deshalb hätte ich mir eine kleine Wohnung in der Großstadt gemietet, um mich volle zwölf Monate auf meine künstlerische Arbeit konzentrieren zu können. Danach würde ich eine Entscheidung treffen, wie es mit meinem Leben weitergeht.« Sie sah mich erwartungsvoll an. »Reicht das?«

    Ich erwiderte ihren Blick voller Zweifel. »Und mich hast du nicht erwähnt?«

    Leichte Röte überzog Lils Gesicht. »Nein.«

    »Warum nicht? Schämst du dich etwa für mich? Volker wird es doch sicher sowieso herumposaunen. Wäre es da nicht pfiffiger gewesen, deine Version zuerst unter die Leute zu bringen? Jetzt blüht der Tratsch doch erst recht!«

    Lil blickte betreten. »Weißt du, es gab einen Zeitpunkt, da wollte ich einfach nur noch weg. Mir war alles zuviel, jedes Gespräch, jede Erklärung. Ich war so froh, als ich das mit der Scheidung endlich in die Wege geleitet und den ganzen bürokratischen Wust meines Sabbatjahres bewältigt hatte, dass mir am Ende die Kraft gefehlt hat. Außerdem waren ja Ferien und keiner da.« Sie zuckte die Schultern. »Lass sie doch reden, was macht das jetzt noch.«

    »Und deine Familie? Was meint deine Mutter zu all dem?«

    »Ach die.« Lil lachte bitter auf. »Die stand schon immer auf Volkers Seite. Was er alles kann, macht und tut. Wen er alles kennt und wie erfolgreich er ist. Was ich doch für ein Glück hatte, so einen Mann abzubekommen, wo ich doch nur Lehrerin bin.« Sie legte eine Pause ein, dann ergänzte sie: »Sie hat meine neue Adresse. Ich habe ihr erzählt, dass ich zu einer Freundin ziehe und sie wie immer anrufen werde.«

    Ich kippelte mit dem Stuhl, musterte Lil kritisch und fragte spöttisch: »Du hast natürlich nicht erwähnt, um welche Art von ›Freundin‹ es sich handelt. Oder täusche ich mich?«

    »Lea, meine Mutter ist einundsiebzig, und sie als konservativ zu bezeichnen, wäre die Untertreibung des Jahres. Volker weiß das auch und wird ihr nichts sagen, egal wie wütend er ist. Zumal er ja selbst einiges auf dem Kerbholz hat. Ich kann nicht alles auf einmal. Lass mich doch kleine Schritte gehen. Bitte.«

    »Wann hast du vor, es ihr zu sagen?«

    Sie zuckte die Schultern. »Bald, hoffe ich. Das wird sich ergeben. Ich rufe sie ja oft an. Oder wir laden sie mal ein – natürlich nur, wenn es dir recht ist.«

    Ich nickte, blieb aber unerbittlich; dieses Gespräch war überfällig. »Und dein Sohn?«

    »Tobias?«

    Ja klar, welcher denn sonst. Hat sie etwa noch einen? Ich brummte zustimmend.

    Lil wurde tiefrot. »Lea, ist das hier die spanische Inquisition, oder was? Genau das ist der Grund, weshalb ich dich nicht vorher angerufen habe. Ich hatte Angst, dass du furchtbar vernünftige Argumente ins Feld führen würdest. Ich hätte dann so furchtbar vernünftig reagiert. Wahrscheinlich hätte ich es mir dann nicht mehr zugetraut, hätte einen Rückzieher gemacht und mich wieder brav in meine Rollen gefügt. Ich habe es so satt, vernünftig zu sein. Müssen wir denn ständig darüber diskutieren, was sein wird und sein könnte? Was die anderen dazu sagen? Und wie moralisch wertvoll und politisch korrekt ich mich zu verhalten habe? Herrgott noch mal! Können wir nicht einfach leben?« Lil hatte sich in Hitze geredet, war aufgestanden und ging nun aufgeregt im Zimmer umher. Sie gestikulierte heftig, stemmte dann entschlossen die Hände in die Hüften und blieb herausfordernd vor mir stehen.

    Ich ignorierte ihre Angriffslust. »Klingt mir ein bisschen nach vorgezogener Midlife-crisis. Und welche Rolle hast du mir in deinem Anti-Vernunft-Szenario zugedacht? Versuchskaninchen? Seitensprung für ein Jahr? Was wird danach? Wenn dein Sabbatjahr vorüber ist? Machst du dann eine Soll-und-Haben-Liste und überprüfst, was dir vorteilhafter erscheint: Suche nach einem neuen Mann mit Haus und Prestige plus geachteter Beruf plus gutes Gehalt oder lesbische Geliebte mit alternativem Freundeskreis plus Szenegelüste plus unsicheres Künstlerinnendasein? Meinst du, du hast bis dahin herausgefunden, was du wirklich willst? Und wenn nicht? Wenn du dich nicht entscheiden kannst? Wirfst du dann eine Münze? Lil, ich bin froh, dass du hier bist, aber ich weiß nicht, ob ich das aushalte. Ein Jahr Bewährung für uns beide, das klingt fast ein bisschen wie eine Strafe, aber doch nicht wie etwas, worauf man sich freuen sollte.« Ich schaute bittend zu ihr hoch.

    Lil ließ die Arme sinken und blickte mich ein wenig resigniert an. »Na toll. Wir sind noch nicht einmal vierundzwanzig Stunden zusammen und streiten uns schon. Ich glaube, ich nehme jetzt doch einen Schluck.«

    Ich sah entgeistert zu, wie sie das Glas zu Dreivierteln füllte, ansetzte und in einem Zug hinunterstürzte. Das ist dreißig Jahre alter Whisky! Ich gönnte mir selten mehr als zwei Fingerbreit des edlen Tropfens. Das war heute nicht anders gewesen. Lil hatte so hastig getrunken, dass der Whisky eine glitzernde Spur von ihrem Mundwinkel bis hinunter in ihren Ausschnitt zog. Sie schien das Gleichgewicht zu verlieren und griff suchend nach dem zittrigen Campingtisch.

    Ich sprang auf, fasste sie bei den Oberarmen und zog sie an mich. »Als Streit würde ich das nun nicht gerade bezeichnen. Aber sollten wir nicht wenigstens ein paar grundlegende Dinge geklärt haben, ehe wir uns in den Alltag stürzen? Wir leben schließlich nicht im luftleeren Raum. Außerdem, meine Süße, das ist Alkoholmissbrauch, was du da betreibst.« Genießerisch folgte meine Zunge der kostbaren Spur.

    Durch den dünnen Stoff unserer Hemden hindurch spürte ich, wie Lils Brüste augenblicklich auf mich reagierten. Ich vergrub meine Nase in ihrer Halsbeuge und atmete tief ein. Sie roch so gut. Ich kostete von ihrem zarten Fleisch und begann vorsichtig die Knöpfe zu öffnen. Einen Augenblick lang spielte ich mit dem Gedanken, ihr das Hemd einfach herunterzureißen, aber ein Hauch von Bewusstsein flüsterte mir noch zu, dass dies eines meiner Lieblingshemden war, das ich nicht einfach so zerstören durfte.

    Lil schaute mir mit einem amüsiert-interessierten Lächeln zu und zog mich ein wenig fester an sich. »So gefällst du mir schon besser.«

    Ich schnaubte und schob ihr das Hemd über die Schultern. Eine Sekunde lang genoss ich den üppigen Anblick, der sich mir nun bot, und strich andächtig über Lils leicht gebräunte Haut. Doch mit dieser Berührung war es plötzlich, als wäre mir eine Sicherung durchgebrannt. Ich tickte förmlich aus. Mit fast schon verzweifelter Gier stürzte ich mich auf Lil, vergrub mich in ihren Brüsten, leckte und biss, streichelte und kratzte, bis ich nicht mehr unterscheiden konnte, ob es lustvoller Schmerz oder schmerzvolle Lust war, die aus Lil herausstöhnte.

    Auch sie konnte sich nicht entscheiden, drängte mich fort und suchte gleichzeitig nach meinem Mund, um mich zu küssen.

    Ich presste sie an die Wand zwischen zwei Fenstern und streifte ihr ungeduldig den Slip herunter. Dann hob ich sie auf die Fensterbank. Für einen Moment war ich selbst überrascht, dass ich das konnte. Mein Kopf versank zwischen ihren Beinen, hielt sich aber nur kurz dort auf. Ihr verlangender Geruch machte mich nur noch unbeherrschter und jeder Biss in ihre Schenkel, jedes Kosten von der inzwischen mehr als feuchten Quelle dauerte mir schon zu lange. Ich wollte sehen, wie sie kam, wollte sie vor Lust schreien hören.

    Entschlossen richtete ich mich auf, schob meine Hand zwischen ihre Beine und drang derb in sie ein. Sie hielt mich mit ihren Schenkeln wie in einer Eisenklammer, fand mit beiden Händen Halt an den Wänden des Fensters und warf sich mir entgegen. Wieder und wieder. Mir war, als hätte ich mein letztes Quäntchen Verstand verloren. Ich hörte und sah nur noch sie, und auch das nur peripher. Erst ihr finaler Aufschrei brachte mich zur Besinnung. Keuchend stand ich vor ihr, ein paar feuchte Strähnen hingen mir wirr ins Gesicht. Ich löste mich vorsichtig aus ihr und begann sie wie entschuldigend zu liebkosen.

    Auch Lil atmete heftig. Dann stieß sie mich zurück und glitt geschmeidig vom Fensterbrett. Sie streifte den Slip über und zog das Hemd zurecht. »Geht’s dir jetzt besser?«

    Ich zuckte verlegen mit den Schultern.

    Sie beäugte kritisch einige unübersehbare rote Stellen an ihrem Oberkörper und an den Schenkeln. »Macht nichts.« Sie zuckte die Schulter. »Ist ja zum Glück Stoff drüber.«

    Nur gut, dass sie die Bissspuren an ihrem Hals nicht sehen kann. Vielleicht sollte ich besser die Spiegel im Haus verhängen? Oje, das wird sicher noch Ärger geben. Ich fühlte mich ein wenig betreten. Das war eigentlich gar nicht mein Stil. Normalerweise achtete ich schon auf die Bedürfnisse meiner Partnerin und war mehr kopf- als bauchgesteuert. »Hab’ ich dir sehr weh getan?« Ich sah sie wie ein reuiger Sünder an.

    »Ich wird’s überstehen. Außerdem.« Sie lächelte. »Es ist ja nicht, dass ich nichts davon gehabt hätte. Volker wird schon nichts sehen, falls ich ihn überhaupt antreffe.«

    Meine Hand, die eben noch spielerisch an Lils Hemd herumgenestelt hatte, stockte. Ich versuchte ruhig zu klingen. »Volker?«

    »Ja, ich fahre morgen noch mal nach Hause. Ich habe einen Anwaltstermin und muss noch ein paar Sachen holen, die nicht mehr in den Wagen gepasst haben. Außerdem muss ich den Anhänger wieder zurückgeben. Keine Angst.« Sie wuschelte beruhigend in meinen Haaren. »Ich komme wieder. Versprochen.«

    Ich atmete tief durch, gab mich völlig entspannt und sagte leichthin: »Morgen also. Soll ich mitkommen?«

    Lil hielt den Kopf schief und sah mich aus zusammengekniffenen Augen spöttisch an. »Willst du sichergehen, dass ich keine kalten Füße bekomme?«

    Ich fühlte mich ertappt, meine Ohren begannen zu glühen.

    Sie fuhr amüsiert fort. »Du willst doch nicht etwa wegen mir die Buchhandlung schließen. Ich glaube, deine Granny würde mir das nie verzeihen. Und was wären wir ohne ihren Segen.« Sie schaute sich im Zimmer um, als suchte sie nach Grannys Geist. Dann fasste sie mich schwungvoll bei den Hüften und zog mich Richtung Tür. »Komm, lass uns essen. Ich habe einen Bärenhunger.« Dann biss sie mich in den Hals. Sozusagen als Vorspeise. Oder war es Rache?

    Wohl doch eher Vorspeise, denn unser Abendessen fiel bescheiden aus. Schließlich hatte ich nicht mit Besuch gerechnet und nur für mich eingekauft. Lil jedoch schien dies nichts auszumachen. Sie verschlang mit Begeisterung mehrere Käseschnitten, während sie gesprächig versuchte, meine Bedenken bezüglich unserer gemeinsamen Zukunft zu zerstreuen.

    Den Rest des Abends verbrachten wir damit, ihre Sachen in meiner respektive unserer Wohnung zu verteilen. Dieses Unterfangen drohte unter anderem daran zu scheitern, dass mein Schrank schlichtweg zu klein war. Um uns herum türmten sich Berge von Blusen, Röcken, Kostümen, Hosenanzügen, Jeans, Tüchern und Dessous. Kurz: alles was eine Frau wie Lil eben trug.

    Nach dem Auspacken des zweiten Koffers ließ ich mich aufs Bett fallen. »Wow, ich habe noch nie eine Frau gekannt, die so viele Klamotten besitzt. Irgendwelche Ideen, wie wir die alle unterbringen? Vielleicht solltest du morgen einen Schrank von zu Hause mitbringen.«

    Lil seufzte und ließ sich neben mich fallen. »Sieht ganz danach aus.«

    Ich zeigte auf die restlichen drei Koffer. »Was ist da drin?«

    Lil überlegte stirnrunzelnd. »Handtücher, Bettwäsche, Tischdecken, Bücher, CDs. Na so was eben.«

    Ich täuschte einen Ohnmachtsanfall vor. Die erwartete Wiederbelebungsmaßnahme erfolgte sofort und zeigte den gewünschten Erfolg. Vorsichtig öffnete ich die Augen und griente Lil an, die über mir war und mich gespannt anschaute. »Können wir das bitte noch einmal wiederholen?«

    Sie gab mir einen kräftigen Knuff. »Kindskopf!«

    Oh, wie habe ich das vermisst. Ich grinste weiter. »Das bitte auch.«

    Lachend entwand sie sich mir. Da stand sie nun mitten im Chaos, blickte auf ihre üppige Habe und raufte sich die Locken. »Was machen wir nun?«

    Ich setzte mich auf und half ihr beim Verzweifeltaussehen. »Wir brauchen definitiv einen Schrank für dich. Am besten einen großen. Lass uns nächste Woche gleich einen kaufen. Besser noch, du machst das allein. Vorläufig habe ich noch niemanden, der im Lesbar aushilft. Die Studenten kommen erst im Oktober wieder. Ich kann da wirklich vor halb sieben nicht weg. Aber du hast ja ein bisschen Zeit und vor allem«, ich griff nach Lils Hand und küßte sie, »das gewisse Händchen dafür.«

    »Denkst du nicht, wir sollten das gemeinsam tun? Er muss dir schließlich auch gefallen.«

    Ich wehrte ab. »Lass es einfach auf uns zukommen. Komm, sehen wir zu, dass wir das Wichtigste unterbringen. Der Rest kann ja erst einmal im Koffer bleiben. Ist das okay für dich?«

    Sie brummte zustimmend und widmete sich wieder ihrem Kleidungsgebirge.

    ~*~*~*~

    Am nächsten Morgen stand ich vor sieben auf. Kurz bevor ich hinunterging, weckte ich Lil.

    Sie blinzelte mich schlaftrunken an. »Du bist schon fertig? Wollten wir nicht zusammen frühstücken?«

    Ich streichelte sie liebevoll. »Du hast so fest geschlafen und dabei so friedlich gelächelt, ich hab’ es einfach nicht übers Herz gebracht, dich zu wecken. Frühstück steht in der Küche.«

    Sie lächelte ironisch. »Was du so unter Küche verstehst.«

    Sie hatte recht. Außer einem Kühlschrank, einem Tisch und zwei Stühlen gab es dort nur noch einen kleinen zweiflammigen Propangaskocher. Nach der Mammutaktion »Ich trete Grannys Erbe an und renoviere ein ganzes Haus« war ich einfach noch nicht dazu gekommen, hier ein wenig Kultur ins Heim zu bringen. Zugegebenermaßen war es mir bis vergangenen Samstag auch ziemlich egal gewesen. Ich kochte zwar gern, aber es hatte niemanden mehr gegeben, für den ich es hätte tun können. Und für mich allein, da reichte auch eine Dosensuppe. Nun ja, das hatte sich ja jetzt geändert. Gott sei Dank. Ich schmunzelte dem Objekt meiner Begierde zu. »Ich wette, auch dieses Problem wirst du bald gelöst haben.« Dann hauchte ich ihr einen Kuss auf die Wange. »So, ich muss jetzt los. Kommst du dann durch den Laden, wenn du gehst?«

    Lil räkelte sich wohlig. »Klar, ich muss doch sehen, ob du auch ordentlich unsere Brötchen verdienst.«

    Gegen halb zehn erschien sie im hellen Kostüm im Laden. Da ich gerade kassieren musste, dauerte es einige Minuten, bis ich Zeit für sie hatte. Obwohl sie hinter mir stand, spürte ich ihre Ungeduld, und das Klappern ihres Autoschlüssels machte mich nervös. Trotzdem entging mir nicht, wie der Kunde, ein junger Mann Mitte zwanzig, sich ebenfalls nicht so richtig auf das Bezahlen konzentrieren konnte. Immer wieder schielte er zu Lil hin, wobei ihm fast die Augen aus den Höhlen traten. Endlich ging er, nicht ohne an der Tür noch einen letzten Blick zurück auf Lil zu werfen.

    Ich drehte mich zu ihr um. »Herzblatt, wenn du hier so herumstehst, machst du mir die Kundschaft ganz verrückt. Hast du gesehen? Der hat dich fast mit den Augen verschlungen.«

    Lil sah mich irritiert an. »Wer?«

    Sie schien so weit weg, dass ich auf eine Erklärung verzichtete. »Lil?«

    »Ja?«

    »Geht’s dir gut?«

    Sie lächelte schwach. »Geht so. Wird bestimmt besser, wenn ich erst im Wagen sitze.«

    »Soll ich nicht doch mitkommen?«

    Suchend griff sie nach meiner Hand. »Du weißt, dass das nicht geht. Aber danke für das Angebot. Es war meine Idee, noch mal hinzufahren. Da muss ich jetzt auch durch.« Sie hielt meine Hand fest in ihrer. »Ich geh’ dann also mal.«

    »Fahr vorsichtig, und ruf an, wenn was ist.«

    »Sicher, mach’ ich. Wir sehen uns dann heute Abend.«

    »Pass auf dich auf.« Ich wollte ihr einen Kuss zum Abschied geben, doch sie machte eine rasche Bewegung, um sich mir zu entziehen, und eilte mit klappernden Absätzen davon. Hätte ich mir denken können. Schließlich hatte die Ladenglocke gerade schrill gebimmelt und drei junge Leute drängten herein. Das mussten wir also noch ein bisschen üben.

    Durch die Schaufensterscheiben sah ich Lil in ihren BMW einsteigen. Wieder einmal staunte ich, wie mühelos sie trotz Anhänger ausparkte und davonfuhr.

    Obwohl ich nun den ganzen Tag das Handy mit mir herumtrug, damit mir auch ja kein Anruf entging, was ich normalerweise absolut hasste, hörte ich nichts von Lil.

    Es hatte am Vorabend endlich ein paar Tropfen geregnet, und die Stadt bekam wieder etwas mehr Luft, was sich sogleich am Kundenstrom bemerkbar machte. Die Leute wirkten viel aufgekratzter, als in den letzten Wochen, und ließen sich mehr Zeit beim Einkaufen. Ich hatte den ganzen Tag über gut zu tun, und die Einnahmen waren dementsprechend.

    Trotzdem war ich nicht ganz bei der Sache. Ständig musste ich an Lil denken. Wie mochte es ihr ergehen? Würde sie vielleicht doch nicht wiederkommen? Ich war so nervös, dass ich sogar Mühe hatte, mittags die Schnitten zu essen, die ich mir wie üblich mitgenommen hatte, um den Tag zu überstehen.

    Als ich Punkt sechs den Laden schloss, war Lil noch immer nicht zurück. Wo sie nur blieb? Ich schaute alle zwei Minuten auf die Uhr, doch davon bewegten sich die Zeiger auch nicht schneller. Eilig brachte ich die Tageseinnahmen zur Bank.

    Als ich zurückkam, hielt ich Ausschau nach Lils Wagen, doch umsonst. Auch die Wohnung lag in dunkler Stille. Langsam schritt ich den Korridor hinab und warf einen Blick in jedes Zimmer. Ich wusste, dass es unsinnig war, doch ich musste mich beruhigen.

    Die Wohnung war groß, viel zu groß für mich allein. Auf der rechten Seite des Flurs lagen das Bad, das Schlafzimmer und die große Wohnküche nebeneinander. Die letzteren zwei waren durch eine Tür verbunden. Auf der linken Seite gab es drei weitere Zimmer: eines, das ich als Büro nutzte, eine kleine Abstellkammer sowie eines, in dem wir Lils Sachen untergebracht hatten. Der Flur selbst mündete in das große helle Wohnzimmer, das auch eine Verbindung zur Küche hatte.

    Grannys Wohnung unter mir, über deren weitere Verwendung ich mir nach Lils ursprünglicher Weigerung, mit mir zu kommen, noch keine Gedanken gemacht hatte, war gleichermaßen aufgebaut. Schon als Kind hatte es mich fasziniert, dass ich Granny immer wieder entschlüpfen konnte, wenn sie irgendwelche anstrengenden Aufgaben wie Müllrunterbringen oder Saubermachen für mich hatte. Ich musste nur die richtige Fluchtstrategie entwickeln.

    Nach meinem Inspektionsgang ließ ich mich im Wohnzimmer nieder. Wie in all meinen früheren Wohnungen gab es auch hier eine Menge Grünpflanzen, die dschungelartig auf Boden und Fensterbrettern wucherten. Auch das Kissengebirge durfte nicht fehlen. Ich setzte mich allerdings auf die Couch. Nicht zuviel Bequemlichkeit, nur nicht einschlafen und Lils Rückkehr verpassen. Ich gestattete mir nicht einmal, ein Glas Rotwein zu trinken. Wenn ihr was passiert war und ich noch fahren musste!

    Obwohl ich übernervös war, wagte ich nicht anzurufen. Ich wusste, sie hätte mich nur unwirsch angefaucht. Also ließ ich es. Gegen halb neun klingelte es an der Tür. Wie von der Tarantel gestochen, sprang ich von der Couch und hechtete zur Sprechanlage. »Lil, bist du’s?«

    »Erwartest du sonst noch

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